570/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 31.03.2005
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Lackner, Maga. Elisabeth Grossmann
und GenossInnen
betreffend Prüfung bei der Neuzulassung von Arzneimittel für
Kinder und Jugendliche
Nach
Einschätzung von Experten sind 80 Prozent der Arzneimittel, die in der
Kinderheilkunde eingesetzt werden, für diesen Indikationsbereich nicht
zugelassen. Diese
Medikamente sind mithin nicht gezielt und systematisch untersucht worden, so
weit es um
ihre Dosierung, Wirksamkeit und Nebenwirkungen bei der pädiatrischen Anwendung
geht.
Für etwa 40
Prozent der in Deutschland verordneten Medikamente, die nach der
Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unverzichtbar sind, gilt
nach
Herstellerangaben in der Kinderheilkunde ein prinzipielles Anwendungsverbot.
Die
Kinderärzte müssen jedoch solche „Erwachsenenmedikamente" zur Therapie
einsetzen, wenn
ein Heilungsversuch Erfolg verspricht.
In diesen Fällen bewegen sich die Kinderärzte außerhalb des haftungsrechtlichen Schutzes des Arzneimittelgesetzes. Für Heilversuche mit „Erwachsenenmedikamenten" benötigen die Pädiater die spezielle Einwilligung der Eltern oder sonstiger Erziehungsberechtigten und - so weit möglich – die der Kinder selbst.
Von der therapeutisch wirksamen Dosis eines Arzneimittels, das zur
Behandlung einer
Erkrankung bei Erwachsenen angewandt wird, kann nicht ohne Weiteres eine für
den
kindlichen oder jugendlichen Organismus wirksame Dosis abgeleitet werden.
Kinder und
Jugendliche können nicht als kleine Erwachsene angesehen und therapiert werden.
Die Kinderheilkunde unterscheidet anhand der Reifungs- und
Differenzierungsprozesse des
Organismus vielmehr fünf Entwicklungsstadien (Frühgeborene, Neugeborene,
Kleinkinder,
Schulkinder und Adoleszente), die jeweils durch physiologische Besonderheiten
gekennzeichnet sind, die ihrerseits für die Arzneimitteltherapie relevant sind.
Wegen des Fehlens systematisch erhobener wissenschaftlicher Daten
verharrt die
Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen notwendigerweise auf der
Stufe der
Empirie, wenn „Erwachsenenmedikamente" eingesetzt werden. Die vorhandenen
Therapieempfehlungen sind letztlich mit einer „Kochrezeptesammlung"
vergleichbar.
Die medikamentöse Behandlung von Kindern und Jugendlichen weist demnach nicht
den
Qualitätsstandard auf, der bei Erwachsenen erreicht ist. Der Einsatz von
„Erwachsenenmedikamenten" in der Pädiatrie geht mit einem höheren Risiko
für unerwünschte Nebenwirkungen einher, es kann zu klinisch relevanten Über-
und
Unterdosierungen kommen. Diese Situation kann sich zudem dadurch weiter
verschärfen,
dass in der Kinderheilkunde gut bewährte Präparate wegen fehlender
wirtschaftlicher
Interessen der pharmazeutischen Unternehmer nicht mehr in die Nachzulassung
gebracht und
deshalb alsbald nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Die Kinder, die in
Österreich leben, haben aber dasselbe Recht auf eine adäquate, effiziente und
sichere Pharmakotherapie wie Erwachsene.
Mit dem Problem des Einsatzes von „Erwachsenenmedikamenten" in
der Kinderheilkunde ist
nicht nur Österreich konfrontiert. Zu seiner Lösung sind weltweit verschiedene
Alternativen
entwickelt worden. Die USA haben eine Vorreiterrolle übernommen. Mit dem
Modernization
Act von 1997 haben sie ein Gesetzpaket geschnürt, das zum einen Zwangsmaßnahmen
und
zum anderen wirtschaftliche Anreize enthält.
Die Hersteller innovativer Arzneimittel sind seither angehalten, die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen und die entsprechenden Nachweise beizubringen, wenn erwartet werden kann, dass das Medikament für die Behandlung kranker Kinder und Jugendlicher geeignet ist.
