14/A XXII.GP
Eingelangt am:
20.12.2002
ANTRAG
der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines
Behinderten-Gleichstellungsgesetz
(Beh-GStG)
erlassen wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten-Gleichstellungsgesetz
(Beh-GStG)
erlassen wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
"Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines
Behinderten-Gleichstellungsgesetz (Beh-GStG)
erlassen wird
1. Abschnitt
ALLGEMEINE
BESTIMMUNGEN
§ 1 (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften,
die in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie deren Vollziehung sind auch in den
Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes - Verfassungsgesetz 1920 in der
Fassung von 1929 etwas anderes vorsieht.
§ 2 (1) Dieses Gesetz stellt allgemeine Regeln für die Umsetzung des Grundsatzes des
Verbots der Benachteiligung von behinderten Menschen gemäß Art.7 Abs. 13. Satz B - VG,
BGBl. 1/87/1997, auf.
(2) Dem gleichen Zweck dienende Bestimmungen in einzelnen Gesetzen
bleiben unberührt.
§ 3 (1) Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem lebenswichtigen
sozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig, sensorisch oder seelisch dauernd wesentlich
beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen gleich, denen eine solche Beeinträchtigung
in absehbarer Zeit droht. Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die
Bereiche Erziehung, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Kommunikation,
Wohnen und Freizeitgestaltung.
(2) Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen wegen ihrer Behinderung in der
gleichen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft oder in ihrer selbstbestimmten
Lebensführung behindert werden.
(3) Unter einer Diskriminierung ist
die Veranlassung, Fortsetzung oder Aufrechterhaltung
von Maßnahmen,
Strukturen, Verhaltensweisen oder Feststellungen zu verstehen, die
geeignet
sind, Menschen mit Behinderungen zu benachteiligen.
2. Abschnitt
GESETZLICH
GEREGELTE VERFAHREN
§ 4 In allen Verfahrensgesetzen ist vorzusehen, daß behinderten Menschen der gleiche
Zugang zu den Verfahren sowie die gleichberechtigte Teilhabe an den Verfahren
gewährleistet ist, wie nicht behinderten Menschen.
§ 5 Es sind Vorkehrungen zu treffen, daß in ihrer Mobilität beeinträchtigte Menschen
jederzeit ungehinderten Zugang zu den Örtlichkeiten haben, an denen gesetzlich geregelte
Verfahren stattfinden.
§ 6 In Verfahren, an denen gehörlose Personen teilnehmen, sind
Gebärdensprachdolmetscher, beziehungsweise andere adäquate Instrumente zur
Herstellung einer gleichberechtigten Teilhabe am Verfahren einzuschalten.
§ 7 Nehmen blinde oder hochgradig sehbehinderte Personen an Verfahren teil, ist Vorsorge
dafür zu treffen, daß schriftliche Verfahrensteile in einer Form gestaltet werden, daß sie von
diesen Personen wahrgenommen und behandelt werden können.
3. Abschnitt
BILDUNGSEINRICHTUNGEN
§ 8 (1) Bildungseinrichtungen sind so zu gestalten, daß der Zugang für behinderte
Menschen möglich ist.
(2) Die Erhalter und Betreiber von Bildungseinrichtungen haben die erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen, daß die genannten Einrichtungen von behinderten Menschen ohne
Schwierigkeiten erreicht werden können.
§ 9 Bildungsinhalte sind so zu vermitteln, daß sie von allen Menschen,
unabhängig von ihrer Behinderung, aufgenommen werden können.
§ 10 Bildungsbeschränkungen für behinderte Menschen dürfen gesetzlich
nicht festgelegt und auch durch die Vollziehung der Schul - und Hochschulgesetze nichtn
herbeigeführt werden.
4. Abschnitt
VERKEHR
§ 11 Öffentlich benutzbare
Verkehrseinrichtungen sind so zu gestalten, daß ihre Benützung
behinderten
Menschen in gleicher Weise wie Nichtbehinderten möglich ist.
§ 12 (1) Die Betreiber von öffentlichen Verkehrseinrichtungen haben ihr
rollendes Material und ihre öffentlich zugänglichen Einrichtungen den Erfordernissen von
bewegungsbehinderten und sinnesbeeinträchtigten Personen anzupassen.
