104 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 15. 5. 2000

Regierungsvorlage


Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwick­lungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. Die Oesterreichische Nationalbank wird ermächtigt, für die Republik Österreich zur Teilnahme an der HIPC-Initiative (Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwicklungsländer) aus der Auflösung von angesparten Zinserträgen in einem Risikorückstellungskonto (Second Special Contingent Account, SCA-2) beim IWF einen nicht rückzahlbaren Beitrag in Höhe von 9,56 Millionen SZR dem IWF-HIPC Trust Fund zur Verfügung zu stellen.

§ 2. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen betraut.

Vorblatt

Problem/Ziel:

Einige der ärmsten Länder sind international derart hoch verschuldet, dass auch bei adäquater Wirt­schaftspolitik und idealen Rahmenbedingungen eine Rückzahlung ihrer Außenstände auf längere Sicht mit größten Schwierigkeiten verbunden scheint.

Um diese Länder zu entlasten, erarbeiteten IWF und Weltbank einen neuen Schuldenreduktionsansatz, die HIPC-Initiative, die ua. darauf abstellt, dass alle Schulden solcher Länder (insbesondere bilaterale, multi­laterale, kommerzielle) gesamtheitlich betrachtet und Lösungen unter Einbeziehung aller Gläubiger erreicht werden, also sowohl der multilateralen Institutionen als auch der bilateralen Gläubiger. Die in Frage kommenden Länder sind international akkordiert durch Anwendung bestimmter relevanter Kriterien identifiziert worden.

Österreich soll mit dem gegenständlichen Gesetz einen Beitrag zu dieser Initiative leisten, und zwar soll hiemit ein Beitrag zur Abdeckung von Schulden der HIPC-Länder gegenüber dem IWF geleistet werden.

Inhalt:

Der vorliegende Gesetzentwurf hat die Schenkung von 9,56 Millionen SZR an den IWF-HIPC Trust Fund, aus dem die Forderungen des IWF gegenüber HIPC-Ländern abgedeckt werden, zum Gegenstand. Die Mittel für die Schenkung stammen aus dem österreichischen Anteil (10,2 Millionen SZR) an dem durch die Auflösung von in einem Risikorückstellungskonto (SCA‑2) des IWF angesparten Zinserträgen frei werdenden Betrag. Dieser österreichische Anteil am SCA-2 steht gemäß § 2 Abs. 2 des Bundes­gesetzes vom 23. Juni 1971 über die Erhöhung der Quote Österreichs beim IWF und die Übernahme der gesamten Quote durch die Oesterreichische Nationalbank, BGBl. Nr. 309/1971, der Oesterreichischen Nationalbank zu, daher ist für die geplante Schenkung eine gesetzliche Grundlage erforderlich.

Der IWF-HIPC Trust Fund wird aus Goldverkäufen des IWF, aus bilateralen Beiträgen und aus der Auflösung des oben angeführten Wertberichtigungskontos, an dem auch Österreich (konkret die Oester­reichische Nationalbank) einen Anteil hat, gespeist.

Ein SZR (= Sonderziehungsrecht) entspricht 1,28 Euro (Jahresdurchschnittskurs 1999)

Alternativen:

Die Teilnahme an der HIPC-Initiative ist grundsätzlich freiwillig. Für Österreich als eines der reichsten Industrieländer, als EU-Mitglied, als ein verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Staaten­gemeinschaft und als kleine, offene Marktwirtschaft mit einer starken Verflechtung im internationalen Handel- und Dienstleistungsverkehr ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Finanzkraft und eines geregelten Wirtschaftssystems in ärmsten Entwicklungsländern sowohl eine entwicklungspolitische als auch eine wirtschaftlich sinnvolle Notwendigkeit. Dies trägt auch zur wichtigen Weiterentwicklung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, und somit zur Schaffung zusätzlicher Exportmärkte für die österreichische Wirtschaft bei.

Hiezu wird hier de facto ohne zusätzliche Kosten ein Beitrag geleistet.

Kosten:

Keine, ein geringfügiger Gewinnentgang kann allenfalls angenommen werden:

Kosten entstehen dem Bund lediglich insofern, als im Falle der Nichtteilnahme die Rückführung der angesparten Zinserträge der Oesterreichischen Nationalbank vollständig zugeflossen wäre, statt nur zum Teil. Somit entsteht bei der Oesterreichischen Nationalbank eine geringfügige Ertragsschmälerung, die auch zu geringfügig niedrigeren Gewinnabführungen an den Bund führen kann.

Zusätzliche Personalkosten entstehen keine.

Konformität mit EU-Recht:

Der gegenständliche Gesetzentwurf weist einen Zusammenhang mit Art. 101 und 103 EG‑V auf, in dem die Finanzierung des Staates durch die Notenbanken verboten wird. Von dieser Bestimmung aus­genommen ist explizit die Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber dem Internationalen Währungsfonds laut VO (EG) 3603/93, Art. 7, die ausführt, in welchen Fällen kein Verstoß gegen Art. 101 und 103 Abs. 1 EG‑V vorliegt.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit EU-rechtskonform.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Der Internationale Währungsfonds ist neben der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO) eine der Säulen der weltweiten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zielsetzung der drei Institutionen ist der möglichst reibungslose Ablauf der Weltwirtschaft. Dies soll durch Stabilität und gute wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern (Weltbank), durch klare und für alle anwendbare Regeln des internationalen Handels (WTO) und durch ein möglichst stabiles weltweites Finanzsystem (IWF) erreicht werden. Der weltweite Wohlstandszuwachs der letzten 50 Jahre, der in signifikantem Ausmaß auf der Zunahme des internationalen Handels gründet, ist ein klarer Beweis für die grundsätzlich richtige Linie, auch wenn in einigen Fällen Kurskorrekturen und Reformen notwendig geworden sind.

Eine dieser Kurskorrekturen stellt die vorliegende Initiative dar:

Es wurde erkannt, dass ärmste Entwicklungsländer von den Vorteilen der Teilnahme am weltweiten Handel kaum profitieren können, teilweise auf Grund zu hoher Zutrittsbarrieren (zum Beispiel Zölle, Quoten, technische und administrative Anforderungen), teilweise auch auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Lasten aus vergangenen Jahrzehnten, deren Ausräumung die Möglichkeiten mancher jungen Demokratie mit geringer Verwaltungsexpertise überfordert.

Eine dieser “Altlasten” stellt in einigen dieser Länder die Auslandsverschuldung dar, die auch bei makelloser Wirtschaftspolitik und idealen Rahmenbedingungen auf längere Sicht jede nachhaltige Entwicklung blockiert, da die Wirtschaftskraft des Landes nicht für die Erwirtschaftung der für einen Schuldenabbau notwendigen Gelder ausreicht. Die Konsequenz daraus ist vielfach, dass Investitionen in Grundschulbildung und medizinische Mindestversorgung und Umweltschutz, aber auch in wichtige Vorhaben der Infrastruktur hintangestellt werden müssen, um den Schuldendienst zu ermöglichen.

Um diese Länder zu entlasten, erarbeiteten IWF und Weltbank einen neuen Schuldenreduktionsansatz, die HIPC-Initiative, die ua. darauf abstellt, dass alle Schulden solcher Länder (insbesondere bilaterale, multilaterale, kommerzielle) gesamtheitlich betrachtet und Lösungen unter Einbeziehung aller Gläubiger erreicht werden, also sowohl der multilateralen Institutionen als auch der bilateralen Gläubiger.

Auf Grund detaillierter Analysen – hauptsächlich der Schulden und der Exportmöglichkeiten – wurden schließlich die Kandidaten für eine Schuldenreduktion identifiziert; zum überwiegenden Teil handelt es sich um Länder in Afrika südlich der Sahara.

