61/A(E) XXII. GP

Eingebracht am 06.03.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend Reform des Lebensmittelgesetzes und seiner Vollziehung

Das Lebensmittelgesetz aus dem Jahr 1975, das in seinen Grundzügen auf das LMG 1951 zurückgeht, entspricht nicht der heutigen Situation im Lebensmittelhandel und des heutigen Konsumentinnenverhaltens (Handelsketten mit Filialleiterinnen, freier Warenverkehr innerhalb der EU, verpackte Lebensmittel, hoher Verarbeitungsgrad der Lebensmittel,...). Außerdem bestehen diverse Vollzugsdefizite. Darauf wiesen Experten in der Enquete-Kommission "Die Reaktion auf strafbares Verhalten ..." im vergangenen Sommer hin und entwickelten diverse Reformvorschläge. Unter anderem wurde bemerkt, dass einzelne StaatsanwältInnen, Richterinnen und vor allem die Mitarbeiterinnen der umweltkriminalpolizeilichen Abteilungen hervorragende Arbeit bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht leisten. Insgesamt betrachtet bestehe jedoch kein einheitliches Informationsniveau bei ermittelnden Behörden und Gerichten, sodass Experten bei der Enquete- Kommission von mangelnder Effizienz und häufiger Einstellung von Verfahren sprachen. Dies führe nicht nur zu Risiken für Leib und Leben, sondern auch zu Marktverzerrungen zu Ungunsten der rechtstreuen Unternehmerinnen. Außerdem hafte den Ergebnissen der Strafverfahren auf Grund der unterschiedlicher Niveaus der Ermittlungsbehörden und Gerichte eine gewisse Willkür an.

Im Lebensmittelbereich sind im Zusammenhang mit Verstößen gegen Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes oder seiner Verordnungen einerseits verwaltungsrechtliche Sanktionen (zB falsche Kennzeichnung, wertgeminderte Waren) vorgesehen, für bestimmte Verstöße sind jedoch strafrechtliche Sanktionen vorgesehen. Zweiteres betrifft vor allem das Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen Produkten aber auch insbesonders von verdorbenen, verfälschten oder nachgemachten Produkten.

Im Bereich der Verwaltungsstrafen werden folgende Problemzonen geortet:

1.             Viele Verfahren werden vielfach aus formalen Gründen oder fast mutwillig vom Unabhängigen                 Verwaltungssenat eingestellt.

                (Ein Beispiel: ein Verfahren wegen nicht gekennzeichneter Äpfel, die ein Lebensmittelhändler verkauft                 hat, wurde in der Berufung vom Unabhängigen Verwaltungssenat eingestellt, weil in der                 Tatbeschreibung der strafenden Behörde die beanstandete Ware als "Äpfel" beschrieben war, anstelle der näheren Beschreibung "Äpfel der Obstart Malus sylvestris Mill.")


                Ein anderes aktuelles Beispiel: Obwohl die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung neben der Angabe                 des Mindesthaltbarkeitsdatums bei bereits abgelaufener Ware auch einen ausdrücklichen Hinweis auf den                 Umstand des überschrittenen Haltbarkeitsdatums zwingend vorsieht, entscheidet der Unabhängige                 Verwaltungssenat, dass dieser zwingende Hinweis bereits durch die (ohnehin vorhandene) Angabe des                 Haltbarkeitsdatums gegeben sei. Obwohl dies der geltenden Rechtslage widerspricht, ist eine Berufung                 gegen dieses Urteil mangels Parteistellung der Behörde nicht möglich.

                Durch eine derartige Entscheidungspraxis wird dazu beigetragen, dass insbesondere im Bereich der                 Kennzeichnung die Moral zur Einhaltung von Kennzeichnungsvorschriften entsprechend unbefriedigend                 ist.

2.                Verwaltungsstrafen fallen niedrig aus und sind damit keinerlei Anreiz für Unternehmungen die                 strafbewehrten Handlungen zu unterlassen. Der Gesamtbetrag an verhängten Strafen betrug im Jahr 1997                 etwa 1,5 Millionen Schilling. Pro eingeleitetem Verwaltungsverfahren ergibt dies einen                 Durchschnittsbetrag von rund öS 1.000,-

                (unbedingte Geldstrafen, die vom Gericht verhängt wurden, lagen 1997 sogar bei öS 126,-je verfolgtem                 Fall).

3.             Ein wesentliches Problem stellt die Überantwortung der lebensmittelrechtlichen Verantwortlichkeiten auf   die Arbeitnehmer, im Regelfall den Filialleiter, dar. Damit werden vielfach Arbeitnehmer mit                 Strafsanktionen konfrontiert, die aufgrund der internen betrieblichen Strukturen nicht die notwendigen                 Entscheidungsbefugnisse besitzen und die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis haben.

                Durch die Möglichkeit der Nennung eines verantwortlichen Beauftragten je Filialbetrieb von großen                 Handelsketten, ist auch bei Rechtsverletzungen, die in vielen Filialbetrieben (oft durch indirekte                 innerbetriebliche Anweisung bzw. sehr schwer nachweisbare Weisungen durch die Konzernleitung oder                 Geschäftsführung) gleichzeitig auftreten, zumeist immer der jeweilige Filialleiter verantwortlich. Damit     werden die Fälle als Einzelfälle behandelt und kumulierte, höhere und damit effektivere Strafbeträge, wie                 sie im Fall von Tatwiederholungen anwendbar wären, unterbleiben.

Bei den Gerichtsstrafen stellt sich die Lage folgendermaßen dar:

1.             Im Bereich der gerichtlichen Strafen ist die Sanktionsmöglichkeit an das

                subjektiven Verschulden eines Täters geknüpft. Hat der ermittelte Täter die Tat subjektiv nicht                 verschuldet, wird freigesprochen. Die Suche nach anderen möglichen Tätern beginnt. (Beispiel: Auch bei                 eindeutig nachgewiesener Belastung eines Frischhuhnes mit Salmonellen, durch die dieses Produkt als                 gesundheitsschädlich zu beurteilen ist, kann der angezeigte Verkäufer des Produktes freigesprochen                 werden, da er (im Regelfall) subjektiv an dem Vorhandensein von Salmonellen nicht schuld ist. Dies        führt dazu, dass trotz möglicher Gesundheitsschädigung durch ein derartiges Produkt niemand gestraft werden wird.)


2.             Auf der Suche nach weiteren möglichen Verantwortlichen eines Deliktes (zB derjenige der die                 Salmonellenbelastung zu verantworten hat) tritt Verfolgungsverjährung ein. (Verfolgungsverjährung     beträgt ein Jahr bei Taten die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind.)

3.             Der Strafrahmen könnte zunehmend (von Richtern) als zu drakonisch im Vergleich zu anderen Straftaten                 außerhalb des Lebensmittelbereiches angesehen werden und dies könnte Einfluss auf die Spruchpraxis                 gewinnen.

In der Enquete-Kommission wurde außerdem angeregt, dass Verwaltungsstrafdrohungen im Futtermittelgesetz verankert werden sollten (Protokoll vom 20.6. S. 5). Insgesamt ging die Enquete-Kommission davon aus, dass in erster Linie die Optimierung der Kontrollmöglichkeiten erforderlich sei, da die Präventionswirkung vor allem darin liege.

Auch in der Enquete „Lebensmittelsicherheit in Österreich und Europa" am 2. Feber 2001 wurde von Seiten der Minister Haupt und Molterer auf Grund er Vorfälle bei der Schweinemast eine Novellierung des Lebensmittelrechts in Aussicht gestellt (S. 9 und S. 12).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird beauftragt, umgehend eine Novellierung des Lebensmittelgesetzes im Hinblick auf mehr Effizienz und Beseitigung der Vollzugsdefizite vorzunehmen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.