3919/J XXI.GP
Eingelangt am: 22.05.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Maier
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend “Diskriminierung von Psychisch Kranken bei Reiseversicherungen"
Viele Versicherungsunternehmen die eine
Reise-Stornoversicherung anbiezten,
zahlen im Falle einer Anspruchnahme durch den Versicherten bei einer
psychischen
Krankheit oder eines Nervenleidens nicht. Die ist diskriminierend, völlig
ungerecht
und sachlich nicht gerechtfertigt. Sie unterstellt damit den Betroffenen, dass
diese ihr
Leiden nur als Vorwand für Reisestornierungen benützen.
Ein Beispiel:
Nach
der Matura ihres Sohnes musste Familie T. einige Tage vor ihrer Abreise eine
geplante
Reise stornieren. Grund: ein Nervenzusammenbruch des Sohnes. Er wurde
stationär
in der Christian-Doppler-Klinik aufgenommen und war dort 5 Wochen in
Behandlung. Er litt unter anderem an Panikattacken. Die Anwesenheit der Eltern
war
aus ärztlicher Sicht absolut notwendig.
Obwohl
die Eltern eine Stornoversicherung abgeschlossen hatten, weigerte sich der
Versicherer
(Gerling-Konzem), die Stornokosten zu übernehmen, da die Erkrankung
psychischer
Natur war. Aber: Der betroffene junge Mann hatte bis dahin nie an
psychischen Problemen gelitten. Die Erkrankung kam für alle Beteiligten
völlig
überraschend. Dass er tatsächlich schwer krank war, kann nicht
bestritten werden,
da
eine langwierige Behandlung im Krankenhaus notwendig war.
Familie T. war wie
von den Socken von der Reaktion der Versicherung und wandte
sich
verzweifelt an die Konsumentenberatung der Arbeiterkammer Salzburg. Nach
einigem
Hin und Her zahlte die Versicherung - allerdings nur in Kulanz -
schließlich
die
Stornokosten von 812,77 Euro.
Seit dem letzten Jahr
häuften sich in den Konsumentenberatungen der
Arbeiterkammern - so auch in der AK-Salzburg - die Fälle, in denen Menschen,
die
an psychischen Erkrankungen leiden, von der Reise-Stornoversicherung
ausgeschlossen werden. In anderen Worten: Eine plötzlich auftretende
psychische
Erkrankung wird von den Versicherungen nicht als Stornogrund anerkannt.
Obwohl ein Versicherungsfall dann
vorliegt, "wenn aus gesundheitlichen Gründen,
deren Schweregrad für eine Reiseunfähigkeit ausschlaggebend ist
und vom behandelnden Arzt bestätigt wird", oder wenn "bestehende
Leiden
unerwartet akut werden", sind "Personen mit schweren behandlungspflichtigen
Organleiden, psychischen Störungen und Krankheiten des Nervensystems"
nicht
versichert
(z.B. Europäische Reiseversicherung).
Ähnlich die
Vertragsbestimmungen der Elvia Versicherung. Die Elvia schließt u.a.
Personen mit psychischen Leiden und akuten psychischen Störungen aus, es
sei
denn,
dass ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik von mehr als 5 Tagen
erforderlich
ist.
Die Versicherungsbedingungen des
Gerling-Konzerns gehen noch härter mit ihren
versicherten Urlaubern um. Kein Versicherungsschutz besteht hier z.B. bei
"chronischen Leiden, Nerven- sowie psychosomatischen Erkrankungen,
Kreislauf-,
Blutdruckerkrankungen, psychischen Leiden und Störungen und allgemeinen
Erschöpfungszuständen."
Warum eine Versicherung hier zwischen
einer körperlichen und psychischen
Erkrankung unterscheiden kann und darf, ist aus Sicht der Anfragesteller
absolut
nicht nachvollziehbar. Auch wenn man die wirtschaftliche Seite der Versicherung
berücksichtigt, kann man der Argumentation nicht folgen. Es handelt sich
bei den
Betroffenen nicht um Menschen, die aufgrund einer ständigen psychischen
Erkrankung ein erhöhtes Risiko für die Versicherung darstellen.
