1004 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 27. 2. 2002

Bericht

der parlamentarischen Enquete-Kommission


betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Ver­öffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende

Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Bericht                                                                                                                                                             1 bis  5

2. Empfehlungen                                                                                                                                                 6 bis  8

3. Anlage – Gutachten bzw. Stellungnahmen                                                                                                9 bis 71

4. Anlage – Auszugsweise Darstellung der Beratungen (Zu 1004 der Beilagen)

Die Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen stellten am 13. März 2000 an den Hauptausschuss des Nationalrates den Antrag, eine Enquete-Kommission mit dem Ziel einzusetzen, einen Maßnahmenkatalog zu erstellen, der konkrete Wege zur Lösung der nach­stehenden Problematiken aufzeigt.

Die Spätphase des letzten Nationalratswahlkampfes war durch den Umstand gekennzeichnet, dass sich nach dem Ergebnis einiger Meinungsumfragen mehrere Parteien ein Kopf an Kopf – Rennen in der Wählergunst lieferten. Die Frage, welche Partei zweitstärkste Partei im Nationalrat werden wird, bestimmte über Wochen hindurch den Wahlkampf, so dass eine Unzahl von Spekulationen über das Abschneiden dieser beiden Parteien angestellt wurde und dies zur ausschlaggebenden Frage des Wahlausgangs hochstilisiert wurde, wie im erwähnten Antrag ausgeführt.

Außerdem stand auch die Frage – die durch die Meinungsumfragen unterschiedlich beurteilt wurde –, ob das LIF wieder in den Nationalrat einziehen würde, im Blickpunkt des öffentlichen Interesses.

Auf Grund dieser Umstände wurde die mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch die Veröffentlichung von Meinungsumfragen diskutiert. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß veröffentlichte Meinungsumfragen Einfluss auf das Wahlverhalten haben, wird seit langem unterschiedlich beantwortet. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei „Wahlprognosen“, die in zahlreichen Ländern kurz vor der Wahl nicht mehr veröffentlicht werden dürfen. Das Verbot für die Veröffentlichung von „Wahlprognosen“ gilt meistens für die letzten zwei bis drei Wochen vor dem Wahltermin.

Von den Befürwortern eines restriktiven Umgangs mit Umfragedaten wird vor allem ein Argument ins Treffen geführt: Die Wähler sollten ihre Wahlentscheidung unbeeinflusst von veröffentlichten Umfragedaten treffen. Durch die gezielte Veröffentlichung von Umfragedaten könne das Wahlverhalten auf eine sehr subtile Art und Weise manipuliert werden.

Die Gegner von Veröffentlichungsverboten argumentieren wiederum, den Wählern dürften relevante Informationen wie „Wahlprognosen“ nicht vorenthalten werden. Wie viele andere wahlkampfrelevante Informationen dienten die publizierten „Wahlprognosen“ letztlich als Orientierungshilfe für die Wähler.

Beide Argumente haben etwas für sich. Aber ein entscheidender Aspekt ist in der Diskussion bisher weitgehend vernachlässigt worden: Es geht nicht so sehr um die direkten „Wirkungen“ auf die Wähler, sondern um die indirekten Einflüsse auf den Wahlkampfverlauf.


Während gegen die Veröffentlichung von Umfragedaten, wie Kompetenzzuschreibungen für einzelne Parteien, Images einzelner Spitzenkandidaten usw., in der Regel kaum etwas einzuwenden ist, sind publizierte Wahlprognosen aus mehreren Gründen problematisch:

–      Dem Leser/Hörer/Seher wird eine „Scheinpräzision“ vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Der Hinweis auf Schwankungsbreiten und statistische Fehlerintervalle hat nur Alibi-Charakter. Der durchschnittliche Medienkonsument kann diese rein technischen Angaben nicht sinnvoll einordnen.

–      Eine hohe Treffsicherheit kann die Demoskopie nur leisten, wenn sie ihre „Prognosen“ nicht nur auf die aktuelle Wahlabsichtsfrage, sondern auch auf andere Indikatoren (zB das Wanderungsverhalten gegenüber der vorangegangenen Wahl) stützt.

–      Gerade im Wahlkampf wird die Demoskopie immer stärker zu einem subtilen Manipulationsinstru­ment, mit dem Stimmung erzeugt und Schlagzeilen „gemacht“ werden. Beeinflusst wird dadurch in erster Linie der Wahlkampfverlauf und damit indirekt auch die Wahlentscheidung der Wähler.

Wie der oben erwähnte Antrag weiters ausführt, ist bei allen diesen Überlegungen jedoch das durch Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Weiteren: EMRK) gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung jedenfalls zu beachten. Von besonderer Bedeutung ist hiebei, dass Art. 10 EMRK einen gerechten Ausgleich zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und den damit kollidierenden Interessen der Öffentlichkeit, aber auch den der einzelnen Mitbürger fordert. In diesem Sinn nennt Art. 10 Abs. 2 EMRK öffentliche und private Schutzgüter, die eine Beschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen, vorausgesetzt, dass der jeweilige Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich ist.

Darüber hinaus trat bei der Nationalratswahl am 3. Oktober 1999 erstmalig das Phänomen auf, dass Teil­wahlergebnisse von Sprengeln bzw. Gemeinden mit einem früheren Wahlschluss in Medien und im Internet veröffentlicht wurden. Diese Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergeb­nissen vor dem Schließen der letzten Wahllokale ist durch das Entstehen von Privatsendern und durch das neue Medium Internet zu einem Problem geworden. Die öffentlich-rechtlichen Medien haben die „Sperrfrist 17.00 Uhr“ bisher immer mit großer Disziplin eingehalten.

Eine Option wäre, die Wahlschlusszeiten auch in Landgemeinden generell auf 17.00 Uhr auszudehnen. Die Erfahrungen bei der Europawahl haben aber gezeigt, dass man den Wahlkommissionen den zeitlichen Mehraufwand nicht ohne weiteres zumuten kann. In den Landgemeinden besteht möglicherweise kein Bedarf an längeren Wahlöffnungszeiten. Fraglich ist, ob auch das „Netz“ verbindlich in die „Sperrfrist-Disziplin“ einbezogen werden kann. Die internen Hochrechnungen am Wahlnachmittag sind sowohl für Medien (Vorbereitung der Wahlberichterstattung) als auch für die Parteien (Sprachregelung für die Interpretation des Wahlergebnisses) nützlich.

Der Arbeitsauftrag der Enquete-Kommission wurde im Hinblick auf diese Ausführungen wie folgt umschrieben:

1.      Bestandsanalyse

–       Vergleich der rechtlichen Grundlagen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor den Wahlen in den europäischen Ländern;

–       Analyse der vor den Nationalratswahlen 1999 veröffentlichten Meinungsumfragen sowie deren Auswirkungen auf Inhalt und Form des Wahlkampfes bzw. das Wahlergebnis;

–       Analyse der internationalen Erfahrungen betreffend die Auswirkungen der Veröffentlichung von Vorwahlprognosen auf das Wahlergebnis;

–       Darstellung der Problematik der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergebnissen vor Wahlschluss;

–       Darstellung der Wahlzeiten und des Beginnes der Stimmenauszählung in den europäischen Ländern.

2.      Zu überprüfende Maßnahmen:

–       Beschränkung der Veröffentlichung von Wahlprognosen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor einer Wahl – so wie in einigen europäischen Ländern üblich – im Hinblick auf mögliche Einflüsse auf den Wahlkampf bzw. auf das Wahlergebnis;

–       Maßnahmen, die zu einer Qualitätssteigerung und besseren Beurteilbarkeit von Meinungs­umfragen führen, wie zB die rechtliche Normierung einer Qualitätskontrolle;

–       Maßnahmen zur Unterbindung der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teil­ergebnissen vor dem Wahlschluss, zB durch einheitlichen Beginn der Stimmenauszählung.

Dieser Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission wurde vom Hauptausschuss in seiner Sitzung am 27. April 2000 beraten und unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Johannes Jarolim und Dr. Evelin Lichtenberger, der sich im Wesentlichen auf den beizuziehenden Expertenkreis bezog, einstimmig beschlossen.

Der Enquete-Kommission gehörten von der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Günther Kräuter, Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Peter Wittmann und Dr. Peter Kostelka, vom Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs die Abgeordneten Robert Egghart, Dr. Michael Krüger, Mag. Rüdiger Schender und Jutta Wochesländer, vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Gerhart Bruckmann, Karl Donabauer sowie Mag. Walter Tancsits und vom Grünen Klub die Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic an. In der konstituierenden Sitzung der Enquete-Kommission am 4. Oktober 2000 wurde die Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer zur Vorsitzenden gewählt. Stellvertreter der Vorsitzenden waren die Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Dr. Michael Krüger und MMag. Dr. Madeleine Petrovic. Als Schriftführer fungierten die Abgeordneten Mag. Walter Tancits und Dr. Josef Cap.

Ferner wurden in der konstituierenden Sitzung folgende Beschlüsse gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR gefasst:

1.      Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst zu den Themenbereichen

a)      Vergleich der rechtlichen Grundlagen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen in den europäischen Ländern;

b)     Darstellung der Wahlzeiten und des Beginns der Stimmenauszählung in den europäischen Ländern.

2.      Einholung eines schriftlichen Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller, Institut für Politikwissenschaften, Universität Wien, betreffend nachstehender Themen

a)      Analyse der vor den NR-Wahlen 1999 veröffentlichten Meinungsumfragen sowie deren Auswirkungen auf Inhalt und Form des Wahlkampfes bzw. das Wahlergebnis;

b)     Analyse der internationalen Erfahrungen betreffend die Auswirkungen der Veröffentlichung von Vorwahlprognosen auf das Wahlergebnis;

c)      Darstellung der Problematik der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teil­ergebnissen vor Wahlschluss;

d)     Analyse der möglichen Fehlerquellen für die Ungenauigkeit von Meinungsumfragen.

Weiters wurden das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Inneres, der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, die Landeshauptmännerkonferenz, Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser (Institut für Politikwissenschaft), Günther Ogris, MA, und Mag. Christoph Hofinger (SORA Ogris & Hofinger OEG), Univ.-Prof. Dr. Fritz Karmasin (Gallup-Institut), Univ.-Doz. Dr. Peter Ulram und Prof. Dr. Rudolf Bretschneider (FESSEL-GfK-Institut), Andreas Kirschhofer-Bozenhardt (IMAS-Institut), Dr. Imma Palme (IFES-Institut), Dr. Kurt Einzinger (ISPA-Internet Service Providers Austria), Univ.-Prof. Dr. Erich Neuwirth (Universität Wien), Dr. Wolfgang Bachmayer (OGM GesmbH), Dr. Werner Beutelmeyer (Market-Institut), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Donsbach (ESOMAR), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang R. Langenbucher (Universität Wien – Wirkungsforschung) sowie Vizepräsident Prof. Rudolf Chmelir (VÖZ) um schriftliche Stellungnahmen zum gesamten Problembereich ersucht.

Der Präsident des Nationalrates hat dem Ersuchen der Vorsitzenden, Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, entsprochen, gemäß § 39 Abs. 2 GOG-NR über die Verhandlungen eine auszugsweise Darstellung durch das Stenographenbüro abfassen zu lassen.

Die Sitzungen der Enquete-Kommission fanden am 27. Februar, 2. Mai, 10. Oktober 2001 und 19. Februar 2002 statt.

Als ständige Experten nahmen an der Enquete-Kommission teil:

Dr. Christoph Lanner (BKA), Mag. Robert Stein (BMI), RegRat Mag. Nicolaus Drimmel (Ö. Gemeindebund), Bgm. Dr. Heinz Schaden (Ö. Städtebund), Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser (Institut für Politikwissenschaft), Günther Ogris, MA (SORA Ogris & Hofinger OEG), Mag. Christoph Hofinger (SORA Ogris & Hofinger OEG), Univ.-Prof. Dr. Fritz Karmasin (Gallup-Institut), Univ.-Doz. Dr. Peter Ulram (FESSEL-GfK-Institut), Prof. Dr. Rudolf Bretschneider (FESSEL-GfK-Institut), Andreas Kirschhofer-Bozenhardt (IMAS-Institut), Dr. Imma Palme (IFES-Institut), Dr. Kurt Einzinger (ISPA-Internet Service Provider Austria), Univ.-Prof. Dr. Erich Neuwirth (Universität Wien – Institut für Statistik und Decision Support Systems), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang C. Müller (Universität Wien – Institut für Politik- und Staatswissenschaft), Dr. Wolfgang Bachmayer (OGM GesmbH), Dr. Werner Beutelmeyer (Market-Institut), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Donsbach (European Society for Opinion and Marketing Research – TU Dresden, Institut für Kommunikationswissenschaft), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang R. Langenbucher (Universität Wien – Wirkungsforschung), Vizepräsident Prof. Rudolf Chmelir (Verband Österreichischer Zeitungen – VÖZ)

27. Februar 2001

Diese Sitzung wurde gemäß § 98 Abs. 5 GOG-NR auf Grund eines Beschlusses der Enquete-Kommission öffentlich abgehalten. Entsprechend dem vereinbarten Arbeitsprogramm der Kommission befasste sich diese Sitzung vor allem mit dem Thema „Meinungsforschung vor Wahlen“.

Zunächst erläuterten Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Müller, Institut für Politikwissenschaften, Universität Wien und Dr. Christoph Lanner, Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, die erstellten Gutachten. Danach nahmen Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser, Univ.-Prof. Dr. Erich Neuwirth, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Donsbach und Univ.-Prof. Dr. Wolfgang R. Langenbucher Stellung.

2. Mai 2001

Im Zentrum dieser öffentlich durchgeführten Sitzung stand das Thema „Veröffentlichung von Hoch­rechnungen bzw. Teilwahlergebnissen vor dem Wahlende“.

10. Oktober 2001

In dieser Sitzung setzte sich die Enquete-Kommission mit dem Thema „Veröffentlichung von Meinungs­umfragen vor Wahlen und die damit verbundene Problematik“ auseinander.

Gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR waren zu dieser Sitzung neben den ständigen Experten Vertreter der Medien eingeladen, und zwar

Dr. Ernst Sittinger (Die Presse), Chefredakteur Dr. Gerfried Sperl (Der Standard), Norbert Stanzel (Der Kurier), Chefredakteur Hans Dichand (Neue Kronen Zeitung), Chefredakteur Dr. Erwin Zankel (Kleine Zeitung), Dr. Andreas Koller (Salzburger Nachrichten), Stefan Kappacher (Tiroler Zeitung), Chefredakteur Dipl.-Kfm. Kurt Horwitz (Vorarlberger Nachrichten), Chefredakteur Dr. Hans Köppl (Oberösterreichische Nachrichten), Chefredakteur Peter Pelinka (News), Herausgeber Joachim Riedl (Format), Chefredakteur Herbert Lackner (Profil), Chefredakteur Burkhard Trummer (Die Ganze Woche), Mag. Christian Jungwirth (Verband der freien Radios), Chefredakteur Robert Stoppacher (ORF), Chefredakteur Wolfgang Mayr (APA);

seitens der Privatradios waren folgende Vertreter den Beratungen beigezogen:

Chefredakteur Christoph Mierau (88,6 Der Musiksender), Programmchef Fritz Linner (89,6 Das Musikradio), Chefredakteur Reinhard Witwer (Radio Arabella – Vorarlberg), Wolfgang Gabler (Antenne 1), Ute Pichler (Antenne Kärnten Regionalradio GesmbH), Wolfgang Haupt (Antenne Steiermark), Mag. Maximilian Wild (Antenne Tirol), Chefredakteurin Petra Roth (Antenne Wien), Alexander Schiefer (DIGI Hit Radio), Chefredakteurin Andrea Stolz (Freies Radio Salzkammergut), Anton Gatnar (Radio Stephansdom), Chefredakteur Günther Hosner (LIFE RADIO GmbH), Sabine Mord (Lokalradio Aichfeld-Murboden), Chefredakteur Dr. Enrico Savio (Lokalradio Steyr), stellvertretender Geschäftsführer Erich Holfeld (Antenne Salzburg), Thomas Thurner (Orange 94,0 – Wien), Geschäftsführer Dr. Martin Zimper (PARTY FM NÖ Süd), Programmchef Oliver Veres (PL 1 – Lokalradio-GmbH – St. Pölten), Fritz Kalteis (Radio Energy 104,2 – Wien), Geschäftsführer Thomas Huszlig (Radio Hallein GmbH), Michael Polzer (Radio Maria), Rechtsanwalt Dr. Michael Bauer (Radio FREQUENZ – Steiermark), Karin Stangl (Radio Osttirol), Rainer Ropple (Radio PROTON – Vorarlberg), Chefredakteur Ralf Zinnow (Radio RPN), Chefredakteur Daniel Scherz (Radio WALDVIERTEL), Chefredakteur Michael Wagner (Radiofreunde Radenthein – Kärnten), Chef­redakteurin Marica Stern-Kuschej (AGORA Korotan Lokalradio GmbH – Kärnten), Programmchef Kurt Mayr (U1 – Radio Unterland Tirol), Cordula Schlager (Radio Grün-Weiß – Steiermark), Geschäftsführer Dr. Michael Freismuth (MORA & Partner GmbH – Burgenland), Geschäftsführer Franz Scherz (WKK-Lokal-TV), Chefredakteur Claus Hörr und Geschäftsführer Mag. Bernd Sebor (Krone Hit Radio – Wien).

Die Medienvertreter wurden ersucht, Statements zum Abschluss einer freiwilligen Selbstbeschränkung der Medien bei der Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen abzugeben, und zwar dahin gehend, dass nur Meinungsumfragen veröffentlicht werden, die den Kriterien von ESOMAR entsprechen.


Mündliche Stellungnahmen zu der aufgeworfenen Thematik wurden von Dr. Gerfried Sperl, Dr. Erwin Zankel, Dipl.-Kfm. Kurt Horwitz, Dr. Ernst Sittinger, Robert Stoppacher, Dr. Andreas Koller, Wolfgang Mayr, Norbert Stanzel, Herbert Lackner, Erich Holfeld, Dr. Michael Bauer, Dr. Kurt Einzinger, Mag. Bernd Sebor, Mag. Robert Stein und Dr. Martin Zimper abgegeben.

19. Februar 2002

Anlässlich dieser Sitzung wurde über den an den Nationalrat zu erstattenden Bericht samt Empfehlungen beraten.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Jutta Wochesländer, Dr. Günther Kräuter, Dr. Gerhart Bruckmann, MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer.

Die angeschlossenen Empfehlungen wurden von der Enquete-Kommission einstimmig beschlossen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde der Abgeordnete Mag. Walter Tancsits gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt die Enquete-Kommission somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht samt Anlagen (1004 und Zu 1004 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2002 02 19

                            Mag. Walter Tancsits                                            Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau


Empfehlungen der Enquete-Kommission


Die parlamentarische Enquete-Kommission – eingesetzt durch Beschluss des Hauptausschusses des Nationalrates vom 27. April 2000 – erhielt den Auftrag, in einer Bestandsanalyse die mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende zu erörtern, verschiedenste Maßnahmen, mit welchen diesen Ausprägungen entgegengesteuert werden kann, zu überprüfen und schlussendlich einen Maßnahmenkatalog vorzulegen, der konkrete Wege zur Lösung der eingangs geschilderten Problematiken aufzeigt. In weiterer Folge wurde ein schriftliches Gutachten des Instituts für Politikwissenschaften zur Analyse dieser Problematik eingeholt, von Experten der verschiedenen Sachgebiete und Institutionen schriftliche Stellungnahmen abgegeben und in drei Sitzungen der Enquete-Kommission mit Experten deren mündliche Stellungnahmen erörtert. In Verfol­gung des Arbeitsauftrages stellen sich somit folgende Beratungsergebnisse der Enquete-Kommission heraus:

1. Themenbereich: Meinungsforschung vor Wahlen

Gesetzliche Maßnahmen zur Beschränkung der Veröffentlichung von Wahlprognosen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor einer Wahl im Hinblick auf mögliche Einflüsse auf den Wahlkampf bzw. auf das Wahlergebnis werden als nicht zielführend angesehen. Viel eher wird von den Experten wiederholt auf die Einhaltung gewisser Spielregeln sowohl bei der Ausarbeitung von Meinungsumfragen als auch deren Veröffentlichung in den Medien verwiesen. Derartige Richtlinien für Meinungsumfragen hat ESOMAR (European Society for Opinion and Marketing Research) veröffentlicht. Diese Richtlinien sehen vor, dass Meinungsumfragen und speziell Meinungsumfragen vor Wahlen hinsichtlich ihrer Erstellung, der Veröffentlichung in den Medien und der Möglichkeit zur richtigen Interpretation gewissen Mindestanforderungen unterliegen müssen. Demgemäß benötigt der Leser, Seher, Hörer veröffentlichter Umfrageergebnisse für die Beurteilung und Interpretation der Ergebnisse von Meinungsumfragen wesentliche Zusatzinformationen; diese sollten von den Medien gemeinsam mit den Umfrageergebnissen veröffentlicht werden:

–      Basisinformation zur Befragung: Name des Forschungsinstitutes, das die Befragung durchgeführt hat, die Grundgesamtheit, über die eine Aussage getroffen wird (also etwa österreichische Wahl­berechtigte, 14- bis 24-Jährige usw.), Größe und geographische Reichweite der Stichprobe (zB 500, 1 000, 4 500 Befragte österreichweit); Zeitraum der Feldarbeit; Art der Stichprobe (zB Quota oder Zufallsstichprobe); Untersuchungsmethode (persönliche in-home-Interviews, Telefon, schriftlich, Internet usw.); handelt es sich um eine Spezialumfrage oder eine OMNIBUS bzw. Mehrthemen­umfrage (MTU).

–      Angabe über Schwankungsbreiten, also die Genauigkeit der Ergebnisse sowohl für die Gesamt­stichprobe als auch für Untergruppen, über die Aussagen getroffen werden.

–      Angabe des genauen Wortlauts der Fragestellung.

–      Angabe des Prozentsatzes der Befragten, die die jeweiligen Fragen nicht beantwortet haben (Non-response-Rate) bzw. bei Wahlabsichten auch jener, die nach eigenen Angaben nicht zur Wahl gehen wollen.

–      Speziell bei der Veröffentlichung von Wahlabsichten: Angabe des Prozentsatzes der deklarierten Wahlabsicht (zB t% für Partei A, u% für Partei B, v% für Partei C usw.), wie der Prozentsatz derer, die die Wahlfrage nicht beantwortet haben. Werden hochgeschätzte Wahlabsichten veröffentlicht, so ist dies deutlich zu kennzeichnen – entweder bei gleichzeitiger Angabe der deklarierten Werte (Rohdaten) oder zumindest der Non-response-Rate.

–      Deutliche Trennung von Umfrageergebnissen und Kommentierung/Interpretation.

Auf Grund der schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen der Experten wurde deutlich, dass gesetzliche Veröffentlichungsverbote von Meinungsumfragen für einen gewissen Zeitraum vor Wahlen – so wie diese in einigen europäischen Ländern existieren – nicht nur rechtlichen Problemen, so vor allem dem Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention betreffend die freie Meinungsäußerung, begegnen, sondern sich auch hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit in der Praxis Probleme ergeben werden. So wären zB Meinungsumfragen, die auf Internetseiten ohne österreichische Domäne veröffentlicht werden, für den österreichischen Rechtsstaat nicht greifbar.

Auf Grund der Stellungnahmen der Experten wurde vielmehr deutlich, dass der Qualität von Meinungs­umfragen in den Medien in der kritischen Vorwahlzeit durchaus erhebliche Bedeutung zugemessen werden muss. Demgemäß sollten bei der Erstellung von Meinungsumfragen sowie deren Veröffent­lichung in den Medien die von ESOMAR herausgegebenen Richtlinien (siehe oben) Beachtung finden. Darüber hinaus sollte die Einhaltung dieser Richtlinien durch einen Weisenrat kontrolliert werden.

Empfehlungen zur Thematik der Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen:

a) Die Medien als wesentliche Träger der Informationsgesellschaft müssen sich ihrer Verantwortung in einer Demokratie bewusst sein und demgemäß auch insbesondere im Zuge von Wahlkämpfen besondere Sorgfalt bei der Publikation von Meinungsumfragen walten lassen. Die Enquete-Kommission appelliert daher an die Medien, Meinungsumfragen nur unter Zugrundelegung der von ESOMAR publizierten und oben in den wesentlichen Inhalten dargestellten Richtlinien zu veröffentlichen.

b) Die Enquete-Kommission empfiehlt darüber hinaus, den mit der Durchführung von Meinungsum­fragen befassten Meinungsforschungsinstituten und den Medien, einen Weisenrat einzurichten, der die in den Medien veröffentlichten Meinungsumfragen auf die Einhaltung der ESOMAR-Richtlinien zu überprüfen hat und dessen Entscheidungen in den Medien wiederzugeben sind. Mitglieder dieses von den betroffenen Einrichtungen bestellten Weisenrates sollten je ein mit Medienangelegenheiten befasster Richter oder Richterin, ein Vertreter oder eine Vertreterin der Meinungsforschungsinstitute sowie der oder die Vorsitzende des Presserates sein. Dieser Weisenrat sollte als Instrument der Selbstkontrolle zunächst auf freiwilliger Basis eingerichtet werden.

2. Themenbereich: Veröffentlichung von Teilergebnissen vor Wahlschluss

Die Enquete-Kommission hat sich in einem zweiten Themenkreis mit der Suche nach wirksamen Maß­nahmen zur Unterbindung der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergebnissen vor dem Wahlschluss beschäftigt und ist dabei nach Vorlage der schriftlichen Stellungnahmen und der mündlichen Diskussion mit den Experten im Zuge der dritten Sitzung der Enquete-Kommission überwiegend zu der Auffassung gelangt, dass ein gesetzliches Veröffentlichungsverbot vor allem unter Verwendung des Internets jederzeit umgangen werden könnte und daher nicht zielführend ist.

Derzeit werden Teilergebnisse von der APA mit Sperrvermerk für die Weitergabe versendet. Diese Daten können zwar von den Hochrechnern und von den Parteizentralen genützt werden, aber nicht von den Medien. Ebenfalls hat sich der ORF dieser Sperre unterworfen und keinerlei Informationen vor Wahlschluss weitergegeben. Bisher haben sich alle Medien in den letzten Jahrzehnten einschließlich der letzten Nationalratswahl im Jahre 1999 daran gehalten. Erst die im Zuge dieser Wahl durch einige Internet-Provider erfolgte frühzeitige Bekanntgabe von Ergebnissen vor Wahlende über Internet durch­brach diese Vereinbarung.

Als mögliche Lösungen dieses Problemkreises wurden angesprochen:

–      Die Weitergabe von Teilwahlergebnissen nur einem zentralen eingeschränkten Personenkreis mit darüber hinausgehendem Veröffentlichungsverbot. Dies könnte über ein Behördenintranet bzw. einer speziellen Datenbank mit einem Passwort für einen bestimmten Kreis von berechtigten Personen funktionieren.

–      Eine ähnliche Funktion hätten Datensperren, bis das letzte Wahllokal geschlossen hat. Fraglich ist aber, wo ein derartiger Sperrmechanismus einsetzen soll, der auch in diesem Fall nicht hundert­prozentig funktionieren könnte.

–      Die Wahllokale schließen zu verschiedenen Zeiten, aber die Urnen sind unter Verschluss zu halten und die Auszählung darf erst beginnen, wenn das letzte Wahllokal geschlossen hat.

–      Einheitlicher Schluss aller Wahllokale. Diese Lösung wurde von vielen Experten als die Ziel­führendste angesehen, ist jedoch ohne Einvernehmen mit den betroffenen Städten und Gemeinden nicht durchsetzbar.


Bei den ersten beiden Lösungsansätzen kann gleichermaßen keine völlige Sicherheit über die Nicht­weitergabe der Teilergebnisse bestehen, da die Mitglieder von Wahlkommissionen sowie Wahlzeugen bzw. Vertrauenspersonen jedenfalls über dieses Wissen verfügen. Zweckmäßigerweise müsste in diesen Fällen auch ein ausdrückliches Verbot der Weitergabe von Teilwahlergebnissen für die Mitglieder von Wahlkommissionen sowie Wahlzeugen bzw. Vertrauenspersonen gesetzlich festgelegt werden.

Der erste Lösungsansatz bietet aber den Vorteil einer unveränderten Vorgangsweise sowohl hinsichtlich der Stimmabgabe als auch der Stimmenauszählung. Darüber hinaus könnten die zwischen den Medien geschlossenen Vereinbarungen betreffend die Nichtweitergabe von Teilergebnissen weiter aufrecht bleiben bzw. sogar noch verstärkt werden.

Der dritte oben präsentierte Lösungsansatz hat wiederum den Nachteil, dass dies zwar technisch durchführbar ist, allerdings gerade in kleineren Landgemeinden dazu führt, dass die Wahlkommission zu später Stunde nochmals zusammentreten müsste. Dies wird überdies dort, wo Wahlkommissionen mit Pendlern besetzt sind, zu zusätzlichen Problemen, die Wahlkommission korrekt zusammenzusetzen, führen. Es ist zu befürchten, dass neben zusätzlichen Problemen betreffend die Zusammensetzung der Wahlkommissionen auch Sicherheitsprobleme betreffend die Verwahrung der Urnen auftreten könnten.

Die letzten beiden Lösungsansätze verhindern gleichermaßen die Weitergabe von Teilergebnissen vor Wahlschluss in effizienter Art und Weise, entsprechen jedoch nicht der oben dargestellten derzeit geübten Praxis für den Umgang mit Teilergebnissen in Österreich. Der negative Effekt eines einheitlichen Wahlschlusses wäre allerdings, dass Hochrechnungen nicht mehr bei Schluss der Wahllokale erstellt werden könnten, sondern zu Wahlschluss nur relativ ungenaue exit polls über den Wahlausgang vorliegen könnten.

Der letzte Lösungsansatz bringt zusätzlich noch für Landgemeinden das Problem, dass in diesen die Bürger von ihrer jahrzehntelang gelebten Gewohnheit des Wahlgangs am Vormittag abgehen müssten und erst am Abend ihre Stimme abgeben könnten, da als einheitlicher Wahlschluss voraussichtlich 17.00 oder 18.00 Uhr in Frage kommen wird.

Eine Verschiebung der Wahlzeiten auf die Abendstunden bedarf daher sorgfältiger Prüfung, insbeson­dere ob auch Begleitmaßnahmen notwendig sind. Als eine mögliche Begleitmaßnahme wurde ua. die Ein­führung der Briefwahl genannt, deren Vor- und Nachteile derzeit in einem Unterausschuss des Verfassungsausschusses ua. auf der Basis des Antrages 98/A erörtert werden.

Empfehlungen zur Unterbindung der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergebnis­sen vor dem Wahlschluss:

a) Zur Verhinderung der frühzeitigen Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen wird vorgeschlagen, Wahlergebnisse und Wahlberichte, wie etwa Hochrechnungen, bis Wahlschluss in einer speziellen Agentur (Datenbank) zu verbreiten und diese nur einem kleinen Kreis berechtigter Bezieher freizu­schalten. Verstöße gegen diese Regelung wären entsprechend zu ahnden.

b) Als weitere Möglichkeit zur Unterbindung der frühzeitigen Weitergabe von Teilwahlergebnissen wird von der Enquete-Kommission der bundeseinheitliche Schluss der Wahllokale angesehen. Es wird daher vorgeschlagen, gemeinsam mit den unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen eine derartige gravierende Umstellung des österreichischen Wählerverhaltens erfolgen könnte und welche flankierenden Maßnahmen dazu erforderlich wären.


Anlage zum Bericht

der parlamentarischen Enquete-Kommission


betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Ver­öffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende


Gutachten und Stellungnahmen

Inhaltsverzeichnis

 

Seite

Gutachten des Bundeskanzleramtes – Verfassungsdienst..........................................................................

10

Gutachten von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang C. Müller, Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien.....................................................................................................................................................................

 

15

Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres....................................................................................

18

Stellungnahme des Österreichischen Gemeindebundes...............................................................................

20

Stellungnahme des Österreichischen Städtebundes.....................................................................................

21

Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser, Institut für Politikwissenschaft an der SOWI-Fakultät, Universität Innsbruck........................................................................................................................

 

22

Stellungnahme von Günther Ogris, M.A., Mag. Christoph Hofinger SORA, Institut for Social Research and Analysis......................................................................................................................................

 

25

Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. Rudolf Bretschneider, Univ.-Doz. Dr. Peter Ulram FESSEL-GfK, Institut für Marktforschung GesmbH..............................................................................................................

 

29

Stellungnahme von Andreas Kirschhofer-Bozenhardt IMAS-International, Institut für Markt- und Sozialanalysen GesmbH.....................................................................................................................................

 

33

Stellungnahme von Dr. Imma Palme IFES, Institut für empirische Sozialforschung GesmbH.................

36

Stellungnahme von Dr. Kurt Einzinger ISPA, Internet Service Providers Austria...................................

39

Stellungnahme von ao. Prof. Dr. Erich Neuwirth Institut für Statistik und Decisions Support Systems, Universität Wien................................................................................................................................

 

40

Stellungnahme von Dr. Wolfgang Bachmayer OGM, Österreichische Gesellschaft für Marketing GesmbH................................................................................................................................................................

 

44

Stellungnahme von Dr. Werner Beutelmeyer, o. Univ.-Prof.-Dipl.-Kfm. Dr. Gerhard A. Wührer, o. Univ.-Prof. Dr. Friedrich Roithmayr Market, Marktforschungs GesmbH & Co KG.............................

 

46

Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Donsbach, ESOMAR, Institut für Kommunika­tionswissenschaft der TU Dresden.................................................................................................................

 

49

Stellungnahme des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ)..............................................................

71


BUNDESKANZLERAMT – VERFASSUNGSDIENST

Rechtliche Grundlagen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen in den europäischen Ländern und Darstellung der Wahlzeiten und des Beginns der Stimmenauszählung in diesen

1. Belgien:

1.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht. Nach dem Gesetz vom 18. Juli 1985 betreffend die Veröffentlichung von Meinungsumfragen war es ursprünglich verboten, ab dem 30. Tag vor dem Wahltag, gleichgültig auf welchem Weg, die Ergebnisse von Meinungsumfragen zu den Wahlen zu veröffentlichen, zu verbreiten oder zu erläutern. Dieses Verbot ist jedoch durch ein Gesetz vom 21. Juni 1991 aufgehoben worden.

1.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmauszählung:

Gemäß Art. 142 des Allgemeinen Wahlgesetzbuches („Algemeen Kieswetboek“) sind die Wähler von 8 bis 13 Uhr zur Stimmabgabe zugelassen. Um 14 Uhr muss das Stimmenauszählungsbüro („sternopgnemingsbureau“) versammelt sein und, sobald es alle Wahlkuverts erhalten hat (Art. 152 und 154 des Allgemeinen Wahlgesetzbuches), mit der Stimmenzählung beginnen.

Für andere Wahlen als die für die Kammer der Abgeordneten und den Senat kann die Sperrstunde der Wahlbüros durch königlichen Beschluss verlängert werden. Anlässlich der Wahlen für die Kammer der Abgeordneten, den Senat, das Europäische Parlament und die regionalen Räte vom 13. Juni 1999 wurde die Sperrstunde der Wahlbüros durch königlichen Beschluss vom 13. April 1999 bis 15 Uhr verlängert.

Auf Grund des Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes vom 11. April 1994 zur Organisation der automatisierten Stimmabgabe kann auch die Sperrstunde der Wahlbüros, in denen ein automatisiertes Wahlsystem verwendet wird, verlängert werden; für solche Wahlbüros sind keine Stimmenauszählungsbüros erforderlich. Bei den letzten Gemeinde- und Provinzialratswahlen vom 8. Oktober 2000 wurde die Sperrstunde der automatisierten Wahlbüros durch königlichen Beschluss vom 12. August 2000 bis 15 Uhr verlängert.

2. Dänemark:

2.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelung für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen oder Referenden bestehen nicht.

2.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die Wahllokale müssen von 9 bis 20 Uhr geöffnet sein. Die Stimmenauszählung darf erst nach Schließung der Wahllokale beginnen; sie findet ausnahmslos händisch statt. Die erste Auszählung muss noch am Wahltag abgeschlossen sein. Für den nächsten Tag ist eine zweite Auszählung vorgeschrieben; im Fall von Unregelmäßigkeiten kann eine dritte Auszählung verlangt werden.

3. Bundesrepublik Deutschland:

3.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht.

3.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die Wahlzeiten und der Beginn der Stimmenauszählung bei Bundeswahlen sind im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung geregelt. Für Europawahlen enthalten das Europawahlgesetz und die Europawahlordnung analoge Regelungen.

Gemäß § 47 Abs. 1 der Bundeswahlordnung dauert die Wahl von 8 bis 18 Uhr. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann der Landeswahlleiter im Einzelfall, wenn besondere Gründe es erfordern, die Wahlzeit mit einem früheren Beginn festsetzen.

Gemäß dem Vierten Abschnitt der Bundeswahlordnung findet die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses im Wahlbezirk im Anschluss an die Wahlhandlung, also unmittelbar nach Schließung des Wahllokals statt.

4. Finnland:

4.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht.

4.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Gemäß § 68 des Wahlgesetzes beginnt die Abstimmung um 9 Uhr und wird ohne Unterbrechung bis 20 Uhr fortgesetzt. Gemäß § 78 des Wahlgesetzes findet die Stimmenauszählung in unmittelbarem Anschluss an die Abstimmung statt.

Gemäß § 47 des Wahlgesetzes beginnen die Briefwahlen am elften Tage vor dem Wahltag und enden im Ausland am achten Tag und in Finnland am fünften Tag vor dem Wahltag. Durch Verordnung kann die Briefwahlperiode in den allgemeinen finnischen Briefwahllokalen und in den finnischen Botschaften verkürzt werden.

Gemäß § 48 des Wahlgesetzes sind die Briefwahllokale in Finnland an jedem Werktag, an dem das Wahllokal für die Öffentlichkeit geöffnet ist, von 9 bis 20 Uhr, sowie am Samstag und Sonntag zwischen 10 und 16 Uhr geöffnet; dies gilt nicht für bestimmte Feiertage. In den finnischen Vertretungen kann die Briefwahl, außer an bestimmten Feiertagen, zu den vom Missionschef angeordneten Zeiten ausgeübt werden. Auf finnischen Schiffen kann die Briefwahl zumindest an einem Tag, zu den vom Schiffskapitän angeordneten Zeiten, ausgeübt werden.

Bei der Heimwahl kann die Briefwahl zwischen 9 und 20 Uhr zu gesondert mitzuteilenden Zeiten ausgeübt werden. Gemäß den §§ 54 und 55 des Wahlgesetzes hat ein zur Heimwahl Berechtigter spätestens am zwölften Tag vor dem Wahltag bis 16 Uhr dem Zentralausschuss seiner Wohngemeinde mitzuteilen, dass er mittels Briefwahl abstimmen will. Der Vorsitzende des Kommunalen Zentral­wahlausschusses hat dafür zu sorgen, dass der Wähler unmittelbar schriftlich oder telefonisch mit zu­mindest zweistündiger Genauigkeit davon verständigt wird, zu welchem Zeitpunkt der Wahlbeamte zu ihm nach Hause kommen wird.

Gemäß § 86 des Wahlgesetzes darf mit der Überprüfung der in den Umschlägen in den Briefwahlen abgegebenen Stimmzettel erst am Wahltag begonnen werden, und zwar grundsätzlich um 15 Uhr, bei besonderen Gründen nach dem Ermessen des Ausschusses auch zu einem früheren Zeitpunkt, jedoch frühestens um 12 Uhr.

5. Frankreich:

5.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 77-808 vom 19. Juli 1977 über die Veröffentlichung und Verbreitung bestimmter Meinungsumfragen bestimmt, dass „während der Woche vor einem Wahlgang sowie während der Abhaltung desselben jegliche Veröffentlichung und Verbreitung von Meinungsumfragen sowie jegliche Kommentare zu Meinungsumfragen gemäß Artikel 1 untersagt sind.

Die Abs. 2 und 3 normieren Einschränkungen zu diesem Verbot. Danach findet es bei Teilwahlen („élections partielles“) im Fall des Ausscheidens einzelner Abgeordneter während einer Legislaturperiode „nur auf Umfragen Anwendung, die sich direkt oder indirekt auf diese Teilwahlen beziehen“. Weiters bezieht sich dieses Verbot nicht auf Operationen, welche die sofortige Mitteilung über das (vorläufige) Ergebnis eines Wahlganges zum Gegenstand haben und zwischen der Schließung des letzten Wahllokales und der Veröffentlichung des (definitiven) Wahlergebnisses durchgeführt werden.

5.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die entsprechenden Vorschriften finden sich in den allgemeinen Bestimmungen des Kapitels VI („vote“), Sektion II („operations de vote“) des „Code électoral“:

Wahlzeiten

Art. L. 54 – Die Wahl dauert nur einen Tag.

Art. L. 55 – Die Wahl findet sonntags statt.

Art. L. 56 – Im Falle eines zweiten Wahlganges findet dieser am darauf folgenden Sonntag statt.

Präzisiert werden diese gesetzlichen Bestimmungen durch folgende Durchführungsverordnung:

Art. R. 41 – Die Wahl beginnt um 8 Uhr und endet am selben Tag um 18 Uhr. Um jedoch die Ausübung des Wahlrechts zu vereinfachen, können die Präfekten Verordnungen erlassen, die eine Vorverlegung der Öffnungszeiten in bestimmten Gemeinden oder die Verlängerung der Öffnungszeiten im gesamten Wahlbezirk vorsehen. Die diesbezüglichen präfekturalen Verordnungen müssen spätestens fünf Tage vor dem Wahlgang in jeder der betroffenen Gemeinden veröffentlicht und ausgehängt werden.

Art. L. 65 – Ab der Schließung der Wahllokale wird die Auszählung der Wahllisten vorgenommen. Anschließend wird die Stimmenauszählung wie folgt vorgenommen: Öffnung der Wahlurne und Überprüfung der Anzahl von Stimmzettel …

Präzisiert werden diese gesetzlichen Bestimmungen durch folgende Durchführungsverordnung:

Art. R. 62 – Ab der Schließung der Wahllokale wird die Wahlliste von allen Mitgliedern des Wahlbüros unterzeichnet. Anschließend wird sofort zur Auszählung der Wahllisten geschritten.

Art. R. 63 – Die Stimmenauszählung erfolgt sofort nach Auszählung der Wahllisten. Die Auszählung darf bis zum vollständigen Abschluss nicht unterbrochen werden …

6. Griechenland:

6.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gemäß Art. 6 des Gesetzes Nr. 2623/1998 sind bei Parlamentswahlen und Europawahlen innerhalb eines Zeitraumes von 15 Tagen vor dem Wahltag bis 19 Uhr des Wahltages die Durchführung von Meinungs­umfragen über die Stimmabsichten der Wähler sowie die Veröffentlichung und die Bekanntgabe der Ergebnisse von Meinungsumfragen verboten. Das Verbot der Durchführung von Meinungsumfragen gilt nicht für Meinungsumfragen, die im Auftrag und für Rechnung der politischen Parteien und ausschließ­lich für deren eigene (interne) Zwecke durchgeführt werden.

Die Durchführung von exit polls am Wahltag ist erlaubt, deren Ergebnisse dürfen jedoch nicht vor 19 Uhr veröffentlicht oder bekannt gegeben werden.

6.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Gemäß Art. 42 des Wahlgesetzes (Präsidialdekret 55/1999) findet die Abstimmung an einem Sonntag von 7 bis 19 Uhr statt. Gemäß Art. 82 dieses Gesetzes kann der Wahlausschuss eines Wahllokals die Wahlzeit ausnahmsweise bis zu zwei Stunden verlängern, falls sich im Wahllokal Wähler befinden, die ihr Wahlrecht noch nicht ausgeübt haben; diese Zeit kann ausnahmsweise ein weiteres Mal verlängert werden, bis alle im Wahllokal anwesenden Wähler ihr Wahlrecht ausgeübt haben.

Gemäß den Art. 82 bis 86 des Wahlgesetzes beginnt die Stimmenauszählung in unmittelbarem Anschluss an die Wahlhandlung.

7. Großbritannien:

7.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht. Exit Polls dürfen jedoch erst nach Schließen der Wahllokale bekannt gegeben werden.

7.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die Öffnungszeiten des Wahllokales werden dem Wähler auf der Wahlkarte mitgeteilt, die dieser spätestens eine Woche vor dem Wahltag erhält. Darüber hinaus können die Öffnungszeiten des Wahllokales nach dem Ermessen des Leiters des Wahllokales auch durch Anschlag öffentlich bekannt gemacht werden (zB in öffentlichen Bibliotheken).

Mit der Stimmenauszählung wird begonnen, sobald alle versiegelten Wahlurnen eines Wahlkreises („constituency“) am Auszählungsort, meist dem Bezirksbüro („council office“) eingelangt sind.

8. Irland:

8.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht.

8.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Gemäß dem Wahlgesetz kann an jedem Tag der Woche gewählt werden; tatsächlich wird in Irland jedoch entweder am Donnerstag oder am Freitag gewählt. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist von 8 bis 22.30 Uhr müssen die Wahllokale mindestens zwölf Stunden geöffnet sein. Die Stimmenauszählung in den Wahlkreisen beginnt an dem Wahltag folgenden Tag um 9 Uhr. Auf Grund des komplizierten Ermittlungsverfahrens und der händischen Stimmenauszählung dauert es in der Regel zwei Tage (bei neuerlicher Auszählung bis zu einer Woche) bis zur Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses.

9. Italien:

9.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Innerhalb eines Zeitraumes von 15 Tagen vor dem Wahltag ist die Veröffentlichung von Meinungs­umfragen über das beabsichtigte Wahlverhalten und über den vermutlichen Wahlausgang verboten. Dies gilt auch für Meinungsumfragen, die vor diesem Zeitraum durchgeführt wurden.

9.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Der Wahltag ist ein Sonntag. Die Wahllokale sind von 7 bis 22 Uhr geöffnet.

Bei den politischen Wahlen (zur Kammer und zum Senat) und bei Europawahlen wird in unmittelbarem Anschluss an die Stimmabgabe die Zahl der Wähler, die ihre Stimme abgegeben haben, festgestellt („accertamento dei votanti“); danach wird die ballot box geöffnet und es werden die auf die einzelnen Kandidaten bzw. Parteien entfallenden Stimmen berechnet („scrutinio“).

Bei Regional-, Provinzial- und Kommunalwahlen beginnt die Feststellung der Zahl der Wähler („accertamento dei votanti“) unmittelbar nach der Stimmabgabe, die Öffnung der ballot box und die Berechnung der auf die einzelnen Parteien entfallenden Stimmen finden jedoch erst am Folgetag ab 7 Uhr statt. (Für Stichwahlen bei Bürgermeisterwahlen und Wahlen zum Präsidenten einer Provinz gilt jedoch die gleiche Rechtslage wie für die politischen Wahlen).

10. Luxemburg:

10.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gemäß dem Wahlgesetz ist die Veröffentlichung von Meinungsumfragen bei Parlaments-, Europa- und Gemeindewahlen innerhalb eines Monats vor dem Wahltag untersagt.

10.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Gemäß dem Wahlgesetz hat der Wähler am Wahltag zwischen 8 und 14 Uhr in seinem Wahlbüro seine Stimme abzugeben. Um 14 Uhr wird mit der Stimmenauszählung begonnen.

11. Niederlande:

11.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht.

11.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die Wahllokale sind am Wahltag von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Um 20 Uhr wird mit der Stimmenauszählung begonnen. Da 80% der Bevölkerung die Stimme mittels spezieller Wählmaschinen abgibt, die die Stimmen nach 20 Uhr automatisch zählen, liegt das Wahlergebnis relativ rasch vor.

12. Portugal:

12.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gemäß der Verordnung 10/2000 vom 21. Juni 2000 ist die Veröffentlichung von Meinungsumfragen am Tag vor dem Wahltag und am Wahltag bis zur Schließung der Wahlurnen untersagt.

12.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:

Die Wahllokale sind am Wahltag von 8 bis 19 Uhr geöffnet. Die Stimmenauszählung beginnt unmittelbar nach Abgabe der letzten Wahlstimme.

13. Schweden:

13.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Gesetzliche Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bestehen nicht.

13.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmenauszählung:


Die Rahmenzeit für die Öffnung der Wahllokale ist von 8 bis 20 Uhr, entsprechend den örtlichen Gegebenheiten können die Wahllokale kürzer, jedoch nicht länger geöffnet sein.

Die Stimmauszählung darf in jedem Fall erst mit der Schließung der letzten Wahllokale, dh. um 20 Uhr beginnen. (Erste Zählungsergebnisse von Distrikten mit wenigen Wählern und resultierende Hochrech­nungen folgen 10 Minuten später.)

14. Spanien:

14.1 Veröffentlichung von Meinungsumfragen knapp vor Wahlen:

Das Wahlrecht ist in der „Ley orgánica del regiment electoral general“ geregelt. Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für alle Wahlen in Spanien (Senat, Kongress, Regional­versammlungen).

Gemäß Art. 69 Abs. 7 des erwähnten Gesetzes ist innerhalb eines Zeitraums von fünf Tagen vor dem Wahltag die Veröffentlichung und Verbreitung von Wahlumfragen in jeder Form untersagt. Nach einer Auslegung der „Junta Electoral Central“ aus dem Jahr 1993 ist die bloße Durchführung einer solchen Umfrage davon jedoch nicht erfasst.

14.2 Wahlzeiten und Beginn der Stimmauszählung:

Gemäß Art. 84 des erwähnten Gesetzes findet die Wahl zwischen 9 und 20 Uhr statt. Die Stimm­auszählung hat gemäß Art. 95 (insbesondere Abs. 1) dieses Gesetzes nach Beendigung des Wahl­vorganges zu beginnen.

AO. UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG C. MÜLLER

Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien

1. Maßstäbe, Realitäten


Ich möchte meiner Stellungnahme einige normative Bewertungsmaßstäbe bzw. Hinweise auf unveränder­liche Realitäten voranstellen:

Informationsgleichheit. Demokratische Entscheidungen sollten durch Informationsgleichheit – realisti­scher: durch möglichst geringe Informationsassymetrien – gekennzeichnet sein.

Strategisches Wählen ist Realität. Keine freie Entscheidung von zumindest drei Individuen ist frei von der Möglichkeit der Manipulation durch strategisches Verhalten (Gibbard-Satterthwaite-Theorem). Strategi­sches Verhalten bei Wahlen bedeutet, dass Wähler ihre Präferenzen im Wahlakt nicht unmittelbar ausdrücken (sincere voting), sondern sich für kurzfristig sub-optimale Alternativen entscheiden, weil sie den gesamten Zeithorizont dieser Entscheidung betrachten und glauben, bei strategischem Wählen ein besseres Endergebnis zu erzielen (zB wenn ihre zweite Präferenz Chancen auf den Wahlsieg oder den Einzug ins Parlament hat, nicht aber die erste).

Rechtskultur. Gesetze, deren Einhaltung grundsätzlich nicht sichergestellt werden kann, sind nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich, weil sie dazu beitragen, das Vertrauen in Recht und Gesetz zu untergraben.

2. Nationalratswahl 1999: Meinungsforschungsergebnisse

Die zahlreichen vor der Nationalratswahl 1999 in den Massenmedien veröffentlichten Meinungs­forschungsergebnisse bzw. – auf diesen basierende – Wahlprognosen haben sowohl die politischen Parteien als auch die Wählerschaft beeinflusst:

Beeinflussung der Parteien. Der Wahlkampfleiter der ÖVP, Michael Strugl, hat im Österreichischen Jahrbuch für Politik sehr anschaulich dargestellt, dass die – auf Meinungsforschungsergebnissen basierenden – öffentlichen Erwartungshaltungen über den Wahlausgang seine Partei zu einem Strategiewechsel im Wahlkampf bewegten: sie führten zur „Oppositionsansage“, also zur Festlegung der ÖVP in die Opposition zu gehen, sollte sie nicht zumindest als zweitstärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen, und zu einer Zuspitzung des Wahlkampfs auf die Konsequenzen der Wahl für die Regierungsbildung.

Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler. Nach deren Selbsteinschätzung während des laufenden Wahlkampfs wurden fünf Prozent der Wählerinnen und Wähler durch die Veröffentlichung von Meinungsforschungsergebnissen „stark beeinflusst“ und weitere 18 Prozent „beeinflusst“. Dazu kommen indirekte Wirkungen der Meinungsforschungsergebnisse, zum Beispiel über Zeitpunktkommentare, von denen 10 bzw. 27 Prozent der Wählerinnen und Wähler sich „stark beeinflusst“ bzw. „beeinflusst“ fühlten (Plasser et al. 2000a: 161). Insgesamt hat sich ein Fünftel der Wähler erst kurz vor der Wahl auf die letztlich gewählte Partei festgelegt (Plasser et al. 2000b: 75). Das bedeutet, dass praktisch alle Wählerinnen und Wähler, die vom Zeitpunkt ihrer Festlegung auf eine bestimmte Partei überhaupt von den in der Schlussphase des Nationalratswahlkampfs 1999 veröffentlichten Meinungsforschungs­ergebnissen beeinflusst werden konnten, dies auch tatsächlich wurden. Die hier zitierten Zahlen sagen freilich noch nichts über das Wie dieser Beeinflussung aus, also welche Parteien davon profitiert und welche darunter gelitten haben. Grundsätzlich können Meinungsforschungsergebnisse sowohl Mobilisie­rungs- als auch Demobilisierungseffekte haben:

 

Trend für eine Partei in der Meinungsforschung

 

+

Mobilisierung

Wähler strömen dem voraussichtlichen Wahlsieger zu (Bandwaggon-Effekt).

Wähler glauben an die Umkehrbarkeit der Meinungstrends („jetzt erst recht“).

Demobilisierung

Wähler gehen nicht zur Wahl, weil sie des Sieges ihrer präferierten Partei ohnedies sicher sind.

Wähler gehen nicht zur Wahl, weil sie die Niederlage ihrer präferierten Partei für unabwendbar halten.

Im konkreten Fall der Nationalratswahl 1999 dürften die Meinungsumfragen bzw. die daraus abgeleiteten Wahlprognosen, die weitgehend signalisierten, dass die FPÖ relativ deutlich vor der ÖVP liegen werde, Auslöser eines Mobilisierungsschubs für die ÖVP gewesen sein, sie haben ihn aber alleine nicht bewirkt. Neben den Meinungsforschungsergebnissen bzw. Wahlprognosen muss die Reaktion der ÖVP und die öffentliche Debatte darüber berücksichtigt werden. Insgesamt dürfte das bei einem Teil der Wählerschaft einen framing-Effekt ausgelöst haben, das heißt, zu einer unterschiedlichen Betrachtungsweise eines Problems, hier der eigenen Wahlentscheidung, geführt haben. Konkret war die „Oppositionsansage“ der ÖVP erstens geeignet, das Gewicht der retrospektiven Bewertung der Politik der abgelaufenen Gesetzgebungsperiode für die individuelle Wahlentscheidung tendenziell zurückzudrängen, zu Gunsten des Wunsches, die Politik der kommenden Gesetzgebungsperiode zu beeinflussen. Zweitens war diese Aussage geeignet, die positive Bedeutung einzelner Parteien für die individuelle Wahlentscheidung zu reduzieren und die Bedeutung der Parteienkonstellation im Regierungssystem zu vergrößern (Stichwort „Regierbarkeit“). Mit anderen Worten, von den Meinungsbefragungsergebnissen bzw. Wahlprognosen gingen Anreize für eine bestimmte Art des strategischen Wählens aus. – Dieser Absatz ist mit Bedacht vorsichtig formuliert, denn die dem Autor zugänglichen Daten machen den hier aufgezeigten Zusammenhang zwar plausibel, können ihn aber nicht empirisch beweisen.

3. Nationalratswahl 1999: Vorzeitige Bekanntgabe von Wahlergebnissen

Bei der Nationalratswahl 1999 wurden Teilwahlergebnisse und darauf basierende Hochrechnungen im Internet vor Schluss der Wahllokale in anderen Teilen Österreichs veröffentlicht. Mir liegen keine Hinweise vor, dass dies das Wahlergebnis 1999 beeinflusst hat. Das Beispiel der USA, in der die Ergebnisse der verschiedenen Zeitzonen nicht zeitgleich und zum Teil noch vor Wahlende in anderen Zeitzonen veröffentlicht werden, zeigt aber, dass es solche Beeinflussungen gibt. Die Wahrscheinlichkeit für solche Einflüsse in Österreich wird um so größer, (a) je mehr Verbreitung das Medium Internet findet und (b) je mehr bekannt wird, dass solche Hochrechnungen schon vor Wahlende verfügbar sind.

4. Schlussfolgerungen

In der Begründung für die Enquete-Kommission werden einige zu überprüfende Maßnahmen angeführt. Ich nehme abschließend auf der Basis der unter erstens angeführten Maßstäbe/Realitäten und vor dem Hintergrund der österreichischen und internationalen Erfahrungen (2. und 3.) zu ihnen Stellung:

Beschränkung der Veröffentlichung von Meinungsforschung von Wahlprognosen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor Wahlen

1.      In der Begründung für die Enquete-Kommission wird von der Unterscheidbarkeit von Wahl­prognosen und anderen Umfragedaten ausgegangen. Eine solche Unterscheidung ist zwar möglich, wird sich aber als wenig praktikabel erweisen und würde zur Gesetzesbeugung geradezu einladen. Wollte man diesen Weg gehen, müsste man wohl die Veröffentlichung aller Umfragedaten verbieten, aus denen sich Schlüsse über die Wahlchancen von Parteien ziehen lassen. Die folgenden Punkte argumentieren, dass sehr viel mehr gegen als für eine solche Vorgangsweise spricht.

2.      Die hier gegenständlichen Meinungsumfragen würden bei einem Veröffentlichungsverbot zumindest im Auftrag der politischen Parteien weiter durchgeführt; den Massenmedien dagegen würde bei einem Publikationsverbot wohl der Anreiz dafür fehlen, solche Umfragen in Auftrag zu geben. Damit würden die Informationsvorteile der Politiker (und anderer informierter Eliten) gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern weiter zunehmen. Strategisches Handeln der Wählerinnen und Wähler ist durch eine Beschränkung der Veröffentlichung von Meinungsforschungsergebnissen nicht zu verhindern. Allenfalls kann man erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger schlechter informiert sind, wenn sie strategisch handeln. Überdies gibt es keinen in einer Demokratie akzeptablen Grund strategisches Handeln nur den Politikern vorbehalten zu wollen. Die Chancen der Parteien – und damit mögliche Koalitionen – sind wesentliche Informationen, die den Bürgerinnen und Bürgern nicht vorenthalten werden sollen. Die Gefahr der Fehlinformation existiert auch im Hinblick auf andere Daten (Wirtschaftsprognosen, Wahlversprechen usw.) und den Wählerinnen und Wählern ist ein weiterer „Unsicherheitsfaktor“ durchaus zuzumuten. All das spricht gegen eine solche Beschränkung der Veröffentlichung von Meinungsumfragen.


3.      Beschränkungen der Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen gibt oder gab es in einer Reihe westeuropäischer Staaten: Belgien (1985 bis 1991), Frankreich (seit 1977), Griechenland (seit 1996), Italien (seit 1993), Luxemburg (seit 1984), Norwegen (seit 1994), Portugal (seit 1976) und Spanien (seit 1985). Was die Erfahrungen in diesen Staaten gezeigt haben, ist, dass die Bestimmungen in der Praxis leicht zu umgehen sind, zB durch Erstveröffentlichung im nahen Ausland und anschließenden „Import“, durch Internet-Veröffentlichungen usw. Gesetzliche Bestimmungen zu schaffen, von denen man von vornherein weiß, dass sie im Regelfall (!) nicht eingehalten werden, widerspricht einer guten Rechtskultur. Die fehlende Praktikabilität spricht also gegen eine Beschränkung der Veröffentlichung von Meinungsumfragen.

Maßnahmen, die zu einer Qualitätssteigerung und besseren Beurteilbarkeit von Meinungsumfragen führen, wie zB die rechtliche Normierung einer Qualitätskontrolle

Die Kritik an der herrschenden Praxis der Veröffentlichung von Meinungsforschungsergebnissen in österreichischen Massenmedien ist durchaus berechtigt. Das Fehlen wesentlicher Angaben ist leider der Regelfall. Die Schaffung von verbindlichen Regeln für die Veröffentlichung von Meinungsfor­schungsergebnissen würde Informationsassymetrien verringern und wäre kontrollierbar, würde also den hier vorangestellten normativen Forderungen entsprechen bzw. wäre mit ihnen vereinbar. Erforderlich wäre die Veröffentlichung jener technischen Standardinformationen, die für die Beurteilung der Aussage­kraft von Meinungsforschungsergebnissen notwendig sind (ua. Grundgesamtheit, Stichprobengröße, Erhebungsmethode, Erhebungszeitraum, genaue Frageformulierung). Der mögliche Einwand, dass viele „Normalverbraucher“ mit diesen Informationen nichts anfangen können, ist irrelevant. Mit dem gleichen Argument könnte man auch die Informationen über den Inhalt von Medikamenten und anderen zum Verbraucherschutz gegebene Produktinformationen in Frage stellen. Selbstverständlich sollten auch das erhebende Institut und der Auftraggeber genannt werden.

Maßnahmen zur Unterbindung der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Ergebnissen vor dem Wahlschluss, zB durch einheitlichen Beginn der Stimmenauszählung

Durch die Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen und Hochrechnungen kann es zu (weiteren) Informationsassymetrien kommen, wobei insbesondere jene zwischen Wählerinnen und Wählern in verschiedenen Teilen des Landes relevant ist. Maßnahmen zur Unterbindung von solchen Teilveröffent­lichungen sind daher zu begrüßen. Der einheitliche Beginn der Stimmenzählung hat sich bei der Europawahl aber als eine in der Praxis in vielen Fällen nicht praktizierte Regel erwiesen. Im Sinne der Rechtskultur sollten Alternativen erwogen werden.

5. Literatur

Herbst, Susan (1993). Numbered Voices. How Opinion Polling Has Shaped American Politics. Chicago: University of Chicago Press.

Page, Benjamin I. (1996). Who Deliberates? Mass Media in Modern Democracy. Chicago: University of Chicago Press.

Plasser, Fritz, Peter A. Ulram und Franz Sommer (2000a). Do Campaigns Matter? Massenmedien und Wahlentscheidung im Nationalratswahlkampf 1999, in: Fritz Plasser, Peter A. Ulram und Franz Sommer (Hg.), Das österreichische Wahlverhalten. Wien: Signum.

Plasser, Fritz, Gilg Seeber und Peter A. Ulram (2000b). Breaking the Mold: Politische Wettbewerbsräume und Wahlverhalten Ende der neunziger Jahre, in: Fritz Plasser, Peter A. Ulram und Franz Sommer (Hg.), Das österreichische Wahlverhalten. Wien: Signum.

Popkin, Samuel L. (1994). The Reasoning Voter. Chicago: University of Chicago Press.

Prezeworski, Adam, Manin, Bernard und Susan C. Stone (eds.) (1999). Democracy, Accountability, and Representation. Cambridge: Cambridge University Press.

Strøm, Kaare, Wolfgang C. Müller und Torbjörn Bergmann (eds.) (2001). Delegation and Accountability in Parliamentary Democracies. Oxford: Oxford University Press. (im Erscheinen).

Strugl, Michael (2000). Denn Erstens kommt es anders … Mitten im Wahlkampf wechselte die Volkspartei ihre Strategie, Österreichisches Jahrbuch für Politik 1999: 201–227.

BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES

Zu den gegenständlichen, durch die Enquete-Kommission behandelten Rechtsfragen, wird festgestellt:


1.     Es steht außer Zweifel, dass sowohl in Massenmedien veröffentlichte Meinungsumfragen als auch während einem bereits laufenden Wahlvorgang in Massenmedien veröffentlichte Hochrechnungs­ergebnisse einen Einfluss auf das Wahlverhalten von Menschen haben können. Der Grad dieser Beeinflussung kann durch das Bundesministerium für Inneres nicht abgeschätzt werden und wäre wohl durch Experten aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung zu beantworten. Grundsätz­lich sollte hierbei jedoch die Frage der Veröffentlichung von Daten der empirischen Sozialforschung (also Meinungsumfragen, insbesondere so genannte exit polls) einerseits und die Frage der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen andererseits unterschieden werden. Bei erstge­nannten Daten ist eher davon auszugehen, dass die Wählerinnen und Wähler diesen mit einer ge­wissen Skepsis gegenüber stehen, als dies bei auf bereits ausgezählten Stimmergebnissen basieren­den Daten der Fall sein wird.

         Die Frage der Veröffentlichung von Umfragedaten ist eine politische Frage, die für das Bundes­ministerium für Inneres nur insoweit relevant sein könnte, als an die Nicht-Einhaltung entsprechender Veröffentlichungsverbote durch eine wahlwerbende Gruppe allenfalls in die Wahlgesetze hineinwirkende Sanktionen geknüpft sein könnten. Im Folgenden wird daher ins­besondere auf die Frage der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen während der laufen­den Wahlhandlung eingegangen.

2.     Nach der geltenden Rechtslage können Wahlergebnisse von bereits ausgezählten Wahlsprengeln oder Gemeinden jederzeit bekannt gegeben werden. Für im Wahllokal anwesende Wahlzeuginnen und ‑zeugen besteht ohnedies keinerlei Geheimhaltungspflicht; es erscheint auch fraglich, ob bei Mitgliedern von Wahlbehörden bezüglich ermittelter Ergebnisse eine Verschwiegenheitspflicht besteht.

         In anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommt es zu vergleichbaren Situationen schon deshalb nicht, weil dort ein zeitgleiches Schließen aller Wahllokale Standard ist. Hingegen ist es in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo die Wahllokale zu sehr unterschiedlichen Zeiten schließen, gang und gäbe, dass vorliegende Ergebnisse und Hochrechnungen über die Medien bekannt gegeben werden.

3. In der Geschichte der zweiten Republik stellte die Möglichkeit der Veröffentlichung von Wahler­gebnissen vor Schließung der letzten Wahllokale bis vor kurzem deshalb kein Problem dar, weil als Massenmedien nur der ORF und die Zeitungen tätig wurden. Zeitungen hatten – das liegt in der Natur der Sache – ohnedies keine Möglichkeit, Ergebnisse vor Schließung des letzten Wahllokals zu veröffentlichen; der ORF hat sich – sieht man von einem Vorfall im Bereich des Landesstudios Vorarlberg anlässlich der Nationalratswahl 1990 ab – stets an eine selbst auferlegte Sperrfrist gehalten. Bei Nichteinhaltung dieser Sperrfrist wäre die einzige – nicht sehr wirkungsvolle – Sanktion die Unterbrechung der elektronischen Weiterleitung von Wahldaten gewesen.

