549 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 9. 5. 2001

Regierungsvorlage


ABKOMMEN

ZWISCHEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DER SCHWEIZERISCHEN EIDGENOSSENSCHAFT ÜBER DIE GEGENSEITIGE HILFELEISTUNG BEI KATASTROPHEN ODER SCHWEREN UNGLÜCKSFÄLLEN


Die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft,

überzeugt von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten mit dem Ziel, die gegenseitige Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen zu erleichtern,

sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Gegenstand

(1) Dieses Abkommen regelt die Rahmenbedingungen für freiwillige Hilfeleistungen bei Katastro­phen oder schweren Unglücksfällen im anderen Vertragsstaat auf dessen Ersuchen hin, insbesondere für Einsätze von Mannschaften und Material.

(2) Hilfeleistungen im Rahmen der herkömmlichen grenzüberschreitenden Nachbarschaftshilfe bleiben unberührt.

Artikel 2

Definitionen

Im Sinne dieses Abkommens bedeuten die Begriffe

„Einsatzstaat“

denjenigen Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden um Hilfeleistung, insbesondere um Entsendung von Hilfsmannschaften oder -material aus dem anderen ersuchen;

„Entsendestaat“

denjenigen Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden einem Ersuchen des anderen um Hilfeleistung, insbesondere um Entsendung von Hilfsmannschaften oder -material stattgeben;

„Ausrüstungsgegenstände“

das Material, die Fahrzeuge, die Güter für den Eigenbedarf (Betriebsgüter) und die persönliche Aus­stattung der Hilfsmannschaften;

„Hilfsgüter“

die zusätzlichen Ausstattungen und Waren, die zur Abgabe an die betroffene Bevölkerung bestimmt sind;

„Hilfsmannschaften“

spezialisierte zivile oder militärische Einheiten für die Hilfseinsätze mit entsprechenden Ausrüstungs­gegenständen und Hilfsgütern.

Artikel 3

Zuständigkeiten

(1) Unbeschadet des diplomatischen Wegs sind die für die Stellung und die Entgegennahme von Hilfeersuchen zuständigen Behörden:

            – auf der Seite der Republik Österreich:

               der Bundesminister für Inneres oder

               die Vorarlberger Landesregierung oder

               die Tiroler Landesregierung;

            – auf der Seite der Schweizerischen Eidgenossenschaft:

               das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten oder

               die Regierung des Kantons St. Gallen oder

               die Regierung des Kantons Graubünden.

(2) Die in Absatz 1 genannten Behörden können nachgeordnete Behörden bezeichnen, die zur Stellung oder zur Entgegennahme von Hilfeersuchen befugt sind.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Behörden der beiden Vertragsstaaten sind ermächtigt, bei der Durchführung dieses Abkommens unmittelbar miteinander in Verbindung zu treten.

(4) Die beiden Vertragsstaaten geben einander die Adressen und Fernmeldeverbindungen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Behörden bekannt.

(5) Die Vertragsstaaten unterrichten einander auf diplomatischem Weg unverzüglich über Ände­rungen, die die Zuständigkeiten dieser Behörden in Bereichen, die dieses Abkommen umfasst, betreffen.

Artikel 4

Vorgängige Absprache

Art und Umfang der Hilfeleistung werden von Fall zu Fall im Einvernehmen zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden abgesprochen, ohne dass sie auf Einzelheiten der Durchführung eingehen müssen.

Artikel 5

Einsatzarten

(1) Die Hilfe wird durch solche Hilfsmannschaften geleistet, die insbesondere in der Bekämpfung von Bränden, von nuklearen und chemischen Gefahren und in medizinischer Hilfe, Rettung, Bergung oder behelfsmäßiger Instandsetzung ausgebildet sind und die über das für diese Aufgaben erforderliche Material und Spezialgerät verfügen; falls erforderlich, kann die Hilfe auf jede andere Weise erbracht werden.

(2) Die Hilfsmannschaften können auf dem Land-, Wasser- oder Luftweg entsandt werden.

Artikel 6

Grenzübertritt und Aufenthalt

(1) Die Angehörigen einer Hilfsmannschaft sind vom Passzwang und dem Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung oder eines Sichtvermerkes befreit. Es kann lediglich vom Leiter der Hilfsmann­schaft ein seine Stellung bezeugender Ausweis verlangt werden.

(2) Bei besonderer Dringlichkeit kann die Grenze auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergangs­stellen ohne Beachtung der sonst hiefür maßgeblichen Vorschriften überschritten werden. In diesem Fall sind die für die Grenzüberwachung zuständigen Behörden oder der nächste Grenzposten ehestmöglich hievon zu unterrichten.

(3) Sofern dies zu ihrer üblichen Ausrüstung zählt, sind die Hilfsmannschaften dazu berechtigt, auf dem Gebiet des Einsatzstaates Uniform zu tragen.

(4) Die Erleichterungen beim Grenzübertritt nach den Absätzen 1 und 2 gelten auch für Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall evakuiert werden müssen.

Artikel 7

Grenzübergang des Materials

(1) Die Vertragsstaaten erleichtern die Ein- und Ausfuhr der Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter. Der Leiter einer Hilfsmannschaft hat den Grenzkontroll- oder Zollorganen des Einsatzstaates beim Grenzübertritt lediglich ein Verzeichnis der mitgeführten Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter zu übergeben; erfolgt bei besonderer Dringlichkeit der Grenzübertritt außerhalb zugelassener Grenzüber­gangsstellen, ist dem bei der zuständigen Zollstelle ehestmöglich zu entsprechen.

(2) Die Hilfsmannschaften dürfen außer den bei Hilfseinsätzen notwendigen Ausrüstungs­gegenständen und Hilfsgütern keine Waren mitführen. Militärische und polizeiliche Land-, Wasser- und Luftfahrzeuge können mit üblicher Ausrüstung, nicht jedoch mit Munition, die Grenze überschreiten und im Einsatzgebiet operieren.

(3) Für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter finden die Verbote und Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr keine Anwendung. Soweit diese Ausrüstungsgegenstände nicht verbraucht werden, sind sie wieder auszuführen. Werden Aus­rüstungsgegenstände als Hilfsgüter zurückgelassen, so sind Art und Menge sowie der Verbleib der verantwortlichen Behörde des Einsatzstaates anzuzeigen, welche die zuständige Zollstelle hievon benachrichtigt. In diesem Fall gilt das Recht des Einsatzstaates.

(4) Absatz 3 findet auch Anwendung auf die Einfuhr von Betäubungsmitteln bzw. Suchtgiften und psychotropen Stoffen in den Einsatzstaat und die Wiederausfuhr der nicht verbrauchten Mengen in den Entsendestaat. Betäubungsmittel bzw. Suchtgifte und psychotrope Stoffe dürfen nur nach Maßgabe des dringlichen medizinischen Bedarfs mitgeführt und nur durch qualifiziertes medizinisches Personal nach den gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsstaates eingesetzt werden, dem die Hilfsmannschaft angehört. Die verbrauchten Betäubungsmittel bzw. Suchtgifte und psychotropen Stoffe werden der Verbrauchsstatistik des Entsendestaates zugerechnet.

(5) Die Vertragsstaaten werden bei Gegenseitigkeit die bei Hilfeleistungen notwendigen Aus­rüstungsgegenstände und Hilfsgüter im Einsatzstaat ohne förmliches Verfahren und ohne Leistung einer Sicherheit zur abgabenfreien vorübergehenden Verwendung zulassen und diese frei von allen Eingangsabgaben lassen, soweit sie verbraucht sind.

Artikel 8

Einsätze mit Luftfahrzeugen

(1) Luftfahrzeuge können nicht nur für die schnelle Heranführung der Hilfsmannschaften nach Artikel 5 Absatz 2, sondern auch unmittelbar für andere Arten von Hilfeleistungen benutzt werden.

(2) Jeder Vertragsstaat gestattet, dass Luftfahrzeuge, die vom Hoheitsgebiet des anderen Vertrags­staates aus gemäß Absatz 1 eingesetzt werden, sein Hoheitsgebiet überfliegen und auch außerhalb von Zollflugplätzen und genehmigten Flugfeldern landen und abfliegen.

(3) Die Verwendung von Luftfahrzeugen bei einem Hilfseinsatz ist der ersuchenden Behörde unverzüglich mit möglichst genauen Angaben über Art und Kennzeichen des Luftfahrzeuges, Besatzung, Beladung, Abflugzeit, voraussichtliche Route und Landeort mitzuteilen.

(4) Sinngemäß werden angewandt:

           a) Artikel 6 auf die Besatzungen und mitfliegenden Hilfsmannschaften;

          b) Artikel 7 auf die Luftfahrzeuge und sonstigen mitgeführten Ausrüstungsgegenstände und Hilfs­güter.

(5) Soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, sind die luftfahrtrechtlichen Verkehrsvorschriften jedes Vertragsstaates anwendbar, insbesondere die Pflicht, den zuständigen Kontrollstellen Angaben über die Flüge zu übermitteln. Der jeweilige Flugplan hat einen Hinweis auf dieses Abkommen zu enthalten.

Artikel 9

Koordination und Gesamtleitung

(1) Die Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen obliegt in jedem Fall den Behörden des Einsatzstaates.

(2) Aufträge an die Hilfsmannschaften des Entsendestaates werden ausschließlich an ihre Leiter gerichtet, welche Einzelheiten der Durchführung gegenüber den ihnen unterstellten Kräften anordnen.

(3) Die Behörden des Einsatzstaates leisten den Hilfsmannschaften des Entsendestaates Schutz und Hilfe.

Artikel 10

Einsatzkosten

(1) Der Entsendestaat hat gegenüber dem Einsatzstaat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Hilfeleistung. Dies gilt auch für Kosten, die durch Verbrauch, Beschädigung oder Verlust des Materials entstehen. Kosten der Hilfeleistungen durch natürliche und juristische Personen, die der Entsendestaat auf Ersuchen hin lediglich vermittelt, trägt der Einsatzstaat.

(2) Im Fall der gänzlichen oder teilweisen Wiedereinbringung der Kosten der durchgeführten Hilfsmaßnahmen gilt Absatz 1 nicht. Der Entsendestaat wird vorrangig entschädigt.

(3) Die Hilfsmannschaften des Entsendestaates werden während der Dauer des Einsatzes im Einsatzstaat auf dessen Kosten verpflegt und untergebracht sowie mit Gütern für den Eigenbedarf versorgt, wenn die mitgeführten Bestände aufgebraucht sind. Sie erhalten im Bedarfsfall logistische einschließlich medizinischer Hilfe.

Artikel 11

Schadenersatz und Entschädigung

(1) Jeder Vertragsstaat verzichtet auf alle ihm gegen den anderen Vertragsstaat oder gegen einen Angehörigen von dessen Hilfsmannschaften zustehenden Ansprüche auf Ersatz von

           a) Sach- und Vermögensschäden, die von einem Angehörigen der Hilfsmannschaften im Zusam­menhang mit der Erfüllung seines Auftrages verursacht worden sind;

          b) Schäden, die auf einer Körperverletzung, einer Gesundheitsschädigung oder dem Tod eines Angehörigen der Hilfsmannschaften im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages beruhen.

Dies gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.

(2) Wird durch einen Angehörigen der Hilfsmannschaften des Entsendestaates im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages im Gebiet des Einsatzstaates Dritten ein Schaden zugefügt, so haftet der Einsatzstaat für den Schaden nach Maßgabe der Rechtsvorschriften, die im Fall eines durch einen Angehörigen der eigenen Hilfsmannschaften verursachten Schadens Anwendung fänden.

(3) Der Einsatzstaat hat keinen Regressanspruch gegen den Entsendestaat oder gegen einen Angehörigen von dessen Hilfsmannschaften. Hat aber dieser Angehörige der Hilfsmannschaften einem Dritten einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig zugefügt, so kann der Einsatzstaat einen Regressanspruch gegen den Entsendestaat geltend machen.

(4) Die Behörden der Vertragsstaaten arbeiten gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften eng zusammen, um die Erledigung von Schadenersatz- und Entschädigungsansprüchen zu erleichtern. Insbesondere tauschen sie alle ihnen zugänglichen Informationen über Schadensfälle im Sinne dieses Artikels aus.

Artikel 12

Strafgerichtsbarkeit

(1) Strafbare Handlungen, die ein Angehöriger der Hilfsmannschaften des Entsendestaates auf dem Territorium des Einsatzstaates begeht, unterliegen der Gerichtsbarkeit des Einsatzstaates.

(2) Werden durch einen Angehörigen der Hilfsmannschaften des Entsendestaates anlässlich des Einsatzes auf dem Gebiet des Einsatzstaates strafbare Handlungen begangen, so wird der Einsatzstaat allfällige Begehren des Entsendestaates um eine Übertragung der Strafverfolgung wohlwollend prüfen; wird diesem Begehren stattgegeben, so wird der Einsatzstaat die Ausreise dieser Person in den Entsendestaat gestatten; die Bestimmungen über die Auslieferung zwischen den Vertragsstaaten bleiben dadurch unberührt.

Artikel 13

Unterstützung und Wiederaufnahme

(1) Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall als Angehörige der Hilfsmannschaften oder als Evakuierte von einem Vertragsstaat in den anderen gelangt sind, erhalten dort bis zum Zeitpunkt der frühesten Rückkehrmöglichkeit Unterstützung nach den Vorschriften der innerstaatlichen Sozialhilfe. Der Abgangsstaat erstattet die Kosten der Unterstützung und der Rück­führung dieser Personen, sofern sie nicht Angehörige des anderen Vertragsstaates sind.

(2) Jeder Vertragsstaat nimmt Personen, die als Angehörige der Hilfsmannschaften oder als Evakuierte von seinem Hoheitsgebiet auf dasjenige des anderen Vertragsstaates gelangt sind, wieder auf. Soweit es sich um Personen handelt, die nicht Angehörige des wieder aufnehmenden Vertragsstaates sind, bleiben sie dem gleichen ausländerrechtlichen Status wie vor dem Grenzübertritt unterstellt.

Artikel 14

Fernmeldeverbindungen

(1) Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten treffen gemeinsam die erforderlichen Vorkeh­rungen, damit Fernmelde- und insbesondere Funkverbindungen zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden, zwischen diesen Behörden und den von ihnen entsandten Hilfsmannschaften, zwischen den Hilfsmannschaften untereinander und zwischen den entsandten Hilfsmannschaften und der jeweiligen Einsatzleitung ermöglicht werden.

(2) Diese Behörden sind:

            – auf der Seite der Republik Österreich:

               der Bundesminister für Inneres;

            – auf der Seite der Schweizerischen Eidgenossenschaft:

               das Bundesamt für Kommunikation des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.

Artikel 15

Weitere Formen der Zusammenarbeit

(1) Die in Artikel 3 genannten Behörden arbeiten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts zusammen, insbesondere

           a) zur Durchführung von Hilfeleistungen;

          b) zur Vorbeugung und Bekämpfung von Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, indem sie alle zweckdienlichen Informationen wissenschaftlich-technischer Art austauschen und Tagungen, Forschungsprogramme, Fachkurse und Übungen von Hilfseinsätzen auf dem Gebiet beider Vertragsstaaten vorsehen;

           c) zum Austausch von Informationen über Gefahren und Schäden, die sich auf das Gebiet des anderen Vertragsstaates auswirken können; die gegenseitige Unterrichtung umfasst auch die vorsorgliche Übermittlung von Messdaten.

(2) Für gemeinsame Übungen, bei denen Hilfsmannschaften des einen Vertragsstaates auf dem Gebiet des anderen zum Einsatz kommen, gelten die Bestimmungen dieses Abkommens sinngemäß.

(3) Ist für den Fall eines Einsatzes in einem Drittstaat der Durchgang mit Hilfsmannschaften, Ausrüstungsgegenständen und Hilfsgütern des einen Vertragsstaates durch das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates erforderlich, werden die zuständigen Behörden eng zusammenarbeiten, um nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Durchgangsstaates einen unverzüglichen Durchgang zu ermöglichen.