Nur dann, wenn vor der Abreise Sondervereinbarungen
getroffen werden, für die
es notwendig ist, ärztliche Atteste vorzulegen und von der Zustimmung des
Versicherers abhängen, kann auch ein psychisch Kranker versichert werden.
Konsumenten, die bereits an
einer diagnostizierten psychischen Erkrankung leiden,
sollten sich daher die Versicherungsbedingungen genau ansehen und - wenn
möglich - unter Vorlage von Attesten Sonderbedingungen schließen.
Die beschriebene Einstellung
psychisch kranken Menschen gegenüber bildet
sich logischerweise in unserem Alltag ab. Nur so ist es zu verstehen, wenn
es Kunden einer Versicherung hinnehmen, dass ein beachtlicher Teil des
gesamten Krankheitsspektrums vom Versicherer ausgeschlossen wird. Verträge
werden vom Versicherungsnehmer unterschrieben, vielleicht noch mit dem Tipp
des Maklers "psychisch krank (oder verrückt) werden Sie ohnehin
nie". Erst
wenn der Versicherungsfall eintritt, wird vom Betroffenen und seiner
Familie die Diskriminierung erkannt. In der Folge müssen dann Betroffene
in
einer Bittsteller-Haltung sehen, wie sie vielleicht "auf Kulanz"
einen Teil
der Kosten ersetzt bekommen, dies dann meist mit erheblicher zeitlicher
Verzögerung.
Die Diskriminierung, wie sie sich am
Beispiel von Reiseversicherungen
darstellt, ist nur ein Beispiel für die konsequent ablehnende Haltung von
Versicherern gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen. Viele
Menschen wissen nicht, dass auch in Zusatzversicherungs-Verträgen die
Behandlung von psychischen Erkrankungen in psychiatrischen Kliniken
ausgeschlossen wird. Auch hier ist meist zähes Verhandeln notwendig, um
auf
dem Kulanzweg einen Teil der erwachsenden Kosten ersetzt zu bekommen.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
Justiz
nachstehende Anfrage:
1. Wie
stehen Sie zur Initiative der AK-Salzburg, eine Änderung der Bedingungen
bei Reise-Stornoversicherungen zu erreichen, die psychische Erkrankungen mit
anderen Krankheiten gleichstellt?
2.
Halten Sie den Ausschluss von Personen mit bestimmten Erkrankungen - in
diesem Fall psychischen Erkrankungen - für ungerecht und diskriminierend,
da
damit u.a. den Betroffenen unterstellt wird, dass sie diese Leiden nur als
Vorwand
für Reisestornierungen
benützen?
3. Werden
Sie mit dem Verband der Versicherungsunternehmen diesbezüglich
Kontakt aufnehmen?
4. Wenn nein, weshalb nicht?
5. Sehen
Sie - zur Beseitigung dieser Diskriminierung von psychisch kranken
Menschen - einen (legistischen) Handlungsbedarf?
6. Wenn ja, welchen?
7. Wenn nein, weshalb nicht?
8. Werden
Sie konkrete Informationen von den Reiseversicherer - insbesondere
hinsichtlich sog. psychischer Erkrankungen - für Versicherungskunden vor
Vertragsabschluss verlangen?
9. Wenn nein, weshalb nicht?
10. Werden
Sie eine Änderung der Versicherungsbedingungen hinsichtlich des
Versicherungsabschlusses sog. psychischer Erkrankungen durchsetzen?
11. Wenn nein, weshalb nicht?
12. Sehen
Sie dies auch als Problem der Regelungen innerhalb der Europäischen
Union?
13. Wenn ja, welche Initiativen werden Sie demnach unternehmen?
14.Werden Sie den VKI beauftragen, mit einer Verbandsklage gegen diese
diskriminierenden und damit sittenwidrigen Vertragsbedingungen vorzugehen?
15. Wenn nein, weshalb nicht?