Die Sicherheit und therapeutische Wirksamkeit solcher Arzneimittel müssen für jede einzelne Altersgruppe untersucht werden. Ferner kann die US-amerikanische Zulassungsbehörde, die Food and Drug Administration (FDA), kindgerechte Darreichungsformen vorschreiben. Den Herstellern bereits zugelassener „Erwachsenenmedikamente" kann die FDA gegebenenfalls vorgeben, ihre Präparate im nachhinein für den Einsatz in der Kinderheilkunde zu untersuchen. So wurde schon eine Prioritätenliste erstellt, die 400 zu prüfende Wirkstoffe umfasst.
Die wirtschaftlichen Anreize bestehen in der Verlängerung des
Patentschutzes bzw.
Alleinvertriebsrechts um sechs Monate, wenn das Arzneimittel auch für den
Einsatz in der
Kinderheilkunde zugelassen wird. Beantragt der Arzneimittelhersteller eine
nachträgliche
Indikationsstellung in der Kinderheilkunde, wird er von den Bearbeitungsgebühren
befreit.
Die Pediatric Rule sieht weitere Verbesserungen vor: Bei der FDA ist
ein Ausschuss
pädiatrischer Sachverständiger einzusetzen, Leitlinien über kinetische und
klinische Studien
mit Kindern und Jugendlichen sind zu erarbeiten und zu veröffentlichen,
schließlich ist die
systematische Begleitung und Überwachung aller Studien zu gewährleisten, die
mit Kindern
durchgeführt werden.
Darüber hinaus werden in den USA staatliche Zuschüsse für
Kompetenzzentren gezahlt, die
Studien mit Wirkstoffen vorbereiten, durchführen und auswerten, die in der
Kinderheilkunde
eingesetzt werden sollen. Weiters fließen unmittelbar staatliche Gelder in die
Förderung
von Forschung an und mit Wirkstoffen, die in der Pädiatrie angewendet werden
sollen. Die
Europäische Kommission hat ähnliche Konzepte erarbeitet.
Im Gegensatz zu den staatlichen Aktivitäten spielt die Entwicklung
von Medikamenten für
Kinder in der Arzneimittelforschung der Pharmaunternehmen lediglich eine
untergeordnete
Rolle. Die Gründe hierfür sind die hohen Entwicklungskosten, die begrenzten
Absatzchancen
auf dem Markt und das ausgeprägtere Risiko des Auftretens
unerwünschter Nebenwirkungen
in der klinischen Prüfung.
Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen hat die SPÖ seit Dezember 2001 immer wieder darauf hingewiesen, dass unter dem Strich die Situation auf dem Gebiet der Arzneimittelsicherheit in der Kinderheilkunde so unbefriedigend ist, dass sie nicht länger hinnehmbar ist.
Es war den unterfertigten Abgeordneten völlig unverständlich, dass die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ am 25. März gegen diese wichtigen Initiativen gestimmt haben.
Umso erfreulicher ist es, dass in
unter Punkt
„B) OPERATIVES JAHRESPROGRAMM DES
RATES“,
folgende Schritte festgelegt sind:
„Auf
Grundlage des dreijährigen Strategieprogramms haben Luxemburg und das
Vereinigte Königreich gemäß der Geschäftsordnung des Rates am 2. Dezember 2004
das operative Jahresprogramm des Rates 2005 vorgelegt. Dies ist das dritte
derartige Programm. ...
Gesundheit
.... Was
die legislativen Vorschläge wie etwa die Verordnung für Kinderarzneimittel,
das Tissue enginieering und die Revision des Besitzstandes im Bereich
Medizinprodukte betrifft so wird der Rat die Arbeiten aufnehmen bzw.
fortsetzen. ...“
Damit ist eindeutig bestätigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag:
"Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird
aufgefordert, folgende
Punkte zu prüfen und dem Nationalrat bis zum 31. Dezember 2005 einen Bericht
vorzulegen:
1. Ob
Arzneimittelhersteller nach dem europäischen und dem nationalen
Arzneimittelrecht
angehalten werden können, bei Neu- und insbesondere auch bei Nachzulassungen
die Indikationsstellung auch für die Kinderheilkunde zu beantragen und die dazu
erforderlichen Unterlagen, insbesondere klinische Studien einzureichen, wenn
absehbar
ist, dass dem jeweiligen Medikament für die Behandlung kranker Kinder und
Jugendlicher ein hoher Stellenwert zukommt.
2. Ob
der Patent- und/oder Verwertungsschutz verlängert werden kann, wenn der
Arzneimittelhersteller eine Indikationsstellung des Medikaments auch für die
Kinderheilkunde beantragt und die erforderlichen Nachweise und Unterlagen
beibringt.
Zuweisungsvorschlag: Gesundheitsausschuss