         Während dessen sich die Privatradiosender bei den zurückliegenden Wahlen (nicht zuletzt unter Druck der Austria Presse Agentur) der vom ORF selbst auferlegten Sperrfrist angeschlossen haben, kam es bei der Nationalratswahl 1999 mehrfach zur Bekanntgabe von Hochrechnungsergebnissen im Internet. Die Reichweite dieser Bekanntgabe war zu diesem Zeitpunkt noch relativ gering. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Reichweite in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen wird. Die Frage des tatsächlichen Einflusses solcher Veröffentlichungen ist nur durch Experten aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung zu beantworten. Sofern man zum Schluss kommt, dass eine solche Beeinflussung in Hinkunft hintanzuhalten ist, bestehen – theoretisch – zwei Möglichkeiten, die Veröffentlichung zu unterbinden:


–       ein Verbot der „vorzeitigen“ Veröffentlichung von Ergebnisdaten oder Hochrechnungs­ergebnissen oder

–       die Festlegung eines österreichweit zeitgleichen Wahlendes in allen Wahllokalen.

         Nur die zweitangeführte Möglichkeit erscheint aus der Sicht des Bundesministeriums für Inneres ein taugliches Mittel, um die Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler hintanzuhalten. Zum Einem erscheint es mehr als fragwürdig, ob eine Veröffentlichung der Ergebnisdaten im Internet durch Gesetz verhindert werden kann. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass mit der Veröffentlichung solcher Daten im Fall eines gesetzlichen Verbots auf ausländische Webserver ausgewichen wird, die dem Zugriff der österreichischen Behörden und auch nachträglichen rechtlichen Sanktionen entzogen sind. Überdies birgt ein Veröffentlichungsverbot die Gefahr in sich, dass wahlwerbende Parteien – dies könnten in diesem Fall auch Splittergruppen sein – mit einer bewusst herbeigeführten Veröffentlichung vorsorglich einen Anfechtungsgrund „züchten“. Der Gesetzgeber ginge bei Normierung eines Veröffentlichungsverbots ein nicht unbeträchtliches Risiko ein, dass Wahlen des Öfteren wegen Übertretung dieses Verbots wiederholt werden müssten.

         Wesentlich zielführender erschiene die Festlegung eines zeitgleichen Wahlendes. Es steht zwar außer Zweifel, dass bei den in Österreich bestehenden Strukturen und Traditionen eine sowohl bezüglich der Beginnzeit als auch des Schließens der Wahllokale kongruente Wahlzeit nicht in Betracht kommt; vor allem für kleine Gemeinden erscheinen sich über den ganzen Tag erstreckende Wahlzeiten völlig unzumutbar. Bei der Europawahl 1999 hat sich jedoch gezeigt, dass die Anberaumung der Öffnungszeiten für den Nachmittag ein gangbarer Weg wäre. Währenddessen man bei dieser Wahl, bei der ein durch zwingendes EU-Recht vorgegebenes Verbot einer vorzeitigen Auszählung besteht, in Ostösterreich generell an traditionellen Öffnungszeiten der Wahllokale festgehalten hat, war man insbesondere in Tirol und Vorarlberg experimentierfreudiger und setzte die Stimmabgabe in vielen Gemeinden auf den Nachmittag an. Auf die Wahlbeteiligung wirkte sich diese Maßnahme bei der Europawahl weder in die eine noch in die andere Richtung aus.

Zusammenfassung:

Der Gesetzgeber sollte, falls er zum Ergebnis kommt, dass ein Festhalten an der bestehenden Rechtslage nicht mehr tragbar erscheint, eine gesetzliche Festlegung des zeitgleichen Schließens alle Wahllokale – bei Beibehaltung der Möglichkeit, dass Gemeinden den Zeitpunkt des Öffnens der Wahllokale selbst festlegen – ins Auge fassen.

ÖSTERREICHISCHER GEMEINDEBUND

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich der Enquete-Kommission betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilergebnissen vor dem amtlichen Wahlende folgende Stellungnahme abzugeben:

Wenn von Maßnahmen zur Unterbindung der Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen und Teilergebnissen vor dem Wahlschluss, zB durch einheitlichen Beginn der Stimmenauszählung die Rede ist, so ist höchste Vorsicht geboten. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeiten, die sich aus der Europawahlordnung ergaben. Nach § 66 Abs. 2 der Europawahlordnung hat der Wahlleiter gegebenenfalls die Sitzung der Wahlbehörde solange zu unterbrechen, bis die Stimmabgabe in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beendet ist. Diesen Zeitpunkt hat der Bundes­minister für Inneres den Wahlbehörden spätestens am fünften Tag vor der Wahl bekannt zu geben. Mit Erlass des Bundesministers für Inneres vom 8. April 1999, Zl. 42.210/31-IV/6/99, wurde der Leitfaden für die Europawahl am 13. Juni 1999 herausgegeben, welcher feststellte, dass mit der Ermittlung des Wahlergebnisses erst nach 22.00 Uhr begonnen werden darf. Dieser Punkt wurde bereits damals vom Österreichischen Gemeindebund heftig kritisiert, da durch diese Regelung die Mitglieder der Wahlkommissionen ungebührlich lange zur Verfügung stehen mussten. Umso mehr erstaunt es, dass nunmehr – wenn auch mit einer anderen Zielsetzung – eine derartige Regelung für das nationale Wahl­recht in Erwägung gezogen wird.

Vor allem in kleineren Gemeinden ist es den Mitgliedern der Wahlkommissionen nicht zumutbar mit der Stimmenauszählung solange zuzuwarten bis auch das letzte Wahllokal geschlossen ist. Zu bedenken ist dabei insbesondere, dass es sich bei den Wahlbeisitzern hauptsächlich um Freiwillige handelt.

Daher verlangt der Österreichische Gemeindebund, dass die Festlegung der Wahlzeit weiterhin gemäß § 52 Abs. 2 NRWO den Gemeindewahlbehörden obliegt.

ÖSTERREICHISCHER STÄDTEBUND

Zu dem in der Kommission zu behandelnden Problemkreis nimmt der Österreichische Städtebund wie folgt Stellung:

Nach den Aussagen von Vertretern führender Meinungsforschungsinstitute ist davon auszugehen, dass es auf Grund der Lockerung der so genannten „Lagerbildung“ in einem ersten Schritt zu einer Zunahme der Wechselwähler bzw. Nichtwähler gekommen ist und in einem zweiten Schritt die Wahlberechtigten die Entscheidungen darüber, an der Wahl teilzunehmen oder nicht zu wählen bzw. welche wahlwerbende Gruppe gewählt wird, zu einem immer späteren Zeitpunkt bis erst kurz vor dem Wahltag fallen.

Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass – insbesondere bei der letzten Nationalratswahl – die Veröffentlichung von Umfragedaten ganz konkrete Auswirkungen auf die Wahlkampfführung einzelner wahlwerbender Gruppen und damit wohl letztlich auch auf die Wahlentscheidung durch den Bürger hatte. Empirische Nachweise, welche tatsächlichen Effekte die Veröffentlichung von Meinungsumfragen auf die Entscheidung zu wählen oder nicht zu wählen bzw. auf das aktuelle Wahlverhalten haben, scheinen aber bisher nicht vorzuliegen.

Der Städtebund begrüßt daher die Abhaltung der gegenständlichen Enquete, weil nur durch eine gesicherte Aufarbeitung empirischer Daten eine Entscheidungsgrundlage über möglicherweise zu treffende rechtliche Konsequenzen gefunden werden kann. Es erscheint aus Sicht des Städtebundes durchaus zweckmäßig, zunächst eine Bestandaufnahme darüber durchzuführen, ob sich nachweisen lässt, welche Auswirkungen die Veröffentlichung von Umfragedaten auf die Wahlkampfführung und damit letztlich auf das Wahlverhalten der Bürger haben.

Falls sich auf Grund einer solchen Bestandaufnahme tatsächliche Auswirkungen feststellen lassen, ist eine Diskussion darüber möglich, ob ein Verbot der Veröffentlichung von Meinungsumfragen kurz vor den Wahlen bzw. der Ergebnisse einzelner Gemeinden vor Abschluss des bundes-(landes-)weiten Wahl­verfahrens erfolgen soll oder nicht. Erst wenn der Nachweis gelingt, dass durch die Veröffentlichung von Wahlumfragedaten das Wahlverhalten manipulierbar ist, kann geprüft werden, inwieweit ein Veröffent­lichkeitsverbot in verfassungsrechtlich einwandfreier Form normiert werden kann, welches in der Praxis auch tatsächlich umsetzbar ist.

UNIV.-PROF. DR. FRITZ PLASSER

Institut für Politikwissenschaft an der SOWI-Fakultät der Universität Innsbruck

1. Gesetzliche Regelungen der Veröffentlichung von Meinungsumfragedaten


Gesetzliche Beschränkungen der Veröffentlichung von Wahlumfragedaten existieren derzeit in vier westeuropäischen Ländern (Frankreich: Verbot der Veröffentlichung in den letzten sieben Tagen vor der Wahl; Luxemburg: Veröffentlichungsverbot während des letzten Wahlkampfmonats; Spanien: in den beiden letzten Tagen vor der Wahl; Italien: Verbot der Veröffentlichung in den letzten fünfzehn Tagen vor dem Wahltag). In den Staaten Ostmitteleuropas und Osteuropas finden sich nur in drei Ländern (Belarus, Bulgarien – wo das Veröffentlichungsverbot 1997 als nicht verfassungskonform wieder aufgehoben wurde – und Georgien) keine gesetzlichen Regelungen betreffend die Veröffentlichung von politischen Meinungsumfragedaten. Die Verbote reichen von 15 Tagen (Ukraine), 12 Tagen (Polen), 7 Tage (Ungarn, Slowakei und Slowenien), über 3 Tage (Russische Republik) bis zweitägige Veröffentlichungsverbote (Tschechische Republik, Rumänien, Lettland). Nur in einem Land – Litauen –verbietet der Gesetzgeber die Veröffentlichung von politischen Umfragedaten während des gesamten offiziellen Wahlkampfes. Eine ähnliche strikte und extensive Regelung findet sich nur in der Türkei, Südkorea (die letzten 60 Tage) und Südafrika (die letzten sechs Wochen vor dem Wahltag).

Im außereuropäischen Vergleich ist die Veröffentlichung politischer Umfragedaten in Kanada während der letzten drei Tage verboten. In Lateinamerika finden sich gesetzliche Verbote in Argentinien (2 Tage), Brasilien (7 Tage), Mexiko (7 Tage) und Uruguay (2 Tage). In Asien verbieten neben dem bereits erwähnten Fall Südkorea die indischen Behörden die Veröffentlichung von Umfragedaten während der letzten 15 Tage vor dem Wahltag, Japan (während des gesamten offizielle Wahlkampfes) sowie Taiwan (die letzten 10 Tage vor dem Wahltag).

2. Erfahrungen mit gesetzlichen Veröffentlichungsverboten

Vergleichende Evaluierungen, die sich mangels einer systematischen komparativen Studie nur auf informelle Erfahrungsberichte abstützen können, kommen zu differenzierten und ambivalenten Schlussfolgerungen, was die vom Gesetzgeber intendierte Wirksamkeit der Veröffentlichungsverbote betrifft. Im Kern werden drei Unschärfen angesprochen:

1.      Der „Import“ aktueller Umfragedaten, die rezent in einem ausländischen Medium publiziert wurden und anschließend in den heimischen Massenmedien unter Quellenangabe zitiert werden.

2.      Die Veröffentlichung von Umfrage- und Trenddaten in transnationalen Nachrichtenmedien (zB.: CNN, NTV ua.) bzw. ausländischen Massenmedien, die über Kabel im betreffenden Land rezipiert werden, und die virtuelle Informationsplattform des Internet, die sich nationalen Regelungen entziehen.

3.      Die journalistischen Praxis, über Trends und Wahlchancen einzelner Parteien auch ohne direkte Zitierung von Umfragedaten bzw. demoskopischen Quellen zu berichten.

Angesichts der angesprochenen Unschärfen der Praxis in Verbindung mit kontroversen normativen Positionen, was ein pluralistisches Informationsangebot und demokratische Informationsfreiheit betrifft, steht der Gutachter einem gesetzlichen Verbot der Veröffentlichung politischer Umfragedaten skeptisch gegenüber. Um der berechtigten Besorgnis gegenüber einem manipulativen Einsatz demoskopischer Datensplitter bzw. einer exzessiven sportiven Dramatisierung des Wahlkampfes durch „horse race journalism“ zu entsprechen, scheinen folgende (nur kursorisch angesprochene) Maßnahmen wirksamer:

1.      Informelle Vereinbarungen zwischen den Meinungsforschungsinstituten, auf die Veröffentlichung demoskopischer „Wahlprognosen“ in der letzten Wahlkampfwoche zu verzichten. Eine solche informelle Vereinbarung könnte von einer Standesplattform wie dem Verband der Marktforscher Österreichs (VMÖ), der alle professionellen Meinungsforschungsinstitute angehören, koordiniert und deren Einhaltung überwacht werden.

2.      Erinnernde Aufforderungen an die Meinungsforschungsinstitute, sich konsequenter an den Codes für eine professionelle Publikation von Meinungsforschungsergebnissen zu orientieren. Solche Codes finden sich bei WAPOR wie bei ESOMAR und könnten durch den VMÖ präzisiert und als professionelle Leitlinien vorgegeben werden.

3.      Informelle Vereinbarung zwischen den Redaktionen der österreichischen Massenmedien, bei der Publikation von Umfragedaten die statistischen Unschärfen demoskopischer Instrumente in einer für die Leser-/Seherschaft nachvollziehbaren Form anzusprechen und auf die Publikation „exklusiver“ Daten zu verzichten bzw. jeweils mehrere Umfragebilder gegenüberzustellen und differenziertere Lagebilder zu vermitteln.

3. Problem der Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen vor Schließen der Wahllokale

Die unprofessionelle und leichtfertige Veröffentlichung fragwürdiger Wahlprognosen vor dem Schließen der Wahllokale hat den amerikanischen Präsidentschaftswahlabend am 7. November 2000 überschattet und zu folgenreichen Problemen geführt. In den USA beginnt derzeit eine Reformdiskussion, deren Ergebnisse noch nicht abschätzbar sind. Während die sozialwissenschaftliche Forschungslage, was den Einfluss veröffentlichter Umfragedaten auf das Wahlverhalten betrifft, widersprüchlich und unbe­friedigend ist, liegen für die vorzeitige Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen mehrere Befunde vor, die in Richtung einer möglichen Verzerrung der Wahlergebnisse deuten. Um das Problem systematisch zu erfassen, muss zwischen Teilwahlergebnissen und darauf gestützte Hochrechnungen und Wahl­prognosen auf Basis von Wahltagsbefragungen (exit polls) differenziert werden.

3.1. Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen

Die Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen – in der Regel ausgezählte Gemeinde- bzw. Bezirksdaten – mit Sperrfristvermerk durch die APA hat in Österreich Tradition. Der Sperrfristvermerk wurde bislang von den Tageszeitungen und dem ORF eingehalten. Durch das Internet stehen mittlerweile Informations­plattformen zur Verfügung, die an keinerlei professionelle Standards gebunden sind. Aus Sicht des Gutachters wäre eine striktere Regelung des Zugangs und der Weitergabe ausgewählter Teilwahl­ergebnisse dringlich geboten.

Eine solche Regelung sollte aber nicht die Praxis der Bekanntgabe wahlstatistischer Hochrechnungen nach Schließen der Wahllokale behindern. Um zum Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale eine professionelle Mandatsprognose abgeben zu können, müssen Hochrechnungsteams bereits während des Nachmittags Zugang zu Teilwahlergebnissen haben. Sollte der Gesetzgeber festlegen, dass mit der Auszählung bundesweit erst nach dem Schließen des letzten Wahllokals begonnen werden darf, würde dies eine fundierte Hochrechnung um mehrere Stunden verzögern (siehe die Wahl zum Europäischen Parlament 1999).

3.2. Veröffentlichung von Exit Polls vor Schließen der Wahllokale

Mit wenigen Ausnahmen, bei denen auf demoskopische Wahltagsbefragungen gestützte Wahlausgangs­prognosen knapp vor dem Schließen des letzten Wahllokals (mit Sperrfrist) der journalistischen Öffentlichkeit mitgeteilt wurden, werden Exit Polls in Österreich nicht für prognostische Zwecke eingesetzt. Die übliche Praxis ist die Veröffentlichung zentraler Ergebnisse einer demoskopischen Wahltagsbefragung am Morgen nach dem Wahltag und zu einem Zeitpunkt, wo das vorläufige amtliche Endergebnis bereits publiziert und politisch kommentiert wurde. Um auch hier einen möglichen Missbrauch des Instruments vorzubeugen, wäre es vorstellbar, für die Veröffentlichung demoskopischer Exit Poll-Ergebnisse vor Schließen des letzten Wahllokals eine analoge strikte Regelung zu überlegen wie bei vorzeitigen Veröffentlichungen von Teilwahlergebnissen. Ein generelles Verbot der Durchführung von Wahltagsbefragungen ist in einigen Ländern zwar überlegt worden, mit Blick auf erhebliche verfassungsrechtliche Probleme aber letztlich nicht zum Gesetz erhoben worden. In einem berichteten Fall – den Philippinen 1997 – hat das Oberste Gericht ein solches Verbot noch am Wahltag als nicht verfassungskonform aufgehoben. In Südkorea sind gesetzliche Restriktionen bei der Durchführung von Exit Polls beim Obersten Gerichtshof des Landes anhängig.

4. Fazit


Aus Sicht des Gutachters leiten sich nach einem internationalen Vergleich der Regelungspraxis und dem Studium sozialwissenschaftlicher Expertenpositionen zwei generelle Empfehlungen an den parlamentari­schen Gesetzgeber ab:

1.      Da auch in Ländern, in denen die Publikation von politischen Umfragedaten in der Schlussphase des Wahlkampfes gesetzlich verboten ist, die praktischen Auswirkungen einschlägiger Restriktionen weit hinter der gesetzgeberischen Intention zurückbleiben, sollte von einer gesetzlichen Regelung Abstand genommen werden. Hingegen erscheinen Maßnahmen in Richtung einer informellen, konsensualen Selbstbeschränkung der Akteure – sprich Meinungsforschungsinstitute, Massenmedien und Politiker bzw. deren Stabsmitarbeiter – erfolgversprechender.

2.      Was die Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen betrifft, sollte der gesetzliche Normierungs­rahmen voll ausgeschöpft werden. Gesetzliche Auflagen, was Zugang und Weitergabe von Teilwahlergebnissen vor Schließen der letzten Wahllokale dringend betrifft, erscheinen mit Blick auf aktuelle ausländische Erfahrungen dringend geboten. Zugangsbeschränkungen könnten auch der Proliferation von Teilwahlergebnissen via Internet gegensteuern. Professionelle wahlstatistische Hochrechnungen wie sozialwissenschaftliche Analysen des Wahlverhaltens sollten aber vom Gesetzgeber in einer Form berücksichtigt werden, die eine verantwortungsbewusste, akademische Wahlforschung in Österreich weiterhin zulässt.

5. Weiterführende Literatur

Donsbach, Wolfgang (2000). Public Opinion Polls: Legal Regulation. In: Richard Rose (ed.). International Encyclopedia of Elections. Washington DC

Esomar (1997). The Freedom to Publish Public Opinion Polls. Report on a Worldwide Survey. Amsterdam Lange, Yaska (1999). Media and Election Handbook. Strasbourg

Plasser, Fritz (2001). Global Political Campaigning. New York (forthcoming)

SORA – INSTITUTE FOR SOCIAL RESEARCH AND ANALYSIS

A) Umfragen vor der Wahl und Wahltagsbefragungen


Es gibt bzw. kann Effekte aus der Veröffentlichung von Meinungsumfragen auf das Verhalten der Wähler und Wählerinnen geben. Das Ausmaß und die Richtung dieser Wirkungen sind allerdings häufig empirisch schwer zu ermitteln, wie andere Gutachter bereits festgestellt haben. Aus unserer Sicht sind diese Wirkungen von Meinungsumfragen – die Beeinflussung des Wahlverhaltens – demokratiepolitisch nicht bedenklich. Meinungsumfragen stellen nur eine von vielen Informationsquellen dar, die die Wähler und Wählerinnen nutzen können, um zur eigenen Wahlentscheidung zu gelangen.

Äußerst bedenklich finden wir aber die Veröffentlichung von Meinungsumfragen, deren Ergebnisse nicht der empirischen Realität entsprechen bzw. die nicht den Nachweis ermöglichen, dass sei die anerkannten Standards der Umfrageforschung wie sie zum Beispiel die internationale Vereinigung der Markt­forschungsinstitute (ESOMAR, http://www.esomar.nl) festschreibt, einhalten. Wir plädieren daher für eine Kontrolle der Qualitätsstandards in der Durchführung und in der Medienberichterstattung über Meinungsumfragen. Wir plädieren für eine offene Diskussion darüber, welche Eckdaten von Umfragen von Medien, die über Umfrageergebnisse berichten, der Leserschaft verpflichtend bereitzustellen sind.

Eine nur flüchtige Durchsicht österreichischer Tageszeitungen und Zeitschriften zeigt, dass derzeit folgende Angaben zur Datenerhebung für eine Umfrage bzw. zur Methodik bei der Auswertung der Ergebnisse veröffentlicht werden.

fast immer:

–      Art der Befragung (telefonisch, face-to-face, postalisch, E-Mail, Internet).

–      Anzahl der erreichten Interviews.

–      Name des Meinungsforschungsinstituts.

–      Name des Auftraggebers.

häufig:

–      genaue Wortlaut der Frageformulierung.

–      Maximale Schwankungsbreite der Ergebnisse.

–      Angabe der Grundgesamtheit (zB erwachsene Bevölkerung, unselbständige Arbeitnehmer).

–      Erhebungsgebiet.

selten bis nie:

–      Angabe der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf eine Frage.

–      Angabe des Anteils jener Personen, die keine Parteipräferenz angeben bzw. die die Antwort verweigern.

–      Unterscheidung der Ergebnisse von Wahlfragen in Rohdaten und hochgerechnete Daten.

–      Angaben zum Verfahren, wie aus den Rohdaten hochgerechnet wird.

–      Die Art der Stichprobenziehung.

–      Angaben zum Gewichtungsverfahren, mit dem Stichprobenabweichungen korrigiert werden.

–      ein Hinweis auf die tatsächliche Variabilität der Schwankungsbreite, die abhängig ist von der Anzahl der erreichten Interviews und dem jeweiligen Prozentwert.

–      Ausschöpfungsrate, dh. das Verhältnis zwischen der Anzahl der in der Stichprobenzeichung ausgewählten Personen und der Anzahl der tatsächlich erreichten Interviews.

Abbildung 1 zeigt am Beispiel einer amerikanischen Qualitätszeitung, wie eine journalistische Vermittlung der technischen Angaben zu Umfragen möglich ist. Dieser kleine „Kasten“ in einem größeren Bericht über die Ergebnisse einer Umfrage zum US-Präsidentschaftswahlkampf beschreibt wie diese in der Praxis durchgeführt wurde.

Abbildung 1: The New York Times/CBS News Poll

Quelle: The New York Times, 6. November 2000, A23

Wünschenswert ist eine klare Unterscheidung in Rohdaten und hochgerechnete Daten in der Medienberichterstattung. Wer der Verursacher des gegenwärtigen Mankos ist, dass meist nur die hochgerechneten Daten publiziert werden, ist unklar. In Betracht kommen Journalisten, die diese Unterscheidung als nicht publikationswürdig erachten; Auftraggeber, die sich Möglichkeiten zur Manipulation unangenehmer Rohdaten bewahren möchten oder die Umfrageinstitute selbst, die den methodischen Schritt von Rohdaten zu den hochgerechneten Daten als ihr „Betriebsgeheimnis“ betrachten.

Hier liegt unseres Erachtens das größte Risiko einer bewussten Manipulation der Wählerschaft durch Umfragen, weil die Öffentlichkeit keine Informationen über die Rohdaten bzw. über die Art der Umwandlung von Rohdaten in hochgerechnete Daten hat.

Der technische Fortschritt macht die Durchführung bestimmter Arten von Befragungen immer einfacher und kostengünstiger. Dazu gehört zum Beispiel die freiwillige Teilnahme der zu Befragenden über Telefon (die so genannten TED-Befragungen) oder durch Anklicken der Optionen in einem Internet­fragebogen. Medien setzen sie gerne als Element der Unterhaltung ein. Diese Arten von Befragungen können aber praktisch nie den Nachweis erbringen, dass die Ergebnisse repräsentativ für die angestrebte Zielgruppe (Grundgesamtheit) sind. Das Ergebnis sind wahllose Sammlungen von Aussagen, die nicht für eine größere Gruppe verallgemeinerbar sind.

Bedauerlicherweise ist auch ein teilweise verfehlter Umgang von Medien mit dem Instrument der Repräsentivumfrage zu konstatieren. Dieser Vorwurf gilt jenen Medien, die in einer repräsentativen Umfrage ein präzises Prognoseinstrument für den Wahlausgang sehen möchten. Sie werten damit gegenüber ihren Konsumenten sowohl die Bedeutung von Meinungsänderungen der WählerInnen im Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Umfrage und dem Wahltag als auch die dem Instrument der Umfrage inhärente Messunschärfe (siehe Schwankungsbreiten usw.) ab.

Wir empfehlen zur Qualitätskontrolle von Umfragen:

Um die Qualität von veröffentlichten Umfragen überprüfen oder vergleichen zu können, sollte es eine Pflicht zur Veröffentlichung der wichtigsten Angaben zur Umfrage geben. Nur eine Publikations­pflicht für Qualitätsangaben einer Umfrage garantiert, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten objektiv über die Qualität der Umfrage informieren können.

Im Wesentlichen handelt es sich hier um drei Bereiche, erstens die technischen Angaben zur Umfrage an sich, zweitens die Art der Gewichtung, und drittens um exaktere Angaben zum Anwortverhalten auf die Wahlfragen.

Eine Veröffentlichungspflicht für die Datensätze ist sinnvoll und zusätzlich für die wissenschaftliche Forschung äußerst wertvoll. Wenn die Datensätze öffentlich zugänglich sind, erlaubt dies auf einfache Art und Weise die Kontrolle der verlautbarten Ergebnisse durch Medien, politische Organisationen, WissenschafterInnen und andere Interessierte.

Mindestangaben zur Umfrage:

–    Art der Interviews (telefonisch, schriftlich, Face-to-Face, online, usw.).

–    Erhebungszeitraum.

–    Erhebungsgebiet (geographisch).

–    Population (zB Wahlberechtigte, unselbständige ArbeitnehmerInnen usw.).

–    Größe der Stichprobe.

–    Art der Stichprobe (Zufall, geschichtet, falls geschichtet, auf welche Art).

–    maximale Schwankungsbreite der Werte.

Angaben zur Gewichtung

Es ist von großer Bedeutung, welche Merkmale in die Gewichtung des Datensatzes miteinbezogen werden, um systematische Ausfälle, die bei jeder Art von Befragung vorkommen, auszugleichen. Daher sollte auch die Gewichtungsmethode publiziert werden.

Angaben zum Antwortverhalten auf die Wahlfrage

–    Anzahl der Deklarierten.

–    Ergebnisse in den Rohwerten.

–    Art der Zuordnung der Nichtdeklarierten.

Gerade der methodische Schritt von den Rohwerten zum geschätzten Wahlergebnis ist oft nicht nachvollziehbar. Wie Nichtdeklarierte zugeordnet werden, sollte daher ebenso dargestellt werden wie die Anzahl der Deklarierten und das Ergebnis in Rohwerten (in Prozent aller Befragten) selbst.

Veröffentlichung der Datensätze

Die effektivste qualitätssichernde Maßnahme stellt eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Daten­sätze dar, da sie Sekundäranalysen ermöglicht. Wünschenswert ist eine zentrale Sammlung und öffentliche Bereitstellung der Datensätze von Umfragen, etwa beim Datenarchiv WISDOM. Eine Veröffentlichungspflicht für Umfragen müsste alle jene Variablen im Datensatz, die für die Gewich­tung herangezogen wurden, sowie die Wahlfrage(n) selbst umfassen.

B) Wahltagsbefragungen: Durchführung und Bekanntgabe vor Wahlschluss

Es gibt aus der Sicht der Gutachter keine Gründe, die gegen die Durchführung von Wahltagsbefragungen sprechen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Wahltagsbefragung noch vor Wahlschluss sollte auf jeden Fall unterbunden werden. Sie stellt eine Ungleichbehandlung der Wählerschaft dar, weil WählerInnen, die später zur Stimmabgabe schreiten, über mehr Informationen verfügen als die frühen WählerInnen.

C) Die vorzeitige Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen und Hochrechnungen am Wahltag

Am Wahltag schließen viele Wahllokale vorzeitig, weil es in vielen kleinen Gemeinden unvertretbar gegenüber den freiwilligen Wahlhelfern erscheint, erst nach dem Schließen aller anderen Wahllokale mit dem Auszählen zu beginnen. Selbst wenn derartige Regelungen bestehen wie bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 13. Juni 1999, als die Urnen erst ab dem allgemeinen Wahlschluss um 22 Uhr geöffnet wurden, dürften sie nicht selten umgangen werden.

Die Wahlbehörden der Gemeinden übermitteln die Ergebnisse nach deren Auszählung traditionell ans Bundesministerium für Inneres, das sie in ein einheitliches Datenformat bringt und an Institutionen wie dem ORF übermittelt. Darüber hinaus erhalten die Parteizentralen in der Regel über ihre Mitglieder in den Wahlkommissionen vorläufige Ergebnisse. In den vergangenen Jahrzehnten waren auf diesem Weg die wahlwerbenden Parteien und die Medien in Österreich üblicherweise bereits gegen 14 Uhr über die wesentlichen Trends bei einer Wahl oder Abstimmung informiert. Auf Grund der vorzeitigen Übermittlung zahlreicher Gemeinden konnten ua. der ORF bereits bei Wahlschluss Hochrechnungen präsentieren, die im Allgemeinen selten mehr als ein Prozent vom tatsächlichen Wahlergebnis abwichen.


Durch das Monopol des ORF im Bereich der elektronischen Medien und die informelle Stillhalte­vereinbarung zwischen ORF und Innenministerium war gewährleistet, dass keine Informationen an eine substanzielle Anzahl von Wahlberechtigten dringen und deren Entscheidung beeinflussen konnten. Bei der Nationalratswahl am 3. Oktober 1999 hatten aber manche Internetausgaben von Medien wie zB www.news.at den Elitenkonsens gebrochen und bereits deutlich vor Wahlschluss Hochrechnungen des Wahlergebnisses veröffentlicht.

Dieser Umstand wird von den Gutachtern als problematisch angesehen, weil jene Wahlberechtigten, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei der Wahl waren, durchaus in ihrer Wahlentscheidung (ob und für welche Partei eine Stimme abgegeben wird) beeinflusst werden konnten. Um Situationen wie bei der Nationalratswahl 1999 zu verhindern, gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:

1.      Die Auszählung der Stimmen darf österreichweit erst zu einem einheitlichen Zeitpunkt beginnen.

2.      Die Auszählung beginnt wie bisher nach dem jeweiligen Wahlschluss, das Bundesministerium für Inneres gibt aber die Daten aus den Gemeinden nicht vor dem allgemeinen Wahlschluss weiter.

3.      Es werden Gesetze und/oder Vereinbarungen beschlossen, die den Elitenkonsens der Nichtveröffent­lichung bis zum allgemeinen Wahlschluss auch im Zeitalter privater elektronischer Medien und des Internets gewährleisten.

Die erste Option erscheint nicht nur den kleineren österreichischen Gemeinden unzumutbar – es gibt auch große Städte wie Graz, deren Wahllokale traditionell um zwei bis drei Stunden vor dem allgemeinen Wahlschluss schließen. Der Nachteil der zweiten Option ist, dass die traditionelle exakte Wahltags­hochrechnung bei Wahlschluss nicht mehr möglich wäre.

Die Gutachter bevorzugen daher die dritte Option.

Konkret sollten folgende Maßnahmen gesetzt werden:

–    Eine Vereinbarung seitens des Bundesministeriums für Inneres mit jenen Institutionen und Organisationen (Medienanstalten und Parteien), die einen Datensatz mit Ergebnissen von frühzeitig ausgezählten Gemeinden erhalten über eine Weitergabe dieser Daten sowie der Ergebnisse der damit durchgeführten Hochrechnungen.

–    Restriktive Zugangsbestimmungen für die Räumlichkeiten, in denen die Wahltagshochrechnung durchgeführt wird (zB ORF-Studio), zB Beschränkung auf Mitarbeiter der durchführenden Medienanstalt und des hochrechnenden Institutes.

–    Eine Vereinbarung aller Rundfunk- und Internetmedien, vor Wahlschluss keine Ergebnisse von Hochrechnungen zu veröffentlichen. Bei Nichteinhaltung dieser Vereinbarung wären Pönalen oder auch gesetzlich festgelegte Strafen zu bezahlen.

