633 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Nachdruck vom 19. 6. 2001

Regierungsvorlage


Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochver­schuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund)

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. Der Bund ist ermächtigt, zu dem bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) eingerichteten Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund) einen Beitrag von bis zu 400 Millionen Schilling nach Maßgabe der im jährlichen Bundesfinanzgesetz hiefür vorgesehenen finanziellen Mittel zu leisten.

§ 2. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen betraut.

Vorblatt

Probleme:

Die Initiative für die Entschuldung hoch verschuldeter armer Länder (HIPC-Initiative) wurde von Welt­bank und Währungsfonds 1996 vor dem Hintergrund der Erkenntnis eingeleitet, dass eine nachhaltige Entwicklung ohne dauerhafte Lösung des Überschuldungsproblems bei den hoch verschuldeten armen Ländern nicht möglich ist. Die Lösung des Schuldenproblems muss daher als integrativer Teil zukünftiger Aktivitäten multilateraler Finanzinstitutionen betrachtet werden, bzw. ist in der Entwicklungsstrategie der betroffenen Länder zu berücksichtigen.

Ziele:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die gesetzliche Ermächtigung für die Leistung eines öster­reichischen Beitrages zu dem bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) für diesen Zweck eingerichteten Treuhandfonds (HIPC-Trust Fund) geschaffen werden.

Inhalt:

Der gegenständliche Gesetzentwurf hat die Ermächtigung zur Leistung eines österreichischen Beitrages in Höhe von bis zu 400 Millionen Schilling zum HIPC-Trust Fund zum Gegenstand.

Alternativen:

Keine – Unter der Voraussetzung, dass Österreich sich mit einem etwa seiner wirtschaftlichen Leistungs­fähigkeit entsprechenden Beitrag an der Finanzierung dieser Initiative beteiligt. Da es sich dabei um einen freiwilligen Beitrag handelt, kann dessen Höhe von Österreich selbst bestimmt werden.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Solche Auswirkungen sind unmittelbar nicht zu erwarten. Soweit diese Initiative jedoch zu einer größeren politischen und wirtschaftlichen Stabilität der von der Entschuldung betroffenen Länder beitragen kann, können indirekte positive Auswirkungen durch deren steigende Einbindung in die Weltwirtschaft erwartet werden.

Auswirkungen auf die Verwaltungsbehörden/Personalaufwand:

Keine.

Kosten:

Durch die Ausführung dieses Gesetzes entstehen dem Bund Kosten in Höhe von bis zu 400 Millionen Schilling, die durch gleich hohe Rücklagen bedeckt werden können. Für die Länder und Gemeinden entsteht keine finanzielle Belastung.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Die HIPC-Initiative (HIPC = Heavily Indebted Poor Countries, hoch verschuldete arme Länder) wurde von Weltbank und Währungsfonds 1996 gemeinsam vor dem Hintergrund der Erkenntnis eingeleitet, dass eine nachhaltige Entwicklung ohne dauerhafte Lösung des Überschuldungsproblems bei den am meisten verschuldeten Ländern nicht möglich ist. Die Lösung des Schuldenproblems muss daher als integrativer Teil der Entwicklungszusammenarbeit betrachtet werden bzw. in die Strategien zur Entwicklungs­zusammenarbeit eingebaut werden. Eine vernünftige Entwicklungspolitik muss die Schuldensituation des Entwicklungslandes berücksichtigen.

Für den Zugang bestimmter Länder zur HIPC-Initiative wurden Tragfähigkeitskriterien (im Wesentlichen Kennzahlen bezüglich der Relation von Schuldenstand und Schuldendienst zu den Exporterlösen) festgelegt. Diese Kriterien wurden 1999 im Rahmen einer Erweiterung dieser Initiative gelockert (erweiterte HIPC-Initiative), um eine Beschleunigung, Ausweitung und Vertiefung der Initiative zu erreichen; die Zahl der potentiellen HIPC-Länder hat sich dadurch auf 36 (theoretisch sogar 41 Länder) erhöht, davon die meisten in Afrika. Die Vertiefung und Ausweitung der Initiative wird insbesondere durch eine Reduzierung der Zielwerte erreicht, bis zu denen angenommen wird, dass die dann verbleibende Schuldenlast „tragbar“ sein wird. Insbesondere das Verhältnis von Schuldenstand zu Export­erlösen wird von derzeit 200 bis 250% auf 150% (bzw. Schuldenstand zu Einnahmen von 280% auf 250%) gesenkt.

Österreich ist durch die folgenden Komponenten von der HIPC-Initiative betroffen:

–   Bilaterale Entwicklungshilfekredite im Ausmaß von rund 1,3 Milliarden Schilling wurden – zum Teil unabhängig von der HIPC-Initiative – bereits im Jahr 1998 abgeschrieben; weitere 310 Millionen Schilling sind aus technischen Gründen noch offen (Zuständigkeit des Bundesministeriums für aus­wärtige Angelegenheiten).

–   Durch die Republik Österreich garantierte Exportkredite sind im Ausmaß von bis zu 13 Milliarden Schilling von der HIPC-Initiative betroffen; diese werden im Pariser Club abgehandelt. Schon bisher gab es Schuldenerleichterungen bis zu 80% für die betreffenden Länder. Im Jahr 1999 wurde beschlossen, die Schuldenerleichterung auf 90%, und in Einzelfällen auch darüber hinaus, anzuheben, sodass zusätzliche Erleichterungen gewährt werden. Die diesbezüglichen Modalitäten werden für jedes einzelne begünstigte Land im Pariser Club verhandelt.

–   Österreich hat sich auch im Wege einer Verwendung von Mitteln der Oesterreichischen National­bank im so genannten SCA-2-Konto des Internationalen Währungsfonds an Finanzierungen im Zusammenhang mit der HIPC-Initiative im Ausmaß von 9,56 Millionen Sonderziehungsrechten (zirka 168 Millionen Schilling) beteiligt: „Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwicklungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)“, BGBl. I Nr. 118/2000 vom 24. November 2000.

–   Zur Finanzierung der Schuldenreduktion im Bereich der multilateralen Finanzinstitutionen wurde ein so genannter HIPC-Trust Fund bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) einge­richtet, an dessen Finanzierung sich Österreich bisher – im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten – noch nicht unmittelbar beteiligt hat. Unter Zugrundelegung der derzeit bekannten Daten und bisheriger Lastenverteilungs-Anteile bei IDA (rund 0,9% der Beiträge der Geber­gemeinschaft) wäre mit einem österreichischen Beitrag von rund 40 bis 45 Millionen US-Dollar zu rechnen. Auf diesen Gesamtbeitrag ist der von der EU geleistete Beitrag zur HIPC-Initiative mit 19 Millionen US-Dollar anzurechnen. Mit Ratsbeschluss vom Dezember 1999 hat die EU einen HIPC-Beitrag von einer Milliarde Euro aus nicht zugewiesenen Geldern des Europäischen Entwicklungs­fonds (EEF) bewilligt; davon sollen 680 Millionen Euro als Beitrag zur Finanzierung des HIPC-Treuhandfonds verwendet werden. Dieser EU-Beitrag wird den einzelnen EU-Mitgliedsländern im Verhältnis ihres Anteils am EEF als deren Beitrag zum HIPC-Treuhandfonds zugerechnet (damit entfallen auf Österreich 2,65% oder 19 Millionen US-Dollar).

Die HIPC-Initiative umfasst grundsätzlich die folgenden 41 Länder:

Angola, Äthiopien, Benin, Bolivien, Burkina Faso, Burundi, Chad, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Honduras, Kamerun, Kenia, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Laos, Liberien, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mozambique, Myanmar, Nicaragua, Niger, Rwanda, São Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Tanzania, Togo, Uganda, Vietnam, Yemen, Zambia und Zentralafrikanische Republik.

Diese Länder lassen sich nach derzeitiger Sicht in folgende Gruppen zusammenfassen:


–   Ghana und Laos haben erklärt, dass sie keine Schuldenreduktion im Rahmen der HIPC-Initiative beantragen werden;

–   Angola, Kenia, Vietnam und die Republik Jemen werden als Fälle angesehen, bei denen anzunehmen ist, dass sie ihre Schulden bewältigen können;

–   Länder, bei denen der Entscheidungspunkt in der Zukunft liegt:

     davon neun Länder, die sich in Konfliktsituationen befinden: Burundi, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Liberia, Myanmar, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Zentralafrikanische Republik;

     vier weitere Länder, die den Entscheidungspunkt ohne spezifische Begründung noch nicht erreicht haben: Äthiopien, Elfenbeinküste, Togo, Tschad;

–   22 Länder, die bis Ende des Jahres 2000 den Entscheidungspunkt erreicht haben (in der obigen Liste der 41 Länder unterstrichen).

