516/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Mag. Ulrike Lunacek, Freundinnen und

Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend die anti - homosexuelle Sonderstrafbestimmung § 209 StGB angesichts

geplanter Verschärfungen bei „Sexualdelikten“

 

 

Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat im Fall Sutherland bereits am

01.07.97 ausdrücklich höhere Altersgrenzen für homosexuelle als für heterosexuelle

Beziehungen als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention

(Art. 8, 14 EMRK) erkannt. UNO, Europarat und EU verlangen seit Jahren einheitliche

Altersgrenzen. Das EU - Parlament hat Österreich in den letzten drei Jahren viermal,

davon allein im Jahr 1998 dreimal, zweimal während seiner EU - Präsidentschaft,

zuletzt am 17.12.98, dringend aufgefordert, § 209 endlich aufzuheben und alle

(ausschließlich) danach zu Freiheitsstrafen Verurteilten zu begnadigen.

Am 11. November 1998 hat sogar der Menschenrechtsausschuß der Vereinten

Nationen von Österreich verlangt, das diskriminierende Mindestalter zu beseitigen

(„concluding observations“ zu Österreichs Bericht gem. Art. 40 des Internationalen

Paktes über bürgerliche und politische Rechte, 11.11.1998).

 

Die von § 209 StGB (zusätzlich zu anderen Tatbeständen) erfaßten „Taten“ sind (auch

in Österreich) im heterosexuellen und lesbischen Bereich völlig legal; sie interessieren

dort keine Sicherheits -  und keine Strafverfolgungsbehörde. Sexuelle Gewalt,

„Schändung“, sexueller Mißbrauch von Kindern, Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses,

Zuführung zur Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel und öffentliche sexuelle

Handlungen sind samt und sonders nach anderen Bestimmungen strafbar

(§§ 201 - 218 StGB). Alleinige Funktion des § 209 StGB ist es daher, einverständliche

sexuelle Beziehungen von mündigen Staatsbürgern (§ 74 Z. 1 StGB) zu kriminalisieren,

und dies ausschließlich zwischen Männern, während entsprechende Beziehungen

zwischen Frauen bzw. zwischen Frauen und Männern legal sind.

 

Ihr Amtsvorgänger, Dr. Michael Krüger, hat in einem Interview mit der Tageszeitung

„Der Standard“, abgedruckt in der Ausgabe vom 18.02.2000 (S. 9), die folgenden

Verschärfungen bei „Sexualdelikten“ angekündigt:

                • Beschäftigungsverbot für Verurteilte in pädagogischen Berufen

                • Benachrichtigung des Bürgermeisters der Wohnsitzgemeinde von Verurteilungen

                • Lebenslange Führungsaufsicht für Verurteilte.

Dr. Krüger hat dabei unterschiedslos von „Sexualdelikten“ gesprochen. Es steht daher

zu befürchten, dass anstatt einer Abschaffung dieser menschenrechtswidrigen

Bestimmung die Rechtsposition homosexueller Bürger durch die unterschiedslose

Verschärfung der Gesetze gegen „Sexualstraftäter“ ganz im Gegenteil noch weiter

verschlechtert wird.

 

Selbst Ihr Amtsvorgänger, sehr geehrter Herr Bundesminister, hat im Zusammenhang

mit § 209 StGB von „Mittelalter“ gesprochen (XX.GP. - NR 47. Sitzung, 27.11.1996).

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.  Halten Sie an den von Ihrem Amtsvorgänger in der Tageszeitung „Der Standard“

     vom 18.02.2000) angekündigten Verschärfungen für „Sexualstraftäter“ fest

     (Berufsverbot, lebenslange Führungsaufsicht, Benachrichtigung der

     Wohnsitzgemeinde) oder planen Sie Änderungen?

     Wenn ja, welche und warum?

 

2. Sollen diese Verschärfungen auch für das antihomosexuelle Sonderstrafgesetz

    § 209 StGB gelten?

    Wenn ja, warum und wie können Sie dies mit der Menschenrechtswidrigkeit dieser

    massiv diskriminierenden Bestimmung vereinbaren und dies auch im internationalen

    Bereich vertreten?