FESSEL-GfK – INSTITUT FÜR MARKTFORSCHUNG GESMBH

1. FEHLERQUELLEN UND UNGENAUIGKEITEN BEI UMFRAGEN


1.1. Stichprobenfehler

Die Umfrage ist nicht repräsentativ (bei Zufallstichproben, random sampling, kann die Wahrscheinlich­keit eines derartigen Fehlers berechnet werden).

1.2. Schwankungsbreiten

Die eruierten Werte sind angebbar „ungenau“, dh. sie liegen innerhalb eines Korridors, in erster Linie abhängig von der Größe der Stichprobe und der jeweiligen Untergruppe.

Beispiel: Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Österreich

Stichprobengröße

Untergruppe

Schwankungsbreite

„Wahrer Wert“

a)   500

3/97%

±1,5%

1,5–4,5/95,5–98,5%

 

10/90%

±2,7%

7,3–12,7/87,3–92,7%

 

50%

±4,5%

45,5–54,5%

b) 1 000

3/97%

±1,1%

1,9–4,1/95,9–98,1%

 

10/90%

±1,9%

8,1–11,9/89,1–91,9%

 

50%

±3,2%

46,8–53,2%

c) 2 000

3/97%

±0,8%

2,2–3,8/96,2–97,8%

 

10/90%

±1,3%

8,7–11,3/88,7–91,3%

 

50%

±2,2%

47,8–52,2%

1.3. Frageformulierung

kann das Ergebnis beeinflussen: „verständlich/unverständlich“, „doppeldeutig“, „bias“-Befragte werden in eine bestimmte Richtung gelenkt.

1.4. Fragenkontext

frühere Fragen können Ergebnis beeinflussen.

1.5. Hochschätzung von deklarierten Wahlabsichten

Im Regelfall verweigern 10–25% der Befragten die Antwort auf die „Sonntagsfrage“ (Wen würden Sie wählen?) bzw. sind sich noch unsicher. Diese „Nichtdeklarierten“ werden vielfach den Parteien „zugeordnet“ – wobei die Zurechnung im Regelfall Erfahrungswerten folgt. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass sich die (politische) Zusammensetzung der Nichtdeklarierten oft im Zeitverlauf verändert und über die Wähler neuer Parteien naturgemäß keine Erfahrungswerte vorliegen. Dies ist eine zusätzliche Ungenauigkeit, die zu den vorher angeführten Punkten hinzukommt.

2. MÖGLICHE EFFEKTE DURCH VERÖFFENTLICHUNG VON UMFRAGE-DATEN IM WAHLKAMPF

2.1. Direkte Effekte

2.1.1. Beeinflussung der Wahlbeteiligung

Ein scheinbar „sicherer“ Wahlausgang kann dazu führen, dass Wähler ihre Stimme nicht abgeben, weil die von ihnen präfererierte Partei ohnehin „gewinnt“ oder „chancenlos“ ist. Umgekehrt können auch Mobilisierungseffekte ausgelöst werden.

2.1.2. Speziell bei Kleinparteien kann die Prognose, dass diese Partei ohnehin keine Chancen auf eine parlamentarische Vertretung hat, zur Wahl der „zweitbesten Alternative“ oder des „kleineren Übels“ führen, obwohl man an sich lieber die Erstpräferenz gewählt hätte.

2.1.3. „Mitleids“- oder „Bandwaggon-Effekte“: d.i. eine Stimmenabgabe um den Verlust für eine Partei in Grenzen zu halten oder „beim Sieger dabei zu sein“.

Die Stärke der jeweiligen Effekte und die Frage, ob sie überhaupt auftreten, ist schwer einschätzbar. Es ist jedoch offensichtlich, dass bei knappen Mehrheitsverhältnissen oder der Frage des Überschreitens einer Sperrklausel auch einige wenige tausend Stimmen ausschlaggebend sein können.

Laut der FESSEL-GfK Panelstudie zur NRW 1999 sind nach eigenen Angaben durch die Veröffent­lichung von Meinungsforschungsergebnissen in den Medien in ihrer persönlichen Wahlentscheidung 5% stark und 18% eher beeinflusst worden (77% überhaupt nicht). Einzelne Werbemaßnahmen der Parteien wie Plakate, Werbesendungen in TV, Radio und Kino, persönliche Gespräche mit Parteienkandidaten, Inserate und Wahlkampfveranstaltungen und Briefe usw. kommen auf geringere Werte.

Die gleiche Studie kommt zum Ergebnis, dass in den Medien veröffentlichte Meinungsforschungsergeb­nisse vor allem die Entscheidungsfindung jener Personen beeinflusst haben, die im Laufe des Wahl­kampfes entweder ihre Wahlabsicht änderten (dh. am 3. Oktober eine andere Partei wählten als sie ursprünglich wählen wollten) oder zunächst ihre Wahlabsicht änderten, dann aber doch der ursprünglich präferierten Partei ihre Stimme gaben.

Beeinflussung der Wahlentscheidung

durch Veröffentlichung von MF-Ergebnissen (NRW 1999)

In % gesehen, dass ihre persönliche Wahlentschei­dung für eine bestimmte Partei durch die Veröffent­lichung von Meinungsforschungsergebnissen in den Medien

stark beeinflusst wurde

eher
beeinflusst

überhaupt nicht beeinflusst

Befragte insgesamt

(n = 1000)

 5

18

77

Wahlabsicht während des Wahlkampfes unverändert

(n = 512)

 2

17

81

Wahlabsicht geändert

(n = 268)

10

17

74

Wahlabsicht zunächst geändert, dann Rückkehr zur ursprünglich präferierten Partei

(n = 90)

 5

33

61

Quelle: FESSEL-GfK, Panelstudie zur NRW 1999 *)

*) Panelstudie: mehrfache Befragung desselben Personenkreises.

2.2. Indirekte Effekte

2.2.1 Beeinflussung des Spendenaufkommens für Parteien/Kandidaten

2.2.2 Motivierung bzw. Demotivierung der Parteifunktionäre und Mitarbeiter

2.2.3 Rückzug scheinbar „aussichtsloser“ Kandidaten

2.2.4 Verursachung von parteiinternen Diskussionen vor allem bei negativer Datenlage, die dann von den Medien aufgegriffen werden und wieder in die Parteien hineinwirken, wodurch eine Negativspirale in Gang gesetzt werden kann.

2.2.5 Verlagerung der öffentlichen Diskussion und der Wahlkampfschwerpunkte weg von Themen und Zielen hin zu Erklärungen, Dementis usw. Man redet nicht mehr darüber, was Partei/Kandidat(in) wollen, sondern wie es ihm/ihr im Wahlkampf „geht“.

2.2.6 Veränderung der Wahlkampflinie von Parteien

Allgemein dürften die indirekten Effekte stärker angesehen werden als die direkten, können aber wiederum sehr wohl direkte Effekte auslösen.

Für die Beurteilung der indirekten Effekte ist von zentraler Bedeutung, dass sich die Rahmenbedingungen vor Wahlkämpfen in den letzten Jahrzehnten geändert haben:

–      die Möglichkeiten der Parteien – und zwar aller Parteien – autonom mit den Wähler(innen)n zu kommunizieren, haben im Zeitverlauf abgenommen, im Vordergrund steht die Vermittlung über die Medien. Lediglich die Plakate der wahlwerbenden Parteien wurden im Nationalratswahlkampf 1999 ähnlich oft wahrgenommen wie TV-Berichte oder TV-Diskussionen; die Beeinflussung des eigenen Wahlverhaltens durch Plakate wird von den Befragten jedoch vergleichsweise gering eingeschätzt.

–      In der medialen Berichterstattung ist eine Entwicklung zum Vorrang metapolitischer Themen vor substanzieller inhaltlicher Streitfragen, zur De-Thematisierung der Wahlauseinandersetzung und zur sportiven Dramatisierung des Wahlkampfes durch exzessive Veröffentlichung vor Meinungsfor­schungsdaten und der strategischen Kommentierung feststellbar.

Stärker noch als bei früheren Nationalratswahlen dominierte 1999 in den letzten Wochen vor dem Wahltag der Themenschwerpunkt „Wahl/Wahlkampf/Koalition“ die tagesaktuelle Medienberichterstat­tung: Der Anteil an untersuchungsrelevanten Beiträgen, die sich mit publizierten Wählertrends, TV-Konfrontationen, Kandidatenimages, ritualisierter Wahlkampfpolemik und Koalitionsprognosen aus­einandersetzten, ist im Vergleich zur Nationalratswahl 1995 von 37 auf 51 Prozent angestiegen. Bei keiner Nationalratswahl der vergangenen Jahre nahmen Spekulationen über den Wahlausgang und künftige Regierungsformen einen so breiten Raum ein wie vor der Nationalratswahl 1999. Dabei wurde die Berichterstattung in den fünf untersuchten Wahlkampfwochen nicht nur von der Selektionslogik der Nachrichtenredaktionen bestimmt, sondern auch vom Thematisierungsverhalten der zentralen politischen Akteure entscheidend mitgeprägt. Die Nominierung von Kandidaten, die strategische Positionierung der Parteien, die inhaltlichen und stilistischen Elemente der Werbelinien, veröffentlichte Umfrageergebnisse und daraus resultierende Spekulationen über künftige Regierungsformen beherrschten während des gesamten Intensivwahlkampfes sowohl die redaktionelle Berichterstattung als auch die Kommentare der Tagespresse. Die am häufigsten behandelten inhaltlichen Streitfragen („issues“) der Wahlauseinander­setzung wie „Pensionen“, „Familie“, „Ausländer“ und „NATO/Neutralität/Berufsheer“ und „Kriminali­tät“ fanden im Vergleich dazu nur eine geringe Resonanz.

Tabelle 12: Behandelte Themenbereiche in den tagesaktuellen Medien (Nationalratswahlen 1994, 1995 und 1999 im Vergleich)

In Prozent aller behandelten Innenpolitik-Themen

NRW 1994
in %

NRW 1995
in %

NRW 1999
in %

Wahlen/Wahlkampf/Koalitionen

(Kandidaten/Images/Positionierung der Parteien, Wahlkampf­rethorik, Umfragen/Wahlchancen, TV-Konfrontationen, Regie­rungsformen/Koalitionsvarianten

38,5

37,1

51,0

Wirtschaft/Pensionen/Familie

(Steuern/Sparpaket, Pensionssystem, Arbeitsmarkt, Karenz­geld, Kinderscheck

 9,5

24,9

17,8

Ausländerfrage – Asylrecht – Zuwanderung

 2,8

 2,4

 4,2

Skandale/Affären – Privilegien

21,7

 5,0

 3,4

NATO/Berufsheer

(Neutralität, Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, Berufsheer, gesamteuropäisches Sicherheitssystem)

n.e.

n.e.

 7,0

Quelle: Quantitative Inhaltsanalyse der tagesaktuellen Medienberichterstatter über innenpolitisch relevante Themen, untersuchte Sendungen/Zeitungen: 1983–1995: Zeit im Bild und jeweils drei auflagenstarke Tageszeitungen (reichweitengewichtet); 1999: Kronen Zeitung, Kurier, Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Der Standard, Die Presse.

Tabelle 13: De-Thematisierung und Dominanz metapolitischer Themen im Trend (Nationalrats­wahlen 1983–1999)


Nationalratswahlen 1983–1999 (Erhebungszeitraum jeweils das letzte Monat vor dem Wahltermin

Themenschwerpunkte „Wahlchancen/Wahlziele/

Umfragen – generelle Positionierung der Parteien, Wahlkampfrhetorik – Regierungsformen/

Koalitionsvarianten“, „Privilegien/Skandale/

Affären“ (in Prozent aller behandelten Innen­politik-Themen)

April 1983

November 1986

Oktober 1990

Oktober 1994

Dezember 1995

September 1999

37,1
38,3
33,2
60,2
42,1
54,4

Quelle: Quantitative Inhaltsanalyse der tagesaktuellen Medienberichterstattung über innenpolitisch relevante Themen, untersuchte Sendungen/Zeitungen: 1983–1995: Zeit im Bild und jeweils drei auflagenstarke Tageszeitungen (reichweitengewichtet); 1999: Kronen Zeitung, Kurier, Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Der Standard, Die Presse.

3. Empfehlungen

–      Die Erfahrungen mit gesetzlichen Veröffentlichungsverboten von Umfrageergebnissen im Wahl­kampf sind unterschiedlich. Derartige Verbote erscheinen jedoch nur zielführend, wenn nicht nur die letzten 1 bis 7 Tage, sondern ein Zeitraum von zumindest einem Monat vor dem Wahltag betroffen ist. Für ein Verbot spricht, dass auch Umgehungsversuche (Veröffentlichung im Ausland, Internet usw., die dann zitiert werden usw.) die Wertigkeit von Umfrage-Ergebnissen als journalistisches „Stilmittel“ – und damit Beeinflussungsmöglichkeiten – reduzieren würden. Dagegen spricht in erster Linie, dass die Medien derartige Regulierungen als „Zensurversuche“ ansehen würden.

–      Generell positiv erscheinen Regelungen – entweder gesetzlich oder durch freiwillige Verein­barungen – die Meinungsforschungsinstitute und Medien zur Einhaltung der internationalen Kodizes für die Veröffentlichung von MF-Dateien (zB. ESOMAR; WAPOR-Kodex) bewegen sollten. Vor­stellbar ist – wenn auf gesetzliche Bestimmungen verzichtet wird – die Einrichtung eines „Kontroll- oder Ethik-Rates“, der Verstöße gegen die Veröffentlichungsrichtlinien öffentlichkeitswirksam anprangert (mit Nennung der betroffenen Institute und Medien).

–      Auf jeden Fall empfehlenswert ist ein Verbot der Veröffentlichung von Teilergebnissen und Erfolgsprognosen auf Grund von Exit Polls vor der Schließung des letzten Wahllokales. Dabei sollte allerdings darauf Bedacht genommen werden, dass professionelle wahlstatistische Hochrechnungen und wissenschafltiche Analysen weiter möglich bleiben. Wie auch in anderen Rechtsbereichen sind Umgehungen und Verstöße natürlich nicht auszuschließen, ihre Ahndung würde aber den Missbrauch zumindest einschränken.

IMAS-INTERNATIONAL

Institut für Markt- und Sozialanalysen GmbH

Stellungnahme zum Problem: „Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen“


Wir teilen das Unbehagen darüber, wie die Umfrageforschung bisweilen gehandhabt wird und sind verärgert über die methodische Leichtherzigkeit mancher Prognostiker. Ungeachtet dessen hält das IMAS ein Veröffentlichungsverbot von Parteipräferenzen vor einer Wahl weder unter dem Aspekt des Demokratieverständisses noch aus anderen Überlegungen für wünschbar. Die nähere Erläuterung dieses Standpunktes stützt sich sowohl auf eine langjährige berufliche Erfahrung mit dem gegenständlichen Problem als auch auf die Erkenntnisse namhafter internationaler Experten.

Die Diskussion über die Legitimation politischer Umfragen entstand praktisch mit dem Aufkommen von Massendiagnosen nach dem Prinzip der statistischen Repräsentanz in den USA während der 30er Jahre und beschäftigt seither die Politik. „Vielleicht ist die Meinungsforschung deshalb solch ein Ärgernis“, schrieb der Züricher Sozialpsychologe Gerhard Schmidtchen, „weil sie sich dem traditionellen Staatsdenken nicht einordnen lässt. Die bloße Existenz der Meinungsforschung deckt eine staats­theoretische Schwäche auf.“ *)

Verfemt wurde die politische Umfrageforschung natürlich ganz besonders im Kommunismus und Nationalsozialismus. Allerdings blieben Versuche, der politischen Forschung Zügel anzulegen, nicht auf totalitäre Regime beschränkt. Um die Lage zu überprüfen, wurde 1996 zu diesem Problem eine von der European Society of Market and Opinion Research (ESOMAR) und der World Assoziation for Public Opinion Research (WAPOR) gemeinsam durchgeführte Untersuchung erstellt, die sich auf eine Bestandsaufnahme in 78 Ländern erstreckte. In 30 dieser 78 Länder wurde dabei irgendeine Form von Embargo gegenüber den Veröffentlichungen von politischen Umfragebefunden registriert.

In den meisten Fällen bezog sich das Veröffentlichungsverbot auf eine Frist von 24 Stunden vor der Wahl, manchmal auf eine Woche, nur ganz selten auf einen längeren Zeitraum. Das längste Moratorium wurde in Südafrika (mit sechs Wochen) beobachtet. In traditionellen Demokratien, wie zB: Frankreich betrug es sieben Tage, in Kanada drei Tage.

Kleinere Beschränkungen betrafen die so genannten Exit-Polls (Wählerbefragungen unmittelbar nach Abgabe der Stimme). Zu diesen Erhebungen wurden in vielen Ländern (darunter Deutschland) Veröffentlichungsverbote bis zur Schließung der Wahllokale ausgesprochen. **)

Die Kritiker der Veröffentlichungsverbote führen ins Treffen, dass die Beschränkungen im Widerspruch zu einer Reihe von Bürgerrechten stehen:

–      Erstens haben die Demoskopen Forschungsfreiheit und das Recht, jeden zu informieren, der an den Ergebnissen interessiert ist.

–      Zweitens verletzen Veröffentlichungsembargos die Pressefreiheit und das Recht der Medien, verfügbare Informationen öffentlichen Interesses zu publizieren.

–      Drittens (und am wichtigsten) ist, dass Veröffentlichungsverbote dem einzelnen Bürger das Recht entziehen, politisch relevante Informationen zu erhalten, die anderen (zB: Parteien, Organisationen, Standesvertretungen) zugänglich sind. Dies führt zu zwei Klassen von Staatsbürgern: Solchen, die Zugang zu demoskopischen Befunden haben und anderen, bei denen dies nicht der Fall ist.

Wir identifizieren uns voll und ganz mit den genannten Argumenten und Besorgnissen.

Gegen die Veröffentlichung von demoskopischen Präferenzmessungen vor einer Wahl wird hauptsächlich ins Treffen geführt, dass dadurch die politische Willensbildung beeinflusst wird. Das IMAS ist diesem Problem im Rahmen einer Erhebung unmittelbar vor der Nationalratswahl 1999 nachgegangen. *) Die Recherche vermittelte in geraffter Form folgende Eindrücke:

–      Insgesamt 57 Prozent der Bevölkerung lesen politische Umfrageergebnisse, nur 19 Prozent unter ihnen (in überdurchschnittlicher Zahl Maturanten und Akademiker) tun dies allerdings mit wirklich intensiver Aufmerksamkeit. Knapp zwei Fünftel der Erwachsenen verfolgen die Daten mit einem eher beiläufigen Interesse; 43 Prozent lesen sie gar nicht.

–      Nur 13 Prozent der Österreicher fühlten sich in der Lage, eine genaue Antwort darauf zu geben, welche Stimmenanteile den einzelnen Parteien von der Meinungsforschung zugeordnet wurden; weitere 46 Prozent glaubten, über die Stärken der Parteien ungefähr Bescheid zu wissen; 41 Prozent bekannten sich als uniformiert.

–      Die (mit 88 Prozent) bei weitem größte Zahl derer, die eine zumindest ungefähre Erinnerung an Umfrageergebnisse besaßen, berichteten, die demoskopischen Befunde hätten auf ihre schließliche Wahlentscheidung keinen Einfluss gehabt. Nur zwölf Prozent gaben zu, dass die Daten der Meinungsforschung für Sie „eine gewisse Rolle“ spielten, in dem Sinne, dass sie aus der Kenntnis der Wählerstimmung heraus irgend welche politische Schlüsse für das eigene Wahlverhalten gezogen haben.

Es ist unschwer zu erkennen, dass der vieldiskutierte Mitläufereffekt – wenn überhaupt – so doch nur in schwachen Ausprägungen existiert. Diese Erkenntnis der IMAS-Studie deckt sich voll und ganz mit den Ereignissen des deutschen Polit- und Kommunikationsforschers Prof. Wolfgang Donsbach (Univ. Dresden), der bereits 1984 auf Grund umfangreicher Untersuchungen zur Überzeugung gelangte, dass die Veröffentlichung demoskopisch ermittelter Vorhersagen in den Medien keinen Einfluss auf die tatsäch­liche Stimmabgabe am Wahltag ausübt.

Donsbach stellte ua. fest, dass beim Lesen politischer Umfragebefunde auch der bekannte Mechanismus der selektiven Wahrnehmung wirksam wird. Sehr viele Personen, berichtete er, verdrehen anscheinend die Tatsachen in ihrer Erinnerung und machen sich vor, dass die Umfrageergebnisse zugunsten ihrer Lieblingspartei ausgefallen sind.

Der deutsche Wissenschaftler wies im Übrigen mit Nachdruck darauf hin, dass die Wähler in der Regel mehrere Quellen haben, um sich ein Bild von den Meinungen ihrer Mitmenschen zu machen. Die Berichterstattung in der Presse sei nur eine dieser Quellen. Innerhalb der Aussagen in den Medien spielten demoskopische Ergebnisse nur eine untergeordnete Rolle. (An dieser Stelle ist anzumerken, dass im Laufe eines Wahlkampfes – zumeist von den Politikern selbst – erheblich verzerrtere Informationen auf die Bevölkerung zukommen als sauber ermittelte Umfragebefunde.)

Donsbach schließt allerdings nicht aus, dass ein so genannter Fallbeileffekt existiert, der kleinen Parteien, die vom Scheitern an der 5-Prozenthürde bedroht sind, zum Verhängnis werden könnte. Ihnen könnten mögliche Wähler allein deshalb die Gunst entziehen, weil mit dem erwarteten Scheitern der Partei zugleich auch die eigene Stimme wirkungslos bleiben würde. Als Beispiel dafür nannte er die FDP. Deren Wähler würden nämlich mehr als andere die demoskopischen Prognosen mitverfolgen. Hier trifft sich die Donsbach’sche Beobachtung mit der Schweigehypothese Elisabeth Noelle-Neumanns, in der der „last minute swing“ vorrangig mit der Isolationsfurcht und weniger mit dem Bestreben, auf der Seite der Sieger zu stehen, erklärt wird. **)

Es ist schwer zu beurteilen, ob der von Donsbach angenommene Fallbeileffekt 1999 auch in Österreich das Wählerverhalten gegenüber dem Liberalen Forum und der DU mitbestimmt hat. Selbst wenn dem so wäre, bliebe aber die Frage zu stellen, warum sich in einer Demokratie die Menschen nicht ihre Meinungen bilden dürften in voller Kenntnis dessen, wie andere einen politischen Sachverhalt einschätzen. Wenn man den Wähler als mündigen Bürger ernst nimmt, muss man ihm wohl oder übel das Recht einräumen, seine Entscheidungen für eine Partei unter Abwägung aller verfügbaren Informationen zu treffen.

Unabhängig vom Verlangen nach Informationsgleichheit muss man zur Kenntnis nehmen, dass ein Freihalten des Wahlkampfes von demoskopischen Zahlen in der Praxis nicht erreicht werden kann. Umfrageergebnisse werden immer wieder den Weg in die Öffentlichkeit finden, entweder in Form gezielter Indiskretionen oder – (was noch schlimmer ist) – in Form von unkontrollierbaren Vermutungen, die von der Presse gern als „Enthüllungen“ verpackt werden.


Da eine Veröffentlichungsaskese in der Praxis (anhand deutscher und französischer Beispiele) ohnehin nicht funktioniert, gibt es unserer Auffassung nach nur den anderen Weg: Transparenz, gepaart mit einem Höchstmaß an demoskopischer Qualität und Verantwortungsbewusstsein.

In diesem Punkt unterstützt das IMAS voll und ganz die im „Abänderungsantrag“ gestellte Forderung nach einer Qualitätssteigerung und einer besseren Beurteilbarkeit von Meinungsumfragen.

Es ist leider nicht zu bestreiten, dass hierzulande in der Politforschung eine methodische Verwilderung stattgefunden hat, der entgegengetreten werden muss. Beispielsweise ist es zum Usus geworden, die Parteineigung im Hinblick auf eine (jetzt stattfindende) Nationalratswahl bundesweit mit einer viele zu schmalen statistischen Basis von bestenfalls 500 Interviews abzustützen und dann zum Teil als wöchentliche Trendbeobachtung zu publizieren.

Das IMAS hält Aussagen über die Wählerstimmung auf der Basis derart kleiner Stichproben für absolut unakzeptabel und hat sich selbst zur Pflicht gemacht, Präferenzmessungen zur Nationalratswahl grundsätzlich nicht unter 1000 Interviews durchzuführen.

Fazit: Wir wehren uns gegen ein Veröffentlichungsverbot, unterstützen aber mit Nachdruck alle Bemühungen um eine Qualitätsverbesserung der Marktforschung. In diesem Zusammenhang schlagen wir als ersten notwendigen Schritt vor, eine Mindestgröße von 1 000 Befragten für die Bekanntgabe einer Präferenzmessung zur Forderung zu erheben und diese Samplegröße über­prüfbar zu machen.

Vorstellbar wäre es aus unserer Sicht auch, dass sich die Institute auf freiwilliger Basis der Konvention anschließen, die eingehende methodische Dokumentation jeder publizierten Messung der Parteipräferenz an eine unabhängige und völlig neutrale „Sammelstelle“ weiterzuleiten, von der die Information auf Wunsch abrufbar ist. (Über Einzelheiten wäre zu diskutieren.)

IFES – INSTITUT FÜR EMPIRISCHE SOZIALFORSCHUNG GESMBH

Sind Wahlprognosen demokratisch legitim?


Schon die deutschen Bundestagswahlen 1964 und 1969 haben das Verhältnis von Öffentlichkeit – Politik – Kommentatoren und die wechselseitige Interdependenz beim Shaping von öffentlicher Meinung in Frage gestellt. Seitdem wurden und werden Wahlprognosen teilweise mit distanzierter Skepsis, teilweise mit kritikloser Akzeptanz wahrgenommen. Immer wieder flammt die Debatte heftiger auf, ob Meinungsumfragen als Instrument zur gezielten Beeinflussung von Wählergruppen eingesetzt werden können und ob dieses Instrument bzw. die Veröffentlichung von Ergebnissen der Umfrageforschung missbräuchlich verwendet wird.

Letzten Endes ist die entscheidende Fragestellung: Schaden politische Umfragen und Wahlprognosen der Demokratie, oder nutzen sie ihr? Braucht man Regeln und Gesetze, um einen manchmal vermuteten Missbrauch der Meinungsforschung zu verhindern, oder handelt es sich bei solchen Forderungen nur um Versuche, das freie Wort zu knebeln?

Meinungsforschungsinstitute erstellen im Auftrag unterschiedlicher Kundenkreise, von Printmedien bis zu politischen Parteien, empirische Studien zu politischen Themen, in denen auch das fiktive Wahl­verhalten zu einem gegebenen Zeitpunkt erhoben wird. Diese publizierten Ergebnisse erwecken mitunter rege Diskussionen, wobei die Akteure – JournalistInnen, MeinungsbildnerInnen, PoltikerInnen und die interessierte Öffentlichkeit – oftmals über grundlegende Facts der Meinungsforschung wenig bis nichts weiß. Die Art der Fragestellung, das präzise Wording und die Methode der Stichprobenziehung, dh. die Auswahl des Samples, unterscheiden sich bei den Instituten oft beträchtlich. In der öffentlichen Dar­stellung werden diesen teilweise gravierend differenten Erhebungsmethoden keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt – stattdessen kommt es immer wieder zu Forderungen, die Veröffentlichung von Wahl­prognosen in einem bestimmten Zeitraum vor Wahlen zu verbieten.

Klar ist, dass Wahlprognosen in Zahlen gegossene Veränderungen der politischen Verhaltensweisen von Zielgruppen sind; dass sich in ihnen Stabilität und Veränderlichkeit in Bevölkerungsgruppen ausdrückt; dass sie, und das ist entscheidend, das Basismaterial für die Wahlkampfstrategien der politischen Parteien sind. Allerdings fließen gerade in die von Parteien in Auftrag gegebenen Untersuchungen über die Trends bei der Wählerschaft weit mehr Informationen ein: etwa Berechnungen aus der Wahlstatistik, Daten über die Wanderungsbewegungen, Veränderungen in der Sozialstruktur und deren Konsequenzen, Analysen der Lifestylemuster und Verhaltensparameter, die Bedeutung von Issues für konkrete Zielgruppen, die Motivationen und oder wider bestimmte Parteien und PolitikerInnen, die Ergebnisse von hoch­entwickelten statistischen Verfahren – weit mehr also, als in simplen Prozentziffern, wie sie medial verwertete Umfragen kennzeichnet, erfassbar ist.

Der einzelne Leser, die Konsumentin von Fernsehsendungen ist nicht in der Lage, die Seriosität von Umfragen einzuschätzen. Und dennoch würde ein Verbot, Umfragen vor Wahlen zu publizieren, eine wesentliche Einschränkung demokratischer, öffentlicher Meinungsbildung mit sich bringen. Seit 50 Jahren stellen Umfragen zum politischen Klima eines Landes einen wesentlichen Bestandteil von modernen demokratischen Systemen dar. Je höher entwickelt ein demokratisches System ist, desto mehr legen die regierenden PolitikerInnen Wert auf die Meinung der Bevölkerung – die sich via Umfragen am besten erheben lässt. Das Entstehen neuer Demokratien ist unweigerlich auch mit dem Entstehen von Meinungsumfragen in diesem Land verbunden.

In der Broschüre „Guide to Opinion Polls“ der European Society for Opinion and Marketing Research ESOMAR, die die für alle Meinungsforschungsinstitute verbindlichen gültigen Regeln zur Durchführung von Umfragen festlegt, heißt es: „Wie hoch auch immer der Stellenwert [von Umfragen] in modernen Demokratien sein mag, so wird das Recht, uneingeschränkt Umfragen durchzuführen und zu veröffent­lichen, zeitweise vom politischen Establishment bestritten. Dieselben politischen Führer, die die Aufs und Abs ihrer eigenen Popularitätskurven neugierig prüfen, zeigen sich mitunter besorgt über das, was sie die ,Tyrannei der Umfragen‘ nennen und sind darauf bedacht, von den WählerInnen jedes Risiko von Manipulation abzuwehren, das von Umfragen ausgehen könnte.“

Daher haben sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten einige wenige europäische Länder dazu entschlossen, per Gesetz die Veröffentlichung von Umfragen vor Wahlen zu verbieten. Am Beispiel Frankreichs und Belgiens stellt die ESOMAR-Broschüre „Guide to Opinion Polls“ die Konsequenzen diese Verbote dar. In beiden Ländern zeigt sich demnach ein Ansteigen des Einflusses von unter­schiedlichen Interessengruppen und Lobbys, die weit mehr Einfluss gewinnen als die Veröffentlichung ohnedies kontroverser Umfragedaten jemals hatte.

Das Veröffentlichungsverbot wird zwar von guten Absichten getragen, unterliegt dabei allerdings zwei grundlegenden Irrtümern: einerseits dem Glauben, die Freiheit des Bürgers/der Bürgerin und seine oder ihre freie Wahlmöglichkeit dadurch zu schützen, dass man ihm/ihr Informationen und Grundlagen der Meinungsbildung vorenthält, Gerüchte und Spekulationen entstehen aber viel eher dort, wo Schweigen herrscht, nicht dort, wo freier Informationszugang und öffentliche Debatte besteht.

Der zweite grundlegende Irrtum geht davon aus, dass es ohnedies kein Problem sei, die öffentliche Meinung durch Umfrageergebnisse beliebig zu manipulieren, ja mehr noch, dass schon die Umfrage­ergebnisse selbst auf Manipulation beruhen. Diese Argumentation vergisst allerdings, dass eine derartige Komplizenschaft von Meinungsforschungsinstituten, JournalistInnen und AuftraggeberInnen allen Beteiligten ein massives Glaubwürdigkeitsproblem einbringen würde. Es zeigt aber nicht nur jeder Wahltag die Abweichung der Prognosen vom realen Ergebnis; sondern es gibt auch gar keine Methode, die den goldenen Weg zur „richtigen“ falschen Prognose, also der bewussten Irreführung und Manipulation der Bevölkerung für oder gegen eine bestimmte politische Partei zeigt.

Eine Fachtagung zu diesem Themenkomplex in Straßburg hat bereits 1986 anhand verschiedener Meta-Analysen von 56 Forschungsresultaten aus den USA und Europa eindeutig festgestellt, dass unabhängig von der jeweils angewandten Methode zwar Einflüsse feststellbar, aber nur im absoluten Ausnahmefall von merklicher Größe sind – und selbst dann sind diese Einwirkungen nur äußerst selten wahl­entscheidend. Diese Geringfügigkeit erklärt sich aus zwei Ursachen: Erstens gibt es meist gegenläufige und einander aufhebende Effekte – Mobilisierung und Entmutigung, Nutzung von allen wahlwerbenden Parteien. Zweitens stellen Umfragen in einem Wahlkampf nur einen kleinen Teil der Information dar und werden nur von einer Minderheit genauer verfolgt und ernst genommen.

Ein einziger Effekt wurde damals als signifikant nachgewiesen: Wenn die AnhängerInnen einer Partei die Lage so pessimistisch sehen, dass sie ihre Partei für verloren ansehen und selber nicht mehr für sie einstehen, dann gehen diese Stimmen auch realiter verloren. Allerdings geht ein solcher Defätismus kaum allein von Umfragen aus (Wolfgang Donsbach, „The Influence of Poll Data on Public Opinion – Empirical State-of-the-Art and the Problem of Democratic Theory“).