(2) Betreiber von Eisenbahn - und Straßenbahnunternehmen haben
zumindest einen Waggon eines jeden Zuges behindertengerecht zu gestalten.
(3) Die jeweils ressortzuständigen Mitglieder der Bundesregierung
haben nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirats durch Verordnung festzulegen, in
welcher zeitlichen Frist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Adaptierung bestehender
Einrichtungen zu erfolgen hat, wobei unter Einrichtungen sämtliche Gebäude sowie für den
zivilen Personenverkehr
bestimmte Fahrzeuge zu verstehen sind. Diese Verordnungen bedürfen
der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats.
§ 13 Gehsteige sind insbesondere für Rollstuhlbenützer innerhalb eines
Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuschrägen, wobei gleichzeitig auf die speziellen
Erfordernisse von blinden und sehbehinderten Personen Rücksicht zu nehmen ist.
Grundsätzlich sind im Hinblick auf Bestimmungen dieses, aber auch des
5. Abschnittes, Lösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, anzustreben.
5. Abschnitt
GEBÄUDE
§ 14 (1) Bauwerke, die zur öffentlichen Benützung bestimmt sind sowie Gebäude, in denen
eine Beschäftigung ausgeübt wird, sind so zu gestalten, daß sie für behinderte Menschen
zugänglich sind.
(2) Bestehende Bauwerke sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend
umzugestalten, wobei bei historischen und denkmalgeschützten Bauten bewegliche
Adaptierungen zulässig sind. § 12 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.
§ 15 (1) Jedes neu errichtete Gebäude, unabhängig von seinem Zweck, ist so zu gestalten,
daß es von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten benützt werden kann.
(2) Im Falle der Nichtbeachtung des Abs. l ist der Baubeginn zu untersagen.
§ 16 Diese Bestimmungen gelten sinngemäß bei Renovierungen und Umgestaltungen
bestehender Bauwerke.
6. Abschnitt
BERUF
§ 17 (1) Berufszulassungsbestimmungen haben vorzusehen, daß behinderten der gleiche
Berufszugang offen steht, wie nicht behinderten Menschen.
(2) Berufszulassungsbestimmungen dürfen nicht in einer Weise definiert und ausgelegt
werden, daß sich hierdurch Benachteiligungen behinderter Menschen ergeben.
§ 18 (1) Feststellungen, auf Grund derer Prozentsätze der Erwerbsfähigkeit von behinderten
Menschen ermittelt werden, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes unzulässig.
§ 25 Bestimmungen in Gesetzen und
Verordnungen, die mit Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes in Widerspruch stehen, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes
nicht mehr
anzuwenden.
§ 26 Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesregierung
betraut.
§ 27 Dieses
Bundesgesetz tritt am ........................... in Kraft."
Allgemeiner Teil
Mit Verfassungsgesetz vom 13.
August 1997, BGB1 1/87/1997
sind Menschen mit
Behinderungen
bekanntlich in den Art. 7 Abs. 1 B - VG aufgenommen worden.
Der
Bundeskanzler hat im Dezember 1997 angeordnet, daß im Verfassungsdienst des BKA
eine
Arbeitsgruppe gebildet werde, die die Bundesgesetze nach Bestimmungen
durchforsten
sollte, die Benachteiligungen für Behinderte enthalten.
Diese Arbeitsgruppe hat sich am 8.
Jänner 1998 konstituiert und hielt seit Feber 1998
zahlreiche
Sitzungen ab. Sie wurde aus Beamten des BKA und einiger Ministerien,
Vertretern
von Behindertenorganisationen und Vertretern der im Parlament vertretenen
Parteien
gebildet.
Neben der Arbeitsgruppe im BKA gab es
noch Arbeitsgruppen im BMAGS, im BMUK und
im BMWV, die
ebenfalls jeweils zu mehreren Sitzungen zusammenkamen.
Das BKA hat
am 2. November 1998 einen "Vorläufigen Gesamtbericht" versendet, der
allerdings
verschiedentlich kritisiert wurde. Nach einigen ergänzenden Sitzungen erschien
anfangs Feber 1999 ein "Gesamtbericht", der in einer Sitzung im BKA
am 17.Feber 1999
mit
geringfügigen Änderungen von allen Teilnehmern an den Arbeitsgruppen akzeptiert
wurde. Im
Zuge der Durchforstung der Bundesgesetze wurden 60 bis 70 Gesetze
besprochen, in
denen Bestimmungen geortet wurden, die als behindertendiskriminierend
angesehen
werden können. Eine genaue Feststellung der Zahl der Gesetze bzw. der
diskriminierenden
Bestimmungen ist deshalb nicht möglich, weil innerhalb der
Arbeitsgruppe
keineswegs Einhelligkeit darüber bestand, ob eine Bestimmung
diskriminierend
ist oder nicht. Außerdem ergaben sich zahlreiche Fälle, in denen eine an
sich neutrale
Bestimmung im Vollzug diskriminierend wurde. Es ergab sich daher, daß
gesetzliche
Regelungen in manchen Fällen gar nicht abgeändert werden müßten, daß aber
ihre
Auslegung und der darauf basierende Vollzug zu Diskriminierungen führt.
Es wurde daher
bereits bei den Beratungen der Arbeitsgruppen der Gedanke geäußert, daß
in Ergänzung
zu der Verfassungsbestimmung nicht nur Korrekturen der einzelnen Gesetze
zu erfolgen
haben, sondern ein Allgemeines Behindertengleichstellungsgesetz nötig wäre.
Weiters muß
berücksichtigt werden, daß trotz intensiver Arbeit bei der Durchforstung
wahrscheinlich
Bestimmungen übersehen wurden, sodaß auch in diesem Zusammenhang ein
allgemeines
Gesetz erforderlich ist.
(2) Es ist in jedem einzelnen Fall die Fähigkeit des Bewerbers individuell festzustellen.
(3) Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.
7. Abschnitt
DISKRIMINIERUNGEN
§19 Behinderten Menschen darf der Zugang zu und die Benützung von Veranstaltungen,
Theatern, Kinos, Vergnügungslokalen, Gaststätten, Hotels und öffentlichen Bädern wegen
ihrer Behinderung nicht erschwert werden.
§ 20 Bestimmungen in normierten Verträgen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
Versicherungsbedingungen und dergleichen, die behinderte Menschen benachteiligen, sind
nichtig.
8. Abschnitt
RECHTSDURCHSETZUNG
§ 21 Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 stellt, sofern keine gerichtlich strafbare
Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit Geldstrafe von 5.000 bis zu
30.000 S zu ahnden.
§ 22 (1) In Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit Bestimmungen dieses
Gesetzes stehen, haben betroffene behinderte Menschen Parteistellung.
(2) Ob und welchen Organisationen der Behinderten Parteistellung gewährt wird, bestimmt
eine Verordnung der Bundesregierung, wobei nur solchen Organisationen Parteistellung
zuerkannt werden darf, die eine repräsentative Gruppe von behinderten Menschen vertreten.
§ 23 (1) Jede behinderte Person ist berechtigt, für den Fall der Beeinträchtigung ihrer
Lebensgestaltung durch Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes Klage vor den
ordentlichen Gerichten zu erheben.
(2) Die in dieser Klage geltend
gemachten Ansprüche beinhalten sowohl Erfüllung wie auch
Schadenersatz, hinsichtlich dessen § 87 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz anzuwenden
ist.
(3) Diese Klage richtet sich sowohl gegen die zuständige Gebietskörperschaft wie auch
gegen einzelne Personen, die Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt haben.
Im Zuge dieser Verfahren können Einstweilige Verfügungen gemäß § 24 UWG erlassen
werden.
§ 24 (1) Die ersterhobene Klage wegen einer bestimmten Verletzung dieses Gesetzes
schließt alle weiteren Klagen wegen derselben Verletzung aus.
(2) Allfällige weitere Betroffene
können sich jedoch diesem Verfahren als
Nebenintervenienten
anschließen.
(3) Auf Verfahren auf Grund dieses
Gesetzes sind die Verfahrensbestimmungen des
Amtshaftungsgesetzes
(BGBl. 20/1949 i.d.g.F.) nicht anzuwenden, doch ist die Klage
längstens
binnen einem Jahr ab Kenntnis der Beeinträchtigung bei Gericht einzubringen.
9. Abschnitt
SCHLUSSBESTIMMUNGEN.
Besonderer Teil
Die Einteilung in Abschnitte soll der besseren Übersicht dienen und entspricht auch der von
den Arbeitsgruppen eingehaltenen Vorgangsweise.
Zum 1. Abschnitt:
Zu § 1: Dieses Gesetz muß eine Verfassungsbestimmung enthalten, da anderenfalls infolge
der Zersplitterung der Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung eine Vollziehung des
Gesetzes nicht gewährleistet ist.
Zu § 2: Diese Bestimmung stellt die Verbindung mit der Ergänzung des Art 7 B - VG aus
dem Jahre 1997 her. Da in zahlreichen Gesetzen jedoch auf Grund der Ergebnisse der oben
dargestellten Arbeitsgruppen Änderungen werden vorgenommen werden müssen, soll im
Abs 2 zum Ausdruck gebracht werden, daß die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen
als allgemeine Richtlinien gedacht sind.
Zu § 3: Diese allgemeine Begriffsbestimmung der Behinderung ist dem
"Behindertenkonzept der Bundesregierung" entnommen und hat auch als Grundlage für
andere Gesetze zu dienen. Um einen Schutz vor Benachteiligung zu gewährleisten und eine
umfassende rechtliche Gleichstellung durch die verschiedenen legislativen Maßnahmen
sowie die Rechtsinterpretation zu ermöglichen, ist es notwendig, den Begriff der
Diskriminierung zu definieren.
Zum 2 .Abschnitt:
Bei der Behandlung der diversen Verfahrensgesetze hat sich herausgestellt, daß in allen die
gleichen Probleme auftreten, sodaß eine allgemeine Regelung geboten erscheint.
Unbeschadet dessen wurde das Problem "Gebärdensprache" bereits in Novellen zur StPO
und ZPO gesetzlich geregelt. (BGBl. I Nr.20 und 21/1999)
Zum 3. Abschnitt:
In §§ 9 und 10 wird das Problem der Ausbildung Behinderter in Form allgemeiner
Bestimmungen berührt. Die Regelung edukatorischer Probleme muß der Schulgesetzgebung
und die Probleme der Wissenschaftsvermittlung der Hochschulgesetzgebung überlassen
bleiben.
Im § 8 wird die bauliche Gestaltung von Bildungseinrichtungen geregelt, da die mangelnde
Zugangsmöglichkeit oftmals dazu führt, daß Behinderte in ihrer Bildung benachteiligt sind.
Zum 4. Abschnitt:
Mit diesen Bestimmungen sollen die oftmals geradezu lächerlichen Hindernisse beseitigt
werden, die den Behinderten die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben
erschweren. Ihre generelle Regelung in diesem Gesetz erspart zahlreiche Bestimmungen in
einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Die Zeitvorgaben für die Adaptierung
bestehender Einrichtungen sind durch die jeweils zuständigen Bundesminister per
Verordnung zu regeln, wobei die vorausgehende Anhörung des Bundesbehindertenbeirats
garantieren soll, daß die zeitlichen Fristen zur Umsetzung im Sinne der Zielvorgaben dieses
Gesetzes maximal beschränkt sind. Es hätte wenig Sinn gehabt, in dieses Gesetz allgemeine
Zeitvorgaben für die Adaptierung aller Einrichtungen festzuschreiben, da in einigen Fällen
die Maßnahmen in kurzer Zeit verwirklicht werden können, in anderen Fällen jedoch im
Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten mehrere Jahre veranschlagt werden
müssen. Eine Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats zu den Verordnungen
wird im Sinne einer raschestmöglichen Umsetzung aller Adaptierungsmaßnahmen für
notwendig erachtet.
Mithilfe einer Art "Stand der Technik" - Klausel soll in der Frage der konkreten
Verwirklichung der Bestimmungen der §§ 11 bis 16. was die Anwendung bestehender
Standards und Normen (ÖNORM, ISO etc.) betrifft, ein Spielraum geschaffen werden.
Durch die Determinierung "Stand der Technik" ist garantiert, daß die optimalen
Normvorgaben zum Einsatz kommen (beispielsweise Abschrägung der Gehsteigkanten bei
gleichzeitiger Kennzeichnung derselben durch taktile Aufmerksamkeitsfelder). Die
Erwähnung einer bestimmten Norm in diesem Gesetz hätte dies unter Umständen
verhindert.
Zum 5. Abschnitt:
Diese Bestimmungen bezwecken das gleiche für den Bereich Bauwesen, wie die
Bestimmungen für den Bereich Verkehr. Die an sich unsinnige Aufsplitterung der
Bauordnungen auf die einzelnen Länder macht diese Bestimmungen besonders bedeutsam.
Die Zeitvorgaben entsprechen dem 4. Abschnitt.
Zum 6. Abschnitt:
Hier muß darauf verwiesen werden, daß das Behinderteneinstellungsgesetz eine umfassende
Regelung für Unselbständige darstellt. Das BEinstG ist zwar in vielen Belangen
unvollkommen und entspricht nicht den Bedürfnissen der behinderten Arbeitnehmer, doch
ist es, wie alle Arbeits - und Sozialgesetze einer dauernden Novellierung unterworfen,
sodaß die Hoffnung besteht, daß einmal ein besseres Gesetz zustande kommt.
Aus diesem Grund beschränkt sich dieser Entwurf auf die Regelung von Berufszulassungen,
ein Bereich, der im BEinstG überhaupt nicht behandelt wird.
Zu § 18: Diese Regelung wirkt darüber hinaus auch auf sozialrechtliche Materien (zB
Behinderteneinstellungsgesetz; nicht jedoch Bundespflegegeldgesetz, wo der Pflegebedarf
nach gänzlich anderen Kriterien ermittelt wird). Der Grund, warum die prozentuelle
Bestimmung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt wird, liegt darin, daß sowohl eine
Prozentgrenze an sich als auch die anzuwendenden Feststellungsverfahren willkürlich
erscheinen.
Es gibt nämlich zahlreiche Fälle ,in denen Personen, die als 90% erwerbsunfähig eingestuft
wurden, hervorragende Arbeit leisten, die der eines 100%ig Arbeitsfähigen um nichts
nachsteht und es gibt auch sehr viele Fälle, die nach ärztlicher und berufskundlicher
Begutachtung als mehr als 50%ig arbeitsfähig eingestuft werden, nichts leisten können. Es
mag für die Bürokratie sehr bequem sein, Menschen schematisch abzustempeln, doch
entspricht dieses System nicht der Wirklichkeit, schadet den Betroffenen und mißachtet ihre
Menschenwürde. Aber auch der Wirtschaft ist nicht damit gedient, daß man Personal falsch
klassifiziert.
Die zu erwartenden Einwände werden sicher vor allem Kostenprobleme anführen.
Nun mag es tatsächlich billiger sein, Menschen nach einem Schablonensystem zu
klassifizieren, als sie richtig zu beurteilen, doch verursacht die Fehlbegutachtung
wirtschaftlich viel größere Schäden, als die zusätzlichen Kosten einer individuellen
Beurteilung.
Zum 7. Abschnitt:
Hier werden zwei weitverbreitete Benachteiligungen der Behinderten verboten, wobei der 5
20 dem Art. IX EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen)
entnommen ist und der § 21 eine unbedingt erforderliche Regelung darstellt, da die
ausschließliche Regelung mittels "genereller Normen" erfahrungsgemäß zu
Fehlinterpretationen oder mißbräuchlicher Handhabung führt.
Absichtlich wurde die hart umstrittene Frage des Notariatszwangs für Verträge von Blinden
hier nicht aufgenommen, weil dieses Problem noch gar nicht gelöst ist und durch einfache
Weg lassung im Notariatszwangsgesetz geregelt werden müßte.
Zum 8. Abschnitt:
Zu § 21: Dieser ist ebenso wie der § 20 dem EGVG nachgebildet.
Zu § 22: Dieser führt die Parteistellung behinderter Menschen ein, was ebenso
gerechtfertigt ist, wie die zahlreichen Nachbarschafts - und Anrainerrechte, die in letzter
Zeit immer häufiger in Verwaltungsverfahren zur Geltung kommen. Ob es auch eine
sogenannte Verbandsintervention geben soll bleibe dahingestellt. Keinesfalls dürfen die
Sozialpartner hier Rechte erhalten, da diese Behinderteninteressen niemals vertreten, wenn
sie dies auch gelegentlich behaupten.
Zu § 23: Hier ist eine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für betroffene Personen vorgesehen,
die in Österreich ungewöhnlich ist. Allerdings gibt es bekanntlich im
Sozialversicherungsrecht ein Vorbild, da ablehnende Bescheide der Sozialversicherungträger
in Leistungssachen vor dem Arbeits - und Sozialgericht, also einem Zivilgericht mit Klage
angefochten werden können.