Diesen Ländern soll – nach erfolgter Analyse des Schuldenstandes und des bisherigen und künftigen Wirtschaftsprogrammes der Regierung – sowohl bilateral als auch multilateral bis zu 90% (in Einzelfällen auch darüber) ihrer Schulden erlassen werden. Voraussetzung hiefür ist eine Verpflichtung zur Fortsetzung eines nachhaltig wohlstandsfördernden wirtschaftspolitischen Kurses.

Die Gesamtkosten der Initiative, die über die nächsten Jahre realisiert werden soll, werden folgender­maßen geschätzt:

                                      Gesamtkosten in US-Dollar                          28,2 Milliarden

                                      multilaterale Geber                                        14,1 Milliarden

                                      Weltbank/IDA                                                 6,3 Milliarden

                                      IWF                                                                    2,3 Milliarden

                                      AfEB                                                                  2,2 Milliarden

                                      IAEB                                                                  1,1 Milliarden

                                      sonstige MDBs                                                2,2 Milliarden

                                      bilaterale Geber                                              14,1 Milliarden

Jede Organisation (Weltbank, Internationaler Währungsfonds, Afrikanische Entwicklungsbank) und jeder bilaterale Geber – bei Entwicklungshilfekrediten oder im Rahmen des Pariser Clubs – trägt prinzipiell selbst die Kosten der Schuldenreduktion, die von ihm gewährt wird.

Die multilateralen Institutionen sind jedoch nicht in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche Zusatzkosten zu übernehmen, ohne ihre eigentlichen Aufgaben in der Programm- und Projektfinanzierung bzw. ihre finanzielle Integrität zu gefährden.

Daher deckt der Internationale Währungsfonds seinen Teil der Kosten der Initiative, die oben angeführten 2,3 Milliarden US-Dollar, zur Hälfte aus der Neubewertung seiner Goldreserven, also aus eigener Kraft, und zur Hälfte durch Beiträge seiner Mitgliedstaaten, die ihren Anteil an einem Wertberichtigungskonto (SCA-2), das im IWF für gewisse Risiken angelegt wurde, teilweise oder ganz zur Verfügung stellen.

Österreich hat – vorbehaltlich parlamentarischer Genehmigung – erklärt, seinen Anteil am SCA-2, einem Wertberichtigungskonto, zu einem Großteil für HIPC zur Verfügung zu stellen; exakt handelt es sich um einen Beitrag von 9,56 Millionen SZR (in etwa 168,4 Millionen Schilling).

Die Überlassung des quotengerechten österreichischen SCA-Anteils erfolgt im Rahmen der internationa­len Schuldeninitiative, die von allen EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird. Dies wurde am Europäischen Rat von Köln im Juni 1999 festgelegt. Die Beteiligung Oesterreichs an der HIPC-Initiative ist daher nicht bloß eine IWF-, sondern auch eine europäische Angelegenheit und Verpflichtung. Daher geschieht sie im Gleichklang und in vergleichbarem Ausmaß mit den meisten EU-Ländern und zahlreichen anderen Industrieländern sowie im Sinne der Diskussionen zu “Financing for Development” im Rahmen der Vereinten Nationen.

Österreich gehört zu jenen Ländern, die bei der Lastenaufteilung der Schuldeninitiative im IWF für einen gerechten, dh. an den IWF-Quoten orientierten Schlüssel eintraten und einen solchen Burden-Sharing-Maßstab erstmals durchsetzten. Dementsprechend wird Österreich nicht seinen gesamten SCA-Beitrag dem HIPC-Treuhandfonds zur Verfügung stellen, sondern den über seinen “gerechten” Anteil hinaus­gehenden Teil einbehalten und den Währungsreserven der Oesterreichischen Nationalbank zuführen.

Schließlich wird die internationale Schuldeninitiative auch in einer breiten Bewegung von zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen getragen. Die öffentliche Diskussion, in der auch die Kirchen eine aktive Rolle einnahmen, lief unter anderem unter dem Schlagwort “Jubilee 2000”. Dahinter steht ein breiter Konsens der zivilen Gesellschaft der Welt.