Gute Prognosen allein bewirken nichts, wenn einer Partei und ihren SpitzenkandidatInnen das gute Image fehlt. Umfragedaten allein bleiben wirkungslos. Sie verstärken jedoch Meinungstrends. Uniformierte und desinteressierte Wählerschichten, politisch Apathische, können sich an Mehrheitsstimmungen orientieren – als die beste Partei, der beste Kandidat, die beste Kandidatin erscheint ihnen jene/r, dem/der die meisten zujubeln. Das ergibt den „Bandwaggon“-Effekt, den Mitläufereffekt. Die von der Doyenne der deutschen Meinungsforschung Elisabeth Noelle-Neumann postulierte „Schweigespirale“, das Absinken der im Meinungsklima übergangenen Partei, ist die Kehrseite des Popularitätsbonus.

Strategisches Wählen und das Denken in Koalitionskonsequenzen und –präferenzen prägen zunehmend das Wahlverhalten bei Nationalratswahlen in Österreich. Soweit solche veröffentlichten Umfragen reale Informationen dazu bieten, dienen sie aber der Demokratie: Strategisches Wählen widerspricht den demokratischen Prinzipien nicht – wiewohl es zweifellos auch destabilisierend wirken kann. Je mehr Parteien zur Auswahl stehen und je mehr Parteien eine reale Chance auf den Einzug ins Parlament haben, umso eher werden Protest- und Issue-WählerInnen ihre Stimme für kleinere Parteien abgeben. Allerdings werfen auch WechselwählerInnen ihre Stimme nicht gerne weg. Wenn man einer Partei keinen Mandats­gewinn zutraut, erhält sie auch wenig Gelegenheitsstimmen – um dadurch dann tatsächlich den Einzug zu verpassen. Wie weit dies auf das Liberale Forum bei der Nationalratswahl 1999 zugetroffen hat, verdient eine eigene Analyse und kann im Rahmen dieses Beitrags nicht behandelt werden. Allerdings gilt auch hier: Nur Umfragen schaffen nicht das resignative Klima, das dann einer Partei zu wenige Stimmen bringt.


Die Wechselbeziehung von WählerInnen – PolitikerInnen – MeinungsbildnerInnen ist nicht so eindimen­sional, dass es genügen würde, in die Öffentlichkeit bestimmte Wahlprognosen und Prozentergebnisse zu bringen, um damit die eigene Partei zu favorisieren und ihr zu Stimmengewinnen zu verhelfen.

Mit der Verbreitung des Internet ist der Zugang und die Veröffentlichung von Meinungsumfragen in ein neues Medium vorgedrungen, das sich in vieler Hinsicht der Kontrolle entzieht. Verbotsüberlegungen sind angesichts dieses transnationalen Mediums ohnedies obsolet.

Es ist jedoch absolut wünschenswert, dass die Meinungsumfragen mit wissenschaftlich erprobten und repräsentativen Instrumenten durchgeführt werden. Vor allem aber wäre es absolut notwendig, Basis­informationen jeder Veröffentlichung zur Seite zu stellen. Dazu gehören insbesondere:

–      der Name des Meinungsforschungsinstituts;

–      die Gesamtheit der Befragten (zB: die Wahlberechtigten; Personen zwischen 14 und 70 Jahren usw.);

–      die Stichprobengröße (n = 500; m = 1 000 usw.) und die geografische Verteilung;

–      die Methode der Stichprobengewinnung (Quotenverfahren; Zufallsauswahl, hier widerum: einfache, geschichtete oder mehrfach geschichtete Zufallsauswahl usw.) und bei Zufallsstichproben der Aus­schöpfungsgrad;

–      die Art der Befragung (Face-to-face, Telefon, Internet, Selbstausfüller usw.);

–      die Art des Auftraggebers (politische Partei, Zeitung usw.);

–      Zeitpunkt der Feldarbeit;

–      der genaue Fragewortlaut;

–      die Schwankungsbreiten, die vor allem bei der so genannten „Sonntagsfrage“ („Angenommen nächsten Sonntag würden Nationalratswahlen stattfinden. Welche Partei würden Sie da wählen?“) eine Scheinpräzision vorgaukeln, die das Instrument aber nicht liefert. Selbst wenn, wie in manchen Printmedien, Schwankungsbreiten mit der Angabe ±3% versehen werden, treffen diese Vertrauensbereiche nicht auf alle Parteien in gleicher Weise zu. Denn die Schwankungsbreite ist nicht ein fixer Wert, sondern abhängig von der Anzahl der Befragten und dem Prozentwert, den eine Partei, ein Kandidat, ein Thema usw. jeweils erzielt.

Die europäische Berufsvertretung ESOMAR spricht sich entschieden gegen Verbote von Meinungs­umfragen und Wahlprognosen vor Wahlen aus. In ihrem „International Code of Practice for the Publica­tion of Public Opinion Polls“, dem verbindlichen Codex über die Veröffentlichung von Wahlprognosen, der vom Europarat überprüft und für gut geheißen wurde, werden von ESOMAR, Europarat, WAPOR (World Association for Public Opinion Research) sowie der ICC, der International Chamber of Commerce, detailliert alle Pflichten aufgelistet, die das Umfragen durchführende Institut sowie die Massenmedien und andere Auftraggeber zu beachten haben. Der sorgsame Umgang mit dem Instrument ist eine Bereicherung der Demokratie und ein unabdingbares Gut im Rahmen der Informationsfreiheit.

ISPA – INTERNET SERVICE PROVIDER AUSTRIA

Als Experte für Internet und Generalsekretär des Verbandes der Internet Service Provider Österreich (ISPA) beziehe ich mich vor allem auf die Bedeutung und Möglichkeiten des Mediums Internet, (wie auch im Abänderungsantrag angeführt) für diese Problematik.

Das Medium Internet als neue Möglichkeit zu veröffentlichen, bietet auf Grund seiner Technik und Organisation eine neue Veröffentlichungsqualität insbesondere durch folgende Merkmale:

1.      Im Gegensatz zu den traditionellen Massenmedien (Radio, Fernsehen, Print) basiert das World Wide Web als Publikationsplattform im Internet nicht auf Broadcasting (Einer publiziert für Viele, one-to-many), sondern auf dem Prinzip: Viele publizieren für Viele (many-to-many). Grundsätzlich kann jeder, der eine Website betreibt (die Eintrittsbarriere ist sehr gering) und selbst jeder, der auf den vielen Webplattformen einen Beitrag einträgt, etwas publizieren, das theoretisch von allen Internet-Teilnehmern (weltweit ca. über 400 Millionen, in Österreich derzeit über 2 Millionen) gesehen und gelesen werden kann.

2.      Ein weiteres Merkmal ist die Schnelligkeit, Globalität und Flexibilität dieses Mediums. Die Einrichtung einer Website bzw. der Eintrag in Webplattenformen kann sehr schnell und von überall in der Welt aus erfolgen.

Abgesehen von gesellschafts- und demokratiepolitischen Überlegungen betreffend dem Recht auf Information für den Bürger und Wähler verunmöglichen die oben angeführten Merkmale der Internet­technologie ein konsequentes und verwirklichbares Verbot oder Unterdrückung von Veröffentlichungen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums. Dies gilt sowohl für eine Veröffentlichung von Meinungs­umfragen vor den Wahlen, als auch für die Veröffentlichung von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende.

Wenn nun ein gesellschaftlicher Konsens darin besteht, dass es keine Veröffentlichung von Teilwahl­ergebnissen vor dem amtlichen Wahlende geben soll, so ist das meiner Meinung nach nur dadurch effizient zu erzielen, wenn vor Wahlschluss keine Ergebnisse produziert werden. Dies kann entweder dadurch entstehen, dass erst nach Wahlende mit der Auszählung begonnen wird (mit dem Nachteil des Wartens der Beisitzer und der damit verbundenen Problematik in kleinen Gemeinden), oder, dass zwar wie bisher in den Sprengeln ausgezählt wird und die Ergebnisse an das Innenministerium weitergeleitet werden, aber erst nach Wahlschluss im Innenministerium aggregiert (zusammengezählt) werden. Dies würde allerdings eine Reorganisation der Datensammlung (von den Wahlsprengeln direkt ins Innen­ministerium, wenn möglich elektronisch) voraussetzen und beinhaltet die Problematik der Ergebnis­weitergabe durch die Wahlbeisitzer.

ao. Prof. Dr. Erich Neuwirth

Institut für Statistik und Decisions Support Systems, Universität Wien

Fragestellungen


Bei näherer Auseinandersetzung mit dem Thema kann man sechs Fragenkomplexe formulieren.

1.      Wie glaubwürdig, zuverlässig und genau sind Meinungsumfragen?

2.      Welche möglichen Konsequenzen haben Meinungsumfragen, insbesondere, wenn sie knapp vor einer Wahl veröffentlicht werden? Widerspricht ein Teil dieser Konsequenzen demokratischen Prinzipien? Gibt es damit zusammenhängende praktische Probleme der Abwicklung von Wahlen in demokratischen Systemen?

3.      Welche mit demokratischen Spielregeln vereinbare praktikable Maßnahmen gibt es, die derartigen unerwünschten Konsequenzen der Publikation von Meinungsumfragen entgegenwirken?

4.      Wie glaubwürdig, zuverlässig und genau sind Wahlhochrechnungen, die am Wahltag selbst aus bereits vorliegenden Teilresultaten erstellt werden?

5.      Welche möglichen Konsequenzen haben Wahlhochrechnungen, wenn sie während einer noch laufenden Wahl veröffentlicht werden? Widerspricht ein Teil dieser Konsequenzen demokratischen Prinzipien? Gibt es damit zusammenhängende praktische Probleme der Abwicklung von Wahlen in demokratischen Systemen?

6.      Welche mit demokratischen Spielregeln vereinbare praktikable Maßnahmen gibt es, die derartigen unerwünschten Konsequenzen der frühzeitigen Veröffentlichung von Wahlhochrechnungen am Wahltag entgegenwirken?

Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit von Meinungsumfragen

Statistische Methoden geben einigermaßen zuverlässig Auskunft über die zu erwartende Genauigkeit von Meinungsumfragen, die auf Zufallsstichproben beruhen. Wenn wir eine vereinfachende Formulierung zulassen, dann können wir etwa folgendes sagen: Wenn wir 1 000 Personen die „Sonntagsfrage“ stellen, dann wird der Anteil einer Partei in der Stichprobe sich „in der Regel“ um nicht mehr als 3% vom entsprechenden Anteil in der Grundgesamtheit, also vom Anteil an allen Wahlberechtigten, unter­scheiden. „In der Regel“ bedeutet in diesem Kontext, dass nur in 5% der Fälle, also bei einer von 20 Meinungsumfragen, der Unterschied zwischen Anteil in der Grundgesamtheit (allen Wahl­berechtigten) und Anteil in der Stichprobe (unsere 1 000 Befragten) mehr als 3 Prozent betragen wird. Wir sehen daher, dass die normalerweise in den Medien verwendete Formulierung „die Schwankungs­breite dieser Anteilsschätzung beträgt ±3%“ nicht die volle Information enthält. Genau genommen müsste man sagen: Die Schwankungsbreite der Anteilsschätzung beträgt ±3%, wenn wir in Kauf nehmen, dass wir auch mit einer derartigen Aussage in zirka einem von 20 Fällen eine unkorrekte Aussage machen.

Noch wesentlich ungenauer sind Aussagen über den Abstand zweier Parteien. Bei der vergangenen Nationalratswahl war eine in der Zeit vor der Wahl häufig gestellte Frage: Welche der beiden Parteien SPÖ und ÖVP „liegt derzeit vorne“. Wenn man die statistischen Berechnungen für diese Situation sauber durchführt, dann zeigt sich folgendes: Wenn die gegenständlichen Parteien zirka 25% Stimmenanteil haben und in der Grundgesamtheit der Vorsprung einer der beiden Parteien 1% beträgt, dann wird (ein Stichprobenumfang von 1 000 Befragten vorausgesetzt) zirka 1/3 aller Meinungsumfragen „die falsche Partei vorne haben“. Die Schwankungsbreite für den geschätzten Parteienabstand beträgt in diesem Fall zirka 5,2%. Bei der letzten Nationalratswahl waren in diversen Medien leider Aussagen zu lesen, die diese Schwankungsbreiten inkorrekt (nämlich wesentlich kleiner) angegeben haben.

Klar ist, dass Aussagen dieser Form relativ sperrig sind und es nicht ganz einfach ist, sie einer breiteren Öffentlichkeit verständlich zu machen. Andererseits ist auch klar, dass eine Öffentlichkeit, die eine realistische Einschätzung von Schwankungsbreiten von Stichproben hat, wenig dazu neigen wird, publizierte Meinungsumfragen von vornherein als in wesentlichen politischen Fragen einigermaßen zuverlässige Prognosen des Wahlergebnisses anzusehen. Wenn der Prognosecharakter aber einmal stark relativiert wird, dann erscheint es auch vernünftig, keinen allzu großen und vor allem sinnvoll einschätzbaren Einfluss von prognostizierten Umfrageergebnissen auf das Wahlergebnis anzunehmen.

Die bisherigen Aussagen gelten nur für Zufallsstichproben. In der Meinungsforschung werden auch andere Methoden, beispielsweise Quotenverfahren (oft unter dem Titel repräsentative Stichproben) angewendet. Für derartige Verfahren sind auf statistischen Methoden beruhende Schwankungsbreiten­angaben gar nicht möglich.

Hinzu kommt noch, dass in korrekter statistischer Interpretation eine Meinungsumfrage keine Prognose des Wahlergebnisses ist, sondern im besten Fall eine mit einem berechenbaren Stichprobenfehler behaftete Momentaufnahme des Meinungsbildes der Wählerschaft, möglicherweise aber auch nur ein einigermaßen sauber ermitteltes Stimmungsbild einer Personengruppe, die sich in ihrer Zusammen­setzung nicht zu stark von der gesamten Wählerschaft unterscheidet.

Mögliche Konsequenzen der Publikation von Meinungsumfragen

Wie von einigen anderen Gutachtern dargelegt, gibt es in der wissenschaftlichen Literatur deutliche Hinweise darauf, dass die Publikation von Meinungsumfrageergebnissen knapp vor Wahlen keinen einigermaßen treffsicher voraussagbaren Effekt auf Wahlergebnisse hat.

Bezüglich solcher Effekte sollten wir zwei Grundtypen unterscheiden:

–      Konsequenzen, die auf einer möglichst vollständigen und korrekten Information der Öffentlichkeit beruhen.

–      Konsequenzen, die auf Grund einer (unabsichtlich oder absichtlich) ungenauen oder unvollständigen Information der Öffentlichkeit beruhen.

Natürlich wird das publizierte Stimmungsbild der gesamten Wählerschaft den Meinungsbildungsprozess der einzelnen Wähler beeinflussen. Das ist allerdings kein negativ zu bewertender Effekt, sondern Ausdruck des Prinzips, dass in einer Demokratie die Bürger ihre Entscheidungen auf Grund möglichst vieler und für alle gleich zugänglicher Informationen treffen sollen. Beschränkungen für die Publikation von Meinungsumfragen widersprechen diesem Prinzip. Die Durchführung von Meinungsumfragen lässt sich außerdem kaum verhindern und ein Veröffentlichungsverbot führt dann dazu, dass gleicher Informationsstand für alle Wähler nicht mehr gewährleistet ist. Möglicherweise steht die Institut­ionalisierung einer derartigen Ungleichheit in direktem Widerspruch zum Prinzip des gleichen Wahl­rechts, wenn der Begriff des gleichen Wahlrechts auch gleiche Zugangsmöglichkeit zu wahlrelevanten Informationen für alle Wähler umfasst.

Etwas anders ist mit dem Problem umzugehen, dass Meinungsumfragen ungenau, unvollständig, oder sogar in verfälschender Darstellung publiziert werden können.

Solche Publikationen können ein Versuch sein, die öffentliche Meinung in unzulässiger Weise zu beeinflussen, sie können aber auch einfach ohne Absicht in der Öffentlichkeit falsche Eindrücke hervorrufen.

Es erscheint durchaus zielführend, über gesetzliche Regelungen nachzudenken, die derartige (absichtliche oder unabsichtliche) Fehlinformationen möglichst verhindern.

Maßnahmen zur Begrenzung unerwünschter Effekte der Publikation von Meinungsumfragen

Wichtigstes Instrument, unerwünschte Konsequenzen der Publikation von Meinungsumfragen zu verhindern, ist eine saubere „Produktdeklaration“. Wie von anderen Gutachtern bereits dargelegt, gehört zu einer sauberen Publikation von Meinungsumfragen Information über: Stichprobenumfang, Methode der Stichprobenziehung, Rücklaufquote bzw. Verweigerungsrate, Anteile in den Rohdaten, Schwan­kungsbreiten und genauer Fragewortlaut.

Es erscheint denkbar, ähnlich wie bei der Deklarationspflicht für bestimmte Produkte eine derartige Verpflichtung auch für Meinungsumfragen festzulegen.

Unabhängig davon ist eine umfangreichere Information der Öffentlichkeit über die Methoden und methodischen Grenzen von Meinungsumfragen die sicherste Methode, unerwünschte Wirkungen der Publikation von Meinungsumfragen möglichst zu begrenzen. Dieses Ziel ist allerdings nicht direkt über Mittel der Legislative zu erreichen.

Zu Publikationsverboten ist anzumerken, dass durch den grenzüberschreitenden Charakter des Internet de facto eine Nichtveröffentlichung nicht mehr durchzusetzen ist. Ein entsprechendes Verbot würde vor allem die Ungleichheit in den Zugangsmöglichkeiten zu relevanten Informationen verstärken und erscheint deshalb demokratiepolitisch bedenklich. Außerdem stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eine Nichteinhaltung des entsprechenden Verbots haben sollte. Insbesondere erscheint die Frage nach dem rechtlichen Status einer Wahl, bei der das Veröffentlichungsverbot nicht eingehalten wurde, sehr diffizil. Schließlich erscheint es auch wenig zielführend, ein Verbot zu erlassen, von dem man von vornherein weiß, dass die Einhaltung nicht ausreichend sichergestellt werden kann.

Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit von Wahlhochrechnungen

Wahlhochrechnungen sind am Wahltag selbst aus bereits vorliegenden Teilergebnissen erstellte Prognosen für das Endergebnis der laufenden Wahl.

Methodischer Hauptunterschied zu Meinungsumfragen ist, dass die zugrunde liegenden Daten die tatsächliche Wahlentscheidung von Wählern und nicht von den Wählern darüber gemachte Angaben sind. Von den Wählern den Meinungsforschern gegenüber gemachte Aussagen können falsch sein, ausgezählte Teilwahlergebnisse sind in jedem Fall endgültig und unverfälscht. Schon aus diesem Grunde sind Wahlhochrechnungen präziser als Prognosen aus Umfragen. In der Regel ist die Hochrechnungs­genauigkeit bei bundesweiten Wahlen bei einem Auszählungsgrad von etwa 50% (das ist typischerweise die Situation zum Zeitpunkt der Schließung der letzten Wahllokale) im Bereich von zirka 1,5% oder sogar besser.

Da die Treffsicherheit dieser Hochrechnungen wesentlich besser ist als die aus Meinungsumfragen, ist vorzeitige Publikation wesentlich gefährlicher, weil die Gleichheit der Wahlsituation für Informierte und für Uninformierte sehr verschieden ist. Die Kenntnis einer relativ zuverlässigen Prognose des Wahlergebnisses bietet nämlich die Möglichkeit der taktischen Stimmabgabe für eine Partei, die man ohne Kenntnis der Hochrechnung nicht hat.

An dieser Stelle soll auch festgehalten werden, dass Software- und Hardwaretechnologie heute ein Niveau erreicht hat, auf dem man bei ausreichenden Fachkenntnissen Wahlhochrechnungen in „Heimarbeit“ erstellen kann. Sobald also Wahldaten vor Wahlschluss in computerverarbeitbarer Form zur Verfügung stehen, sind schnelle Hochrechnungen auch mit hoher Präzision möglich. Diese Hochrechnungen können dann auch über das Internet sofort einer breiten Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden.

Mögliche Konsequenzen der vorzeitigen Publikation von Wahlhochrechnungen

Wie schon beschrieben führt die Veröffentlichung von Hochrechnungsergebnissen vor Wahlschluss zu sehr bedenklichen Folgen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass dadurch Wahlanfechtungsgründe entstehen.

In Österreich hat bis vor der letzten Nationalratswahl stillschweigendes Einverständnis darüber geherrscht, dass Hochrechnungsergebnisse vor Wahlschluss einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden sollen. Durch Veränderungen in der Medienlandschaft ist aber eine informelle Kontrolle über den Informationsfluss nicht mehr gewährleistet. Auch Beschränkungen, welchem Personenkreis und an welchen Orten Teilwahlergebnisse vorzeitig zugänglich gemacht werden, sind durch die Verfügbarkeit von Mobiltelefonen nicht mehr kontrollierbar. Vor Internet und Mobil­telefon waren die Möglichkeiten für schnelle und breite Informationsstreuung im Wesentlichen auf Rundfunk und Fernsehen beschränkt, und der unmittelbare aktive Zugang zu diesem Medium war einem eng begrenzten Personenkreis vorbehalten. Die an sich begrüßenswerte Entwicklung, Informations­verbreitung für weitere Personenkreise zu ermöglichen, führt dazu, dass informelle befristete Einschränkung der Informationsweitergabe nicht mehr durchgesetzt werden kann.

Maßnahmen zur Begrenzung unerwünschter Effekte der vorzeitigen Publikation von Hochrech­nungen

Aus dem im letzten Abschnitt Dargelegten ergibt sich, dass die einzige praktikable Möglichkeit, die Weitergabe von Hochrechnungen vor Wahlschluss zu verhindern, darin besteht, die Auszählung in allen Wahllokalen selbst erst nach Schließung des letzten Wahllokals beginnen zu lassen. Dann stellt sich das praktische Problem, dass es bisher bei bundesweiten Wahlen Wahllokale gegeben hat, die bereits früher Wahlschluss hatten. Eine Regelung, die auch solchen Wahlsprengeln den Auszählvorgang erst nach Schließung der letzten Wahllokale erlaubt, stößt sicher auf große Widerstände. Eine Alternative besteht darin, die Wahlzeit in solchen Wahlsprengeln „nach hinten“ zu verschieben, um einen bundesweit einheitlichen Wahlschluss in allen Wahllokalen zu erreichen. Dagegen werden Bedenken geäußert, dass eine derartige Vorgehensweise mit lokalen Traditionen in Widerspruch stehe und eine mögliche geringere Wahlbeteiligung zur Folge haben könne.


Eine nach der letzten Europawahl in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium durchgeführte informelle Auswertung hat jedoch ergeben, dass auch in Gemeinden, bei denen aus einer „Vor­mittagswahl“ eine „Nachmittagswahl“ wurde, kein Unterschied in der Wahlbeteiligung zu anderen Ge­meinden festgestellt werden konnte. Die einzige sowohl legistisch saubere als auch praktikable Lösung zur Verhinderung der vorzeitigen Publikation von Wahlhochrechnungen besteht nach Meinung des Gutachters daher darin, den Wahlschluss für alle Wahllokale gleichzeitig festzusetzen und erst dann die Auszählung beginnen zu lassen. Das hat natürlich die Konsequenz, dass die bisher übliche auf Teilresultaten beruhende Wahlhochrechnung gleichzeitig mit der Schließung des letzten Wahllokals nicht mehr möglich ist. Eine Hochrechnung mit vergleichbarer Genauigkeit unter den geänderten Umständen wird nach Meinung des Gutachters etwa eine Stunde nach Beginn der Auszählung möglich sein. Allerdings scheint die Absicherung der Gleichheit des Wahlrechts ein demokratiepolitisch wesentlich höherer Wert als die Möglichkeit, eine Stunde früher eine einigermaßen präzise Prognose des Endresultats publizieren zu können.

Exit polls spielen in diesem Zusammenhang noch eine Sonderrolle. Sie nehmen eine Zwischenstellung zwischen Umfrage und Wahlhochrechnung ein. Insbesondere ist ihre Genauigkeit geringer als die von Wahlhochrechnungen aus Teilergebnissen. Sinngemäß gelten aber auf demokratiepolitischer Ebene dieselben Einwände wie für frühzeitig veröffentlichte Wahlhochrechnungen.

OGM – ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR MARKETING GESMBH

1. Beeinflusst Meinungsforschung die WählerInnen?


Die Frage des Einflusses von politischen Umfragen auf das Wählerverhalten wird seit Jahrzehnten auch auf der Expertenebene diskutiert, es existieren zahlreiche politik- und sozialwissenschaftliche Expertisen dazu. Fachbegriffe wie Bandwagon, Underdog, Mobilisierung/Demobilisierung sind inzwischen in die allgemeine Diskussion eingeflossen.

Die diesbezügliche Forschung kommt zum Schluss, dass eine systematische und einseitige Beeinflussung der Wählermeinung durch Meinungsumfragen nicht gegeben ist. Am ehesten ist noch eine Beeinflussung der Wahlkampfführung durch Umfragen gegeben (was aber auch bei Nichtpublikation in Folge eigener Parteiumfragen der Fall wäre).

2. Politische Implikationen

Die Diskussion über die Wählerbeeinflussung durch Politumfragen gibt es ja in vielen Ländern. In einigen Ländern wurde versucht, durch gesetzliche Bestimmungen die Publikation von Umfragen vor den Wahlen zu beschränken oder völlig zu unterbinden.

Diese Vorgangsweise ist sowohl aus rechtlicher als auch aus politischer Sicht zu hinterfragen. Rechtlich wird dadurch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit verletzt, darüber mögen aber Verfassung- und Staatsrechtler urteilen.

Ebenso schwerwiegend ist aber die politische Frage, ob das Recht der Bürger auf objektive Information behindert werden kann bzw. wieso Parteien und staatliche Organisationen dieses Instrument nutzen dürfen, der Öffentlichkeit es aber vorenthalten wird. Sind die BürgerInnen nicht mündig genug sich ein entsprechendes Bild zu machen?

3. Gesetzliche Maßnahmen bringen nichts

Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass gesetzliche Bestimmungen nicht zum erhofften Ziel geführt haben. Die gesetzlichen Beschränkungen sind kaum durchführbar und kontrollierbar, die Bestimmungen werden in der Praxis umgangen oder zumindest aufgeweicht, uns ist kein einziger Fall mit rechtlichen Konsequenzen bekannt geworden.

Nicht umsonst hat Belgien als eines der ersten Länder mit gesetzlichen Beschränkungen diese vor wenigen Jahren wegen Nutzlosigkeit aufgehoben.

Neben den professionellen Politumfragen von Fachinstituten ist in den letzten Jahren ein wachsender, grauer Umfragemarkt entstanden, für die Konsumenten sind die Grenzen zwischen Leserumfrage, Wahlbörse, Wahltoto und Onlineumfragen kaum erkennbar. Werden diese „Umfragen“ auch gesetzlich beschränkt?

Dazu kommt noch die Tatsache, dass eine Publikationsbeschränkung für Wahlumfragen ganz einfach umgangen werden kann, zB durch von ausländischen Medien „importierte“ Umfragen (SAT1 oder RTL wären glücklich darüber, exklusiv die aktuellsten Wahlumfragen im Österreichfenster zu bringen).

Last, not least sind es die Parteisekretariate selbst, die ein Vakuum an objektiven Umfragen durch neutrale Fachinstitute für die eigenen Zwecke nutzen würden. So gesehen sind Umfragen von unabhängigen Instituten ein wünschenswertes Korrektiv zu Umfragedaten der Parteien, die gezielt gestreut werden.

Vor allem das Internet würde bei gesetzlicher Beschränkung von Umfragen viel stärker und breiten­wirksamer in Erscheinung treten. Im Internet ist aber die Kontrolle über Absender und fachliche Qualität noch weitaus schwieriger als bei Publikationen von Fachinstituten, die einen Ruf zu verteidigen haben.


4. Fazit

Die Fakten und Erfahrungen sprechen eindeutig gegen gesetzliche Beschränkungen. Trotzdem macht es aber Sinn, über bessere Spielregeln nachzudenken, die für alle Beteiligten akzeptabel sind (Öffentlichkeit, Medien, Parteien, MF-Institute). Dies kann aber nur in einer einvernehmlichen Lösung geschehen.

Schon anlässlich der Nationalratswahlen im Jahr 1990 gab es eine ähnliche Diskussion, bei der der VMÖ Verband Österreichischer Marktforscher federführend mitgewirkt hat. OGM hat sich damals in Form eines Gentleman-Agreement innerhalb der Branche bereit erklärt, die letzten zwei Wochen vor Wahlen keine Umfragen mehr zu publizieren.

Die Praxis hat aber gezeigt, dass diese selbst auferlegte Zurückhaltung der namhafteren Institute von Mitbewerbern genutzt wurde, vor allem aber nutzten Parteisekretariate das Vakkuum durch Streuen eigener Umfragedaten.

Aus dieser Sicht macht eine Sperrfrist für die Publikation von Umfragen vor den Wahlen wenig Sinn. Dies umso mehr, als sich der Trend zu Last-Minute-Entscheidungen bzw. Last-Minute-Mobilisierung der WählerInnen verstärkt.

Aus OGM-Sicht erscheint daher folgende Vorgangsweise überlegenswert:

–      Verstärkung der Qualitätserfordernisse für politische Umfragen insbesondere bei den Medien, teilweise auch bei den Instituten (wobei die MF-Institute ohnehin auf dem Prüfstand stehen und deshalb nach bestem Wissen und Gewissen bemüht sind).

–      Das könnte bedeuten: verbindliche Publikation von technischen Daten und Informationen über die Umfrage, vermehrte Aufklärung der Konsumenten (eine Art fachlicher „Beipackzettel“).

–      Zu empfehlen wäre aber das strikte Unterbinden der Publikation von Umfragen oder dem Zwischenstand von Stimmenauszählungen am Wahltag, so lange noch Wahllokale geöffnet sind. Hier sollte konsequent vorgegangen werden, die Vorkommnisse bei den letzten US-Wahlen sollten Warnung genug sein.

Dafür sind aber nicht die Meinungsforscher Adressaten, sondern die Medien und die Parteisekretariate mit eigenen Vorabzählungen und Hochrechnungen.

MARKET-MARKTFORSCHUNGS-GESMBH & CO. KG

„Subtile Meinungsmanipulation“ durch Veröffentlichung von Hochrechnungen vor Wahlen


Ebenso wie die Marktforschung das Kundenverhalten gegenüber Konsumgütern beobachtet, untersuchen Meinungsumfragen den politischen Markt. Seit 1949 hat die zunehmende flächendeckende und regelmäßige Erhebung von demoskopischen Umfragedaten zu Wählerpräferenzen und den verschiedenen Politikfeldern- und -themen den politischen Betrieb permanent begleitet.

Gleichzeitig wurde (und zwar nicht nur in Österreich) eine andauernde Diskussion im Zusammenhang mit der Wählerforschung und der Ergebnispublikation (besonders unmittelbar vor Wahlen) geführt. Zwei Thesen prallen aufeinander:

1.      Veröffentlichte politische Meinungsforschung ist ein unverzichtbares Instrument der Selbstbe­obachtung des politischen Betriebes, das die Offenheit und Legitimität der Demokratie steigert.

Dagegen steht

2.      Veröffentlichte politische Meinungsforschung führt zu kurzlebiger „Stimmungsdemokratie“ und einer Entleerung der politischen Diskussion.

Konkreter gefasst lautet der Hauptvorwurf, dass unmittelbar vor der Wahl in den Medien publizierte Parteipräferenzen einen (möglicherweise undurchschaubaren) Einfluss auf die persönliche Wahlentschei­dung haben.

Natürlich liegt zu diesem Hauptvorwurf der Meinungsmanipulation durch Veröffentlichung von Wahlpräferenzen eines an Forschungsarbeiten vor (zB Forschungsübersicht von Univ.-Prof. Dr. Dieter K. Roth, Forschungsgruppe Wahlen e.V. 1999). Der Schluss daraus: Es gibt kaum eine messbare direkte Beeinflussungswirkung von veröffentlichter Wahlpräferenz auf die eigene Wahlentscheidung. Wenn überhaupt, so Prof. Roth, dann könnten am ehesten Kleinstparteien von der Hochrechnungs­veröffentlichung marginal betroffen sein.

Da hier eine multikausale und damit äußerst komplexe empirische Frage zu behandeln ist, wird es wohl nicht funktionieren und nicht valide sein, wenn man Herrn und Frau Österreicher direkt befragt, ob sie sich von Politikumfragen bei ihrer Wahlentscheidung beeinflussen lassen und in welche Richtung diese Beeinflussung wirkt.

Wesentlich relevanter als die unmittelbare direkte Beeinflussung sind vielfältige Formen einer indirekten Auswirkung von veröffentlichten Hochrechnungen. Der politische Staff, also beispiels­weise die Funktionäre der Parteien, kann dadurch mobilisiert oder demobilisiert werden. Mit anderen Worten: Eine veröffentlichte Hochrechnung kann das politische System beeinflussen, (Spitzen-)
Kandidaten möglicherweise verunsichern und zu Änderungen der inhaltlichen Wahlkampflinie führen.