Gegen die Form der Rechtsdurchsetzung im Wege einer Zivilklage wird oftmals angeführt,
daß sie umständlich, langwierig und kostspielig ist, während die Durchsetzung im
Verwaltungswege rascher und billiger sei. Diese Argumente können leicht entkräftet
werden.
Erstens wird das Verwaltungsverfahren im § 23 ausdrücklich zugelassen, sodaß beide Wege
gewählt werden können. Zudem muß leider festgestellt werden, daß in vielen
Verwaltungsverfahren das Wort RASCH ein Fremdwort ist. Dagegen gibt es im
Zivilverfahren das Institut der EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG, die tatsächlich rasch
erlassen wird. Aus Gründen der größeren Wirksamkeit wurde auf die Regelung des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verwiesen.
Ergänzend wäre noch zu bemerken, daß die Einreichung einer im § 23 konzipierten Klage
gegen eine Behörde die Problematik des Art. 94 B - VG (Gewaltentrennung) nicht berührt,
das es sich hier nicht um eine Zivilklage gegen einen Bescheid handelt, sondern um eine
Klage auf Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands und auf Schadenersatz.
Zu § 24 Abs.2: Diese Bestimmung mußte eingefügt werden, um die Blockade der
Gerichtsbarkeit durch Tausende von Klagen zu verhindern. Eine interne Aufteilung der
Kosten zwischen allen Betroffenen hängt aber von ihrer prozessualen Stellung als Kläger
oder Nebenintervenient nicht ab. Bewußt wurde in diesem Antrag auf die Einführung einer
sogenannten Verbandsklage verzichtet, weil eine solche eine Entmündigung des einzelnen
Betroffenen darstellt und Verbandsklagen oftmals nicht im Interesse der Betroffenen
sondern im Interesse des jeweiligen Verbandes geführt werden.
Kosten:
Die Feststellung, welche Kosten die
Vollziehung dieses Gesetzes verursachen wird, ist
schwer
abschätzbar.
Die Kosten der behördlichen
Vollziehung des Gesetzes werden geringfügig sein, da keine
ausufernden
Verwaltungsverfahren zu erwarten sind und die Kosten allfälliger gerichtlicher
Verfahren die
Gerichte nicht mehr belasten als andere Zivilverfahren auch.
Zum Teil hohe
Kosten sind für die Betreiber von Einrichtungen zu erwarten, welche sohin
behindertengerecht
ausgestattet werden müssen. Dies wird die öffentliche Hand ebenso
treffen wie
Private. Ein Blick in die Vereinigten Staaten beispielsweise zeigt jedoch, daß
öffentliche
wie private Einrichtungen und Betriebe es mittlerweile als selbstverständlich
betrachten,
daß die Herstellung des verfassungsrechtlich garantierten
Gleichheitsgrundsatzes
gelegentlich
Anstrengungen und Kosten verursacht, denen man sich schlichtweg nicht
verweigern
darf, will man die Grundfesten des demokratischen Staates nicht in Frage
stellen.
Dieses Bewußtsein gilt es - als Aufgabe aller gesellschaftlich maßgeblichen
Gruppen
- in jeder
Hinsicht zu stärken.
Als dritte Gruppe von
Kostenbetroffenen sind schließlich die behinderten Menschen selbst
zu erwähnen. Wie schon in den Erläuterungen zu § 23 ausgeführt, können die
Kosten von
Zivilprozessen
durch die Verfahrenshilfe und den in der ZPO vorgesehenen Kostenersatz
wesentlich
reduziert werden.
Abschließend weisen die unterfertigten
Abgeordneten der GRÜNEN darauf hin, daß das im
Art. 7 B - VG
normierte Staatsziel der Gleichbehandlung der behinderten Menschen im
täglichen
Leben durch das vorgeschlagene Gesetz entscheidend gefördert würde. Wie die
Beispiele
Vereinigte Staaten, Kanada, Australien oder auch die Ansätze im Vereinigten
Königreich
zeigen, führen Behindertengleichstellungsgesetze zu einem Quantensprung in
der
Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens für alle Bürgerinnen in einer freien
und
solidarischen
Gesellschaft.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den zuständigen Ausschuß
vorgeschlagen sowie
die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.