Der Schuldenstock aller HIPC-Länder wird auf insgesamt etwa 71 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Kosten der erweiterten Initiative belaufen sich nach den letzten Berechnungen auf etwa 29 Milliarden US-Dollar (Barwert Ende 1999), wobei etwa je die Hälfte auf bilaterale und multilaterale Gläubiger entfällt. Den 22 Ländern, die bis Ende 2000 den Entscheidungspunkt erreicht haben, wurde ein Schuldennachlass zugesagt, der einem Barwert von etwa 20 Milliarden US-Dollar entspricht (sowohl bilaterale als auch multilaterale Schulden).

Der zur Finanzierung der HIPC-Initiative im Bereich der multilateralen Gläubiger bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) eingerichtete HIPC-Treuhandfonds soll aus der Verwendung von Teilen des Weltbank-Jahresgewinnes und aus bilateralen Beiträgen gespeist werden.

Österreich ist als Mitglied von Weltbank und IDA an der Entscheidung über die konkrete Vorgangsweise bei der Schuldenreduktion gemeinsam mit den anderen Mitgliedsländern beteiligt. Die Überprüfung der Finanzgebarung dieses HIPC-Treuhandfonds erfolgt nach den gleichen Kriterien und Richtlinien durch internationale Wirtschaftsprüfer wie bei der Weltbank und IDA.

Bisher wurden von einer Reihe von Ländern auf freiwilliger Basis bilaterale Beiträge geleistet bzw. angekündigt, die jedoch nur zögerlich kommen (Österreich hat bisher noch keinen direkten Beitrag geleistet, sondern erhält den oben erwähnten EU-Beitrag im Ausmaß von 19 Millionen US-Dollar angerechnet). Die bisher zugesagten Beiträge reichen jedoch nicht aus, den Finanzierungsbedarf nur annähernd zu decken. Es ist daher beabsichtigt, insbesondere für die bei der Weltbank und IDA kurzfristig entstehenden Kosten, vorerst IDA-Ressourcen zu verwenden, die vom HIPC-Treuhandfonds nach dem „pay as you go“-Prinzip refundiert werden bzw. durch eine entsprechende Erhöhung der Volumina späterer Wiederauffüllungen von IDA aufgebracht werden sollen.

Im Rahmen der Jahrestagung der Bretton Woods Institutionen in Prag Ende September 2000, bei der Österreich einen Beitrag zum HIPC-Treuhandfonds angekündigt hat, wurde der Fortschritt der HIPC Initiative überprüft und die Notwendigkeit der raschen Vorgangsweise bei der Abhandlung der Schuldenerleichterung bestätigt. Wie erwähnt, konnten bis Ende 2000 insgesamt 22 HIPC-Länder in die Initiative einbezogen werden.

Dieser im Rahmen der Jahrestagung 2000 von Weltbank und IWF in Prag angekündigte Beitrag Österreichs zum HIPC-Treuhandfonds würde, insbesondere wenn er wie vorgesehen noch im Jahr 2001 einbezahlt wird, einen international anerkannten unmittelbaren Beitrag zur Absicherung der HIPC-Initiative darstellen, der mit dem Barwert der Gesamtkosten der Initiative in Beziehung gesetzt werden kann. Im internationalen Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass zuletzt die skandinavischen Länder gemeinsam im Juni 2000 einen weiteren Beitrag zum HIPC-Trustfund von insgesamt 100 Millionen US-Dollar angekündigt haben.

Kompetenzgrundlage:

Bei diesem Gesetzesvorhaben handelt es sich um eine Materie gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG. Die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen zur Vollziehung ist auf Grund Abschnitt D Z 11 der Anlage 2 zum Bundesministeriengesetz 1986 gegeben.