739/AB XXI.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Helmut Dietachmayr und Genossen haben am 4. Mai

2000 unter der Nr. 725/J - NR/2000 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend AVNOJ - Bestimmungen gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Aus dem ehemaligen Jugoslawien sind vom Gebiet des heutigen Sloweniens laut

verschiedenen Schätzungen zwischen 1945 und 1948 etwa 15.000 - 35.000

Deutschsprachige vertrieben, geflüchtet bzw. deportiert worden, wobei nach diesen

Schätzungen rund 5.000 - 12.000 ums Leben kamen.

 

Zu Frage 2:

 

Hierüber gibt es keine verläßlichen Angaben. Als Anhaltspunkt kann dienen, daß im Jahre

1950 bei der Landsmannschaft der Untersteirer in Graz 9.873 Personen als Vertriebene

deutscher Muttersprache aus dem ehemaligen Jugoslawien erfaßt waren.

Zu Frage 3:

 

Dem BMaA stehen dazu keine verläßlichen Angaben zur Verfügung. Die Bewertung von

Vermögen ist im übrigen kein Gegenstand der Vollziehung des Bundes im Bereich des

BMaA.

 

Zu Frage 4:

 

In Art 27(2) Staatsvertrag wurde der Sozialistischen Föderativen Volksrepublik

Jugoslawien das Recht eingeräumt, österreichische Vermögenschaften, Rechte und

Interessen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages auf jugoslawischem

Gebiet befanden, zu beschlagnahmen, zurückzubehalten oder zu liquidieren.

Diesbezüglich bestehen daher keine Entschädigungsansprüche gegen die Sozialistische

Föderative Volksrepublik Jugoslawien. Für Vermögenschaften, Rechte und Interessen

(Vermögenswerte) österreichischer Personen, die auf dem Gebiet der Sozialistischen

Föderativen Republik Jugoslawien durch Art. 3 des Gesetzes vom 28. April 1948 über die

Abänderung und Ergänzungen des Gesetzes über die Nationalisierung von privaten

Wirtschaftsunternehmen nationalisiert wurden und nicht unter die Bestimmungen des

Artikels 27(2) StV fallen, bezahlte die Sozialitische Föderative Republik Jugoslawien an

die Republik Österreich öS 2,400.000,-- als globale und pauschale Entschädigung für die

oben genannten Rechte und Vermögenschaften. Hier bestehen folglich auch keine

Ansprüche der Republik Österreich.

 

Zu Frage 5:

 

Bisher wurden in Slowenien gemäß den dem Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten vorliegenden Informationen im Zusammenhang mit den an der

deutschsprachigen Volksgruppe in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verübten

Verbrechen keine Gerichtsverfahren gegen mutmaßliche Täter oder Beteiligte

durchgeführt.

Zu Frage 6:

 

Laut jugoslawischem Zensus 1991 lebten in Slowenien 1803 Personen, die sich entweder

zu Deutsch als Muttersprache bekannten oder sich als ,,Österreicher" bzw. „Deutsche“

bezeichneten. Die entsprechenden Zahlen betrugen für Kroatien knapp 4000 und für

Restjugoslawien etwa 5000 Personen.

 

Zu Fragen 7 und 8:

 

Österreich hat immer die Auffassung vertreten, daß die nach 1945 erfolgte Vertreibung

und entschädigungslose Enteignung der deutschsprachigen Bevölkerung aufgrund der

Kollektivschuldvermutung der BENEŠ - Dekrete in der ehemaligen Tschechoslowakei und

der AVNOJ - Bestimmungen im ehemaligen Jugoslawien nach heutigen Standards

Menschenrechts - und Völkerrechtswidrig ist. Die AVNOJ - Dekrete wurden aber nicht in die

Rechtsordnung des unabhängigen Slowenien übernommen. Sie wirken jedoch im

slowenischen Denationalisierungsgesetz aus dem Jahre 1991 fort, das mit der aus den

AVNOJ - Bestimmungen übernommenen Kollektivschuldvermutung und der damit nunmehr

verbundenen Beweislastumkehr ehemalige königlich - jugoslawische Staatsbürger

deutscher Abstammung diskriminiert. Diesen österreichischen Standpunkt habe ich bei

meinem Besuch in Laibach erneut dargelegt. Um dieser Diskriminierung

entgegenzuwirken, wird Slowenien in den EU - Beitrittsverhandlungen zu kapital 4 „Freier

kapitalverkehr“ ausdrücklich zur Einhaltung des Prinzips der Nicht - Diskriminierung

aufgefordert, dessen Umsetzung von der EU im Rahmen des Assoziationsabkommens

überprüft wird.

 

Zu Frage 9:

 

Die Aufnahme der EU - Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik und

Slowenien wurde auf Grundlage der Feststellung der Europäischen Kommission, daß die

erforderlichen politischen Kriterien für Beitrittsverhandlungen erfüllt sind, einstimmig von

allen EU - Mitgliedstaaten beschlossen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die

schrittweise Einbindung der beiden Staaten in die europäische Rechts - und insbesondere

Menschenrechtsordnung der richtige Weg ist, noch offene Fragen in den Beziehungen

einer Lösung zuzuführen, die auf gemeinsamen europäischen Standards der

Rechtsstaatlichkeit basiert.