(4) Im Fall eines Durchgangs gemäß Absatz 3 finden die vorstehenden Bestimmungen dieses Abkommens keine Anwendung.

Artikel 16

Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung dieses Abkommens, die nicht unmittelbar durch die in Artikel 3 genannten Behörden beigelegt werden können, werden auf diplomatischem Weg bereinigt. Kann die Meinungsverschiedenheit auf diesem Weg nicht binnen sechs Monaten beigelegt werden, so kann sie auf Verlangen eines jeden Vertragsstaates zur verbindlichen Entscheidung einer Schiedskommission unterbreitet werden, deren Zusammensetzung und Verfahren zwischen den beiden Vertragsstaaten einvernehmlich vereinbart wird.

Artikel 17

Kündigung

Dieses Abkommen kann jederzeit auf diplomatischem Weg gekündigt werden; es tritt sechs Monate nach dem Zugang der Kündigung außer Kraft.

Artikel 18

Andere vertragliche Regelungen

Bestehende vertragliche Regelungen zwischen den Vertragsstaaten bleiben unberührt.

Artikel 19

In-Kraft-Treten

(1) Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden so bald wie möglich ausgetauscht.

(2) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des dritten Monats nach Austausch der Ratifikations­urkunden in Kraft.

Geschehen zu Wien am 22. März 2000 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.

Für die Republik Österreich:

Albert Rohan

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Franz von Däniken

Vorblatt


Problem:

Die Zusammenarbeit zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen erfolgt derzeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe weit­gehend ohne ausdrückliche Regelung.

Lösung:

Schaffung eines völkerrechtlichen Rahmens für eine gegenseitige Hilfeleistung mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.

Alternativen:

Beibehaltung des derzeitigen Zustandes.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine Auswirkungen.

Kosten:

Für die Beurteilung der aus der Durchführung des Abkommens entstehenden Kosten ist davon aus­zugehen, dass die Hilfeleistungen bzw. Einsätze seitens österreichischer Kräfte grundsätzlich freiwillig erfolgen.

Die tatsächliche Höhe der Kosten lässt sich im Hinblick auf die Unvorhersehbarkeit des Eintritts einer Katastrophe oder eines schweren Unglücksfalles und des damit einhergehenden Schadensausmaßes naturgemäß nicht beziffern.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG; Behandlung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und 2 des Abkommens nach Art. 50 Abs. 3 B-VG.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

1. Die bereits 1985 begonnenen Verhandlungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich wurden am 14. Jänner 2000 erfolgreich zum Abschluss gebracht. Am 22. März 2000 erfolgte die Unterzeichnung des Abkommens.

2. Das Abkommen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt, nicht jedoch politischen Charakter; es bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Da das Abkommen auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG. Die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 9 Abs. 1 und 2 sind zudem verfassungsändernd und daher gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG zu behandeln und ausdrücklich als „verfassungsändernd“ zu bezeichnen.

Das Abkommen ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, so dass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.

3. Unter den europäischen Staaten bestehen verbreitet Bemühungen, die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen völkerrechtlich zu regeln.

In diesem Sinne ist auch auf österreichischer Seite beabsichtigt, mit allen Nachbarstaaten derartige Abkommen abzuschließen. Mit der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Ungarn, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik sind derartige Abkommen bereits in Kraft. Mit der Tschechischen Republik steht ein derartiges Abkommen vor dem In-Kraft-Treten. Mit Italien werden entsprechende Verhandlungen geführt.

4. Das Abkommen regelt die ständige und enge Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zur Vorbeugung möglicher und Bekämpfung eingetretener Katastrophen oder schwerer Unglücksfälle, insbesondere durch die Festlegung von Ansprechstellen, die Erleichterung des Grenzübertritts von Personen im Dienste der Katastrophenbekämpfung und der Ein- und Ausfuhr von Hilfsgütern und Ausrüstungsgegenständen, die Regelung von Schadensfällen, den grundsätzlichen Verzicht auf gegenseitige Kostenerstattung sowie die Verstärkung des einschlägigen wissenschaftlich-technischen Informationsaustausches und die Durch­führung gemeinsamer Übungen zur Vorbereitung auf den Ernstfall.

Das Abkommen hat folgende Regelungsschwerpunkte:

–   Festlegung von zuständigen Behörden für die Stellung und die Entgegennahme von Hilfeersuchen,

–   einvernehmliche Festlegung von Art und Umfang der Hilfeleistung im Einzelfall,

–   Befreiung vom Erfordernis eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels während des Einsatzes,

–   Erleichterung des Grenzübertritts für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter,

–   Einsatz von Luftfahrzeugen für die schnelle Heranführung von Hilfsmannschaften,

–   Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen durch die Behörden des Einsatz­staates,

–   Regelung der Einsatzkosten,

–   Regelung des Schadenersatzes und der Entschädigung,

–   Unterstützung und Wiederaufnahme von Helfern und Evakuierten, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall vom Gebiet der einen Vertragspartei in das der anderen gelangt sind,

–   demonstrative Aufzählung von weiteren Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit,

–   Ergreifen von erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung von Fernmelde- und Funkverbindungen zwischen den zuständigen Behörden.

