Abweichende persönliche Stellungnahme

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber

gemäß § 42 Abs. 5 GOG


zum Bericht des Ausschusses für Land- und Fortstwirtschaft (991 der Beilagen) über ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, das Bundesgesetz zur Schaffung eines Gütezeichens für Holz und Holzprodukte aus nachhaltiger Nutzung, das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten und das Forstliche Vermehrungsgutgesetz geändert werden

Das Forstgesetz 1975 wurde als großer Wurf gefeiert, weil damit die Öffnung des Waldes für jedermann/jedefrau durchgesetzt wurde. Es wird noch heute von österreichischen PolitikerInnen gerne bei internationalen Waldkonferenzen als leuchtendes Beispiel dargestellt (obwohl es durchaus einen Verbesserungsbedarf gibt).

Die vorliegende Novelle hingegen ist kein großer Wurf, denn sie widerspricht dem EU-Recht und weicht zahlreiche Schutzbestimmungen wieder auf.

Aus ökologischer Sicht sind insbesondere folgende Aspekte problematisch:

      die Erleichterung von Rodungen auf Flächen bis 500 m2 (bzw. bis 1 000 m2) führt zu einem Verlust naturschutzfachlicher Kleinstrukturen und trägt zur Ausräumung unserer kleinräumigen Kulturlandschaft bei;

      die forstrechtlichen Ver- und Gebote sind nicht europarechtskonform (FFH-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie) ausgestaltet;

      Verankerung der Funktion des Waldes als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, die zu konkreten Handlungsanleitungen führt bei der forstlichen Raumplanung, der Erstellung von Waldentwicklungsplänen und Rodungsbewilligungen, fehlt;

      Vorrang für standortgerechte Baumarten gegenüber bloß standorttauglichen fehlt; die Wiederbewaldung mit standortgerechtem Vermehrungsgut sollte künftig die Regel und nicht – wie bisher – die Ausnahme sein; dies gilt insbesondere für den Schutzwald.

Die von den Gesetzesautoren strapazierte Eigenverantwortung ist für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zwar unumgänglich, kann aber gesetzliche Bestimmungen nicht ersetzen: Wenn es ökonomisch lukrativer ist, einen Wald abzuholen, den Grund als Eigenjagd oder Baugrund zu verkaufen und das Geld in Aktien anzulegen, als den Wald langfristig zu bewirtschaften, kann von Waldbesitzern nicht erwartet werden, dass sie überwirtschaftliche Funktionen aus Eigenverantwortung erfüllen.

Das Ziel einer Verwaltungseinsparung um 25% erscheint überoptimistisch, da sich eine Vielzahl neuer Aufgaben ergeben. Zum Beispiel wird sich durch den Wegfall von privatem Forstpersonal die staatliche Beratungstätigkeit zwangweise intensivieren. Ferner könnte es durch das vereinfachte Verfahren bei Kleinflächenrodungen zu vermehrten Anmeldungen dieser Rodungsmöglichkeit kommen, was zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen würde.

Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ hat – in Angleichung an internationale Abkommen – nun auch Eingang ins österreichische Forstgesetz gefunden. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zielt auf die Erhaltung von biologischer Vielfalt, Produktivität, Regenerationsvermögen, Vitalität sowie dem Potential. Bisher war das öffentliche Interesse an der Walderhaltung nur auf die Erhaltung des Waldbodens und von Wäldern zur Nutzung für nachfolgende Generationen beschränkt. Dem Gesetz fehlt aber nach wie vor die konkrete Umsetzung dieser unverbindlichen Empfehlung zur Nachhaltigkeit. Diese Zielbestimmung hat keinen normativen Charakter, da sie nicht durchgehend in allen Paragraphen umgesetzt wird.

Die Beschränkung von Parks auf Flächen geringeren Ausmaßes fällt, wodurch zu befürchten ist, dass in Zukunft wieder größere Waldflächen für die Öffentlichkeit gesperrt werden können.