Das passiert offenkundig deshalb, weil veröffentlichte Politforschung beträchtliche Glaubwürdigkeit besitzt (auch unter politischen Funktionären). Generell hat die Bevölkerung ein weitgehend un­verkrampftes Verhältnis zur Meinungsforschung. Ein VMÖ-Studie unter 3 000 Befragten attestierte 1995 eine überwiegend positive Einstellung (74 Prozent) [1]) der Bevölkerung gegenüber der Markt- und Meinungsforschung. Die Studie zeigt auch einen interessanten Trendverlauf auf. Von 1988 auf 1995 wurde das Image der Meinungsforschung, trotz einer wesentlich erhöhten Publikationsdichte (auch an politischer Forschung und Wahlhochrechnung) nicht schlechter bewertet. Im Gegenteil: Die Positiv­beurteilung hat von 70 Prozent auf 74 Prozent signifikant zugenommen. Gleichzeitig hat auch die Befragungsdichte in der Bevölkerung zugenommen. 1988 gaben 42 Prozent zu Protokoll, dass sie einmal oder öfters von einem Mafo-Institut befragt wurden. 1995 waren dies bereits 61 Prozent. Die Bevölke­rung dürfte also mit der Befragungssituation, somit auch mit den Befragungsergebnissen, ziemlich wenig Probleme haben.

Bei Politikern mag dieses Bild der Meinungsforschung ein völlig anderes sein, speziell dann, wenn gerade unliebsame und für die eigene Strategie wenig nützliche Ergebnisse publiziert werden.

Damit stellt sich die Frage, ob die Bevölkerung vor den Ergebnissen der politischen Meinungsforschung beschützt werden soll oder ob sich die Politik unliebsamer Ergebnisse entledigen will.

Ein zumindest temporäres Publikationsverbot unmittelbar vor einem Wahlgang stellt nur eine recht theoretische Handhabe gegen „etwaige Beeinflussungen“ dar. Dagegen sprechen folgende Punkte:

1. Starke Beweglichkeit der politischen Meinungen und Haltungen vor Wahlen.

Keine Veröffentlichung von Wahlforschung vor Wahlen bedeutet, dass die ungeheure Dynamik, die in den sehr beweglich gewordenen politischen Märkten stattfindet, nicht abgebildet wird. „Alte Zahlen“ werden in Zukunft dann noch viel häufiger „falsche Zahlen“ sein.

2. Umgehung eine Veröffentlichungsverbotes

Die Umgehung eines Veröffentlichungsverbotes stellt in unserer Mediengesellschaft kein gravierendes Problem dar, weil vielfältigste Abweichungsmöglichkeiten bestehen.

a)     Publikation in ausländischen Medien;

b)     Publikation im Internet;

c)     Publikation ohne Zitat.

3. Internetwahlbörsen

Es drängt sich der Gedanke auf, dass hier ohnehin eine Diskussion geführt wird, die völlig an der Realität unserer modernen Medienwelt vorbeigeht. Denn es gibt ja nicht nur Wahlhochrechnungen der Meinungsforscher, inzwischen sind Internetwahlbörsen der letzte Hit. Viele Medien, darunter namhafte Qualitätszeitungen, stellen solche Ergebnisse regelmäßig dar oder unterhalten sogar eigene Wahlbörsen. Mit Freude werden bereits Umfragen und Internetergebnisse verglichen!!!

Sowenig zielführend als Publikationsverbote sind, so wichtig ist es, dass die Ergebnisse der Meinungs­forschung adäquat dargestellt werden.

Empfehlungen:

(1) Journalisten und Politiker gehen mit Ergebnissen der Meinungsforschung zum Teil sehr oberflächlich, unprofessionell und auch manipulativ (zB durch selektive Veröffentlichung) um. Es sind Qualitäts­standards für die Berichterstattung über Umfrageergebnisse zu etablieren und durchzusetzen.

(2) Einhaltung der ESOMAR-Richtlinien für die Veröffentlichung von Meinungsforschungsergeb­nissen. Es geht um Qualität in unterschiedlichen Dimensionen: von der „handwerklichen Korrektheit“ der methodischen Vorgangsweise über forschungsethische Grundsätze des Umgangs mit Befragungen und ihren Aussagen bis hin zu Fragen der Dokumentation und Offenlegung der aus Umfragen hervor­gegangenen Datensätze.

(3) Weiterentwicklung der Hochrechnungsmodelle, weil es im Vergleich zur politischen Forschung in den siebziger und achtziger Jahren inzwischen wesentlich mobilere Wähler gibt. Die Wahlbeteiligung nimmt ab. Politikverdrossenheit oder auch nur Desinteresse an der Politik nimmt zumindest phasenweise zu. Die politischen Lager verschwimmen. Stimmungen werden dominanter. Damit wird die Hochrech­nung immer schwieriger.

Appelle in Richtung großer Stichproben helfen nur wenig, wenn beispielsweise die Hochrechnungs­annahmen falsch sind. Mit anderen Worten: Eine Hochrechnung auf Basis von 10 000 Interviews kann genauso falsch sein, wie eine auf Basis von 500 Interviews. Wichtiger als die Diskussion des Stich­probenumfanges ist zunehmend die Qualität der erzielten repräsentativen Auswahl. Von Stichproben wird Repräsentativität erwartet, um sicherzustellen, dass die dort gewonnenen Ergebnisse auch für den Bevölkerungsteil gelten, aus dem die Stichprobe gezogen wurde. Genau diese Repräsen­tativität kann allerdings durch eine Reihe von Faktoren gefährdet werden.

Auch die kürzlich geführte Methodendiskussion, ob man nur der face-to-face-Befragung oder auch der Telefonermittlung Hochrechnungsqualität zubilligen darf, geht an den eigentlichen methodischen Fragen eines hybriden und multioptionalen politischen Marktes vorbei.


Wird nach dem Vorschlag eines temporären Publikationsverbotes für politische Forschung vor Wahlen als nächstes ein Verbot der Konjunkturprognosen folgen? Schließlich gibt es auch hier direkte und indirekte beeinflussende (= manipulative) Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf bestimmte Meinungsführergruppen. Schließlich korrelieren wirtschaftliche Konjunktur und Stimmungsklima in der Bevölkerung sehr eng.

Letztlich wird hier eine absurde Diskussion geführt.

Es ist entschieden gegen Publikationsverbote von Wahlforschung vor Wahlen aufzutreten, weil ver­öffentlichte politische Meinungsforschung ein unverzichtbares Instrument der politischen Selbst­beobachtung des politischen Betriebes ist, das die Offenheit und Legitimität der Demokratie steigert.

UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG DONSBACH

ESOMAR
(European Society for Opinion and Marketing Research)

Versuch einer Strukturierung des Problems


Die Diskussionen über den tatsächlichen oder vermuteten Einfluss von demoskopischen Erhebungen auf den Wahlprozess verlangen zunächst nach einer Klärung der verschiedenen Phänomene und Begriffe. In sozialwissenschaftlicher Terminologie kann man dabei von unabhängigen und abhängigen Variablen sowie von verschiedenen Betrachtungsdimensionen sprechen.

Phänomene, von denen ein Einfluss erwartet wird

Die unabhängigen Variablen sind die Faktoren, von denen man eine Wirkung auf andere Variablen erwartet vermutet. Im Zusammenhang mit demoskopischen Erhebungen können wir hiebei unterscheiden zwischen

1.      Momentaufnahmen zu diversen Zeitpunkten vor dem Wahltag;

2.      Expliziten oder im implizit nahegelegten Prognosen auf der Grundlage von Erhebungen vor dem Wahltag;

3.      Prognosen auf der Grundlage von Erhebungen am Wahltag selbst (in der Regel in Form von Exit Polls);

4.      Die Publikation von Teilergebnissen bei noch laufender Wahl;

5.      Hochrechnungen auf der Grundlage von ersten tatsächlichen Wahlergebnissen aus nach statistischen Gesichtspunkten ausgewählten Wahlkreisen.

Die beiden letzten Formen lassen sich relativ schnell abhandeln. Nach landläufigem Demokratie­verständnis sollten am Wahltag für alle Wahlberechtigten gleiche Informationsbedingungen herrschen. Das heißt auch, dass keine Teilmengen nur auf Grund ihrer geografischen Lage einen Informations­vorsprung oder –rückstand haben dürfen.

In Deutschland wie auch den meisten anderen Ländern kann es die Vorabpublikation von Teilergebnissen wie auch von Hochrechnungen nicht geben, weil alle Wahllokale zum gleichen Zeitpunkt schließen. Wenn offizielle Ergebnisse erst nach Schließung der Wahllokale vorliegen, können sie keinen Einfluss mehr auf die Stimmabgabe haben. In Österreich stellt sich mit offensichtlich unterschiedlichen Schließungszeiten die Situation etwas anders dar. 1) Dem Antrag einiger Abgeordneter des Österreichi­schen Parlaments ist zu entnehmen, dass bei der letzten Nationalratswahl Ergebnisse einzelner, früher schließender Wahllokale über das Internet an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Dieses Problem ist durch geeignete Vorkehrungen im Wahlgesetz (unter anderem zeitgleiche Öffnungen, Sanktionen gegenüber Wahlhelfern, die Veröffentlichung von ersten Auszählungen betreiben) leicht in den Griff zu bekommen. Es wird daher hier nicht weiter verfolgt. Allerdings lassen sich die Ergebnisse von Studien zum Western Voting Phänomen in den USA durchaus als Evidenz heranziehen, weil die motivationale Schubkraft solcher Ergebnisse in ihrem Charakter durchaus vergleichbar sein dürfte zu der von vor der Wahl veröffentlichten Umfragen.

Die drei ersten der oben aufgeführten Formen (Momentaufnahmen, Prognosen und Exit Polls) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Validität und ihrer Überzeugungskraft, aber nicht grundsätzlich hinsichtlich ihrer empirischen Grundlagen. In jedem Falle handelt es sich um demoskopische Umfragen auf der Grundlage der Befragung von Stichproben via Telefon, persönliche Interviews oder – seltener – postalischen Interviews oder per Internet und/oder E-Mail.

Ihre Unterschiede bestehen darin, dass mit der zeitlichen Nähe der Umfragen zum Wahltag in der Regel deren Genauigkeit zunimmt. Am genauesten sind daher die Exit Polls am Wahltag. Mit der zeitlichen Nähe wächst auch deren Möglichkeit, als eine genaue Wiedergabe der Meinungsverteilung von der Bevölkerung wahrgenommen und ernst genommen zu werden.

Bei den anderen beiden Formen ist die Suggestivkraft unter anderem davon abhängig, ob das betreffende Institut oder Medium Umfragen als „Prognosen“ oder als Momentaufnahmen darstellt. Datentechnisch unterscheiden sich beide lediglich durch zwei Merkmale. Bei Prognosen werden erstens Unentschiedene und Verweigerer mit diversen Verfahren einer der Parteien oder den Nichtwählern zugeschlagen und zweitens die Rohdaten nach bestimmten Gewichtungsfaktoren modifiziert werden. Bei Momentauf­nahmen werden in der Regel diese Rohdaten publiziert. 2)

Dies rechtfertigt es, die drei Phänomene als eine Einheit zu behandeln, aber weiterhin die Veröffent­lichung von Teilergebnissen davon strikt getrennt zu halten. Sie sind kein Problem der Meinungs­forschung sondern der Wahlordnung und deren Einhaltung – mithin ein Problem der Politik. Für die drei anderen Phänomene verwende ich im Folgenden den übergreifenden Terminus der „Wahlumfrage“.

Phänomene, auf die ein Einfluss erwartet wird

Die Phänomene, auf die Wahlumfragen wirken können, lassen sich im Wesentlichen nach drei Dimensionen untergliedern: der Wirkungsdauer, der Wirkungsart und dem betroffenen System.

Kurzfristige Wirkungen (eigene Wahlabsicht) treten mehr oder weniger direkt nach dem Kontakt mit einer Botschaft ein. Mittelfristige Wirkungen treten im Verlaufe eines Wahlkampfs auf, langfristige verändern allmählich das politische System oder andere Subsysteme der Gesellschaft wie die Medien.

Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Wirkungen betrifft die Frage, ob Wahlumfragen direkt Wahleinstellungen bzw. Wahlverhalten beeinflussen oder eher andere Einstellungen und anderes Verhalten, die ihrerseits dann indirekt Einfluss auf Wahleinstellungen oder –verhalten haben können.

Der Einfachheit halber verwende ich hier die Unterscheidung nach dem von der Wirkung betroffenen System und unterscheide zwischen dem Bürger als Wähler, den politischen Institutionen, dem politischen System und den Medien. Im ersten Fall handelt es sich dann um Wirkungen von Wahlumfragen auf Kognitionen oder Verhalten des Einzelnen, also zum Beispiel seine Stimmabgabe. Im zweiten Fall geht es um Auswirkungen auf das Auftreten oder die Unterstützung von Parteien. Im dritten Fall geht es um Veränderungen in der Rationalität politischen Verhaltens und im letzten um Veränderungen in den Medieninhalten. Die nachfolgende Grafik zeigt diese Struktur noch einmal im Überblick.

Dimensionierung des Problems Wahlumfragen

Wirkungsfaktoren

Wahlumfragen                                                            Betroffene

–    Momentaufnahmen                                               –    Bürger

–    Prognosen                                            Æ               –    politische Institutionen

–    Exit Polls                                                                  –    politisches System

Hochrechnungen                                                         –    Medien

Teilergebnisse

Rechtlicher demokratietheoretischer sozialwissenschaftlicher Diskurs

Diskussions-Dimensionen

Die Diskussionen über den Zusammenhang zwischen den Ursache- und den Wirkungsfaktoren werden auf verschiedenen Dimensionen geführt. Bei grober Betrachtung lassen sich drei unterscheiden: die rechtliche, die demokratietheoretische und die sozialwissenschaftliche Dimension (siehe Grafik). Naturgemäß sind die beiden erstgenannten enger verflochten, weil es sich in beiden Fällen überwiegend um normative Themen handelt, also Fragen, die den Bereich des Sollens betreffen, während die Sozialwissenschaftliche Dimension – zumindest in meinem Verständnis – eine rein empirische darstellt.

Rechtlich

Demokratie – theoretisch –
politisch

Sozialwissenschaftlich

Welche und wessen Rechte werden tangiert bei freier Ausübung und welche bei einem Verbot?

Wie kann man normativ einen möglichen Einfluss bewerten?

Wie genau sind Wahlumfragen, welche Bedeutung haben sie heute und wie wirken sie?

Rechtliche Dimension

Bei der rechtlichen Dimension geht es um die Frage, ob Einschränkungen gegenüber Wahlumfragen möglich oder sinnvoll sind. Solche Einschränkungen können vom Verbot der Veröffentlichung von Wahlumfragen ab einem bestimmten Zeitpunkt vor der Wahl bis dahin, die Durchführung von Umfragen generell oder das Stellen bestimmter Fragen zu verbieten.

Bekanntermaßen haben einige Länder solche „Embargos“ oder „Moratorien“ eingeführt. Nach einer Umfrage der World Association for Public Opinion Research (WAPOR) und der European Society of Opinion and Market Research (ESOMAR), an der ich als damaliger Präsident der WAPOR beteiligt war, haben zur Zeit 30 der von uns befragten bzw. antwortenden 78 Länder eine Restriktion in einer dieser Formen.

Am häufigsten sind Veröffentlichungsverbote in einem bestimmten Zeitraum vor der Wahl, zum Beispiel sieben Tage in Frankreich oder drei in Kanada. 3)

Tangierte Rechte

In rechtsstaatlichen Demokratien tangieren Einschränkungen dieser Art in der Regel und meistens unabhängig vom jeweils spezifischen Rechtssystem die folgenden Bereiche:

–      Die Wissenschaftsfreiheit des durchführenden Instituts und seiner Wissenschaftler, das heißt das Recht, Themen und Sachverhalte für wissenschaftliche Untersuchungen frei auszuwählen und sie nach den jeweils für geeignet erachteten Methoden zu erforschen. Dieses, zum Beispiel in der deutschen Gesetzgebung 4), eng mit den Kommunikationsfreiheiten verbundene Recht ist so weittragend, dass es bisher nach meiner Kenntnis in keiner Demokratie das Verbot der Durchführung von Wahlumfragen gibt. Ausnahmen sind Umfragen am Wahltag selbst, die jedoch unter dem Gesichtspunkt der Wahlordnung und daher im Zusammenhang mit einem gleichrangig hoch angesiedelten Recht (ordnungsgemäße Durchführung der Wahl) gesehen werden. Ansonsten werden Verbote verfassungsrechtlich nur dann zugelassen, wenn es sich um die Erforschung von Bereichen handelt, die fundamentale Werte der Gesellschaft tangieren. Dies ist zum Beispiel bei Humangenetik der Fall.

–      Die wirtschaftliche Freiheit des Instituts. Dieses Recht bedeutet die in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft verbriefte Möglichkeit eines Wirtschaftsunternehmens, in seinem Bereich aktiv zu werden. Da die meisten Umfrageinstitute privatwirtschaftlich organisiert sind, sind sie auf Aufträge in der Art angewiesen, wie sie auch die Grundlage von Wahlumfragen bilden.

–      Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit. In den Ländern, die ein Moratorium erlassen haben, werden in erster Linie die Rechte der Medien eingeschränkt. Wahlumfragen dürfen durchgeführt und auch – einem entsprechenden kleinen Kreis bekannt gemacht werden – aber sie dürfen nicht in öffentlichen Medien verbreitet werden. Dieses ist ein gravierender Eingriff in die Pressefreiheit und wäre in vielen liberal orientierten Demokratien wie den USA oder dem Vereinigten Königreich undenkbar.

–      Informationsfreiheit des Publikums. Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit werden unter anderem gewährt und geschützt, weil sie der Informationsfreiheit des Publikums und damit dem demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess dienen sollen („institutionelle Garantie“). Moratorien für Wahlumfragen treffen aus verfassungsrechtlicher Sicht damit am gravierendsten den Bürger selbst. Sie teilen die Gesellschaft in zwei Klassen ein: Diejenigen, die Wahlumfragen kennen, weil sie – wie Parteien, Medien oder große Wirtschaftsunternehmen – sie in Auftrag geben können, und der große Rest der Gesellschaft, der sie nicht kennen kann, weil ihm der einzige Zugang zu diesen Umfragen – der über die Medienberichterstattung – verweigert wird.

Trotz dieser Phalanx tangierter Rechte gab es und gibt es auch in Demokratien und auf Initiative durchaus demokratisch gesinnter Politiker immer wieder Anstöße, Verbote einzuführen oder zu verschärfen. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt als herrschende Lehre, dass eine Einschränkung höchst problematisch und auch nur dann rechtlich zu legitimieren wäre, wenn ein gravierender negativer Einfluss empirisch eindeutig nachzuweisen wäre. Ein solches Gesetz wäre zwar nicht grundsätzlich verfassungswidrig – es könnte mit Artikel 38 GG als Vorkehrung für eine „ordnungsgemäße Durchführung der Wahl“ begründet werden – müsste aber nach strengsten Maßstäben gegen die oben aufgeführten Rechte abgewogen werden, wobei insbesondere die Rechte aus Artikel 5 (Presse- und Rundfunkfreiheit, Informationsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit) allerhöchste Hürden aufstellen würden.

Im US-Bundesstaat Nebraska gibt es derzeit im Nachgang zum Chaos bei der letzten Präsidentschafts­wahl seitens einiger Politiker Pläne, Umfragen am Wahltag selbst (Exit Polls) und möglicherweise die Veröffentlichung von ersten Hochrechnungen bei noch geöffneten Wahllokalen im Westen des Landes zu verbieten. Ein solches Vorhaben hat dort wenig Chancen auf Verwirklichung. Undenkbar wäre angesichts der rechtlich-normativen Stärke des First Amendment ein Moratorium für Umfragen vor dem Wahltag. 5) In Diskussionen über dieses Thema unter amerikanischen Sozialwissenschaftlern oder Juristen werden Verbote meist als Kennzeichen unterentwickelter demokratischer Systeme angesehen.

Praktikabilität

Neben der rechtlich-normativen Möglichkeit stellt sich die Frage der Durchführbarkeit und -setzbarkeit für solche Verbote. Bereits vor Einführung neuer, globaler oder zumindest internationaler Kommunika­tionstechnologien wie dem Internet gab es immer die theoretischen Möglichkeiten, über die Medien aus Nachbarländern an Umfrageergebnisse heran zu kommen. Dies gilt insbesondere für das dicht besiedelte Europa.

Da es verfassungsrechtlich noch schwieriger sein dürfte, die Durchführung von Umfragen als deren Verbreitung zu verbieten, wird es vor Wahlen immer irgendwelche Ergebnisse geben, die mehr oder weniger breit „kursieren“. Politiker werden sie haben, weil sie die Ergebnisse zur Steuerung ihres Wahlkampfs benötigen. Medien werden sie haben, weil sie diese von den Politikern zugespielt bekommen oder sie selbst erheben, um geeignete Hintergrundberichterstattung betreiben zu können oder gar um hinterher als kluger Weissager dazustehen. Andere „Eliten“ werden diese Ergebnisse kennen, weil sie diese von Politikern oder Journalisten zugespielt bekommen, vermutlich vor allem mit dem Motiv, mögliche Anhänger zu mobilisieren.

Aus Belgien ist der Fall bekannt, dass Spekulanten über den Wahltag immense Kursgewinne am Aktien­markt verzeichnen konnten, weil sie aus (unveröffentlichten) Umfragen den wahrscheinlichen Wahlsieger kannten. In Belgien gibt es ein Moratorium für Wahlumfragen vor der Wahl!

Die Gefahr einer Zwei-Klassengesellschaft wird sich durch das Internet noch verschärfen. Quellen in dem Land, in dem eine Wahl bevorsteht, können entweder selbst weitgehend anonym Daten ins Web stellen oder – wenn sie wegen der Rechtslage ganz auf Nummer sicher gehen wollen – einer anderen Quelle im Ausland die Daten zuspielen. Damit wären die gesetzlichen Regelungen umgangen, aber – was noch schwerer wiegt – wiederum zwei Klassen von Wählern entstanden. Die „digital divide“, also das zunehmende Auseinander-Driften von Gesellschaftsmitgliedern, die die neuen Informationstechnologien nutzen und denen, die es nicht tun können oder wollen, wird das Elektorat teilen. Die Ersteren klicken sich in die entsprechenden Webpages ein und können bei ihrer eigenen Stimmabgabe die vermutliche Stimmenverteilung berücksichtigen, der Rest der Bevölkerung wählt ohne diese Information.

Demokratietheoretische Dimension

Bedeutung von Wahlumfragen

Wahlumfragen stellen in allen modernen Demokratien eine wichtige Quelle für politische Informationen dar. In der ESOMAR/WAPOR-Studie sagten 82 Prozent der von uns befragten Experten, die Medien ihres Landes würden praktisch jeden Tag oder zumindest sehr häufig Umfragedaten berichten. In den USA haben Wahlumfragen nach Ansicht von Beobachtern eine größere Bedeutung als die Ergebnisse der Vorwahlen (primaries). 6)

Mendelsohn und Crespi sehen zwei grundsätzlich verschiedene anthropologisch-philosophische Vorstel­lungen bei denjenigen, die einen Einfluss der Meinungsforschung auf das politische System für gefährlich halten und denjenigen, die dies eher gelassen sehen. 7) Die Ersten („platonische Schule“) gehe von einem pessimistischen Menschenbild und einem optimistischen Bild von der Wirkungsstärke der Medien aus. Der Mensch sei grundsätzlich verletzlich und dirigierbar durch moderne Medien. Die zweite Sichtweise sieht den Wähler als eine komplexe Handlungseinheit, die sich durchaus entsprechend ihrer eigenen Prädispositionen und Ziele verhalten kann. Diese Unterscheidung spiegelt ziemlich genau auch die unterschiedlichen Wirkungsparadigmen in der Kommunikationsforschung wider: hier der manipulierbare und passive Rezipient, dort der aktive Rezipient, der Medienwirkungen nur insofern zulässt, wie sie seinen eigenen Bedürfnissen entsprechen. 8)

Vor diesem Hintergrund hat die demokratietheoretische Debatte über mögliche Verbote von Wahlum­fragen auch eine philosophisch-anthropologische Komponente: Die Einrichtung von Verboten spricht dem Bürger die Kompetenz ab, mit verfügbaren Informationen sinnvoll und entsprechend seiner eigenen Zielsetzungen umzugehen. Stattdessen unterstellen sie, dass der Bürger vor solchen Informationen zu schützen ist, weil sie ihn zu Handlungen bringen können, die er selbst nicht will. Diese paternalistische Sichtweise ist einer reifen Demokratie unangemessen. Nur in extremen Fällen der Manipulationsgefahr lässt es sich rechtfertigen, dass der Zugang zu bestimmten Informationen und Meinungen verweigert werden muss. Aus historischen Gründen ist dies in Deutschland und Österreich beispielsweise bei nationalsozialistischen oder rassistischen Informationen der Fall, auch in vielen anderen Ländern aus religiös-normativen oder pädagogischen Gründen bei moralisch relevanten Informationen. Dass man Bürgern wissenschaftlich erhobene Informationen über Parteienstärken und mögliche Wahlergebnisse vorenthalten will, gehört gewiss nicht in diese Kategorie.

Politischer Stellenwert von Wahlumfragen

Wahlkämpfe sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten ihre vermeintlichen Siegchancen dem Wähler suggerieren wollen. Kein Politiker stellt sich vor den Wähler, um auf die drohende Niederlage zu verweisen. Äußerungen von Politkern sind also parteiisch, sie sind auch häufig bewusst falsch, wider besseres Wissen, nämlich das Wissen, das die Demoskopen zur Verfügung stellen. Der Wahrheitsgehalt von empirischen Aussagen (und um solche handelt es sich, wenn ein Politiker beispielsweise von sich gibt „Wir werden gewinnen“), die Politiker machen, ist also höchst zweifelhaft und irreführend, falls der Wahlbürger diese als Wirklichkeitsbeschreibungen für seine eigene Entschei­dung heranziehen sollte.

Die Ansprache der Politiker an die Bevölkerung geschieht in der Regel immer dann, wenn sie massenwirksam sein soll, über die Massenmedien. Journalisten sehen es auch als Aufgabe ihres Berufs an, die öffentliche Meinung im Lande auszudrücken und dazu gehört, in den Medien Vermutungen über die Meinungsverteilung – zum Beispiel zu einer Wahl – anzustellen. Susan Herbst hat in einer historischen Analyse ermittelt, dass 80 Prozent der Journalisten, die bereits vor der Verbreitung der Demoskopie im Beruf arbeiteten, die öffentliche Meinung dadurch ermittelten, dass sie sich mit ihren Redaktionskollegen besprachen, 70 Prozent, in dem sie sich in Bars mit den Kollegen anderer Redaktionen austauschten und 26 Prozent, in dem sie Kommentare anderer Redaktionen austauschten und 26 Prozent, in dem sie Kommentare anderer Zeitungen auswerteten. 9) Die Quelle für Mutmaßungen über die öffentliche Meinung waren also (und sind zum Teil heute noch) die Berufskollegen – und nicht die Bevölkerung.

Das Aufkommen der Demoskopie hat daran Einiges geändert. Das Monopol der Journalisten darauf, Ausdruck der öffentlichen Meinung zu sein, ist verschwunden. Einige vermuten, dass daher auch das Unbehagen des Berufs mit der Demoskopie rührt. 10) In einer vergleichenden Umfrage unter deutschen und französischen Journalisten gab es in beiden Ländern eine deutliche Mehrheit, die – ganz entgegen den sonst so liberalen Einstellungen in dem Beruf – für ein Verbot von Wahlumfragen eintrat. 11)

Neben diesem grundsätzlich nicht spannungsfreien Verhältnis von Journalisten zur Demoskopie stellt sich das Problem, dass die Berufsangehörigen nicht frei von eigenen politischen Interessen oder zumindest spezifisch gefärbten Wahrnehmungen sind. Dies ist vor allem in den kontinentaleuropäischen Ländern so, in denen – wie in Deutschland – der Journalismus traditionell eine politisch-aktive Rolle spielen will. 12) Die Abhängigkeit von Medieninhalten, auch dort, wo es sich nicht um Kommentare, sondern um Fakten handelt, von der subjektiven Meinung des einzelnen Journalisten oder einer bestimmten Redaktion ist mehrfach empirisch eindeutig nachgewiesen. 13) Mit anderen Worten: Auch die Behauptung von Journalisten, wer wohl als Sieger aus einer anstehenden Wahl hervorgehen wird, steht aus empirisch-wissenschaftlicher Sicht auf höchst fragwürdigen Beinen.

In einem Wahlkampf dominieren also eindeutig interessenabhängige Äußerungen von Politikern und entweder interessenabhängige oder auf der Gruppenmeinung der Berufsangehörigen basierende Äuße­rungen von Journalisten. In einer Medieninhaltsanalyse zur Bundestagswahl 1976 stellten wir fest, dass die mit Abstand meisten Äußerungen über den zu erwartenden Wahlausgang und die Stimmungslage von den Politikern (43 Prozent) und den Journalisten (33 Prozent) stammten. Die Demoskopen hatten nur 17 Prozent beigesteuert. 14) Auch in der Inhaltsanalyse von Schmitt-Beck (1996) und von Brettschneider (1999) 15) rangierten die demoskopischen Zahlen deutlich in der Bedeutung hinter den Aussagen von Journalisten. 16)

Die Ergebnisse einer Inhaltsanalyse zur deutschen Bundestagswahl 1998 sind hierzu nicht vollständig kompatibel, aber dennoch zeigen sie einen Wandel an. Unsere Kodierer prüften jeden Beitrag, ob darin explizit Aussagen über den zu erwartenden Wahlausgang vorkamen und wer sie machte. Von allen 15 583 Beiträgen in den untersuchten 14 Print- und fünf Fernsehprogrammen zwischen März und September 1998 enthielten 5 Prozent solche Aussagen. Bei den Urhebern dieser Aussagen haben sich die Gewichte gegenüber den siebziger Jahren verschoben. Heute sind es tatsächlich mehrheitlich die Demoskopen, die solche Aussagen machen. Jede zweite Äußerung über den möglichen Wahlausgang stammte 1998 von ihnen. Nach wie vor machen aber auch die Politiker sich selbst und ihren Anhängern Mut: Für immerhin noch ein Viertel der Aussagen zeichneten sie als Urheber, für jeden siebten der Autor des Beitrags. 17)

Die Ursachen für diese Veränderung sind vor allem darin zu suchen, dass die Medien heute sehr viel häufiger als früher Ergebnisse aus Meinungsumfragen veröffentlichen und zwar, entweder, weil sie sie selbst in Auftrag geben oder sie aus anderen Quellen übernehmen. 18) Des Weiteren nimmt die Bevölke­rung von diesen Meinungsumfragen auch immer mehr Notiz. In den fünfziger Jahren sagten gerade einmal 17 Prozent, sie hätten Wahlumfragen in den Medien gesehen, bei der Bundestagswahl 1994 waren es 67 Prozent. 19)

Aber in dieser Entwicklung ist keine Bedrohung der politischen Kultur zu erkennen, sondern – ganz im Gegenteil – eine Versachlichung der Kommunikation vor Wahlen. Trotz methodisch bedingter Fehler­toleranzen und gelegentlicher handwerklicher Fehler oder – noch seltener – bewusster Manipulationen sind die Ergebnisse von Meinungsumfragen eine vergleichsweise rationale Information in einem Meer von interessen- und meinungsabhängigen Äußerungen über den möglichen Wahlausgang.

Bewertung von taktischem Wählen

Unter taktischem Wählen versteht man die Entscheidung eines Bürgers, seine Stimmabgabe am erwarteten Wahlausgang auszurichten. Aus normativer Perspektive kritisiert wird dabei, dass die Entscheidung in solchen Fällen nicht zu Gunsten der Partei fallen mag, die für den Betreffenden die politisch erste Wahl darstellt, sondern eine Zeit- oder gar Drittpräferenz zum Tragen kommt. Dies kann eine Entscheidung zu Gunsten einer Partei sein, von der man erwartet, dass sie die Wahl gewinnt und man durch die eigene Wahlentscheidung auf der Seite des Siegers sein will. Es kann die eigene Stimme für eine kleine Partei sein, von der man will, dass sie ein Quorum 20) schafft und ins Parlament einzieht. Oder es kann sich um eine Entscheidung für eine Partei handeln, die man stärken will, um die Macht einer anderen zu begrenzen.

Von Kritikern wird häufig eingewendet, dass ein solches Verhalten erstens unüblich und zweitens schädlich für den demokratischen Prozess sei. Beide Unterstellungen sind falsch. Wolfgang Müller hat in seiner Stellungnahme auf das Gibbard-Satterthwaite-Theorem hingewiesen, wonach bei mindestens drei involvierten Individuen keine Entscheidung frei von der Möglichkeit der Manipulation durch strategisches Verhalten ist. Und natürlich bedenken auch Wähler, wie sich ihre Stimme auf den Wahlausgang auswirken könnte und wägen bestimmte Konstellationen gegeneinander ab. Dieses Verhalten ist gerade in Zeiten einer abnehmenden Parteibindung 21) ein durchaus übliches Verhalten. Aber auch früher dürfte es häufig aufgetreten sein, weil Wähler natürlich bedenken, wie die Wahl möglicherweise ausgeht, und was ihre Stimme im nachhinein Wert gewesen sein wird. Die Annahme einer irgendwie sozial oder kognitiv determinierten „natürlich“ Erstpräferenz für eine einzige Partei war wohl schon immer nur eine unbewiesene Hypothese. Das Wechselwählerwahlverhalten von heute hat diese Annahme endgültig widerlegt.