Das Abkommen normiert zunächst, dass die Hilfeleistung bzw. Einsätze im Falle einer Katastrophe oder schwerer Unglücksfälle seitens österreichischer Kräfte grundsätzlich freiwillig erfolgen (Art. 1). Es steht somit jedem innerstaatlich zuständigen Rechtsträger, der über zur Hilfeleistung im konkreten Fall geeignete Personal- und Sachressourcen verfügt, frei, seine Hilfskräfte auf Ersuchen des Bundes­ministeriums für Inneres oder der Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundeslandes (Art. 3 Abs. 1) zur Durchführung der Hilfsaktionen im Ausland zur Verfügung zu stellen.

Der Bundesminister für Inneres oder die Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundeslandes werden daher einem Hilfeersuchen der Schweizerischen Eidgenossenschaft nur dann entsprechen können, wenn seitens der maßgeblichen Trägerorganisationen (zB Feuerwehren und deren Verbände, Österreichisches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariterbund, Rettungsflugorganisationen) und der hiefür politisch und rechtlich Verantwortlichen die Bereitschaft zur Erbringung von Hilfeleistungen besteht.

Zweck des Abkommens ist es, rasch und unbürokratisch Hilfeleistungen zu ermöglichen; dieses Prinzip gilt auch für den Bereich des Ausgleiches für während der Einsätze rechtmäßig oder rechtswidrig zugefügte Schäden (Art. 11). Einsätze im Nachbarstaat sollen nicht durch langwierige gegenseitige Abrechnungen nach ihrem Abschluss erschwert werden. Hingegen sollen die freiwilligen Helfer, die für den anderen Staat und dessen Angehörige beträchtliches Risiko an Leib, Leben, Gesundheit und Arbeitsfähigkeit auf sich nehmen, vor Ansprüchen des Einsatzstaates wie auch solchen Dritter geschützt werden (Art. 11 Abs. 1 bis 3).

Die Frage der Kostentragung ist zunächst hinsichtlich der Beziehungen der beiden Vertragsstaaten von Bedeutung. Das Abkommen geht davon aus, dass die Hilfeleistung kostenlos erfolgt.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der innerstaatlichen Kostenfrage ist die Tatsache, dass die Hilfeleistungen bzw. Einsätze seitens österreichischer Kräfte grundsätzlich freiwillig erfolgen (Art. 1).

Dies gilt sowohl für die Zusage von Hilfeleistungen durch die zuständigen österreichischen Behörden gegenüber der Schweizerischen Eidgenossenschaft als auch für die Bereitschaft österreichischer Stellen, an einem Hilfseinsatz in der Schweizerischen Eidgenossenschaft mitzuwirken.

Für österreichische staatliche Stellen besteht somit keine rechtliche Möglichkeit, unmittelbar auf Grund dieses Vertrages andere Rechtsträger zur Teilnahme an Hilfseinsätzen zu verpflichten; dies gilt insbesondere für die Beziehungen des Bundes zu den Ländern. Eine unmittelbare Entsendung von Hilfskräften durch den Bundesminister für Inneres oder die Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundeslandes ist nur in jenen Fällen möglich, in denen die entsendende Behörde auf Grund österreichischer Rechtsvorschriften über eigene Hilfskräfte verfügt.

Die Zusage von Hilfeleistungen im konkreten Anlassfall setzt voraus, dass die Tragung der mit dem Hilfseinsatz verbundenen Kosten jeweils im Vorhinein geklärt wird.

Für die Tragung der Kosten der auf österreichischem Staatsgebiet von schweizerischen Organisationen erbrachten Hilfseinsätze gilt der Kostentragungsgrundsatz gemäß § 2 F-VG 1948. Dies bedeutet im gegebenen Zusammenhang, dass die auf Grund dieses Vertrages den Körperschaften erwachsenden Kosten für die Leistung von Entschädigungen oder Ersätzen sowie die Kosten bestimmter Unter­stützungsleistungen (etwa gemäß Art. 10 Abs. 1) von jener Gebietskörperschaft zu tragen sind, deren Vollziehungsbereich die Bekämpfung der Katastrophe im Einzelfall zuzuordnen ist.

Bei konkreten Rettungs- und Hilfsmaßnahmen, die wegen ihres freiwilligen Charakters jeweils auf Grund einer ihr vorausgehenden ausdrücklichen politischen Entscheidung der in Art. 3 Abs. 1 genannten zuständigen Behörden erfolgen, ist in jedem Fall mit Kosten zu rechnen, deren Höhe nach den zugrunde gelegten Szenaria variiert; in der hier erforderlichen politischen Entscheidung werden sich die zuständigen Behörden demgemäß – wie bereits erwähnt – auch mit der Frage der Aufbringung der notwendigen finanziellen Mittel auseinander setzen müssen.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Diese Bestimmung legt fest, dass das Abkommen lediglich die Rahmenbedingungen für freiwillige Hilfeleistungen bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen auf dem Gebiet des anderen Vertrags­staates über dessen ausdrückliches Ersuchen regelt. Hinsichtlich der Durchführung des Abkommens im Einzelfall sowie der Art und des Umfangs der Hilfeleistung haben die im Art. 3 genannten zuständigen Behörden das Einvernehmen zu pflegen.

Zu Art. 2:

Art. 2 definiert die im Vertrag wiederholt verwendeten Begriffe.

Zu Art. 3:

Art. 3 bestimmt die Behörden, die Hilfeersuchen stellen und entgegennehmen können, und legt fest, dass sie direkt miteinander verkehren können. Ferner wird klargestellt, dass der diplomatische Weg davon unberührt bleibt.

Art. 3 Abs. 1 räumt auch der Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzen­den Bundeslandes eine Zuständigkeit auf dem Gebiet der „äußeren Angelegenheiten“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG ein.

Der Begriff der „Entgegennahme von Hilfeersuchen“ ist im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen des Abkommens zu sehen. Die Zuständigkeit der in Art. 3 Abs. 1 genannten Behörden beschränkt sich nicht auf eine Entgegennahme im engeren Sinn, sondern umfasst auch die Befugnis, Absprachen über Art und Umfang der zu leistenden Hilfe zu treffen (Art. 4) und dem Ersuchen nach entsprechender innerstaatlicher Abklärung „stattzugeben“ (vgl. die Definition des Begriffes „Entsendestaat“ in Art. 2). Mit der Zuständigkeit zur Entgegennahme von Hilfeersuchen ist also auch die Zuständigkeit zur Durchführung von Hilfeleistungen verbunden.

Sofern im Bereich des Bundes Angehörige des Bundesheeres, Angehörige der Wachkörper des Bundes oder andere Personen, wenn sie sich zur Teilnahme an Maßnahmen der Katastrophenhilfe verpflichtet haben, entsendet werden sollen, sind die Vorschriften des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997, anzuwenden.

Die Hilfeleistungen werden jedoch hauptsächlich von privaten Organisationen durchgeführt werden. Eine gänzliche oder teilweise Kostenübernahme durch Gebietskörperschaften kann weiterhin im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgen.

Aus dem verfassungsändernden Charakter des Art. 3 Abs. 1 ergibt sich, dass der Bundesminister für Inneres und die Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundes­landes sich bei Stellung von Hilfeersuchen nicht im Rahmen der derzeit durch erhebliche Zersplitterung gekennzeichneten bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Katastrophenbekämpfung halten müssen; dies erscheint im Hinblick auf das Erfordernis raschen und unbürokratischen Handelns im Katastrophenfall zweckmäßig. Beim Katastropheneinsatz selbst unterstehen jedoch auch die ausländi­schen Hilfsmannschaften den für die Katastrophenbekämpfung jeweils zuständigen innerstaatlichen Behörden (Art. 9). Nach dieser Zuständigkeit richtet sich gemäß § 2 F-VG 1948 auch die Pflicht zur Tragung der mit dem Hilfseinsatz allenfalls (soweit nicht der Grundsatz der Unentgeltlichkeit gilt) verbundenen Kosten.

Analogen Vorschriften in anderen bilateralen Katastrophenhilfeabkommen kommt ebenfalls verfassungs­ändernder Charakter zu.

Zu Art. 4:

Art. 4 sieht die Pflege des Einvernehmens zwischen den im Art. 3 genannten zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten vor, um die entsprechenden Hilfeleistungen entsprechend den Umständen des Anlassfalles aufeinander abzustimmen, Art und Umfang der Hilfeleistungen zu konkretisieren und dadurch die Auswahl der erforderlichen Hilfsmannschaften im Inland zu erleichtern.

Zu Art. 5:

Art. 5 legt fest, dass die Hilfe durch entsprechend ausgebildete und ausgerüstete Hilfsmannschaften geleistet wird; sie erforderlichenfalls aber auch auf andere Weise erbracht werden kann.

Zu Art. 6:

Art. 5 regelt den Grenzübertritt und Aufenthalt der Hilfsmannschaften. Die Formalitäten werden auf ein Mindestmaß reduziert. Subsidiär gelten die Bestimmungen des Passgesetzes und des Fremdengesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

Zu Art. 7:

Diese Bestimmung enthält zollrechtliche Regelungen und insbesondere Erleichterungen zur Durchführung des Abkommens hinsichtlich Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen.

Art. 7 Abs. 4 führt gesondert die Einfuhr und Wiederausfuhr von Suchtgiften und psychotropen Substanzen an und unterwirft diese gleichfalls der Regelung des Abs. 3. Hiedurch wird klargestellt, dass in Abweichung von einschlägigen Bestimmungen bezüglich des Einsatzes von Suchtgiften eine dem Katastrophenfall angepasste Vorgangsweise ermöglicht werden soll.

Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 4 für den Einsatz von Suchtgiften und psychotropen Substanzen auch eine besondere Regelung, dass diese nur nach Maßgabe des dringlichen medizinischen Bedarfs mitgeführt und nur durch qualifiziertes medizinisches Personal nach den gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsstaates eingesetzt werden dürfen, dem die Hilfsmannschaft angehört. Es soll damit sichergestellt werden, dass auch in Katastrophenfällen die Verwendung von Suchtgiften und psychotropen Substanzen nur über ärztliche Anordnung erfolgt.

Zu Art. 8:

Durch Abs. 2 wird für Flüge im Rahmen von Hilfeleistungen eine Ausnahme vom Zollflugplatzzwang geschaffen. Diese Bestimmung steht im Einklang mit § 31 Abs. 1 Z 2 des Zollrechts-Durchführungs­gesetzes, BGBl. Nr. 659/1994 in der geltenden Fassung.

Die im Art. 3 Abs. 1 genannten Behörden werden die Absicht, dass Luftfahrzeuge eingesetzt werden, unverzüglich an die für die Luftraumüberwachung jeweils zuständigen zivilen und militärischen Stellen bekannt geben. Zweckmäßigerweise ist auch im entsprechenden Flugplan ein Hinweis auf dieses Abkommen aufzunehmen.

Zu Art. 9:

Abs. 1 und 2 haben verfassungsändernden Charakter, da – soweit nicht § 4 Abs. 3 KSE-BVG anwendbar ist – eine mit Art. 20 Abs. 1 B-VG nicht vereinbare Unterstellung österreichischer Organe unter ausländische Organe ermöglicht wird. Dem Einsatzstaat obliegt die Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen. Seine Behörden richten die konkreten Anordnungen für die Hilfsmannschaften ausnahmslos an ihren Leiter, dem die Durchführung des Hilfseinsatzes obliegt.

Analogen Vorschriften in anderen bilateralen Katastrophenhilfeabkommen kommt ebenfalls verfassungs­ändernder Charakter zu.

Abs. 3 normiert, dass die Behörden des Einsatzstaates den Hilfsmannschaften oder einzelnen zur Hilfe­leistung entsandten Personen des Entsendestaates Schutz und Hilfe zuteil werden lassen.

Zu Art. 10:

Abs. 1 normiert den Grundsatz, dass der Entsendestaat gegenüber dem Einsatzstaat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Hilfeleistungen hat.

Dies bedeutet zunächst, dass im Falle eines Einsatzes österreichischer Hilfskräfte in der Schweizerischen Eidgenossenschaft grundsätzlich weder die österreichischen Hilfskräfte noch deren Rechtsträger (Bund, Länder und andere Rechtsträger) Abgeltung ihrer Leistungen durch die Schweizerische Eidgenossenschaft erhalten.

Soweit jedoch österreichische Hilfskräfte durch den Bundesminister für Inneres oder die Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundeslandes lediglich vermittelt werden (etwa im Falle gewerblicher Unternehmen, welche Katastrophenhilfseinsätze gewerbsmäßig leisten), ist die Schweizerische Eidgenossenschaft zum Ersatz der Kosten verpflichtet. Der Anspruch auf Kostenersatz erwächst unmittelbar der betreffenden Organisation, welche den Hilfseinsatz auf Grund der Vermittlung österreichischer Behörden geleistet hat.

Werden die Kosten der durchgeführten Hilfsmaßnahmen jedoch gänzlich oder teilweise wieder ein­gebracht, so ist jedoch gemäß Absatz 2 der Entsendestaat vorrangig zu entschädigen.

Zu Art. 11:

Art. 11 des Abkommens betrifft sowohl Ansprüche auf Schadenersatz, die auf den §§ 1295 ff ABGB oder anderen zivilrechtlichen Haftungstatbeständen gründen, als auch Entschädigungsansprüche, die in verschiedenen Gesetzen als Ausgleich für Eingriffe in bestimmte Rechtsgüter bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall gewährt werden.

Die Bestimmung verfolgt mehrere Ziele: Zum einen soll dem Zweck des Abkommens, die zwischen­staatliche Hilfeleistung zu erleichtern, auch bei der gegenseitigen Abwicklung von Schäden Rechnung getragen werden. Die gefahrenträchtigen Tätigkeiten der Helfer bei einem Einsatz können zu Beeinträchtigungen fremder Rechtsgüter führen. Dennoch soll das Verhältnis der Vertragsstaaten von Auseinandersetzungen über den Ersatz dieser Nachteile möglichst freigehalten werden. Zum anderen soll die Rechtsstellung außenstehender Dritter, denen bei einem Einsatz ein Schaden zugefügt wird, nicht dadurch verschlechtert werden, dass ein ausländischer Helfer für den Schaden verantwortlich ist. Schließlich werden auch Erleichterungen für die Helfer vorgesehen. Mit Einsätzen im Ausland werden oft persönliche und finanzielle Unannehmlichkeiten verbunden sein, die in der Regel freiwillig in Kauf genommen werden. Dieses Engagement der Helfer im Interesse eines anderen Staates soll durch die Verminderung der drohenden Risiken gefördert werden.

Art. 11 Abs. 1 des Abkommens sieht demgemäß einen Verzicht der Vertragsstaaten (unter denen die jeweiligen Gebietskörperschaften zu verstehen sind) auf die ihnen gegeneinander und gegen Helfer zustehenden Ansprüche aus Vermögens- und Personenschäden vor. Nach österreichischem Recht ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung gering, weil eine Verletzung, eine Gesundheitsschädigung oder die Tötung eines Helfers in der Regel zu den so genannten „mittelbaren Schäden“ einer Gebietskörper­schaft führen wird. Es wird nur auf solche Schäden abgestellt, die „im Zusammenhang mit der Erfüllung“ eines Auftrages bestehen. Ansprüche wegen solcher Schäden, die bloß „gelegentlich der Erfüllung“ verursacht werden, sollen dagegen unberührt bleiben.

Ansprüche anderer Geschädigter (etwa eines Helfers selbst, eines außenstehenden Dritten oder eines Sozialversicherungsträgers) oder Ansprüche gegen andere Schädiger sollen nicht erfasst werden. Von dem Verzicht ausgenommen sind auch vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte Schäden. Obgleich vorsätzlich oder grob fahrlässig im Zusammenhang mit der Hilfeleistung verursachte Schäden eher die Ausnahme sein werden, soll solchen Schädigungen, die das Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten belasten können, dadurch vorgebeugt werden, dass der Schädiger damit rechnen muss, zur Verantwortung gezogen zu werden.

Art. 11 Abs. 2 des Abkommens sieht eine Haftung des Einsatzstaates für Schäden vor, die einem außenstehenden Dritten durch einen Helfer des Entsendestaates zugefügt werden. Den Behörden des Einsatzstaates obliegt nach Art. 9 Abs. 1 des Abkommens die Koordination und die Gesamtleitung des Einsatzes, so dass ihm damit verbundene Schäden auch zugerechnet werden können. Dazu wird dem geschädigten außenstehenden Dritten die Verfolgung seiner Ansprüche erleichtert. Er muss sich (bloß) an den Einsatzstaat wenden (das wird regelmäßig der Staat sein, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat) und nicht an den ausländischen Helfer oder an den Entsendestaat.

Abs. 2 betrifft auch Amtshaftungsansprüche auf Grund eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens eines ausländischen Helfers. Die Zurechnung dieser Handlungen zu einem bestimmten (inländischen) Rechtsträger wird nach den hiefür entwickelten Grundsätzen des Amtshaftungsgesetzes vorzunehmen sein. Daneben ist auch in diesem Fall an Entschädigungsansprüche zu denken, die einem außenstehenden Dritten gegen eine Gebietskörperschaft wegen eines rechtmäßigen Eingriffes in seine Rechtsgüter zustehen.

Nach Abs. 3 besteht zur Vermeidung von Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsstaaten und zur Verminderung der Risiken der Helfer grundsätzlich kein Regressanspruch gegen den Entsendestaat oder dessen Helfer. Lediglich wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig zugefügt worden ist, soll sich der Einsatzstaat regressieren können. Der Regress kann sich aber nicht gegen den einzelnen Helfer, sondern nur gegen den Entsendestaat richten. Inwieweit der Entsendestaat, der den Regressanspruch des Einsatzstaates befriedigt hat, seinerseits gegen „seinen“ Helfer Rückgriff nehmen kann und welche Voraussetzungen dafür gegeben sind, ist im Vertrag nicht geregelt und daher auf der Grundlage des Rechts des jeweiligen Vertragsstaates zu beurteilen.

Zu Art. 12:

Art. 12 stellt klar, dass strafbare Handlungen, die ein Angehöriger der Hilfsmannschaften des Entsende­staates auf dem Territorium des Einsatzstaates begeht, der Gerichtsbarkeit des Einsatzstaates unterliegen. Das gilt auch dann, wenn es sich um den Angehörigen einer militärischen Einheit handelt.

Abs. 2 regelt die Übertragung der Strafverfolgung an den Entsendestaat.

Zu Art. 13:

Abs. 1 bestimmt, dass Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall als Angehörige der Hilfsmannschaften oder als Evakuierte vom Gebiet der einen Vertragspartei in das Gebiet der anderen gelangt sind, bis zum Zeitpunkt der frühesten Rückkehrmöglichkeit Unterstützung erhalten.

Abs. 2 normiert die Rückübernahmepflicht des Abgangsstaates.

Zu Art. 14:

Art. 12 betont die Notwendigkeit sicherer Fernmelde- und insbesondere Funkverbindungen, die in Zusammenarbeit der für die Durchführung des Abkommens zuständigen Behörden zu vereinbaren sind. Soweit erforderlich, sind die jeweiligen Fernmeldeverwaltungen zu befassen.

Zu Art. 15:

Da Hilfeleistungen im konkreten Anlassfall besser und rascher durchgeführt werden können, wenn bereits konkrete Vorbereitungen getroffen worden sind, werden im Art. 15 demonstrativ mögliche weitere Formen der Zusammenarbeit aufgezählt.

Art. 15 Abs. 2 bestimmt, dass das Abkommen sinngemäß für gemeinsame Übungen sowie für Hilfe­leistungen im Rahmen der herkömmlichen Nachbarschaftshilfe anzuwenden ist. Im Sinne dieser Bestimmung gilt, dass die Teilnahme an Übungen ebenfalls freiwillig erfolgt und dass kein Rechtsträger unmittelbar auf Grund dieses Abkommens vom Bundesminister für Inneres oder der Landesregierung jedes an die Schweizerische Eidgenossenschaft angrenzenden Bundeslandes zur Teilnahme an Übungen verpflichtet werden kann. Eine unmittelbare Entsendung in die Schweizerische Eidgenossenschaft ist nur hinsichtlich jener Hilfskräfte möglich, die auf Grund österreichischer Vorschriften den zuständigen Behörden zur Verfügung stehen.


Die Tragung der Kosten wird daher auch in diesen Fällen zweckmäßigerweise Gegenstand von Absprachen sein.

Mit Abs. 3 und 4 hat Österreich erstmals in einem bilateralen Katastrophenhilfeabkommen eine Verpflich­tung zur engen Zusammenarbeit akzeptiert, um im Fall eines Einsatzes in einem Drittstaat den Transit von Hilfskräften des einen Vertragsstaates durch das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates zu ermöglichen; dies nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Durchgangsstaates und ohne Anwendbarkeit der materiellen Bestimmungen des Abkommens.

Zu Art. 16:

Unterschiede in der Auffassung über die Anwendung dieses Vertrages werden entweder zwischen den im Art. 3 genannten zuständigen Behörden geregelt oder von den Abkommensparteien auf diplomatischem Weg geklärt.

Zu Art. 17:

Das Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen, kann aber jederzeit schriftlich auf diplomatischem Weg gekündigt werden.

Zu Art. 18:

Vertragliche Regelungen, die zwischen den beiden Vertragsparteien bereits bestehen, werden durch dieses Abkommen nicht berührt.

Zu Art. 19:

Art. 19 regelt das In-Kraft-Treten des Abkommens.