Die Erleichterung von Rodungen in §§ 17 und 17a hat dramatische Konsequenzen für den Schutz des Waldes und ist eine deutliche Abkehr vom Grundsatz „Wald muss Wald bleiben“. Bisher war in jedem Fall das öffentliche Interesse an der neuen Nutzung von der Forstbehörde zu prüfen, und nur wenn dieses höher als die Walderhaltungspflicht eingestuft wurde, die Rodungsbewilligung zu erteilen. Gemäß der Regierungsvorlage hat eine solche Prüfung nur mehr zu erfolgen, wenn besondere öffentliche Interessen an der Walderhaltung bestehen, dh. die Walderhaltung ist besonders zu legitimieren anstatt wie früher die Waldrodung. Eine Zersiedelung und Zerstückelung von Waldflächen als Folge der neuen Regelung ist sehr wahrscheinlich, weil Waldflächen viel billiger und deshalb für Baugründe und Betriebsansiedlungen interessanter sind.

Rodungen auf einer Fläche bis zu 500 m2 (im Abänderungsantrag der Abgeordneten Schwarzenberger und Hornegger wird diese Fläche sogar auf 1 000 m2 erhöht!) können bereits vorgenommen werden, wenn die Behörde nicht binnen sechs Wochen nach Anmeldung reagiert und wegen besonderer öffentlicher Interessen ein ordentliches Rodungsverfahren für notwendig erachtet. Dieses verkürzte Verfahren ist jedoch im Forstrecht völlig fehl am Platz, weil die Frist von sechs Wochen zu kurz ist, um die öffentlichen Interessen an der Walderhaltung erheben zu können und weil die anrainenden WaldbesitzerInnen dergestalt keine Möglichkeit haben, ihre Interessen einzubringen. Gemeinde und Nachbarn der Rodungsfläche werden nicht einmal informiert. Im Verein mit § 17 (neue Genehmigungskriterien) wird dies zu einer ausufernden Rodungspraxis führen. Zu beachten ist, dass in diesen Fällen auch keine Ersatzaufforstungen vorgeschrieben werden können und dass die Zusammenrechnungsregel nicht gilt, wenn die Kleinrodungen jeweils zu anderen Zwecken beantragt werden.

Die Erleichterungen tragen dazu bei, dass ökologisch wertvolle Kleinstrukturen beseitigt werden und dass der Ausräumung der Kulturlandschaft Vorschub geleistet wird. Dass es durch die Neuregelung auch zu einer Flut von Rodungsanmeldungen für den Bau von Jagdhütten, Wochenendhäusern uä. kommen wird, ist heute schon abzusehen. Der Druck auf den Wald wird gerade dort zunehmen, wo ökonomische Interessen im Spiel sind.

Bestimmungen widersprechen der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie

Der § 32a stellt zwar eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Status quo dar. Ausdrücklich begrüßt wird der Umstand, dass der Kreis der umfassten Gebiete wesentlich erweitert wurde. In einigen Belangen widerspricht § 32a jedoch noch den Richtlinien 92/43/EWG in der geltenden Fassung (FFH-Richtlinie) und 79/409/EWG in der geltenden Fassung (Vogelschutz-Richtlinie):

      die ordnungsgemäße Umsetzung von Gemeinschaftsrecht kann nicht von der Zustimmung des Waldeigentümers abhängig gemacht werden;

      die Behörde ist lediglich ermächtigt, aber nicht verpflichtet, die forstgesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen im Ausnahmefall auszusetzen;

      die Behörde wird nicht von Amts wegen bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes im Rahmen dieser Bestimmung tätig, sondern nur auf Antrag;

      die Antragslegitimation ist zu eng; vielmehr hätte die Behörde bei jedem Antrag mit entsprechenden Hinweisen einer unmittelbar aus den beiden genannten Richtlinien sich ergebenden Verpflichtung nachzukommen, ohne dass die Richtlinie dem Einzelnen individuelle Rechte einräumt (so genannte objektive Wirkung der Richtlinie);

      die taxative Aufzählung der Ausnahmemöglichkeiten ist unzureichend, da beispielsweise das Rodungsverbot fehlt und auch darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ausnahmen von weiteren Bestimmungen des ForstG zur ordnungsgemäßen Umsetzung der beiden genannten Richtlinien erforderlich sind;

       entgegenstehende öffentliche Interessen an der Walderhaltung können nicht generell als Ausnahmegrund für die Vereitelung der Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Erhaltungsziele der beiden Richtlinien gelten;

      Gefahr in Verzug ist ohne nähere Definition kein zureichender Ausnahmegrund für die Vereitelung der Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Erhaltungsziele der beiden Richtlinien.

Auf Grund der bloß generellen Bezeichnung „Forstschädlinge“ kann nicht ausgeschlossen werden, dass darunter auch Bekämpfungsmaßnahmen absichtlich oder unabsichtlich gegen Arten wirken, auf welche die Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie Anwendung finden. Keine der forstrechtlichen Vorschriften sieht jedenfalls eine genaue Umsetzung der relevanten Bestimmungen über Ausnahmemöglichkeiten von den Artenschutzvorschriften des Art. 16 FFH-Richtlinien vor.

Bei der Definition von Standortschutzwäldern in § 21 Abs. 1 sollten Wälder auf Flugsand- und Flugerdeböden ausgeklammert werden, weil sie ua. den prioritären natürlichen Lebensraumtyp Nr. 2340 „Pannonische Binnendünen“ umfassen und dessen Schutz nicht zulänglich gewährleisten.

Ergänzung des Kahlschlagverbotes notwendig

Aus Grüner Sicht erscheint auch eine Ergänzung des Kahlschlagverbotes notwendig. Es gibt gerade aus der jüngeren Vergangenheit Beispiele, dass Beamte der Forstbehörden zwar überzeugt waren, dass Kahlhiebe gemäß § 82a eigentlich zu verbieten gewesen wären, diese aber trotzdem (auf Druck von oben) genehmigen mussten.

Die gegenständliche Regelung hat sich zwar generell als praktikabel erwiesen. Sie kann aber auch gezielt von Waldeigentümern missbraucht werden, um innerhalb kurzer Zeit Betriebe oder Betriebsteile kahl zu schlagen, wobei in einer Art Schachbrettmuster vorgegangen wird. Binnen weniger Jahre kann ein Betrieb so ausgeplündert werden, dass alle Wälder über 60 Jahre abgeholzt werden und auf Jahrzehnte kein nutzbares Holz übrig bleibt.

Betriebe, die ihre Holzvorräte heute schon übernutzen, können dies noch leichter unter dem neuen Forstgesetz tun. Was heute die Ausnahme ist (vor allem nach großen Waldverkäufen) kann morgen zur Regel werden: Im Zusammenspiel mit einer sich ändernden Waldgesinnung (Vorzug der raschen Nutzung gegenüber dem Ansparen für zukünftige Generationen), einem steigenden Rationalisierungsdruck und einer geringeren fachlichen Betreuung besteht eine latente Gefahr für die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung.

Forststraßen-Definition

Die bisherige Definition von Forststraßen sollte unbedingt beibehalten werden. Es kommt für die Beurteilung eines Eingriffs in den Wald durch eine Forststraße nämlich nicht auf die Dauer der beabsichtigten Nutzung an, sondern darauf, wie lange die Anlage des Forstweges tatsächlich den Waldboden beeinträchtigt. Die in der Novelle enthaltene Definition der Forststraße nach den Niveauänderungen führt dazu, dass insbesondere längere Anlagen in der Regel nicht als Forststraße zu werten sind.

Einsparung von Fachpersonal gefährdet naturnahe Waldbewirtschaftung [1])

Entgegen der Darstellung im Vorblatt zum Regierungsentwurf über die Auswirkung auf die Beschäftigung wird es zu einem massiven Abbau von Forstorganen kommen. Die Ziele gemäß § 1 können aber nur mit einer ausreichenden personellen Betreuung erzielt werden. Naturnahe Waldbewirtschaftung bedingt einen höheren Einsatz an menschlicher Fachkraft.

Am § 116 ist zu kritisieren, dass Forstorgane in Pflichtbetrieben nicht mehr hauptberuflich tätig sein oder innerhalb bzw. in der Nähe des Dienstbereiches wohnen sollen. In der Praxis wird das zu einer Entwicklung „reisender Konsulenten“ führen, was nicht im Sinne einer naturnahen Waldbewirtschaftung vor Ort liegen kann.

Die Waldwirtschaftsgemeinschaften kommen im Gesetz praktisch nicht vor, obwohl sie eine immer wichtigere Rolle bei der Beratung, der Planung und Durchführung von Holzernteeinsätzen, beim Holzverkauf, der Zertifizierung usw. spielen – im Kleinwald (also auf 53% der österreichischen Waldfläche). Es wäre daher sehr zweckmäßig gewesen, Erfordernisse an die fachliche Qualifikation äquivalent zur Bestellungspflicht im Großprivatwald zu definieren.


Zu wenig Prioritäten in der forstlichen Förderung

Da ein sukzessives Ausbauen der forstlichen Förderungen zu erwarten ist, sollten klare Prioritäten gesetzt werden, um die Fehler, die im landwirtschaftlichen Fördersystem gemacht wurden, von allem Anfang an zu vermeiden. Es wäre sinnvoll und notwendig, Förderungen an die Einhaltung von ökologischen Mindestbedingungen zu knüpfen, wie zB:

      im Forststraßenbau sollte bei Gewährung von Fördermitteln die Nutzung im durch die neue Straße erschlossenen Gebiet für 20 Jahre an waldbauliche Verfahren geknüpft werden, die eine Naturverjüngung erwarten lassen;

      bei Pflegemaßnahmen sollte als Voraussetzung die Förderung von Laub- und Mischbaumarten durch den Pflegeeingriff gelten (förderwürdig wäre derzeit auch, wenn ein Betrieb in einer gemischten Kultur sämtliche Laubbäume entnimmt und ein reiner Fichtenwald zurückbleibt).

Bericht über Waldverwüstung durch Wild wird zukünftig dem Parlament vorenthalten

Bisher wurde der jährliche Bericht über Art und Ausmaß von Waldverwüstungen und der flächenhaften Gefährdungen des Bewuchses durch Wild dem Parlament zur Beratung zugewiesen. Dies soll laut § 16 Abs. 6 nunmehr unterbleiben und der Bericht lediglich im Internet veröffentlich werden. Einmal mehr wird damit die parlamentarische Beratung und Kontrolle geschmälert.

Insgesamt handelt es sich bei der Forstgesetz-Novelle um einen wirtschaftsliberalen Regierungsentwurf, der im § 1 die Nachhaltigkeit zwar propagiert, aber im weiteren Verlauf die Umsetzung aus wirtschaftlichen Gründen massiv unterminiert. Das öffentliche Interesse an der Walderhaltung wird eindeutig den privaten Nutzungsinteressen der Grundeigentümer untergeordnet und damit eine der wohl zentralen Regelungen des bestehenden Forstgesetzes ausgehöhlt. Unter den Schlagworten Verwaltungsvereinfachung und Stärkung der Eigenverantwortung der Waldbesitzer zieht sich der Staat wieder mehr aus seiner Verantwortung für den Wald zurück.

Diese Novelle ist zum Nachteil des österreichischen Waldes, der für ihn arbeitenden Menschen und der öffentlichen Interessen. Die Grüne Fraktion wird dieser Novelle daher nicht zustimmen.



[1]) Die Bestellungspflicht wurde gelockert: Die bisherigen Bestimmungen haben detailliert vorgeschrieben, wieviel Forstpersonal je nach der Größe eines Betriebes bestellt werden soll. Das leitende Forstorgan hat die Einhaltung des Forstgesetzes zu gewährleisten, das öffentliche Interesse an der Walderhaltung zu sichern und die Bewirtschaftung auf die überbetrieblichen Waldwirkungen abzustellen. Eigentümer von Wäldern ab 500 ha hatten bisher leitende Forstorgane zu bestellen, jetzt wird diese Bestellungspflicht auf 1 000 ha hinaufgesetzt. Bisher musste für jeden Betrieb ab 500 ha Waldfläche ein Förster und ab 1 800 ha ein Forstwirt als leitendes Forstorgan bestellt werden, jetzt wird diese Bestellungspflicht ebenfalls auf 3 600 ha hinaufgesetzt, also verdoppelt.

Bisher musste für alle weiteren 1 800 ha ein weiteres Forstorgan zugeteilt werden, künftig nur mehr für alle 3 000 weiteren ha. Für die gesamten Bundesforste ist künftig nur ein einziger Forstakademiker notwendig.