Ein weiterer Vorteil der Schuldennachlassdiskussion ist die Rückführung der Arbeit zahlreicher Orga­nisation in der Entwicklungszusammenarbeit zu ihrer ursprünglichen Aufgabe, nämlich zur Bekämpfung der Armut. Diese wichtige Fokussierung auf die zentrale Frage aller Entwicklungszusammenarbeit war in den letzten Jahren etwas zurückgedrängt worden und erhält so wieder die Bedeutung, die ihr zukommen sollte. Eine Konsequenz davon war die Besinnung des IWF auf diese Zielsetzung seiner Struktur­verbesserungsprogramme, die sich bereits in der Namensänderung der ESAF (Enhanced Structural Adjustment Facility) in PRGF (Poverty Reduction und Growth Facility) widerspiegelt.

Die Zuständigkeit des Bundes zu Gesetzgebung und Vollziehung stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 5 B-VG.

Der Gesetzesbeschluss fällt nicht unter die Bestimmung des Art. 42 Abs. 5 B-VG und bedarf daher der Mitwirkung des Bundesrates.

Besonderer Teil

Zu § 1:

Der IWF finanziert sich ausschließlich aus Krediten seiner Mitgliedstaaten, üblicherweise der nationalen Notenbanken. Die Oesterreichische Nationalbank ist auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 309/1971 ermächtigt, alle sich aus der Mitgliedschaft Österreichs beim IWF ergebenden finanziellen Verpflichtun­gen zu erfüllen. Daraus ergibt sich, dass die Oesterreichische Nationalbank regelmäßig Kredite an den IWF vergibt und die entsprechenden Zinsen lukriert.

Das Wertberichtigungskonto SCA-2 (Second Special Contingent Account) wurde 1990 im Rahmen einer Strategie zur Wiedereinbindung einiger langwierig schwieriger Schuldnerländer errichtet, es sollte im Falle des Misslingens dieser Strategie allfällige finanzielle Auswirkungen abdecken. Gespeist wurde es aus einem Abschlag von den Zinserträgen für Gläubigerländer (bzw. aus einem Aufschlag zu den Zinskosten für Schuldnerländer). Aus Sicht des IWF ist das damalige Risiko nun nicht mehr gegeben.

Nach den ursprünglichen Vereinbarungen wären die angesparten Beträge (insgesamt SZR 979,8 Millio­nen) an die beteiligten Mitgliedstaaten zurückzustellen. Da diese Beträge in den betroffenen Mitglied­staaten nicht Gegenstand der Budgetplanung sind (da nicht abzusehen war, wann und ob eine Rück­erstattung erfolgen würde), wurde im IWF diese für die meisten Mitgliedstaaten budgetschonende Möglichkeit vorgeschlagen, einen Beitrag zur HIPC-Initiative zu leisten.

Auch aus österreichischer Sicht scheint ein Beitrag zur Schuldenreduktion für ärmste Entwicklungsländer aus SCA-2 Mitteln vorteilhaft, da zu einer sinnvollen Initiative ein Beitrag geleistet werden kann, ohne neue Budgetmittel zur Verfügung stellen zu müssen. Kosten entstehen dem Bund dabei lediglich insofern, als der Ertrag der Oesterreichischen Nationalbank durch die wesentlich verringert erfolgende Rück­erstattung der Mittel im SCA‑2 geschmälert wird. Statt eines Rückflusses von 10,2 Millionen SZR aus der Auflösung des SCA-2 fließen an die Oesterreichische Nationalbank nunmehr 0,66 Millionen SZR zurück.

Die Oesterreichische Nationalbank ist über dieses Konto verfügungsberechtigt; die Rückflüsse stehen ihr gemäß § 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 309/1971 zu. Die Oesterreichische Nationalbank ist jedoch auf Grund des Nationalbankgesetzes nicht befugt, die der Republik Österreich aus Anlass der Teil­nahme an der HIPC-Initiative gegenüber dem IWF-HIPC Trust Fund erwachsenden Verbindlichkeiten auf eigene Rechnung zu erfüllen.


Daher ist eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich.