111 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 28. 6. 2000

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1987 über die Gerichtspraxis der Rechtspraktikanten (Rechtspraktikantengesetz – RPG), BGBl. Nr. 644, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 61/1997, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 1 wird folgender Abs. 3 angefügt:

“(3) Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen.”

2. § 22 lautet samt Überschrift:

“Diskriminierungsverbot

§ 22. (1) Ein Rechtspraktikant darf im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis weder unmittelbar noch mittelbar auf Grund des Geschlechtes diskriminiert werden. § 2 Abs. 6 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. Nr. 100/1993, ist anzuwenden.

(2) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn ein Rechtspraktikant im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis

           1. durch einen Justizbediensteten sexuell belästigt wird oder

           2. durch Dritte sexuell belästigt wird oder

           3. durch Dritte sexuell belästigt wird und der Vorsteher des Gerichtes es schuldhaft unterlässt, eine angemessene Abhilfe zu schaffen.

(3) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird,

           1. das die Würde einer Person beeinträchtigt,

           2. das für den Rechtspraktikanten unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist, und

            3. a) das ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld für den Rechtspraktikanten schafft oder

               b) bei dem der Umstand, dass der Rechtspraktikant ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten eines Justizbediensteten zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis gemacht wird.

(4) Eine durch einen Justizbediensteten erfolgte Diskriminierung ist als Dienstpflichtverletzung zu verfolgen.

(5) Ein auf Grund des Geschlechts gemäß Abs. 2 diskriminierter Rechtspraktikant hat gegenüber dem Belästiger und im Fall des Abs. 2 Z 3 auch gegenüber dem Bund Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. § 18 Abs. 3 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes ist anzuwenden.

(6) Ansprüche nach Abs. 5 sind binnen sechs Monaten gerichtlich geltend zu machen.

(7) Ein Rechtspraktikant, der eine ihm zugefügte Diskriminierung gemäß Abs. 1 oder 2 behauptet, ist zur Antragstellung an die Gleichbehandlungskommission des Bundes berechtigt. Die §§ 23 und 25 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

(8) Die Abs. 1 bis 7 sind sinngemäß auf Personen anzuwenden, die die Zulassung zur Gerichtspraxis beantragt, die Gerichtspraxis aber noch nicht angetreten haben.”

3. Im § 27 wird die Wortfolge “das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950, BGBl. Nr. 172,” durch die Wortfolge “das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51,” ersetzt.


4. Dem § 29 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a angefügt:

“(2a) § 1 Abs. 3, § 22, § 27 und § 29 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2000 treten mit 1. August 2000 in Kraft.”

5. Im § 29 Abs. 4 wird die Wortfolge “mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales” durch die Wortfolge “mit der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen” ersetzt.

Vorblatt

Problem:

Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten stehen in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis und werden derzeit nicht vom Bundes-Gleichbehandlungsgesetz erfasst. Sie fallen aber auch nicht unter den Anwendungsbereich des für die Privatwirtschaft geltenden Gleichbehandlungsgesetzes. Damit sind Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten gegen Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts und gegen sexuelle Belästigung nicht geschützt.

Der Nationalrat hat mit Entschließung vom 18. Juni 1999, E 196-NR/XX. GP, den Bundesminister für Justiz ersucht, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Rechtspraktikantengesetzes mit Regelungen über die Gleichbehandlung und den Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vorzulegen.

Ziel und Inhalt:

Änderung des Rechtspraktikantengesetzes mit Regelungen über die Gleichbehandlung und den Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechts analog dem 6. Teil “Sonderbestimmungen für Angehörige von Universitäten und Universitäten der Künste” im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz.

Aus Anlass der vorliegenden Novellierung soll auch zum Ausdruck gebracht werden, dass personenbezogene Ausdrücke sowohl Männer als auch Frauen umfassen.

Alternativen:

Beibehaltung der geltenden Rechtslage.

Finanzielle Auswirkungen:

Mit dem Gesetzesbeschluss sind voraussichtlich keine nennenswerten Mehrkosten verbunden.

EU-Konformität:

Gegeben.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten stehen in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten sind nach der derzeitigen Fassung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes von seinem Anwendungsbereich nicht erfasst, sie fallen aber auch nicht unter den Anwendungsbereich des für die Privatwirtschaft geltenden Gleichbehandlungsgesetzes, sodass diese Gruppe gegen allfällige Diskriminierungen auf Grund des Geschlechtes und gegen sexuelle Belästigung nicht geschützt ist.

Durch eine Entschließung des Nationalrates vom 18. Juni 1999 wurde der Bundesminister für Justiz ersucht, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Rechtspraktikantengesetzes vorzulegen, um Regelungen über die Gleichbehandlung und den Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechts auch für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten zu schaffen.

Zuständigkeit:

Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Artikel 10 Abs. 1 Z 6 B-VG.

Finanzielle Auswirkungen:

Durch die Einführung von Regelungen über die Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechts für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten können Mehraufwendungen insofern erwachsen, als die Möglichkeit der Anrufung der Bundes-Gleichbehandlungskommission eröffnet wird. Überdies können etwaige Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Allerdings wird davon ausgegangen, dass in Anbetracht der kurzen Ausbildungsdauer sowie im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen Fälle von gleichbehandlungsrelevanten Sachverhalten kaum auftreten werden.

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 3):

Es soll eine Bestimmung aufgenommen werden, wonach personenbezogene Ausdrücke Frauen und Männer gleichermaßen umfassen.

Zu Z 2 (§ 22):

Für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten soll die Möglichkeit vorgesehen werden, sich gegen allfällige Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis zu schützen und im Fall der Diskriminierung Schadenersatzansprüche zu stellen.

Für den Fall einer Ausbildung bei einer Staatsanwaltschaft gelten diese Bestimmungen sinngemäß (§ 6 Abs. 3 RPG).

Unter dem Begriff “Justizbedienstete” sind in diesem Zusammenhang Richterinnen und Richter, Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie nichtrichterliche Bedienstete (und zwar öffentlich-rechtlich Bedienstete der Justiz ebenso wie vertraglich Bedienstete der Justiz) zu verstehen. Die in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehenden Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten sind keine Justizbediensteten.

Zu Z 3 und 5 (§§ 27 und 29 Abs. 4):

Anpassungen an die geltende Rechtslage.

Zu Z 4 (§ 29 Abs. 2a):

Bestimmung über das Inkrafttreten.