Vorblatt

Problem:

Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika haben am 25. Juni 2003 in Washington ein Abkommen über Auslieferung unterzeichnet, ABl. Nr. L 181 vom 19. Juli 2003, S. 27 ff. Vertragsparteien dieses Abkommens auf Grundlage von Art. 38 und 24 EU-V sind die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika. Das Abkommen bedarf der Ratifikation durch die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika. Erst wenn alle Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nach Art. 3 Abs. 2 des Abkommens nachgekommen sind, wird die Europäische Union das Abkommen aufgrund eines einstimmigen Ratsbeschlusses ratifizieren können. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, durch eine mit den Vereinigten Staaten von Amerika erstellte Urkunde anzuerkennen, in welchem Umfang der bilaterale Auslieferungsvertrag im Verhältnis zum Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Anwendung gelangt. Der Auslieferungsvertrag vom 8. Jänner 1998 zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl.III Nr. 216/1999, muss daher in diesem Umfang angepasst werden.

Ziel:

Wesentliches Ziel des Protokolls ist die Angleichung des bestehenden Auslieferungsvertrages an die Bestimmungen des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Auslieferung.

Inhalt:

Durch das Protokoll werden die im Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika vorgesehenen Erleichterungen in den bilateralen Vertrag übernommen. Die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages, insbesondere jene über das Verbot der Auslieferung bei drohender Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe bleiben unberührt. Der bilaterale Auslieferungsvertrag vom 8. Jänner 1998 ist nach mehr als zehnjährigen Vertragsverhandlungen zustande gekommen. Er gilt als moderner Auslieferungsvertrag zwischen durch unterschiedliche Rechtssysteme geprägten Staaten. Aufgrund des Abkommens der Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika sind Änderungen betreffend die Übermittlung der Auslieferungsunterlagen, die Beglaubigung der Unterlagen, die Übermittlung der Unterlagen zur Fristwahrung, die Übermittlung von ergänzenden Angaben, die Behandlung von vertraulichen Angaben sowie die Entscheidung bei Vorliegen von Auslieferungs- oder Überstellungsersuchen  mehrerer Staaten erforderlich. Der bilaterale Auslieferungsvertrag bleibt jedoch in seinen wesentlichen Bestimmungen unberührt.

Alternativen:

Andere Wege zur Erreichung des angestrebten Ziels stehen nicht zur Verfügung. Die amerikanische Seite muss aus innerstaatlichen Gründen dem amerikanischen Senat ein Protokoll zur Ratifikation vorlegen, sodass eine unmittelbare Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika nicht möglich erschien.

Auswirkung auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das vorliegende Protokoll ergeht aufgrund eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Art. 38 und 24 EU-V. Österreich hat sich durch Zustimmung zur Vertragsunterzeichnung im Rat dazu verpflichtet, die Bestimmungen des Abkommens durch Ergänzung seines bilateralen Auslieferungsvertrages umzusetzen.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Keine.

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Das vorliegende Protokoll zu dem am 8. Jänner 1998 unterzeichneten Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des am 26. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung ist  gesetzändernd und  gesetzesergänzend; es bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika steht seit 1. Jänner 2000 der Auslieferungsvertrag vom 8. Jänner 1998 zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, BGBl. III Nr. 216/1999 (in weiterer Folge: Auslieferungsvertrag 1998), in Geltung.

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung vom 25. Juni 2003, ABl. Nr. L 181 vom 19. Juli 2003, S. 27 ff, enthält in seinen Artikeln 5, 7, 8, 10 und 14 neue Regelungen. Dementsprechend müssen gemäß Art. 3 Abs. 1 des Abkommens die bilateralen Verträge geändert werden.

Das vorliegende Protokoll wurde mit der amerikanischen Seite weitgehend schriftlich verhandelt. Das Protokoll wurde am 20. Juli 2005 in Wien von der Bundesministerin für Justiz und dem  Botschafter der USA in Österreich unterzeichnet.

Die Ratifikation des Protokolls wird auf den Bundeshaushalt keine belastenden Auswirkungen haben.

Das Protokoll wird an dem Tag in Kraft treten, an dem das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung in Kraft tritt.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Übermittlung von Unterlagen):

Die Bestimmung erweitert Art. 10 Abs. 1 des Auslieferungsvertrages 1998. Für die  Vorlage von Auslieferungsunterlagen wird die Übermittlung im diplomatischen Weg entsprechend dem durch Art. 3 des Protokolls dem Art. 10 angefügten Abs. 6 vereinfacht.

Zu Artikel 2 (Beglaubigung von Unterlagen):

Dieser Artikel ersetzt Art. 10 Abs. 5 des Auslieferungsvertrages 1998. Es wird klargestellt, in welcher Weise die Auslieferungsunterlagen zu beglaubigen sind. Waren bislang nur im diplomatischen Weg übermittelte Unterlagen von einer Bestätigung, Beglaubigung oder sonstigen Legalisierung befreit, gilt das nunmehr auch für Unterlagen, die den Stempel oder das Siegel des Justizministeriums oder des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten des  ersuchenden Staates tragen.

Zu Artikel 3 (Übermittlung von Unterlagen im Anschluss an die vorläufige Verhaftung):

Nach Art. 13 Abs. 4 des Auslieferungsvertrages 1998 kann eine Person, über die die vorläufige Auslieferungshaft verhängt wurde, bis zu 60 Tage ab dem Tag der Verhaftung aufgrund des Ersuchens des ersuchenden Staates vorläufig in Haft gehalten werden. Innerhalb dieser Frist sind die Auslieferungsunterlagen vorzulegen. Zur Wahrung dieser Frist bestimmt der dem Art. 10 des Auslieferungsvertrages 1998 angefügte Abs. 6, dass die Frist auch dann gewahrt wird, wenn die Unterlagen innerhalb der Frist der Botschaft des ersuchten Staates im ersuchenden Staat vorgelegt werden.

Zu Artikel 4 (Ergänzende Angaben):

Art. 11 des Auslieferungsvertrages 1998 regelt das Verfahren betreffend die Ergänzung der Auslieferungsunterlagen. Die Ergänzung der Auslieferungsunterlagen fand schon bisher im unmittelbaren Behördenverkehr zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem U.S. Department of Justice statt, weil der in Art. 10 Abs. 1 des Auslieferungsvertrages 1998 vorgesehene Geschäftsweg ausschließlich die Vorlage der Auslieferungsunterlagen betrifft. Diese Praxis wurde im Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika übernommen und wird nunmehr ausdrücklich in Art. 11 Abs. 4 festgeschrieben.

Zu Artikel 5 (Vertrauliche Angaben im Rahmen eines Ersuchens):

In dem Auslieferungsvertrag 1998 wird eine Bestimmung über die Behandlung vertraulicher Angaben im Rahmen eines Ersuchens als neuer Art. 11a  eingefügt. In der Vergangenheit war es fallweise notwendig, dem Auslieferungsersuchen oder  den zur Unterstützung des Auslieferungsersuchens vorgelegten Unterlagen sicherheitsrelevante Informationen beizufügen. Da sich das Auslieferungsverfahren nach den Verfahrensvorschriften des ersuchten Staates richtet, kann dieser nicht verpflichtet werden, solche Informationen in gleicher Weise vertraulich zu behandeln, wie dies im ersuchenden Staat möglich ist. Daher kann der ersuchende Staat vor der Übermittlung solcher  Angaben um Auskunft ersuchen, inwieweit der ersuchte Staat die sicherheitsrelevanten Informationen und Angaben vertraulich behandeln kann. Aufgrund dieser Angaben entscheidet dann der ersuchende Staat, ob er sein Ersuchen mit oder ohne die sicherheitsrelevanten Informationen stellen wird.

Zu Artikel 6 (Auslieferungs- und Überstellungsersuchen von Seiten mehrerer Staaten):

Art. 17 des Auslieferungsvertrages 1998 enthält Bestimmungen, wie der ersuchte Staat bei Auslieferungsersuchen mehrerer Staaten vorzugehen hat. Diese Bestimmungen orientieren sich weitgehend an § 24 ARHG, BGBl. Nr. 529/1979 idF BGBl. I Nr. 15/2004, sowie an Art. 17 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957, BGBl. Nr. 320/1969. Aufgrund der Einführung des Europäischen Haftbefehls erschien es notwendig klarzustellen, dass die Republik Österreich einen Europäischen Haftbefehl wie ein Auslieferungsersuchen behandeln und daher unter den gleichen Kriterien entscheiden wird, welchem Ersuchen der Vorzug einzuräumen ist. Die Umstände, die vom ersuchten Staat bei seiner Entscheidung, welchem Auslieferungsersuchen der Vorzug einzuräumen ist, zu berücksichtigen sind, wurden um die Staatsangehörigkeit des Opfers erweitert. Aus sprachlichen Gründen wird Art. 17 des Auslieferungsvertrages 1998 zur Gänze neu gefasst.

Zu Artikel 7 (Zeitliche Geltung):

Nach Art. 24 des Auslieferungsvertrages 1998 findet der Vertrag auf strafbare Handlungen Anwendung, die vor und nach seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Gleiches gilt für das vorliegende Protokoll. Auf Auslieferungsersuchen, die vor seinem Inkrafttreten gestellt wurden, findet das Protokoll jedoch keine Anwendung.

Zu Artikel 8 (In-Kraft-Treten und Kündigung):

Abs. 1 bestimmt, dass die Vertragsstaaten jene Urkunden auszutauschen haben, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Das Protokoll wird jedoch erst an dem Tag in Kraft treten, an dem das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung in Kraft tritt.

Im Fall der Kündigung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung wird auch die Anwendung des Protokolls beendet und der Auslieferungsvertrag 1998 in seiner ursprünglichen Form angewandt, es sei denn, dass die Vertragsparteien sich einigen, die Bestimmungen dieses Protokolls zur Gänze oder teilweise weiter anzuwenden.