Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

zur Regierungsvorlage betreffend eine Staatsbürgerschaftsnovelle

 

Grundsätzliches:

Die Reform des Staatsbürgerschaftswesens wurde im Regierungsprogramm aus 3 Motiven angekündigt:

·       Einschränkung der vorzeitigen Einbürgerung vor Ablauf von 10 Jahren (Reduktion der vorzeitigen Verleihung aus besonderen Gründen).

·       Keine Ausweitung der Doppelstaatsbürgerschaft.

·       Erleichterung und Beibehaltung und Wiedererlangung der Österreichischen Staatsbürgerschaft.

 

Zunächst ist die angegebene Motivationslage zu bezweifeln. Die vorzeitige Einbürgerung nach 4 – 6 Jahren erfolgte im Jahr 2004 in 3,6% der Fälle. Die „Nichtausweitung“ der Doppelstaatsbürgerschaft“ schafft als „Negativankündigung“ wohl keinen Reformbedarf. Der letzte Punkt ist nicht kontroversiell.

Die eigentliche Motivationslage wurde nicht ausdrücklich kommuniziert. Sie besteht in einer Verzögerung bis hin zum Ausschluss von der Verleihung der Staatsbürgerschaft für alle Betroffenen und ohne Unterschied. Der Gesetzgeber bietet eine beinahe endlose Reihe an Beispielen dafür. Zuletzt hat er unter dem Titel „der Vereinheitlichung“ kurzfristig mit der Regierungsvorlage eine Gebührenänderung vorgeschlagen. Diese bringt für eine 4köpfige Familie eine Erhöhung der Verleihungsgebühren um mehr als das 3fache. Dass der Gesetzgeber das lapidar als Wertanpassung kommentiert, zeigt, dass er Integration einen hohen Preis, aber keinen Wert beimisst. Prüfungen für minderjährige Kinder, längere Wartezeiten für minderjährige generell und Hürden bei der Erstreckungen der Staatsbürgerschaft auf Kinder und EhegattInnen widersprechen Binsenweisheiten, wonach Integration bei Kindern und innerhalb von Familien besonders fruchtbringend unterstützt werden kann.

Der Gesetzgeber wird nicht müde zu betonen, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Endpunkt einer gelungenen Integration darstellt. Die Realität ist eine andere. Die Wahrnehmung von AusländerInnen als fremd endet nicht mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Integrationsangebote, Schutz vor Diskriminierung für Menschen mit Migrationshintergrund ist auch nach einer Einbürgerung notwendig.

Nach Ansicht der Grünen kann für eine Reform der Staatsbürgerschaft nur der Integrationsgedanke im Sinne eines fairen Angebotes maßgebend sein. Menschen, die seit mehreren Jahren hier rechtmäßig ihren Lebensmittelpunkt haben, sollen mit gleichen Rechten und Pflichten an der Gesellschaft partizipieren können. Erst die Gleichstellung schafft überhaupt die Möglichkeit einer vollständigen Integration.

Hier ist kein Platz für die auf Abwehr gerichtete Grundhaltung. Der Gesetzgeber verfehlt mit dieser Regierungsvorlage nun auch im Staatsbürgerschaftsrecht vor lauter Missbrauchsverdacht das Ziel sachgerechter und praxistauglicher Bestimmungen. Es handelt sich um schwer zu korrigierende Fehler, die Österreichs Zukunftsfähigkeit beeinträchtigen werden. Die Fähigkeit mit Zuwanderung und Integration umzugehen, wird in den nächsten Jahrzehnten über Erfolg und Misserfolg einer Gesellschaft, aber auch einer Volkswirtschaft entscheiden.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen der Regierungsvorlage. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird auf  Personengruppen bzw. Fallkonstellationen abgestellt:

 

1. Anerkannte Flüchtlinge

Es kommt es zu einer Fristverlängerung von 4 auf 6 Jahre. Der nunmehr vorgesehene Rechtsanspruch steht unter vielfältigen Voraussetzungen und schafft keine Möglichkeit von einzelnen Voraussetzungen abzusehen. Dies wäre aber unter vielerlei Hinsicht geboten. Flüchtlinge haben ihre Heimat nicht freiwillig verlassen. Oft sind sie gezeichnet von der Situation im Heimatland, traumatisiert von erlittener Folter und können längerfristig kein Erwerbseinkommen erzielen. Der Ausschluss von der Staatsbürgerschaft ist durch die neue Gesetzeslage dann die Folge. Letztlich widerspricht die in der Einleitung hervorgehobene Gebührenerhöhung für die Verleihung im Einzelfall dem Art 34 der Genfer Flüchtlingskonvention. Nach Art. 34 GFK ist Flüchtlingen die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern. Der Gesetzgeber schafft es damit, selbst  mit dem Staatsbürgerschaftsrecht, in Konflikt zur GFK zu geraten. 

 

2. Personen mit Refoulementschutz

Diese Personen sind in Österreich, weil sie im Heimatland unmenschliche Behandlung, Folter oder die Todesstrafe erwartet. Sie haben statt 6 Jahren nun eine  Wartefrist von 15 Jahren für die Einbürgerung. UNHCR betont immer wieder, dass diese Personengruppe ähnlich den anerkannten Flüchtlingen zu beurteilen ist. Beide waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, beide hatten Verfolgung erlitten oder zu befürchten. Zu berücksichtigen ist weiters, dass Personen mit Refoulementschutz keinen Konventionspass erhalten.

 

3. Minderjährige

Die Wartefrist klettert von 4 Jahren auf 10 Jahre. Minderjährige, die in Österreich geboren wurden erhalten anstatt nach 4 Jahren nun erst nach 6 Jahren die Möglichkeit der Staatsbürgerschaftsverleihung. Der sog. „Sitzenbleiberpassus“ wurde geringfügig abgemildert. Nunmehr müssen Schulpflichtige mit Beginn der Sekundarstufe (5. Schulstufe) eine positive Deutschnote vorweisen, andernfalls ein Test zu absolvieren ist. Diese Regelung ist menschlich, pädagogisch und  ökonomischen verfehlt. Es kann zu Drucksituationen auf Minderjährige kommen, die völlig unvertretbar sind. Es ist nun möglich, dass eine mehrköpfige Familie monatelang mit der Einbürgerung zuwarten muss, bis das minderjährige Kind einen Test besteht. Würde  der Erstreckungsantrag für das Kind zurückgezogen werden, so produziert man innerhalb der Familie unterschiedliche Staatsangehörigkeiten. Ökonomisch bedenklich ist, dass einerseits kein Geld für LehrerInnen zu Zwecken des Förderunterrichtes da ist, parallel aber eine Prüfungsstruktur für diese Tests aufgebaut und finanziert werden muss.

Immer wieder kam und kommt es in der Praxis vor, dass etwa Kleinkinder ohne Aufenthaltsrecht in Österreich aufhältig sind. In einigen Fällen wurde auf eine rechtzeitige Antragstellung auf eine Niederlassungsbewilligung binnen 6 Monaten nach Geburt vergessen, in anderen Fällen wurden Nachgeborene aus der Heimat mitgenommen, um den zum Teil jahrelangen Wartezeiten beim Familiennachzug zu entgehen. Kinder müssen nun im Falle der Erstreckung rechtmäßig niedergelassen sein. Das kann enorme Hürden schaffen, besteht doch auf eine Legalisierung nach dem neuen Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz kein Anspruch mehr.

 

4. EhegattInnen

Die Wartefrist kann hier lbis zu 11 Jahre dauern. Diese Personengruppe (EhegattInnen von ÖsterreicherInnen oder EhegattInnen, die einen Erstreckungsantrag gestellt haben) bildeten zusammen mit Kindern die Hauptgruppe derer, die nach bisheriger Rechtslage  vor 10 Jahren eingebürgert wurden. Dabei wird von der Regierung bewusst missachtet, dass in diesen Fällen die Ankerperson in der Regel  bereits 10 Jahre in Österreich aufhältig war. Daher werden diese Personen in der Statistik richtiger weise auch nicht unter vorzeitigen Einbürgerungen geführt.

Die fünfjährige Ehebestandsfrist wird eine zusätzliche Abhängigkeit vor allem für Frauen bewirken, die eine gescheiterte Beziehung, in der Sie auch Gewalt ausgesetzt sind, u. U. nur deswegen aufrechterhalten, um nicht den Anspruch auf Einbürgerung zu verlieren.

 

5. Menschen in einer Notlage

Es gibt keinen Möglichkeit mehr für die Behörde, eine Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn ein(e) Staatsbürgerschaftswerber(in) in eine Notsituation kommt. Dabei ist ohne Belang, ob die Notlage selbstverschuldet ist oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anwendung dieser bisherigen Bestimmung (unverschuldete Notlage) in vielen Fällen gegenüber den Behörden eingemahnt. Der Umstand, dass der Gesetzgeber nun Leistungen der Notstandshilfe doch als Nachweis eines Lebensunterhaltes heranzieht ist europa- und verfassungsrechtlich geboten.

 

6. Menschen mit humanitärer Aufenthaltsbewilligung

Hier zeigt sich besonders deutlich, dass der Gesetzgeber die Hürden nochmals erhöht, wenn ein(e) Staatsbürgerschaftswerber(in) in eine ökonomisch schwierige Situation gerät. Eine Nichtverleihung der Staatsbürgerschaft wird gleich mehrfach abgesichert. Zum einen werden diese Personen auf Grund Nichtberücksichtigung einer Notlage von der Verleihung ausscheiden, zum anderen verlängert sich die Wartefrist auf mindestens 15 Jahre. Auf den Umstand der massiven Gebührenerhöhung sei auch in diesem Zusammenhang nochmals verwiesen.

 

7. Personen, die während der 10 jährigen Wartefrist – aus welchem Grund auch immer – vorübergehend ins Ausland gehen, oder auch gehen müssen.

Der Antragsteller darf während der Wartefrist von in der Regel 10 Jahren nicht länger als (2o v.H) also gesamt 2 Jahre im Ausland aufhältig sein. Der Sinn der Regelung bleibt im Dunkeln. Praktische Fälle des täglichen Lebens (Pflege von Angehörigen, Auslandsstudium...) bleiben somit unberücksichtigt. Ungeklärt bleibt wie diese Regelung im Zusammenhang mit langfristig aufenthaltsberechtigten DrittstaatsbürgerInnen zu sehen ist. Diese haben aus europarechtlichen Gründen, unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit in einem anderen EU–Staat zu arbeiten. Die Inanspruchnahme dieser europarechtlich abgesicherten Mobilität wird dadurch untergraben.

 

8. Das Kriterium der nachhaltigen, persönlichen und beruflichen Integration für eine Verleihung ab 6 Jahren Aufenthalt wird gestrichen.

Damit wird der Integrationsgedanke dezidiert aus dem Staatsbürgerschaftsgesetz entfernt. Nur in ca. 3,6% der Fällen wurde von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht. Das zeigt, dass hier keinesfalls (um in der Diktion der Regierungsparteien zu sprechen) die Staatsbürgerschaft „verschleudert“ wurde. Der Gesetzgeber schafft damit keinen Anreiz mehr für Menschen, sich besonders rasch und nachhaltig den Zustieg zur Gesellschaft zu erarbeiten.

 

9. Nur „Niedergelassene“ haben nach 10 Jahren eine Chance.

Bisher reichte die polizeiliche Meldung bis zur Antargstellung, wobei zum Zeitpunkt der Einbürgerung auch ein rechtmäßiger Aufenthalt vorliegen musste. Nunmehr muss neben der Rechtmäßigkeit zusätzlich für 5 der 10 Jahre eine Niederlassung im Sinne des NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz) vorliegen. Keine Niederlassung liegt insbesondere bei folgenden Personen vor:

StudentInnen, SchülerInnen, aus humanitären Gründen Aufenthaltsberechtigte, Künstler, Forscher. Diese Differenzierung ist willkürlich.

 

10. Strafbare Handlung/Verwaltungsübertretung als Einbürgerungshindernis

Es reicht die Verurteilung wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe. Auch bisher konnte jede Verurteilung (selbst nach Tilgung) über die allgemeine Verlässlichkeitsklausel herangezogen werden und die Einbürgerung verhindern. Gleichsam wurden gravierende Verwaltungsübertretungen bereits bisher als Verleihungshindernis herangezogen. Die Neuregelung schafft erhöhten Verwaltungsaufwand und ermöglicht keine einzelfallgerechte Beurteilung mehr. Damit ist etwa auch Jugendlichen, die sich einen „jugendlichen Fehltritt“ geleistet haben, auf lange Sicht die Staatsbürgerschaft verwehrt. Dies widerspricht dem ausgeprägten Resozialisierungsgedanken des Jugendstrafgesetzes. Die Liste der als Verleihungshindernis in Frage kommenden Verwaltungsübertretungen ist völlig unverhältnismäßig. So kann bereits die Übertretung der Strafbestimmungen des sog. Fremdenrechtspaketes 2005 zum Verleihungshindernis werden. Aus den Erläuterungen zu § 10 Abs. 1 Z 6 (Bejahende Einstellung zur Republik) geht hervor, dass letztlich jede Verfehlung als Verleihungshindernis herangezogen werden kann. Somit sind selbst die strengen Verleihungshindernisse des § 10 nochmals zu relativieren und können nach Belieben ausgebaut werden.

 

11. Das Gesamtverhalten des Fremden als Verleihungskriterium

Die bestehende Formulierung wird in § 11 wie folgt ergänzt:

 „Es zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft“.

Die Materialien des Ministerialentwurfes führten zum Integrationsverständnis des Gesetzgebers ergänzend aus, dass nicht nur die Deutschkenntnisse, sondern auch sein Einfügen in das öffentliche Leben und das Bereichern desselben in Österreich zu verstehen ist. Diese vage Formulierung findet sich in den Erläuterungen der Regierungsvorlage nicht mehr. Dies zeigt wie unbeholfen der Gesetzgeber in Fragen der Integration agiert. Die Materialien verweisen erklärend noch auf die idente Formulierung des § 31 NAG (Niederlassungs– und Aufenthaltsgesetz), der aber keinen Aufschluss über Interpretation dieser Regelung bietet. Hier könnte es leicht zu diskriminierenden Verfahren kommen.

 

Ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht müsste aus Grüner Sicht folgende Leitlinien beachten:

·       Möglichkeit der Staatsbürgerschaftsverleihung nach 5 Jahren

·       Rechtsanspruch auf Verleihung spätestens nach 7 Jahren

·       Einführung des Jus soli (Bodenrecht) beim Erwerb der Staatsbürgerschaft. Kinder eines ausländischen Elternteiles, der auf Dauer in Österreich rechtmäßig niedergelassen ist, sollen demnach die Staatsbürgerschaft per Geburt erwerben können.

·       Zulassung der Doppelstaatsbürgerschaften

·       Schaffung eines gerechteren Verfahrens durch

         -       Prägnantere Fassung der Kriterien

         -       Berufungsmöglichkeit an den UVS (Verwaltungssenat) gegen die Abweisung eines Antrages

         -       Beseitigung der europaweit hohen Einbürgerungsgebühren (Eine ausländische Familie muss nicht selten mit einem mehrfachen Monatslohn rechnen)