1284/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend den Selbstmord eines Häftlings im Gefangenenhaus des Landesgerichts

Linz am 16. Juni 2000

 

Artikel in der Stadtzeitung "Der Falter“ vom 6.9.00:

 

 

ANGEKÜNDIGTER TOD

 

AFFÄRE Ein suchtkranker U - Häftling kündigt seinen Selbstmord an. Trotzdem wird

er für, hafttauglich erklärt. Dann bringt er sich um. Mithäftlinge berichten von Folter.

Die Justiz ermittelt. von Florian Klenk

 

„Es soll hier nichts vertuscht werden. Wir werden diesen Vorfall genau untersuchen."

Im Justizministerium versucht Sektionschef Michael Neider zu beruhigen.

Tatsächlich ist einiges aufklärungsbedürftig.

Ein suchtkranker Untersuchungshäftling hat sich im Gefangenenhaus Linz

umgebracht. Der Falter hat die Hintergründe des mysteriösen Todesfalles

recherchiert. Hat ein Mensch wegen Ignoranz von Ärzten und Wärtern sein Leben

verloren? Wurde er, wie ein Häftling behauptet, „fertig gemacht“? Der Taxifahrer

Navid T hatte im Gefängnis seinen Selbstmord mehrmals angekündigt. Trotzdem

wurde er in eine Isolationszelle gesteckt. Am 16 Juni fanden ihn die Wärter.

Aufgeknüpft an einem Kabel.

 

Was ist da geschehen? Am 21. April wird Navid T. ins Landesgericht Linz

eingeliefert, weil er mit Suchtgift gehandelt haben soll. Der Österreicher äußert

gegenüber den Beamten Selbstmordabsichten. Sein Zustand verschlimmert sich.

Kein Wunder: Von einem Tag auf den anderen wird der Suchtkranke auf kalten

Entzug“ gestellt. In ein spezielles Methadonprogramm wird er nicht aufgenommen,

nur eine Anstaltsärztin kümmert sich um den Mann. Herr T. wird wegen seiner

prekären gesundheitlichen Lage in psychiatrische Krankenhaus Linz eingeliefert.

Nach zwei Wochen entlassen die Ärzte den Mann bereits wieder. Ihr Urteil:

,,Hafttauglich.“ Doch im Gefängnis wird auf die Depressionen nicht wirklich Rücksicht

genommen: Herr T kommt in Einzelhaft. Wieder äußert er Selbstmordabsichten.

Schließlich erhängt sich der Mann in seiner Zelle.

 

Brisanz gewinnt die Causa durch einen Kassiber, der dem Falter vorliegt. Ein

Häftling, der seitenweise über unmenschliche Behandlung in Gefangenenhaus Linz

klagt, beendet sein Schreiben mit dem Satz: "Ich werde auch über den Tod von

David T. berichten, wie die Beamten ihn geschlagen haben und wie mit ihm

umgegangen worden ist. Sie haben ihn psychisch fertig gemacht, bis er sich selber

getötet hat.“

„Die Vorwürfe sind frei erfunden", kontert Michael Neider aus dem Justizministerium.

Tatsächlich wies jedoch das Obduktionsprotokoll des Toten Spuren von einer

Rauferei auf. Ob sie von einem Disput unter Häftlingen oder von

Justizwachebeamten verursacht wurden, konnte bis dato nicht geklärt werden. Das

endgültige Obduktionsergebnis soll am 1. Oktober vorliegen.

David T. ist bereits der vierte Häftling, der heuer unter der Obhut von

Gefängniswärtern wegen Drogen zu Tode kommt. Im Frühjahr starb der Slowake

Ludomir B. - plötzlich und unerwartet - in einer Polizeizelle im dritten Bezirk. Die

Obduktion ergab, dass er verschiedenste Drogen eingenommen hatte. Im Juli deckte

die Zeitschrift Format einen weiteren Todesfall in Wien - Simmering auf: Ein Häftling

wurde erhängt in seiner Zelle entdeckt. Der Suchtkranke hätte vor dem Tod dringend

um einen Arzt gebeten, der ihm verweigert worden wäre. Die Staatsanwaltschaft

ermittelt wegen Quälens eines Gefangenen. Auch in der Justizanstalt Erdberg kam

unlängst ein Mann wegen Drogen um. Obwohl die Polizei "den dringenden Verdacht"

hegte, dass der Afrikaner Richard I. Drogenkugeln verschluckt hatte, wurde er

anstatt ins Spital auf ein Spezialklo gesetzt. Zur Beweissicherung. Nach fünf Tagen

platzten die tödlichen Kugeln.

 

Der Vorfall in Linz verwundert Sozialarbeiter nicht. ‚Das liegt einfach im System, es

gibt keine Drogenexperten in Gefängnissen“, so ein Streetworker. Wenn

Suchtkranke in Haft kommen, krachen sie eben wie die Semmeln. Oder

hängen sich eben auf.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Wurde nach dem Selbstmord des Häftlings Navid T. eine Untersuchung des

     Vorfalles eingeleitet? Wenn ja, wann und von wem? Wenn nein, warum nicht?

 

2. Wie lautet der Bericht der Leitung der Haftanstalt über den Vorfall?

 

3. Warum wurde Navid T. trotz des Aufenthalts in der Psychiatrie und mitgeteilter

    Selbstmordabsichten in Einzelhaft genommen?

 

4. Laut Standard - Bericht „wies das Obduktionsprotokoll des Toten Spuren von einer

    Rauferei auf‘. Wurde ermittelt, woher diese Spuren stammen?

 

5. Wurden Versuche unternommen, Zeugen der Amtshandlung, bei der Navid T.

    von den Justizwachebeamten geschlagen worden sein soll, ausfindig zu machen,

    bzw. wurden deren Beobachtungen bei den laufenden Untersuchungen mit

    berücksichtigt?

6. Wurde gegen einen der an der Amtshandlung beteiligten Beamten bereits

    Beschwerde wegen ungerechtfertigter Gewaltanwendung oder anderer

    strafrechtlicher Delikte erhoben bzw. ein entsprechendes Disziplinarverfahren   

    eingeleitet?

 

    a) Wenn ja, was wurden dem bzw. den Beamten vorgeworfen?

 

7. Ist daran gedacht, zur Betreuung von drogenabhängigen Häftlingen

    DrogenexpertInnen in Justiz -  und Haftanstalten einzusetzen?

    a) Wenn ja, wann?

    b) Wenn nein, warum nicht?