141/A XXII. GP

Eingebracht am 04.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Eder

und GenossInnen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung

(StVO 1960) BGBl Nr 159/1960, zuletzt geändert durch das BGBl I Nr 128/2002, geändert

wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO
1960) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen
werden (Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960) in der Fassung BGB1 Nr. 159/1960, zu
letzt geändert durch BGBl I Nr. 128/2002, wird wie folgt geändert:

l. § 9 Abs. 2 lautet:

„(2) Der Lenker eines Fahrzeuges hat einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf
einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und
ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der
Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit
nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich,
vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges vor
einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einem Radfahrer oder Rollschuhfahrer, der sich auf
einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet, oder diese erkennbar benützen will, das
ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen."


2. § 17 Abs. 2 lautet:

„(2) Das Vorbeifahren an einem in einer Haltestelle stehenden Schienenfahrzeug oder an
einem Omnibus des Schienenersatzverkehrs oder des Kraftfahrlinienverkehrs auf der Seite,
die für das Ein- oder Aussteigen bestimmt ist, ist verboten."

3. §29 Abs. l lautet:

„(1) Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind und Personen, die
aufgrund ihrer hochgradigen Sehbehinderung oder Erblindung mindestens in Pflegestufe 3
eingestuft sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Inhalt
und Form des Ausweises hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr durch
Verordnung zu bestimmen. Bei Wegfall der oben genannten Voraussetzungen ist der
Ausweis vom Inhaber der ausstellenden Behörde unverzüglich abzuliefern; kommt der
Inhaber dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Behörde den Ausweis zu entziehen.
Personen, die nur vorübergehend stark gehbehindert sind, wird auf Antrag ein auf die Dauer
der voraussichtlichen schweren Sehbehinderung ein befristeter Ausweis ausgestellt."

4. Dem § 34 wird folgender neuer Abs. 6 angefügt:

„(6) Anbringungsvorrichtungen für Straßenverkehrszeichen und Signalgeber (wie Standsäulen
und Mäste) auf Gehsteigen müssen zumindest in einer Höhe von 0,90 m bis 1,80 m über dem
Gehsteigniveau rot-weiß, schwarz-weiß oder schwarz-gelb bebändert werden. Kettenständer
und Absperrgitter müssen komplett mit einer rot-weißen, schwarz-weißen oder schwarz-
gelben Markierung versehen werden, Poller sind zumindest im oberen Drittel kontrastierend
zu kennzeichnen."

5.§ 48 Abs. 5 lautet:

„(5) Der Abstand zwischen dem unteren Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem
Gehsteigniveau darf bei seitlicher Anbringung nicht weniger als 2,20 m und nur in
Ausnahmefällen mehr als 3,00 m, bei Anbringung oberhalb der Fahrbahn nicht weniger als
4,50 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 5,50 m betragen, sofern sich aus den
Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bei einzelnen Straßenverkehrszeichen nichts anderes


ergibt. Bei seitlicher Anbringung darf der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn
zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet
nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in
Ausnahmefällen weniger als l m und mehr als 2,50 m betragen. Sind auf einer
Anbringungsvorrichtung mehr als ein Straßenverkehrszeichen angebracht, so gelten bei
untereinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des Höhenabstandes für das
untere Zeichen, bei nebeneinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des
Seitenabstandes für das näher der Fahrbahn angebrachte Zeichen. Die weiteren Zeichen sind
in einem solchen Fall entsprechend den Größenverhältnissen anzubringen."

6. Dem § 55 wird folgender neuer Abs. 8 angefügt:

„(8) Zur Sicherung und Leitung von sehbehinderten und blinden Verkehrsteilnehmern dürfen
auf Gehsteigen und bei Fahrbahnquerungen in Schutzbereichen auch tastbare
Bodeninformationen wie Aufmerksamkeitsfelder, Bodenleitstreifen und Auffanglinien in
Form von erhabenen oder vertieften Streifen- und Noppenindikatoren ausgeführt werden. Die
Indikatoren sind normkonform auszuführen."

7.§ 68 Abs. l lautet:

„(1) Auf Straßen mit einer Radfahranlage kann mit einspurigen Fahrrädern ohne Anhänger
die Radfahranlage benützt werden, wenn das Befahren der Radfahranlage in der vom
Radfahrer beabsichtigten Fahrtrichtung gemäß § 8a erlaubt ist. Mit Fahrrädern mit einem
Anhänger, der nicht breiter als 80 cm oder ausschließlich zur Personenbeförderung bestimmt
ist, sowie bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern kann die Radfahranlage benützt werden.
Mit Fahrrädern mit einem sonstigen Anhänger, mit mehrspurigen Fahrrädern und bei Fahren
mit höheren Geschwindigkeiten ist die für den übrigen Verkehr bestimmte Fahrbahn zu
benützen. Auf Gehsteigen und Gehwegen ist das Radfahren in der Längsrichtung verboten.
Auf Radfahranlagen ohne bauliche Trennung von Verkehrsflächen für Fußgänger dürfen
Radfahrer nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 10 km/h fahren und haben sich so zu
verhalten, dass Fußgänger nicht gefährdet oder behindert werden."

 


8.Nach § 76 Abs. 3 werden folgende neuen Abs. 3a und 3b eingefügt:

„(3 a) Fußgänger dürfen die Fahrbahn nur in Übereinstimmung mit dem für sie geltenden
grünen Lichtzeichen betreten. Das grüne Licht der Fußgängersignale ist jeweils mit viermal
grünblinkendem Licht zu beenden, wobei die Leucht- und die Dunkelphase abwechselnd je
eine halbe Sekunde zu betragen haben. Grün blinkendes Licht bedeutet das unmittelbar
bevorstehende Ende der Grünphase der Fußgängersignale. Wenn sich diese Zeichen ändern,
während sich die Fußgänger auf der Fahrbahn befinden, so dürfen sie die Überquerung der
Fahrbahn fortsetzen, bei Vorhandensein einer Schutzinsel jedoch nur bis zu dieser. Die
Räumzeit der Fußgängersignale ist durch Rotblinken anzuzeigen.

(3b) Als Ergänzung von Fußgängersignalen dürfen auch akustische und tastbare Zusatzsignale
verwendet werden. Zur Anzeige der Signalstandorte dienen akustische Orientierungs- bzw.
Auffindesignale mit einem Tickergeräusch und einer Taktfrequenz von l Hz (Metronom mit
Sekundenintervall). Die zusätzliche Anzeige der Fußgänger-Grünphasen einer
Verkehrslichtsignalanlage können durch akustische und tastbare Freigabesignale, welche
immer parallel zur optischen Grünanzeige abgegeben werden müssen, erfolgen. Das
akustische Freigabesignal besteht aus einem Tickergeräusch mit einer Taktfrequenz von 2 bis
3 Hz (Metronom mit doppeltem bis dreifachem Sekundenintervall). Tastbare
Zusatzsignalgeber für das Freigabesignal sind zusätzlich zum akustischen Freigabesignal als
vibrierende Signalgeber mit Richtungspfeilen an der Unterseite der
Fußgängeranmeldetableaus anzuordnen. Die akustischen und tastbaren Zusatzsignale von
Lichtsignalanlagen sind an den jeweiligen Stand der Technik anzupassen."

9. Im § 104 wird nachstehender Abs. 6 angefügt:

„(6) Die § 17 Abs. 2, § 68 Abs. l sowie § 76 Abs. 3a und 3b in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl I Nr......./2003 treten mit 1.1.2004, der § 34 Abs 6 und § 48 Abs. 5 in

der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr......./2003 mit 1.1.2005 in Kraft."

Gemäß § 29 Abs. 4 GOG wird verlangt, innerhalb von drei Monaten eine Erste Lesung über
diesen Antrag durchzuführen.

Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss

 


Erläuterungen

Auf Grund der in der letzten Zeit drastisch wachsenden Zahl von verunfallten Fußgängern
und der notwendigen Modernisierung und Adaptierung der Straßenverkehrseinrichtungen für
behinderte Personen sind eine Reihe substanzieller Verbesserungen im Rahmen der StVO
vorzunehmen. So sind Vorbeifahrverbote bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Maßnahmen zur
verbesserten Wahrnehmung von Straßenverkehrszeichen, auf Fußgängerflächen, eine
behindertengerechte verbesserte Straßenverkehrsinfrastruktur, Maßnahmen zu Verringerung
der Gefährdung von Fußgängern durch Radfahrer auf Fußgängerflächen und eine verbesserte
Wahrnehmbarkeit von Ampelsignalen erforderlich.

Zu Z 1:

Für Fußgänger und Radfahrer ist es derzeit schwer zu verstehen, gegenüber welchen
Fahrzeugen sie bei einem nicht geregelten Schutzweg bzw. bei einer Radfahrerüberfahrt
Vorrang haben. Schienenfahrzeuge haben zwar jetzt Vorrang gegenüber Fußgänger und
Radfahrer, wenn allerdings ein Kraftfahrzeug vor dem Schutzweg oder der
Radfahrerüberfahrt anhält, gilt auch derzeit schon gemäß § 17 Abs. 3 ein Vorbeifahrverbot,
sodass der Vorrang der Schienenfahrzeuge wieder aufgehoben ist. Im Sinne einer klar
verständlichen Regelung sollten Fußgänger und Radfahrer bei Schutzwegen und
Radfahrerüberfahrten Vorrang gegenüber allen Fahrzeugen haben.

Zu Z. 2::

Durch das vorgeschlagene Vorbeifahrverbot wird die Sicherheit der ein- und aussteigenden
Personen (insbesondere von Kindern, Senioren, mobilitätsbehinderte Menschen usw.)
wesentlich erhöht. Die bisherige Einzelentscheidung „...wenn es die Sicherheit erfordert, ist
anzuhalten" wird generalisiert, sodass mögliche Fehlentscheidungen von Fahrzeuglenkern
minimiert werden können.

Zu Z. 3:

In einem KFZ als Beifahrer mitfahrende hochgradig sehbehinderte oder blinde Menschen

waren bisher von den in § 29b der STVO geltenden Erleichterungen ausgeschlossen, was für

diese Personengruppe eine Benachteiligung bedeutet. In zahlreichen anderen gesetzlichen

Regelungen  sind  gehbehinderte  und  hochgradig  sehbehinderte  oder  blinde  Menschen

gleichgestellt:


Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,
BGBL. 303/96 edgF (Wenn Blindheit im Behindertenpass eingetragen ist)

Zu Z. 4:

Straßenverkehrszeichen und Signalgeber für den Fahrzeugverkehr werden immer am Gehsteig

angebracht. Durch die graue Lackierung der Standsäulen und Maste kommt es für

sehbehinderte Verkehrsteilnehmer sehr oft zu schmerzhaften Zusammenstößen. Durch eine

kontrastierende Farbgestaltung der Standsäulen, Mast, Kettenständer, Absperrgeländer und

Poller können diese Zusammenstöße wesentlich minimiert werden, da auf die Hindernisse im

Gehbereich optisch hingewiesen wird.

Früher waren alle Standsäulen in Österreich rot-weiß markiert; sie werden ohne Rücksicht auf

sehbehinderte Menschen nunmehr nur in grau ausgeführt. In Holland und Belgien werden

demgegenüber Signalmaste schwarz-weiß bzw. rot-weiß bebändert.

Zu Z. 5:

Straßenverkehrszeichen und Signalgeber für den Fahrzeugverkehr werden immer am Gehsteig
angebracht. Durch die erlaubte Montage der Verkehrszeichen ab einer Höhe von 0,60 m
kommt es zu wesentlichen Behinderungen des lichten Raumes für Fußgänger. Blinde
Menschen können zwar die Verkehrszeichenständer mit dem Langstock ertasten, nicht jedoch
in Kopf- und Brustbereich montierte Verkehrszeichen. Es kommt immer wieder zu
schmerzhaften Zusammenstößen mit scharfkantigen Verkehrszeichen. Um diese
Kollisionsgefahr zu vermeiden, dürfen Verkehrszeichen nur ab einer Höhe von 2,20 m über
dem Gehsteigsniveau montiert werden. Es ist weiters daraufhinzuweisen, dass
Verkehrszeichen, die höher montiert werden, auch von Fahrzeuglenkern, die in einer Kolonne
fahren, besser und frühzeitiger erkannt werden, wodurch eine wesentliche Steigerung der
Verkehrssicherheit erzielt werden kann.

Zu Z. 6:

Taktile Bodeninformationen auf Gehsteigen und bei Fahrbahnquerungen in
Schutzwegbereichen tragen wesentlich zur Verkehrssicherheit sehbehinderter und blinder
Menschen bei und müssen daher in der StVO berücksichtigt werden.

 


Zu Z. 7:

In letzter Zeit werden Radwege verstärkt in Gehbereiche von Fußgängern verlegt. Hier
bewegen sich die Radfahrer bei ca. 20 km/h mit der fünffachen Geschwindigkeit (4km/h) von
Fußgängern. Um die Gefährdung von Fußgängern durch Radfahrer zu minimieren, muss für
Radfahreinrichtungen auf Gehwegen oder bei kombinierten Geh- und Radwegen eine
Geschwindigkeit von maximal 10 km/h vorgeschrieben werden. Geübten, schneller fahrenden
Radfahrern soll es freigestellt werden, ob sie Radfahranlagen mitbenutzen, oder schneller auf
der Fahrbahn fahren wollen.

Zu Z: 8:

Hier wird die Bedeutung der Lichtzeichen für den Fahrzeugverkehr detailliert beschrieben.

Für Fußgänger muss es auch eine entsprechende, verständliche Regelung geben, Insbesondere

die Doppelbedeutung des Fußgängerrots ist für alle Verkehrsteilnehmer derzeit

unverständlich. Es soll daher - so wie in den USA - die Möglichkeit der erkennbaren

Signalisierung der Räumzeit eingeführt werden.

Akustische und tastbare Zusatzsignale sind für blinde, sehbehinderte aber auch taube und

ertaubte Verkehrsteilnehmer eine wichtige Voraussetzung zur Erhöhung der Sicherheit und

zur Erleichterung ihrer Orientierung; sie sind ein wesentlicher Beitrag zum selbstbestimmten

Leben. In Art. 7 der österreichischen Bundesverfassung ist die Gleichbehandlung behindertet

Menschen fixiert.