Zumindest in Deutschland ist es sogar unter gewissen Konstellationen aus aktuellen Parteistärken und potenziellen Koalitionen Brauch, dass kleine Parteien um so genannte Leihstimmen der Anhänger einer befreundeten großen Partei bitten, und/oder die große Partei dazu sogar auffordert, wenn weil sie sich einen Koalitionspartner erhalten will. 22) Es ist also durchaus nicht unüblich, dass Wähler taktische, die Parteienstärken beachtende Gesichtspunkte bei ihrer Wahlentscheidung zu Eigen machen. Sie werden dazu sogar von den Parteien gelegentlich animiert. Wenn solche Erwägungen auf der Grundlage von Wahlumfragen beruhen, haben sie jedoch im Gegensatz zu den Behauptungen über Parteienstärken, die von Politikern oder Journalisten kommen, eine wissenschaftliche und meist unparteiische Grundlage.

Taktisches Wählen ist auch nicht notwendigerweise schädlich für die Demokratie. Im Gegenteil können solche Erwägungen helfen, funktionsfähige Mehrheiten (durch Koalitionen) zu erreichen oder dominante Machtpositionen einer Partei zu verhindern. Sie haben damit geradezu eine wichtige demokratische Funktion, in dem sie stabilisierend auf das Parteiensystem einwirken.

Auch für die Politiker selbst sind solche wissenschaftlich fundierten Wahlerwartungen wichtige Daten, um sich auf mögliche Konstellationen einzustellen. Neben diesem rein funktionalistischen Argument gilt für sie auch, dass sie sich – auch kurz vor einer anstehenden Wahlentscheidung darüber informieren, wie das Volk gerade über sie denkt. Der britische Philosoph Emund Burke hat das auf den Punkt gebracht: „No … legislative right can be exercised without regard to the general opinion of those who are to be governed. That general opinion is the vehicle and organ of legislative omnipotence.“ 23)

Im Übrigen ist es letztlich allein Sache des Wählers, nach welchen Gesichtspunkten der seine Wahlentscheidung trifft. Es wäre mit einer freien Wahl unvereinbar, wenn ihm Informationen bewusst vorenthalten würden, die erstens verfügbar und zweitens von ihm auch gewünscht und als relevant erachtet werden. In Deutschland waren 1994 94 Prozent gegen ein Verbot von Wahlumfragen, ganze 6 Prozent dafür. 24) Mit Hilfe von Wahlumfragen kann der Wähler seine Entscheidung in voller Kenntnis der Konsequenzen treffen. Noch viel weniger vereinbar mit demokratischen Spielregeln wäre es, wenn gleichzeitig Parteien (unveröffentlichte) Wahlumfragen für die Ausarbeitung ihrer Strategien und Taktiken verwenden dürften – mithin also zur Beeinflussung des Wählers – der Wähler aber bewusst im Dunkeln gelassen wird.

Ein Randaspekt der demokratietheoretischen Dimension des taktischen Wählens betrifft die wissenschaft­logische Frage, ob es überhaupt möglich ist, exakte Prognosen über soziales Verhalten (in diesem Fall Wahlverhalten) aufzustellen, wenn die Kenntnis dieser Prognosen ihrerseits das Verhalten beeinflusst. Mit anderen Worten: Wenn viele Menschen wissen, das einige oder viele andere sich möglicherweise ihre Stimme nach taktischen Gesichtspunkten abgeben, dann werden sie selbst es nicht tun. 25) Da dieses Phänomen logisch (außer mit Rekurs auf einen infiniten Regress) nicht zu lösen und praktisch (wegen der begrenzten Zahl von Wählern, die sich in Kenntnis von Prognosen entscheiden) von geringerer Bedeutung ist, wird es hier nicht weiter verfolgt.

Sozialwissenschaftliche Dimension

Auf der sozialwissenschaftlichen Dimension geht es um die wertfreie Beschreibung und Erklärung von Einstellungen und sozialem Verhalten im Kontext von Wahlen und Wahlumfragen. Im Wesentlichen lassen sich hier noch einmal drei Themenbereiche unterscheiden: die Bedeutung, die Genauigkeit und schließlich die Wirkung von Wahlumfragen auf Einstellungen und Verhalten (siehe Grafik). Den letztgenannten Punkt werde ich in einem gesonderten Abschnitt behandeln, da die Wirkung von Wahlumfragen den eigentlichen Anlass für diese Stellungnahme bilden.

Bedeutung von Wahlumfragen für die Bevölkerung

Die Wirkung von Wahlumfragen ist nicht unabhängig von deren Bedeutung zu sehen. Nur wenn Wahl­umfragen von einem größeren Teil des Publikums wahrgenommen und von ihm auch als relevante und glaubwürdige politik-relevante Informationen gesehen werden, lässt sich – außerhalb von experimentellen Untersuchungen – ein Einfluss erwarten. Insofern gehört in diesen Bereich auch die Bedeutung, die Wahlumfragen für die Medien und für Politiker haben.

Bei der Bedeutung für die Bevölkerung kann man noch einmal zwei Indikatoren unterscheiden: die objektive Häufigkeit des Kontakts mit Wahlumfragen und die subjektive Einstellung zu ihnen.

Hinsichtlich des ersten Indikators hat die Bedeutung von Umfragen eindeutig zugenommen. In den USA sagten Mitte der neunziger Jahre 55 Prozent der Bevölkerung, sie würden Umfragedaten regelmäßig oder gelegentlich verfolgen. Zehn Jahre davor waren es noch 41 Prozent, in den vierziger Jahren, als diese Frage zum ersten Mal gestellt wurde, 28 Prozent. 26)

Noch spezifischer für Wahlumfragen sind Daten aus Deutschland. Trotz nicht ganz gegebener Vergleichbarkeit der Zahlen ist der Trend eindeutig. Bei der Bundestagswahl 1957 sagten 17 Prozent, sie hätten Umfrageergebnisse wahrgenommen. Bei der Wahl 1976 waren es schon 56 Prozent und 1990 81 Prozent der Bevölkerung. 27) Nach der Bundestagswahl 1994 sank der Anteil jedoch wieder auf 68 Prozent. 28)

Und gleichzeitig wurden die Einstellungen zu Umfragen immer besser. In den USA ist, zumindest bis Mitte der neunziger Jahre, die normative-demokratische Unterstützung für Umfragen generell wie auch für Wahlumfragen gestiegen. Auf die Frage, ob Umfragen eine gute oder eine schlechte Sache für die Demokratie seien, antworten 87 Prozent „eine gute Sache“. Zehn Jahre zuvor waren es erst 76 Prozent. Dabei sind die Einstellungen zu Umfragen um so besser, je jünger die Befragten sind. 29) Auch sind jeweils mehr als die Hälfte der Ansicht, Umfrageforschung habe eine nützliche Funktion (86 Prozent), mitzumachen sei im eigenen Interesse (65  Prozent) und interviewt zu werden sei interessant (64 Prozent). 30) Auch für Deutschland gibt es sehr positive Werte. Nach einer Forsa-Umfrage 1994 fanden 75 Prozent die Ergebnisse von Meinungsumfragen „sehr interessant“ oder „interessant“. 31) Und 1987 war für 51 Prozent der Bevölkerung „Demoskopie“ ein sympathisches, für nur 20 Prozent ein unsympathisches Wort. 32)

Trotz dieser positiven Einstellungen sind im gleichen Zeitraum die Ausschöpfungsraten bei Bevölke­rungsumfragen gesunken. Dies geht zu einem großen Teil auf die gestiegene Zahl der Verweigerungen zurück. Während 1980 nur 18 Prozent ein Interview für die amerikanische General Social Survey (GSS) verweigerten, waren es 1992 bereits 27 Prozent. 33) In vielen Ländern gibt es, soweit Zahlen darüber überhaupt vorgelegt werden, ähnliche Trends. Die Gründe sind vielfältig, haben aber so gut wie nichts mit einer negativen Einstellung der Menschen zu Meinungsforschung zu tun. Sie liegen in der Einstellung von persönlichen zu Telefoninterviews, in der gestiegenen Länge der Umfragen, in der Vielzahl der Umfragen 34), die heute durchgeführt werden, in der häufig nachlässigen Gestaltung von Fragebogen und Interviewverlauf sowie demografischen Veränderungen (mehr Berufsarbeit aller erwachsenen Familien­mitglieder, mehr Mobilität). 35) Aber: Die sinkende Bereitschaft, sich an Umfragen zu beteiligten, ist in keiner Weise Indikator dafür, deren demokratische und marktwirtschaftliche Funktion in Frage zu stellen.

Bedeutung für Politiker

Auch für Politiker hat die Bedeutung von Wahlumfragen eindeutig zugenommen. Regierungen, einzelne Parteien oder – je nach Wahlsystem – einzelne Kandidaten geben immer häufiger eigene Umfragen in Auftrag, um ihre politischen Strategien, zumindest aber ihre öffentliche Kommunikation daran auszu­richten. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht hat das schon früh die Frage aufgeworfen, ob sich dadurch ein in indirekten Demokratien unerwünschtes populistisches Element in das politische System einschleiche. Der Politologe Kurt Sontheimer befürchtet eine „strukturelle Unsicherheit unserer Demokratie, deren durch die Verfassung vorgeschriebener Repräsentativcharakter ständig durch den Rekurs auf weit verbreitete vulgär-plebiszitäre Vorstellungen ins Schwanken gerät.“ 36)

Eine Studie von Page & Shapiro (1983) 37) untersuchte diese Hypothese einer zunehmenden „Responsi­vität“ empirisch. Auf der Grundlage breiten Datenmaterials von den dreißiger bis in die achtziger Jahre verglichen sie die politischen Entscheidungen mit den jeweils voraus laufenden Trends in der öffentlichen Meinung. In der Tat zeigte sich ab den sechziger Jahren eine etwas höhere Responsivität der amerikanischen Politiker als zu der Zeit, in der Umfragen eher noch rar waren. Brettschneider hat diese Untersuchungsanlage auf die Bundesrepublik Deutschland angewandt, aber dort keine vergleichbaren Entwicklungen feststellen können. 38) Selbst wenn solche Veränderungen langfristig eintreten sollten – und dafür spricht Einiges – sind sie nicht den Umfragen und schon gar nicht den Wahlumfragen anzulasten, sondern den politischen Persönlichkeiten und der Prinzipientreue ihrer Institutionen.

Bedeutung von Wahlumfragen für die Medien

Die gestiegene Relevanz für den Bürger und für Politiker reflektiert die gestiegene Bedeutung von Umfragen für die Medien. In Deutschland ist die Anzahl der Beiträge in den vier überregionalen Qualitäts­zeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung und Welt stetig gestiegen. Zwischen den Wahljahren 1980 und 1998 hat sie sich verfünfacht (Grafik). 39) Die Attraktivität der Wahlumfragen für die Medien liegt auf der Hand. Es handelt sich um aktuelle Daten mit einem hohen Neuigkeits- gelegentlich auch Überraschungswert. Es sind klar strukturierte, wenig abstrakte Informa­tionen. Sie sind gut optisch darzustellen und kommen somit der Tendenz der Medien entgegen, bunter und „ikonischer“, also bildhafter zu werden, um die Aufmerksamkeit des Rezipienten hervor­zurufen und sich seinen Wahrnehmungsvoraussetzungen (leichte kognitive Verarbeitung) anzupassen. 40)

Nach Ladd und Benson (1992) 41) hat sich zwischen 1976 und 1988 die Anzahl der von den amerikanischen Zeitungen selbst durchgeführten Umfragen verdoppelt und die des Fernsehens verdreifacht. Die Autoren bemerken dazu: „The media have not only published poll data but many polls are in control of the media themselves … News organizations decide about time, methods, topics, analyses, and publication of surveys.“

Auch in anderen Ländern, darunter den europäischen hat die Häufigkeit der von Medien direkt in Auftrag gegebenen Umfragen zugenommen. Im Kontext demokratietheoretischer Überlegungen kann darin jedoch zunächst keine Gefahr erkannt werden. Seit Jahrhunderten gehört es zu den primären Aufgaben der Medien, die öffentliche Meinung auszudrücken und – wie dies das oben referierte Zitat Edmund Burkes ausdrückte – die Regierenden über des Volkes Meinung zu informieren. Nun gibt es seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Instrument, mit dem man sehr exakt die öffentliche Meinung ermitteln kann. Es ist geradezu natürlich, dass sich die Medien zunehmend dieses Instruments bedienen, um ihrer auch verfassungstheoretisch erwünschten Aufgabe nachzukommen. Albert Gollin: „If the press … has become more of a Fourth Estate in fact, then polls can be said to be one of its sharpest swords“. 42) Dies gilt auch für Wahlumfragen.

Ein anderes Kapitel ist die Art und Weise, wie die Medien mit Umfragedaten umgehen. Dabei gibt es im Wesentlichen drei Kritikpunkte: Erstens würden die Umfragen ausschließlich für die so genannte Horse-Race-Berichterstattung verwendet. Dies bedeutet, dass sich die Medien nur darauf konzentrieren, wer in einem Wahlkampf vorne liegt, zugelegt oder verloren hat. Tiefergehende Analysen des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses würden stattdessen weitgehend unterbleiben. Dieses Phänomen haben mehrere Studien in verschiedenen Ländern in der Tat nachgewiesen. 43) Allerdings gibt es hier noch erhebliche Unterschiede. Eine vergleichende Inhaltsanalyse der Berichterstattung über Meinungs­forschung in deutschen und US-amerikanischen Medien machte deutlich, dass solche oberflächlichen „Pferderennen“-Darstellungen in deutschen Medien eher selten sind. 44)

Der zweite Kritikpunkt betrifft den Umgang mit methodischen Informationen. Für diesen Zweck haben Berufsorganisationen wie die American Association for Public Opinion Research (AAPOR), die World Association for Public Opinion Research (WAPOR) und die European Association for Market and Opinion Research (ESOMAR) Standard-Kataloge entwickelt. Zahlreiche Studien in verschiedenen Ländern haben belegt, dass es die meisten Medien versäumen, ihren Lesern oder Zuschauern jene Parameter mit zu liefern, die erforderlich sind, um die Qualität oder Validität der Ergebnisse einschätzen zu können 45). Allerdings ist auch nachgewiesen, dass die Mehrzahl des Publikums ohnehin mit den technischen Informationen über Stichproben, Fehlertoleranzen, Ausschöpfungsquoten usw. nicht viel anfangen kann. 46)

Schließlich ist es auch möglich, dass Medien Umfangergebnisse dann berichten, wenn sie ihren jeweiligen Wahlerwartungen (bzw. –wünschen) entsprechen und sie zurückhalten, wenn sie diesen widersprechen. Diese Art der Selektion ist zu erwarten, wenn Journalisten ohnehin dazu neigen, Informationen nach auszuwählen bzw. zu betonen, wenn sie ihrer Wirkungsabsicht gegenüber dem Publikum nützlich sind (Kepplinger) 47). Auch Umfangergebnisse können dazu gehören.

Genauigkeit

Robert Groves 48) unterscheidet als Ursachen für Verzerrungen, also Abweichungen zwischen den Verteilungen in der Grundgesamtheit und in der gemessenen Stichprobe, nach Fehlern, die durch Nicht-Messung und solche, die durch die Messung selbst zustande kommen. Zu den Ersteren zählt er Abdeckungsfehler (bestimmte Teile der Grundgesamtheit werden durch das Stichprobenverfahren nicht erreicht), keine Antwort-Fehler (bestimmte Teile der Grundgesamtheit werden in der Feldforschung nicht kontaktiert oder nicht erreicht) und den normalen, wahrscheinlichkeitstheoretisch begründeten Stichproben-Fehler. Die Messfehler können verursacht werden durch Fehler oder Merkmale des Interviewers, des Befragten, des Fragebogens oder des Interviewmodus.

Ich will hier eine andere, weniger methoden-theoretische Einteilung anbieten. Bei demoskopischen Umfragen gibt es unvermeidbare, vermeidbare und beabsichtigte Fehler. Methodische Fehler Umfragen beruhen in der Regel auf Stichproben und Stichproben haben per Definition eine wahrscheinlichkeits­theoretische Fehlerspanne. Dieses ist unvermeidlich und kann nur durch die Wahl der Stichprobengröße eingedämmt, aber nicht verhindert werden. Aber selbst große Stichproben bergen das Risiko, einmal Ausreißer einzufangen und daher die Grundgesamtheit nicht gut abzubilden.

Unvermeidbare Fehler

Bei Wahlumfragen kommt ein möglicher Zeitfehler hinzu. Prognosen bestehen darin, zukünftige Ereignisse vorher zu sagen. Wahlumfragen werden also Tage, manchmal auch bis zu mehreren Wochen vor dem Wahltag durchgeführt. Dies birgt die Gefahr einer Diskrepanz zwischen vorher gemessenem und späterem tatsächlichen Verhalten. Menschen können ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert haben. Diese Diskrepanz war eine der Ursachen für die dramatisch falschen Prognosen bei den britischen Unterhauswahlen 1992. 49) Eine Ausnahme bilden hier die exit polls, die ja bereits stattgefundenes Verhalten messen.

Aber auch bei bereits stattgefundenem Verhalten – und erst recht bei noch bevorstehendem – kann sich das Meinungsklima auf die Antworten auswirken. Menschen geben Antworten, die in der öffentlichen Meinung gerade Oberwasser haben, als besonders sozial akzeptabel gelten. Dies kann auch die Stimmabgabe für eine bestimmte Partei betreffen. Allerdings gibt es hier methodische Möglichkeiten, diesen Fehler auszugleichen (Rückerinnerungsfragen als Gewichtungsfaktor). 50)

Ein weiteres Problem entsteht durch die fehlenden Daten eines nicht unerheblichen Teils einer Stichprobe. Zum Zeitpunkt eines Interviews wissen viele Menschen noch nicht, wen sie wählen oder sie verweigern die Antwort auf die Frage nach ihrer Wahlabsicht. Hier gibt es Verfahren, die betreffenden Befragten entsprechend ihrer anderen inhaltlichen Antworten oder ihrer soziodemografischen Merkmale bestimmten Wählergruppen zuzuschlagen. Aber auch sie bergen zum Teil nicht kalkulierbare Risiken.

Vermeidbare Fehler

Vermeidbar sind Fehler, wenn die Anwendung der Best Practice, also des verfügbaren professionellen Wissens der den betreffenden Fehler vermieden hätte. Es ist eine für die Branche unvorteilhafte Entwicklung, dass ihr rasches Wachstum auch immer mehr Personen in sie hinein gespült hat, denen eine solide sozialwissenschaftliche Ausbildung fehlt. Lang & Lang haben dies in einer „Poll of Pollsters“ bereits Anfang der neunziger Jahre festgestellt: Ihre Umfrage unter Meinungsforschern „… do not as yet give cause for alarm but they should sound an alert. They show the newcomers, who are progressively supplanting the old guard of seasoned pollsters, to be somewhat less oriented to the professional ethos that the pioneers brought with them into the field.“ 51)

Vermeidbar sind auch Fehler, die durch mangelnde Sorgfalt aus Kosten- oder Zeitdruck entstehen und natürlich erst recht solche, die gemacht werden, weil man sich von Klienten wider besseres Wissen bestimmte Messfragen oder Analyseverfahren aufdrängen lässt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat 1999 unter der Leitung von Max Kaase ein Memorandum mit dem Titel „Qualitätskriterien der Umfrageforschung“ vorgelegt. Darin wird für die Entwicklung einer guten Untersuchung unter anderem als notwendig angesehen: die Zusammenstellung von Informationen zum Untersuchungsthema, Nutzung von Ergebnissen aus Daten- und Fragearchiven, Nutzung von Ergebnissen aus systematischer Grund­lagenforschung (zB split-ballot-Experimente), Einbettung einzelner Fragen in ein System aussage­kräftiger Indikatoren, Prüfen der Zuverlässigkeit der Antworten mittels Kontrollfragen, Pretests, Dokumentation der Ergebnisse bei der Fragebogenentwicklung und Einbettung neu gewonnener Ergebnisse in Trendreihen (Methodenforschung). 52)

Instrumentelle Fehler

Instrumentelle Fehler kommen dadurch zustande, dass jemand falsche Daten erheben und publizieren will, um mit diesen Daten einen Einfluss auszuüben. Solche Vermutungen betreffen die Stichproben­bildung, die Fragen, die Auswertung und die Präsentation der Daten.

Es hat immer wieder Vermutungen darüber gegeben, dass solche Praktiken auch bei renommierten Instituten vorkommen. Nachweise dafür sind bis heute nicht gefunden worden. Statt dessen dürfte es sich in der Regel um Fehler der ersten oder zweiten Art gehandelt haben. Es wäre auch kurzsichtig von einem Meinungsforschungsinstitut wider besseres Wissen falsche Zahlen an die Öffentlichkeit zu geben und dabei in Kauf zu nehmen, dass das eigene Renommee nachhaltig zerstört und die Chance für Nachfolge­aufträge verringert wird. Allerdings kann es für Institute (oder noch mehr für deren Auftraggeber) näher liegen, den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Wahlumfragen so zu wählen, dass bestimmte Wirkungen auf die öffentliche Meinung eintreten (oder vermieden werden). Dies wäre eine Praxis, die auch bei den Medien selbst im Umgang mit Informationen sehr verbreitet ist und unter das oben erwähnte Stichwort der „instrumentellen Aktualisierung“ fällt.

Dass Fehler im Sinne ungewollter oder gewollter Abweichungen zwischen Realität und gemessener Realität kein bedeutendes Thema der Demoskopie und der Wahlforschung darstellen, machen die bisherigen Vergleiche zwischen Prognosen und amtlichem Endergebnis deutlich. Beim Institut für Demoskopie Allensbach, das regelmäßig seine Prognosen vor der Bundestagswahl veröffentlicht, lag die mittlere Fehlerabweichung für alle Parteien von 1957 bis 1998 bei unter einem Prozent. Auch die meisten amerikanischen Institute lagen zwischen 0 und 3 Prozentpunkte um das tatsächliche Ergebnis für Bush und Gore. Der traditionell in einem Wettbewerb ermittelte Slogan des T-Shirts für die Konferenz der AAPOR 2001 lautet: „Polling – Now more accurate than the election itself“ …

Empirische Ergebnisse über den Einfluss von Umfragen

Wirkungsvermutungen

Die politisch wichtigste Frage dieser sozialwissenschaftlichen Dimension betrifft die möglichen Folgen von veröffentlichten Wahlumfragen auf das Verhalten. Ich habe eingangs als Betroffene eines solchen Einflusses zwischen Bürgern, politischen Institutionen, politischem System und Medien unterschieden. Aus Platzgründen und weil über mögliche Veränderungen der Politik und der Medien bereits einige Hypothesen geäußert wurden, konzentriere ich mich hier auf die Wirkungen auf den Wähler. Sie bilden auch den Kern der politischen Diskussion um Wahlumfragen. Im Vordergrund steht dabei die Annahme, dass die Entscheidung des Bürgers für oder gegen eine Partei oder einen Kandidaten nicht mehr unbeeinflusst, nach rationalen oder subjektiven Erwägungen gefällt wird, sondern dass Faktoren, die außerhalb des politischen Bereichs liegen, diese Entscheidung beeinflussen.

Zu den am häufigsten genannten Vermutungen gehört der Bandwagon-Effekt, also die Vermutung die Ergebnisse von Wahlumfragen würden einen sozialen Druck auf einen Teil der noch unentschlossenen Wähler ausüben, für den vermeintlichen Sieger zu stimmen. Andere Hypothesen behaupten das Gegenteil oder beziehen sich auf andere Wirkungsformen wie zum Beispiel die Wahlbeteiligung. Das nachfolgende Schaubild stellt die verschiedenen Wirkungshypothesen zusammen.

Land

Wirkung auf …

Begünstigte Gruppe

Bandwagon

Stimmabgabe

Stärkere Partei

Underdog

Stimmabgabe

Schwächere Partei

Defätismus

Wahlbeteiligung: Anhänger schwächerer Partei wählen nicht mehr

Stärkere Partei

Lethargie

Wahlbeteiligung: Anhänger stärkerer Partei wählen nicht mehr

Schwächere Partei

Mobilisierung

Wahlbeteiligung: Anhänger einer oder beider Parteien beteiligen sich stärker

Stärkere, schwächere oder beide Parteien

Fallbeil

Stimmabgabe: Anhänger kleiner Parteien wählen für Zweitpräferenz

Größere Parteien

Ermöglichungstaktik

Stimmabgabe: Anhänger irgendwelcher Parteien wählen für Zweitpräferenz, um Koalitionen zu ermöglichen

Die anderen Parteien

Verhinderungstaktik

Stimmabgabe: Anhänger irgendwelcher Parteien wählen für Zweitpräferenz, um Mehrheit zu verhindern

Die anderen Parteien

Die meisten bisher vorliegenden Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Bandwagon-Effekt, also der Vermutung, Menschen wollten bei den späteren Siegern sein und wählten daher für den Demoskopen prognostizierten Sieger. In jüngerer Zeit haben vor allem in Deutschland wegen der dortigen Bedeutung kleiner Parteien und der Fünf-Prozent-Hürde auch die Fallbeil- und die Taktik-Hypothesen wissenschaft­liche Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Methoden

Wie bei allen Themen hängt die Erkenntnis in erster Linie von den angewandten Methoden ab. Sie bestimmen die Sicherheit, mit der Aussagen getroffen werden können. Bei der Erforschung des Einflusses lassen sich folgende fünf Methoden unterscheiden:

–      Plausibilitäts-Argumentationen: Hierbei wird aus der Kombination aus bestimmten Wahlprognosen und einem bestimmten Wahlergebnis der Schluss gezogen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen beiden gegeben hat.

–      Selbstauskünfte von Befragten über Einflüsse auf ihre Wahlentscheidung.

–      Ex-post-facto-Analysen: Man stellt einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von bestimmten Umfragedaten und der Wahlerwartung bzw. dem eigenen Wahlverhalten.

–      Natürliche Experimente: Äußere Umstände einer Wahl, wie zum Beispiel die Zeitverschiebung in einem Land oder eine notwendige Nachwahl, erlauben eine Unterscheidung zwischen dem Wahlverhalten ohne und mit Kenntnis des späteren Wahlausgangs.

–      Feld- oder Laborexperimente: Hier werden durch den Forscher Experimental- und Kontrollgruppe gebildet, die sich nur durch die Kenntnis von Umfragedaten oder Wahlprognosen unterscheiden.

Bisherige Befunde

Plausibilitäts-Argumente

Plausibilitäts-Argumente sind naturgemäß die schwächste Erklärung für die Wirkungen von Wahlumfragen. Sie stehen jedoch am Anfang des Prozesses. Bei zwei Wahlen in den vierziger Jahren schloss George Gallup aus dem Verhältnis zwischen veröffentlichten Umfrageergebnissen, die einen eindeutigen Sieger voraus gesagt hatten, und dem tatsächlichen Wahlergebnis, das den jeweils anderen Kandidaten als Präsidenten sah, dass die Theorie des Bandwagon „zerstört“ sei.  53)

Seit dem gab es in der Geschichte der Demoskopie immer wieder mal Abweichungen zwischen Wahlprognosen und Wahlergebnis. Die Abweichungen zeigen kein bestimmtes Muster, das entweder zu Gunsten oder zu Ungunsten eines bestimmten Effekts, zum Beispiel des Bandwagon-Effekts, sprechen würde. Ein Beispiel sind die britischen Unterhauswahlen von 1992 bei der die dramatischen Abweichungen durch eine ganze Reihe von Faktoren, aber in keinem einzigen Argument als Wirkung der Prognosen selbst erklärt worden sind. 54)

Selbstauskünfte

Auch Selbstauskünfte der Befragten sind ein eher schwacher Nachweis für Wirkungen, weil Menschen nur sehr schlecht in der Lage sind, die Ursachen ihres eigenen Denkens und Handelns objektiv zu erkennen. In den Antworten vermischen sich Attributionen aus Unsicherheit und Unkenntnis mit sozial erwünschten Angaben und Reaktionen auf Meinungsklimata. Dennoch sind solche Ergebnisse aus Umfragen ein interessanter Indikator, wenn nicht für die Wirkung, so doch für die Wahrnehmung und Bedeutung von Wahlumfragen.

Mit nicht ganz vergleichbaren Fragen haben die Forschungsgruppe Wahlen und das Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) nach Bundestagswahlen ihrer Stichprobe die Frage gestellt, ob und wie sehr man sich von Wahlumfragen bei der eigenen Wahlentscheidung hat beeinflussen lassen (genauer Wortlaut in der Grafik). Die Ergebnisse – sie liegen mir bis 1994 vor – zeigen eine eher rückläufige Tendenz. Während 1983 noch 26 Prozent angaben, sich zumindest etwas von Wahlumfragen geleitet zu lassen haben, sind es 1994 nur noch 19 Prozent (Grafik).

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass dieser Einfluss von der Parteipräferenz beeinflusst wird. In Deutschland lassen sich offensichtlich die Anhänger der kleinen FDP deutlich stärker von den demoskopischen Ergebnissen leiten als die Anhänger der anderen Parteien (Grafik). Dies bestätigt auch ein Ergebnis aus 1990, nachdem im Durchschnitt aller Parteien 1,7 Prozent der Wähler angaben, ihre Wahlentscheidung hätte sich durch Umfragedaten geändert, bei den Liberalen aber 4,9 Prozent. 55) Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens ist die FDP als kleine Partei von der Fünf-Prozent-Hürde betroffen. Ihre Anhänger müssen damit rechnen, dass ihre Stimme verloren ist, nämlich immer dann, wenn die Partei es nicht in den Bundestag schafft. Es kann dann in einer aussichtslos erscheinenden Situation dann rationaler sein, für die Partei der zweiten Wahl zu stimmen.

Zweitens sind FDP-Wähler im Durchschnitt höher gebildet als die Anhänger der anderen Parteien. Das Interesse für demoskopische Zahlen ist aber nicht unabhängig vom Bildungsgrad, weil nur für gebildetere Wähler die abstrakten Prozentzahlen eine Bedeutung und Eingängigkeit haben.

Allerdings zeigen Langzeitbetrachtungen widerrum, dass das differenzielle Interesse der Anhänger einzelner Parteien auch nicht ganz stabil über die Zeit ist. Offensichtlich kommt neben dem Bildungsgrad und der Stärke einer Partei (bzw. ihrer Nähe zur Fünf-Prozent-Marge) auch die jeweilige koalitions­politische Konstellation dazu. 56)

Ex-post-facto-Analysen

In einer Studie zur Bundestagswahl 1976 untersuchte ich, ob die Wahrnehmung von Wahlumfragen einen Einfluss auf die eigene Erwartung hat, wer die Wahl gewinnt. Hier war das Kriterium also noch einmal abgesenkt: Es ging nicht um die eigene Wahlentscheidung, sondern um die Wahrnehmung des Meinungs­klimas. In der Analyse verglich ich die Wahlerwartung derjenigen, die von Wahlumfragen gehört oder gelesen hatten, mit der Wahlerwartung der Gegengruppe, die damit nicht in Kontakt gekommen war. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass zum Zeitpunkt der Umfrage alle Meinungsforschungsinstitute unisono eine gleiche Erwartung an den Wahlausgang nahe legten, nämlich einen Sieg der damaligen sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP.

Ex-post-facto-Analyse zum Einfluss von Wahlumfragen

 

Befragte, die konkrete Parteiangaben machten

 

Von Umfragen
gehört/gelesen

Von Umfragen nicht
gehört/gelesen

„Was glauben Sie, wer die Wahl gewinnt?“

N = 660
%

N = 330
%

CDU/CSU

 42

 45

SPD/FDP

 58

 55

 

100

100

Unterschiede statistisch nicht signifikant.

Quelle: Donsbach 1984, S 400

Wie die Grafik zeigt, gibt es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Befragten­gruppen. Dies lässt darauf schließen, dass der Kontakt mit den Umfragen weder die eigene Erwartung beeinflusst hat, wer die Wahl gewinnt, noch – was ja viel schwerer möglich ist – die eigene Stimm­abgabe. 57)

Zu einem leicht anderen Ergebnis kommt eine ähnlich angelegte Studie in den USA. West untersuchte mit zwei Umfragen, ob die Wahrnehmung von Umfragen (gemessen mit der Frage „During the last month, television, newspapers, and magazines have reported the results of national polls that measure the popularity of the candidates running for president. Have you read or heard any of the results from these national polls taken during the last month?“) einen Einfluss auf die eigene Wahlentscheidung bei der Präsidentschaftswahl und bei einem Referendum in Rhode Island hatte. 58) Die Regressionsanalyse ergab einen statistischen Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Entscheidung für das Referendum, nicht aber für die Präsidentschaftswahl.

Schmitt-Beck hingegen fand für Bundestagswahl 1990 einen Bandwagon-Effekt. Er korrelierte die Mediennutzung mit der Wahlerwartung und diese wiederum Wahlabsicht bzw. die tatsächliche Stimm­abgabe. 59) Die Medieninhalte wurden mit einer Inhaltsanalyse erfasst. Das Interesse an politischer Berichterstattung beeinflusste die Erwartung über den Wahlausgang und dieses bei unentschiedenen und weniger informierten Wählern die Stimmabgabe in Richtung der offensichtlich gewinnenden Partei. Der Autor interpretiert dies als ein „majority-led proxy voting“, eine alltagsrationale Entscheidung auf der Grundlage geringen Informationsstands. Allerdings – und dies ist bei dieser Untersuchung entscheidend – wurden laut Inhaltsanalyse die meisten Aussagen über den Wahlausgang von den Journalisten und nicht von den Demoskopen gemacht!

Natürliche Experimente

In der Bundesrepublik ergab sich 1965 die Möglichkeit zu einem natürlichen Experiment über die Wirkung des Wahlverhaltens Anderer auf die eigene Wahlentscheidung. Bei natürlichen Experimenten werden durch die äußeren Umstände Situationen geschaffen, in denen mindestens zwei Gruppen sich durch die An- bzw. Abwesenheit eines bestimmten Faktors unterscheiden. Der Faktor, um den es hier geht, ist der Kontakt mit Wahlumfragen.

Da ein Abgeordneter kurz nach der Wahl verstarb, war eine Nachwahl in einem Wahlkreis erforderlich. Das Meinungsforschungsinstitut INFAS berechnete auf der Grundlage des bereits vorliegenden Gesamtergebnisses für die Bundesrepublik (Gesamttrend) und den soziodemografischen Merkmalen des betreffenden Wahlkreises wie man dort hätte wählen müssen, hätte man die Ergebnisse der anderen nicht schon gekannt. Diese theoretische Prognose wurde konfrontiert mit dem tatsächlichen Ergebnis des Wahlkreises. Das Ergebnis: Es gab keine signifikanten Unterschiede das heißt in diesem Falle keinen Bandwagon-Effekt zu Gunsten der siegreichen CDU. 60)

Die meiste Aufmerksamkeit der Forschung hat bisher das so genannte Western Voting in den USA auf sich gezogen. Während in den westlichen Bundesstaaten die Wahllokale noch bis zu vier Stunden offen sind, berichten die Medien die ersten Ergebnisse von Exit Polls oder Hochrechnungen aus den Oststaaten. Wähler im Westen haben also die Möglichkeit, in Kenntnis des vermutlichen Endergebnisses oder zumindest des Trends ihre eigene Stimme abzugeben. Im Gegensatz zu den Feld- und Laborexperimenten ist die abhängige Variable hier das tatsächliche Wahlverhalten, nicht ein hypothetisches Verhalten in einer unverbindlichen Situation.

Als sich Johnson und Goldwater 1964 gegenüber standen, wurden gleich fünf empirische Studien über dieses Phänomen durchgeführt. Mit einer Ausnahme handelte es sich dabei um Panelbefragungen (Mehrfach-Befragung derselben Personen). In zwei Studien wurden Kontrollgruppen gebildet, um eine echte experimentelle Untersuchungsanlage zu erhalten. 61) Mendelsohn & Crespi fassten die Ergebnisse zusammen: (1) Da sich die meisten Wähler bereits vorher entschieden hatten, war ein insgesamt geringes Wählerpotenzial vorhanden, das hätte beeinflusst werden können. (2) Nur vier Prozent der Wähler kamen vorher mit Prognosen bzw. Hochrechnungen in Kontakt. (3) Es gab keinen signifikanten Einfluss der Hochrechnungen auf die eigene Wahlbeteiligung, weder im Sinne eines Mobilisierungs- noch eines Lethargie-Effekts. (4) Es gab auch keinen Einfluss auf die eigene Stimmabgabe, weder im Sinne eines Bandwagon- oder eines Underdog Effekts. 62)

Eine Studie zur Wahl 1968, wo nach Ansicht der Kritiker die Umstände für einen Einfluss auf das Western Voting noch günstiger gewesen wären, führte zum gleichen Ergebnis: Es gab keinen signifikanten Einfluss der Hochrechnungen am Wahlabend. 63)

Allerdings gibt es daneben einige spätere Studien, die einen Einfluss nachzuweisen scheinen. Bei ihnen handelt es sich aber um methodisch fragwürdige Verfahren. In zwei Studien wurden Personen im Westen der USA nach der Wahl gefragt, ob sie der Wahl wegen der Prognosen fern geblieben seien. Beide Studien fanden Anteile im einstelligen Prozentbereich. 64) Zwei andere Studien fanden Nachweise auf dem Aggregat-Daten-Niveau, nicht aber auf dem Individualdaten-Niveau. Bei Aggregatdaten-Analysen ist die Gefahr von Scheinkorrelationen besonders groß. 65)

Die vermutlich methodisch sorgfältigste und daher valideste Studie ist eine Untersuchung von Adams über das Wahlverhalten im wesentlichen Bundesstaat Oregon bei der Präsidentschaftswahl 1984. In Oregon gibt es zwei geografisch benachbarte Counties, die sich auch in ihrer soziodemografischen Zusammensetzung sehr ähneln, aber in zwei verschiedenen Zeitzonen liegen (Montain-Time, Pacific-Time). Dadurch hatten die Einwohner des einen Counties eine Stunde mehr Gelegenheit, Hochrechnungen aus dem Osten zu hören oder zu sehen. Mit Unterstützung der Wahlhelfer wurde ermittelt, zu welcher Uhrzeit wie viele Wähler in die Wahllokale kamen. Es gab keinen signifikanten Effekt der Zeitzone – und damit des wahrscheinlichen Kontakts mit Hochrechnungen – auf die eigene Wahlbeteiligung. 66)

Seitdem sind meines Wissens keine weiteren Studien zum Western Voting durchgeführt worden. Das Thema scheint – auch politisch – weitgehend erledigt zu sein, wozu einerseits die vielen Null-Ergebnisse, andererseits der im amerikanischen Rechtsverständnis ohnehin geringe Spielraum für Einschränkungen geführt haben dürften.

Experimente

Experimente haben den Vorteil, dass der Forscher die Situation stark kontrollieren und zum Beispiel den Charakter und den Einsatz des Wirkungsfaktors so gestalten kann, dass die Beziehungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen logisch stringend nachgewiesen werden können. Sie haben aber den Nachteil, dass die Situation künstlich und das Verhalten der Probanden unverbindlich ist. Experimente neigen daher dazu, Wirkungen im Vergleich zum natürlichen Verhalten der Menschen eher zu überzeichnen.

Üblicherweise werden in solchen Experimenten über die Wirkung von Wahlumfragen und Prognosen der einen Gruppe von Probanden (entweder im Fragebogen oder durch den Versuchsleiter) bestimmte Meinungsverteilungen bzw. Prognosen mitgeteilt, während die anderen (Kontrollgruppe) entweder andere Prognose-Zahlen oder gar keine erhalten. Eine solche Studie hat zuerst de Bock durchgeführt. Er fand so einen signifikanten Einfluss der den Personen mitgeteilten Umfrageergebnisse auf die eigene Absicht zur Wahl zu gehen: Anhänger McGoverns, die durch die demoskopischen Ergebnisse erfahren hatten, dass ihr Kandidat keine Chance hatte, wollten der Wahl fern bleiben (Defätismus-Effekt). 67) Der Autor schränkte die Gültigkeit seiner Befunde auf sehr einseitige Wahlen ein.

Ein ähnliches Design wählte Navazio. Auch er teilte im Fragebogen den Versuchspersonen jeweils unterschiedliche demoskopische Ergebnisse mit. Bei höher Gebildeten gab es einen leicht signifikanten Effekt der mitgeteilten Daten auf die eigene Wahlabsicht in Richtung eines Bandwagon-Effekts (zu Gunsten der Mehrheit), während die weniger gebildeten gerade in die andere Richtung tendierten (Underdog-Effekt). 68)

Einen Einfluss im Sinne eines Bandwagon-Effekts fand auch die experimentelle Studie von Ansolabehere & Iyengar. 69) Insgesamt ist jedoch die Bilanz eher verwirrend. Es gibt auf der Grundlage der experimentellen Untersuchungen mehr Ergebnisse, die einen Effekt nachweisen und es gibt in solchen Fällen eher Effekte in Richtung eines Bandwagon, also zu Gunsten des erwarteten Siegers. Allerdings gibt es auch Untersuchungen, die gegenteilige bzw. differenzielle Wirkungen zeigen, also solche, die bei einer Gruppe so, bei einer anderen in die gegenteilige Richtung ausschlagen.

Auf die zweifelhafte externe Validität von diesen Experimenten habe ich bereits hingewiesen. Zur Relativierung des tatsächlichen Einflusses von Wahlumfragen tragen auch zwei weitere Ergebnisse bei, die den komparativen Einfluss von Wahlumfragen zu anderen Quellen gemessen haben. Cotter & Stovall gaben ihren drei Gruppen entweder Umfragezahlen, die Meinung von Experten und eines Man-in-the-street-Interviews zum wahrscheinlichen Wahlausgang einer Bürgermeisterwahl und verglichen danach die eigene Wahlabsicht der Probanden. In zwei der drei Settings gab es signifikante Effekte in Richtung eines Bandwagon: am stärksten für das konkrete Fallbeispiel (Man-in-the-street-Interview), etwas schwächer für die Umfragedaten. 70)

Daschmanns Ergebnisse eines ganz ähnlichen Experiments anlässlich einer Landtagswahl in Deutschland relativieren den Einfluss der Umfrage noch eindeutiger. Der Autor verwendete spezielle Nachdrucke einer lokalen Tageszeitung, was die Natürlichkeit der Situation erhöhte. In dem 2 × 2-Design erhielt jeweils eine Gruppe einen Stimulus für und gegen den Sieg der Regierungsparteien, und zwar in einem Fall durch Umfragedaten, im anderen durch mehrere Aussagen von konkreten Personen. Gemessen wurde unter anderem die Einschätzung der Mehrheitsmeinung und die eigene Wahlabsicht.

Es zeigt sich, dass die Fallbeispiele einen deutlichen und signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung der Mehrheitsmeinung („Meinungsklima“) ausübten, während die Umfragedaten völlig ohne Wirkung blieben (Tabellen). Keiner der Stimuli beinflusste signifikant die eigene Wahlabsicht. 71)

Wirkung von Einzelfall-Beispielen
auf eigene Wahrnehmung der Regierungsleistung

Personalopinion

Anti-government
exemplars

(n = 70)

No exemplars
(control condition)

(n = 120)

Pro-government
exemplars


(n = 74)

Average rating of the government’s performance *) (Means, 0 = very bad 100 = very good)

49.0a

52.6a, b

56.0b

Percentage of subjects who rated the government’s performance as positive **) (51 points or higher on a 0-100 scale)

25.7%

39.2%

58.1%

Note: The exemplar distribution was 4:1 or 1:4.

*) F (2/264) = 3.1, r < .05, h2 = .02. Means associated with different superscripts differ significantly at r < .05 by Duncan test.

**) Chi2 = 20.1, df = 4, r < .001.

 

Wirkung von unterschiedlichen Umfragedaten auf die
eigene Meinung zur Regierungsleistung

Personalopinion

Anti-government
poll results


(n = 71)

No poll results
(control condition)

(n = 123)

Pro-government
poll results


(n = 75)

Average rating of the government’s performance *) (Means, 0 = very bad 100 = very good)

52.7

52.5

52.7

Percentage of subjects who rated the government’s performance as positive **) (51 points or higher on a 0-100 scale)

38.9%

41.5%

41.9%

Note: The poll results said the government parties would reach/would not reach the majority of votes

*) F < 1.0, n.s.

**) Chi2 < 3.0, n.s.

Quelle: Daschmann 2000

Fazit und abschließende Bewertungen

Die Ergebnisse der inzwischen sehr zahlreichen Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1.      Die Ergebnisse sind widersprüchlich und hängen stark von der verwendeten Methode und den jeweiligen politischen Umständen ab.

2.      Generell kann man sagen, dass mit der Natürlichkeit der Erhebungssituation der nachgewiesene Einfluss sinkt bzw. überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Experimente und Selbstauskünfte geben die stärksten Anhaltspunkte für Wirkungen von Wahlumfragen, natürlich Experimente die geringsten.

3.      Wenn es überhaupt einen Einfluss gibt, dann betrifft er die eigene Wahlabsicht im Sinne eines Band­waggon-Effekts.

4.      Unter der Voraussetzung eines bestimmten Wahlsystems (Fünf-Prozent-Hürde) können die An­hänger der kleinen Partei, oder der Partei, die die kleine Partei als Koalitionspartner benötigt, durch Umfragen dazu animiert werden, ihre Stimme der Zweitpräferenz-Partei zu geben.

Insgesamt sind die Effekte jedoch erstens klein und zweitens als völlig unbedenklich einzustufen. Für das geringe Ausmaß kann es verschiedene Gründe geben. Erstens gibt es schon auf Grund der Wahrschein­lichkeitstheorie meistens mehrere, sich leicht unterscheidende Wahlprognosen. Zweitens werden auch Wahlprognosen ganz offensichtlich selektiv zu Gunsten der eigenen Meinung wahrge­nommen. In der Studie über die Bundestagswahl 1976 gab es hierzu deutliche Hinweise (Grafik). 72)

Drittens gehen zumindest vor der Wahl Umfragedaten in den vielen anderen Äußerungen zum Wahl­ausgang eher unter. Inhaltsanalysen haben gezeigt, dass Prognosen von Journalisten und von Politikern häufiger vorkommen. Im Gegensatz zu Wahlumfragen sind solche Äußerungen häufig interessen­gebunden, aber fast immer auf Vermutungen basierend.

Viertens sind konkrete Fallbeispiele, Man-in-the-Street-Interviews und Ähnliches offensichtlich deutlich wirksamer in der Prägung der Umweltmeinung wie auch (wenn es überhaupt darauf einen Einfluss gibt) der eigenen Wahlabsicht als Umfragedaten.

Fünftens wird von Politikern wie auch von Sozialwissenschaftlern die Bedeutung von Wahlumfragen für den Durchschnittsbürger aus zwei Gründen noch immer eher überschätzt. Erstens sind beide Berufs­gruppen überdurchschnittlich gebildet und damit es gewohnt, Informationen zu verarbeiten, die mit Hilfe quantitativer Symbole (Verhältniszahlen) dargeboten werden. Für den eher niedrig gebildeten Menschen sind solche vergleichenden Prozentzahlen eher abstrakt und daher wenig eindrucksvoll. Zweitens haben Wahlumfragen für Politiker und Wissenschaftler eine essentielle Bedeutung. Für die einen sind sie Informationen über ihr politisches Schicksal und für die anderen (zumindest einen Teil von ihnen) ihr Broterwerb.

Selektive Wahrnehmung von Wahlumfragen

 

Nur Befragte, die mit
Wahlumfragen in Kontakt kamen

„Und erinnern Sie sich noch, wie es stand: Lag die CDU/CSU vorne oder die SPD/FDP?“

CDU/CSU-
Anhänger
%

SPD/FDP-
Anhänger
%

CDU CSU

SPD FDP

Patt

Je nach Institut

Weiß nicht

 44
 25
 14
  7
 10

 24
 50
 13
  6
  7

 

100

100

Donsbach 1984, S 399

Dennoch kann man erwarten, dass unter bestimmten Konstellationen Wahlumfragen einen Einfluss auf das Wahlverhalten haben. Sie können gerade bei unentschlossenen Wählern eine Art „Interpretations­hilfe“ darstellen, die sie dazu bringt, sich letztlich für eine Partei zu entscheiden. Aber die Medien sind voll von solchen Interpretationshilfen, die meistens getarnt und subtil einen Einfluss ausüben, seien es Vermutungen von Journalisten, zur Schau getragene Siegesgewissheit von Politikern, die selektive Auswahl von Fotos und Zitaten usw. In diesem Kanon sind Wahlumfragen eine relativ neutrale und rationale Interpretationshilfe.

Mit anderen Worten: Selbst wenn ein Einfluss von Umfragen auf das eigene Wahlverhalten nachgewiesen würde, wäre es demokratietheoretisch und erst recht juristisch unbedenklich. Im Gegenteil: Vieles spricht dafür, dass das Wahlverhalten bei Kenntnis von Umfragen zu rationaleren Ergebnissen führt. Krichgässner behauptet auf der Grundlage eines logisch-mathematischen Modells des Wählerverhaltens, dass die sukzessive Durchführung und Publikation von (seriösen) Umfragedaten vor Wahlen beim Wähler auf einen Gleichgewichtszustand hin tendiert. Als Gleichgewicht ist definiert, wenn hinterher kein Wähler wünscht, er hätte anders gewählt als er es tatsächlich tat. Ich erspare mir und dem Leser den Nachweis durch mathematische Formeln… 73)

Auf jeden Fall sind Wahlumfragen und –prognosen eine vom Wähler in Demokratien gewünschte und auch verfügbare Information, die ihm daher nicht vorenthalten werden darf. Ein Verbot von Wahlumfragen vor Wahlen, das heisst konkret bis zum Wahltag, ist daher auszuschließen. Ein moderner Verfassungsstaat muss grundsätzlich von der Mündigkeit seiner Bürger ausgehen. Dazu gehört auch der Glaube an die Fähigkeit des Bürgers, seine für ihn relevanten Informationen selbständig auszuwählen und sinnvoll verarbeiten zu können. Verbote von Wahlumfragen vor Wahlen schaffen – wohl mit Absicht – Privilegien für Parteien oder – als Nebeneffekt – für andere einflussreiche Gruppen.


Anders zu beurteilen sind nur Umfragedaten, die am Wahltag selbst erhoben werden und noch während offener Wahllokale verfügbar gemacht werden. Vor dem Hintergrund der Norm, dass alle Wähler bei ihrer Wahl möglichst potenziell gleiche Informationsstände haben sollten, lassen sich solche mit rechtlichen und demokratietheoretischen Argumenten verbieten. Ob solche Verbote im Zeitalter der modernen Kommunikationstechniken praktisch realisiert werden können, sei dahin gestellt.

VÖZ – VERBAND ÖSTERREICHISCHER ZEITUNGEN

Der Vorstand des VÖZ hat sich in seiner Sitzung vom 6. Dezember 2000 mit Ihrem Schreiben befasst und gibt die grundsätzliche Stellungnahme ab, dass der VÖZ jeglichen Eingriff in die Pressefreiheit ablehnt. Die im VÖZ vertretenen Zeitungen, Zeitschriften und Magazine respektieren selbstverständlich die öster­reichischen Gesetze, wollen sich aber nicht in die Details allfälliger Regelungen für die Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen bzw. für die Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amt­lichen Wahlende einmengen.

Wir betonen jedoch, dass im Rahmen bestehender Gesetze die volle und ungehinderte Ausübung der Pressefreiheit gewährleistet sein muss.



*) Prof. Dr. Gerhard Schmidtchen: „Der häßliche Meinungsforscher“ in DER MONAT, Mai 1964

**) Prof. Wolfgang Donsbach (Univ. Dresden) mit Quelle: The International Encyclopedia of Elections, Washington DC; Congressional Quarterly 2000, pp, 246 f.

*) Wahlberechtigte österr. Bevölkerung; 603 Interviews (CATI-System); 27./28. September 1999

**) Elisabeth Noelle-Neumann: „Öffentliche Meinung – Die Entdeckung der Schweigespirale“; Ullstein-Verlag 1996

[1]) Siehe VMÖ-Focus 2/1995; Gutes Branchenimage der Markt- und Meinungsforschung in Österreich; bevölkerungsrrepräsentative Studie im Auftrag des VMÖ-Verbandes der Marktforscher Österreichs, Sample 3000 Interviews, Befragte ab 14 Jahren, Fehlerspanne ±1,84 Prozent, face-to-face Befragung.

1) Ähnlich wie in den USA, die aus geografischen Gründen vier verschiedene Zeitzonen und damit real verschiedene Öffnungszeiten der Wahllokale aufweisen (Western Voting Phänomen).

2) Es gibt jedoch auch Mischformen, also zum Beispiel Momentaufnahmen, die Unentschiedene und Verweigerer umrechnen, ohne Prognosen über das Wahlergebnis zu machen.

3) Vgl. Donsbach, W. (2000): Public Opinion Polls: Legal Regulations. In: The International Encyclopedia of Elections. S 246f.; ESOMAR/WAPOR (Hrsg.): XX.

4) Beide stehen in Artikel 5 Grundgesetz (Absatz 1 und Ansatz 3).

5) „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press: or the right of the people peacably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances“.

6) Mann, Th. E. & Orren, G.R. (1992): To Poll Or Not To Poll … And Other Questions. In: Mann & Orren (eds.): Media Polls in American Politics. Washington. 1–18.

7) Mendelsohn, H. & Crespi, I. (1970): Polls, Television, and the New Politics. Scrandon.

8) Vgl. Biocca, F.A. (1988): Opposing Conceptions of the Audience – The Active and Passive Hemispheres of Mass Communication theory. Anderson, J.A. (ed.): Communication Yearbook, vol. 11, 51–80; Schulz, W. (1982): Ausblick am Ende des Holzweges? Eine Übersicht über die Ansätze der neuen Wirkungsforschung. In: Publizistik, 27 (4), S 49–73.

9) Herbst, S. (1990): Assessing Public Opinion in the 1930s–1940s: Retrospective Views of Journalists. Public Opinion quarterly 67, pp. 943–949.

10) Lang, K & Lang, G.E. (1984): The Impact of Polls on Public Opinion. John L. Martin (ed.): Polling and the Democratic Consensus. The Annals of the American Academy of Political and Social Science, vol. 472. Beverly Hills, London, New Delhi, pp. 129–42.

11) Donsbach, W. & Antoine, J. (1990): Journalists and the Polls: A Parallel Survey Among Journalists in France and Germany. In: Marketing and Research Today, 18. pp. 167–174.

12) Donsbach, W. (1993): Journalismus versus journalism – ein Vergleich zum Verhältnis von Medien und Politik in Deutschland und in den USA. In: Beziehungsspiele – Medien und Politik in der öffentlichen Diskussion. Fallstudien und Analysen von Wolfgang Donsbach, Otfried Jarren, Hans Mathias Kepplinger, Barbara Pfetsch. Verlag Bertelsmann Stiftung. Gütersloh 1993, S 283–315.

13) Vgl. zB Kepplinger, Hans Mathias (1989): Theorien der Nachrichtenauswahl als Theorien der Realität. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15 (89) (Beilage zur Wochenzeitung: Das Parlament), S. 3–16; Patterson, Th. E. & Donsbach, W. (1996). News Decisions: Journalists As Partisan Actors. Political Communications 13 (4): 455–68.

14) Vgl. Donsbach, W. (1984): Die Rolle der Demoskopie in der Wahlkampf-Kommunikation. In: Zeitschrift für Politik, 31. S 388–407, S 402.

15) Demoskopie im Wahlkampf – Leitstern oder Irrlicht? Manuskript.

16) Schmidt-Beck, R. (1996): Mass Media, the Electorate, and the Bandwagon. A Study of Communication Effects on Vote Choice in Germany. In: International Journal of Public Opinion Reserarch 8, S 266–91. Leider gibt der Autor keine konkreten Häufigkeitsverteilungen an.

17) Donsbach, W. (1999): Drehbücher und Inszenierungen. In: Noelle-Neumann, E., Kepplinger, H.M., Donsbach, W.: Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998. Freiburg & München: Alber, S 141–171, S 155.

18) Vgl. Brettschneider, F. (1996): Wahlumfragen in den Medien. Eine empirische Untersuchung der Presse­berichterstattung über Meinungsumfragen vor den Bundestagswahlen 1980– 1994. In: Politische Vierteljahresschrift 37, S 475–493.

19) Vgl. Brettschneider, F. (1991): Wahlumfragen. Empirische Befunde zur Darstellung in den Medien und zum Einfluss auf das Wahlverhalten in der Bundesrepublik Deutschland und den USA. München: Minerva Publikation. Daten aus dem ZUMA Sozialwissenschaften-Bus III/94.

20) In Deutschland die Fünf-Prozent-Hürde.

21) Roth, Dieter (1998): Empirische Wahlforschung, Ursprung, Theorien, Instrumente, Methoden. Opladen: Leske & Budrich.

22) Besonders die FDP ist ein potenzieller Kandidat für Leihstimmen, je nach politischer Lage, der SPD- oder der CDU-Wähler. Meistens laufen solche Kampagnen über den Trick „nur“ um die Zweitstimme zu bitten, die aber nach dem deutschen Wahlsystem die für die Sitzverteilung im Parlament einzig ausschlaggebende ist.

23) Edmund Burke: Politics, 1791.

24) Vgl. Demoskopie – informiert oder manipuliert? In: Die Woche, 25. 8. 1994.

25) Sehr früh hat sich Simon mit diesem Phänomen bei Wahlprognosen auseinandergesetzt. Vgl. Simon, H.A. (1954): Bandwagon- and Underdog Effects and the Possibility of election Predictions. In: Journalism Quarterly 18, S 245–53; zum generellen Problem bei sozialwissenschaftlichen Gesetzen vgl. Nagel, E. (1961): The Structure of Science. Problems in the Logic of Scientific Explanations. London.

26) Vgl. Gallup, A. & Morre, D.W. (1966): Younger people today are more positive about polls than their elders. In: The Public Perspective, August/September, S 50–53.

27) Vgl. Brettschneider, F. (1996): Wahlumfragen und Medien. In: Politische Vierteljahresschrift 37, S 475–93; Donsbach (1984): S 397.

28) Vgl. ZUMA Sozialwissenschaften Bus III/94.

29) Vgl. Gallup & Moore. S 52.

30) Vgl. O’Neill, H.W. (1996): Our greatest interest and most frustrating challenge is how to increase the rate of public participation in polls. In: The Public Perspective, August/September, S 54–56.

31) Vgl. Demoskopie – informiert oder manipuliert?

32) Allensbacher Archiv. IfD-Umfrage 4096/1. Oktober 1987.

33) Vgl. Smith, T. (1995): Trends in Non-Response Rates. In: International Journal of Public Opinion Research 7, S 157–170, S 161.

34) Angeblich werden täglich 18 Millionen Telefonate in den USA geführt, um Umfragen (wohl im weitesten Sinne) zu realisieren. Vgl. Demoskopie – informiert oder manipuliert? In: Die Woche, 25. 8. 1994.

35) Vgl. Smith, a.a.O., S 167.

36) Sontheimer, K. (1964): Meinungsforschung und Politik. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Ansprüchen der Demoskopie. In: der Monat, Heft 187, S 41 ff., S 44.

37) Page, B.J. & Shapiro, R.Y. (1983): Effects of Public Opinion on Policy. In: American Political Science Review, 77, S 175–190.

38) Bretschneider, Frank (1995): Öffentliche Meinung und Politik. Eine empirische Studie zur Responsivität des Deutschen Bundestages. Opladen: Westdeutscher Verlag.

39) Vgl. Bretschneider (1999), Manuskript (Vortrag beim Zentralarchiv Köln).

40) Vgl. Hardmeier, S. (2000): Meinungsumfragen im Journalismus. Nachrichtenwert, Präzision und Publikum. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 48, S 371–95.

41) Vgl. Ladd, E. C. & Benson, J. (1992): The Growth of News Polls in American Politics. In: Thomas E. Mann & Gary R. Orren (eds.): Media Polls in american Politics. Washington, 19–31.

42) Gollin, A. E. (1980): Polls and the News Media: A symposium. In: Public Opinion Quarterly 44, S 446.

43) Vgl. Brettschneider 1991, 1996: Yeric, J. L. (1992): Television’s Reporting of Campaign Polls: The New Political Communicator. Paper presented at the 18th Conference of the International Association for Mass Communication Research, Sao Paulo, Brasilien: Hardmeier, S. (2000): Meinungsumfragen im Journalismus, a.a.O.

44) Vgl. Lang, S. (1998): Verwendung und Darstellung von Demoskopie in Printmedien. Magisterarbeit TU Dresden. Untersucht wurden jeweils ein Wahljahr und ein Nichtwahljahr in den USA und Deutschland. Medien Deutschland: FAZ, Süddeutsche, Freie Presse, BILD, Spiegel, Focus; USA: New York Times, Washington Post, USA Today, Newsweek, Time.

45) Vgl. Brettschneider, F. (1996): Wahlumfragen und Medien; Donsbach, Wolfgang (1999): Drehbücher und Inszenierungen. Die Union in der Defensive. In: Noelle-Neumann, Elisabeth, Kepplinger, Hans Mathias, Donsbach, Wolfgang: Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998. Freiburg, München: Alber, S 141–171; Horserace, issue coverage in prestige newspapers during 1988. 1992 elections. In: Newspaper Research Journal 15, No. 4, S 20–28

46) Lordan, E. J. (1993): Do methodological details help readers evaluate statistic-based stories? In: Newspaper Research Journal 14, No. ¾, S 13–19

47) Kepplinger, Hans Mathias (1989), Instrumentelle Aktualisierung, Grundlagen einer Theorie publizistischer Konflikte. In: Kaase, Max, Schulz, Winfried Schulz (Hrsg.): Massenkommunikation (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie), Opladen: Westdeutscher Verlag. S 199–220

48) Groves. R. M. (1987): Research On Survey Data Quality. In: Public Opinion Quartely 51, S 156–172

49) The opinion polls and the 1992 General Election. A report to the Market Research Society. S 12 ff; Jowell, R. et al. (1993): The 1992 British election: The Failure of the polls. In: Public Opinion Quarterly 57, S 238-63

50) Vgl. Noelle-Neumamm, E. & Petersen, Th. (2000): Alle nicht jeder. Einführung in die Methoden der Demoskopie. Berlin ua.: Springer, S 290 ff.

51) Lang, K. & Lang, G. E. (1991): the changing professional ethos: A poll of pollsters. In: International Journal of Public Opinion Research 3, S 323–339

52) Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft (1999): Qualitätskriterien der Umfrageforschung. S 24; Vgl. auch Noelle-Neumann & Petersen (2000), S 612–618

53) Gallup, G. (1940) Is there a bandwagon vote? In: Public Opinion Quarterly 4, S 244–249

54) Die wichtigsten Faktoren waren nach den Ergebnissen einer Untersuchungs-Kommission: veraltete Statistiken für die Quotenbildung bei der Stichprobe, Meinungsumschwünge zwischen letzter Messung und Wahltag und Einfluss des Meinungsklimas auf die Antworten im Interview. Vgl. The opinion polls and the 1992 General Election, a.a.G.

55) Vgl. Bretschneider, F. (1992): Der taktische und der rationale Wähler. Über den Einfluss von Wahlumfragen auf das Wählerverhalten bei den Bundestagswahlen 1983 bis 1990. In: Politische Vierteljahresschrift 33, S 55–72

56) Vgl. Bretschneider (1999), Demoskopie im Wahlkampf

57) Vgl. Donsbach (1994), a.a.O., S 400 f

58) Hier war die Frage entsprechend angepasst. Vgl. West, D. M. (1991): Polling effects in election campaigns. In: Political Behavoir 13, S 151–163

59) Es handelte sich um eine Panel-Studie mit einer Nachwahlbefragung, siehe Schmitt-Beck, a.a.O.

60) Vgl. Hartenstein, W. (1967): Mit Prognosen leben: Der Einfluss von Wahlvoraussagen auf das Wahlverhalten. In: Interdependenzen von Politik und Wirtschaft. Festschrift für Gert von Eynern. Berlin, S 285–306

61) Clausen, A. R. (1966): Political predictions and projections: How are they conducted? Do they influence the outcome of elections? Washington: Fuchs, D. A. (1966): Election-Day radio-television and Western voting. In: public Opinion Quarterly 30, S 226-36; Lang, K. & Lang, G. E. (1968): Voting and non-voting. Waltham; Mendelsohn, H. (1966): Western voting and broadcasts of results on Presidential elections. In: Public Opinion Quarterly 30, S 212-25

62) Mendelsohn, H. & Crespi, I. (1970): Polls, television, and the new politics, Scrandon, S 236

63) Vgl. Tuchman, S. & Coffin, T. E. (1971) : The influence of election night television broadcasts in a close election. In: Public Opinion Quarterly 35, S 315-26

64) Vgl. Tannenbaum, P. H. & Kostrich, L. J. (1983): Turned-on TV, turned-off voters, Policy options for election predictions, London, New Delhi: Sage; Niemi, R. G. et al. (1983): pre-election polls and turnout, In: Journalism Quarterly 60, S 530-32

65) Nur bei Individualdaten-Niveau wird ein Nachweis für den Zusammenhang zwischen den Variablen für die identischen Personen geführt. Vgl. Wolfinger, R. & Linquiti, P. (1981): Tuning in and turning out. In: Public Opinion, February/March, S 56-60; Dubois, P.L. (1983): Election night projections and voter turnout in the West. In: American Politics Quarterly 11, S 349-64

66) Vgl. Adams. W.C. (1985): Early TV calls in 1984: How Western voters deplored but ignored them. Paper bei der Konferenz der Association for Education in Journalism and Mass Communication

67) Vgl. de Bock, H. (1972): Influence of in-state lection poll reports on candidate preference in 1972. In: Journalism Quarterly 1976, S. 457-62

68) Vgl. Navazio, R. (1977): An experimental approach to bandwagon research. In: Public Opinion Quarterly 41. S. 217-225

69) Vgl. Ansolabehere, S. & Iyengar, S. (1994): Of horseshoes and horse races: experimental studies on the impact of poll results on electoral behavior. In: Political Communication 11, S. 413-30

70) Cotter, P.R. & Stovall, J. G. (1994): Newspaper Research Journal 15, No. 4, S. 13–18

71) Daschmann, G. (2000): Vox pop and polls. The impact of poll results and voter statements in the media on the perception of a climate of opinion. In: International Journal of Public Opinion Research 12, S. 160–81

72) Vgl. Donsbach, W. (1984), S.

73) Vgl. Kirchgässner, G. (1986): Der Einfluss von Meinungsumfragen auf das Wahlergebnis. In: Kleingemann, H.D. & Kaase, M. (Hrsg.): Wahlen und politischer Prozess. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 232–47