281/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Lackner, Renate Csörgits, Erika Scharer, Beate Schasching, Heidrun

Silhavy, Ing. Kaipel, Dr. Kräuter, Mag. Maier, Spindelberger

und GenossInnen

betreffend Transparente Finanzierung der Krankenversicherung

Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten unter sozialdemokratischer Führung zu einem
der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt, mit niedriger Arbeitslosigkeit und gutem
Wirtschaftswachstum, bei gleichzeitiger Preisstabilität.

Ein wesentlicher Teil dieser positiven Entwicklung stützt sich auf unsere Systeme der
sozialen Sicherheit.

Ein elementarer Pfeiler der sozialen Sicherheit ist das österreichische Gesundheitssystem.
Es ist nachgewiesen, dass die Gesundheitschancen entsprechend dem Einkommen und dem
sozialen Status unterschiedlich sind, daher ist es wichtig festzuhalten, dass die
gesundheitliche Versorgung ein öffentliches Anliegen und nicht die Privatsache der
Bürgerinnen ist.

Es war der gesamtgesellschaftliche Konsens, dass in Österreich grundsätzlich das
Finanzierungsprinzip der solidarischen Finanzierung über Beiträge und Steuern gilt.

Die gesamten, öffentlichen und privaten Ausgaben für Gesundheit betrugen in
Österreich im Jahr 2001 ca. 7,7 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Die Quote der Gesundheitsausgaben ist damit im mittleren Bereich der westlichen
Wohlstandswelt. Die europäischen Spitzenreiter sind Deutschland 10,7 %, Schweiz
10,9 % und Frankreich 9,5% (USA 13,9%).

In absoluten Werten pro Kopf betrugen die Gesundheitsausgaben 2001 in den USA
rund 4.900 € in der Schweiz fast 3.160 €, in Deutschland etwa 2.808 €, in Österreich
2.191 € und in Großbritannien rund l .992 €.


Die österreichischen Gesundheitsausgaben erscheinen im internationalen Vergleich
vertretbar und weisen in den letzten Jahrzehnten auch bezüglich der Wachstumsraten
keine besonderen Auffälligkeiten auf. Die Gesundheitsausgaben steigen in allen
wohlhabenden Gesellschaften mit wachsendem Wohlstand überproportional.

Für die Gesamtsituation im Gesundheitswesen ist die finanzielle Situation der
Krankenkassen entscheidend.

Die Defizite der Krankenkassen bewegten sich in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen

150 und 250 Mio. €, also bei jährlich ca. 2,5 % der Einnahmen. Diese Abgänge werden

sich aber drastisch verschärfen. Im Jahr 2006 wird trotz der massiven Belastungen

durch das Budgetbegleitgesetz 2003 ein Abgang von l Mia. € erwartet.

Diese Defizite haben im wesentlichen drei Ursachen: Die Beiträge der Versicherten wachsen

langsamer als das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Medikamentenkosten steigen sehr schnell

und sehr stark und gesetzliche Maßnahmen belasten die Krankenkassen zusätzlich.

Der Prüfstein für unser Gesundheitssystem ist die Zukunftsfähigkeit. Investitionen in
Innovation und Weiterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems sind die
wesentlichen Herausforderungen.

Für uns gilt der Grundsatz, dass sich eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik nicht
damit zufrieden geben darf das Erreichte abzusichern, sondern sie muss sich den neuen
Herausforderungen stellen.

Die finanzielle Konsolidierung soll daher nicht über Leistungskürzungen und die generelle
Erhöhung von Selbstbehalten erfolgen, sondern über Produktivitäts- und
Qualitätssteigerungen und neuen Elementen der transparenten, gerechten Finanzierung.

Selbstbehalte als Finanzierungsinstrument verschieben dem gegenüber die Relationen zu
Lasten jener, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Kranke Menschen haben
konsequenterweise mehr zu zahlen als relativ Gesunde. Nachdem zwischen Einkommen und
Gesundheitsrisiko ein eindeutiger Zusammenhang besteht, verlagert eine Politik der
Selbstbehalte finanzielle Lasten von den (relativ) Gesunden und Wohlhabenden zu
Bevölkerungsschichten mit höherem Krankheitsrisiko und gleichzeitig niedrigerem
Einkommen.


Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument
eingesetzt, sie dienen als Symbol für einen liberalen marktorientierten Politikansatz, der
individuelle Verantwortung in den Vordergrund stellt.

In Verbindung mit einer Politik, die auf eine Senkung der Staatsquote ausgerichtet ist, werden
Selbstbehalte zu einer verteilungspolitisch motivierten, regressiv ausgerichteten
Finanzierungsquelle.

Ein Beitrag zur Lösung der offensichtlichen Strukturprobleme im Gesundheitswesen wird
damit aber nicht geleistet.

Daher bedeutet für uns die Reform des Gesundheitswesens auch die anstehenden
Finanzierungsprobleme zu lösen.

Im österreichischen System werden versicherungsfremde Leistungen, wie Arbeitsmarkt- und
Familienleistungen von den Krankenversicherungsträgern erbracht (z. B.
Lehrlingsförderungen, das Wochengeld etc.), die dem Krankenversicherungsträgern nicht
kostendeckend ersetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis
29. Mai 2004 eine Regierungsvorlage für eine umfassende, sozial gerechte Gesundheitsreform
zuzuleiten. Die Gesetzesvorlage hat insbesondere folgenden Punkt zu enthalten:

Versicherungsfremde Leistungen, wie Arbeitsmarkt- und Familienleistungen (z. B.
Lehrlingsförderungen, das Wochengeld etc.) sind den Krankenversicherungsträgem
kostendeckend zu ersetzen."

Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss