1362 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1155 der Beilagen): Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung

Die in den letzten Jahren stattgefundene Entwicklung des internationalen Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration erhöhten vor allem in einem Raum des freien Personenverkehrs die Notwendigkeit zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Polizeibeamten der Mitgliedstaaten.

Innerhalb der Europäischen Union bildet das Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Schengener Übereinkommens vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (im Folgenden: SDÜ) die wichtigste Rechtsgrundlage für die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Zwar wurde das SDÜ mit dem Vertrag von Amsterdam in den Acquis der Europäischen Union übergeführt, es gelang aber in den letzten Jahren nicht, dieses Übereinkommen im gewünschten Maße den steigenden Notwendigkeiten zum Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration anzupassen. Vorschläge zur Weiterentwicklung der polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union, die vor allem von Deutschland ausgingen, scheiterten am Widerstand einzelner Mitgliedstaaten. Aufgrund des Prinzips der Einstimmigkeit in der 3. Säule konnte ein einziger ablehnender Mitgliedstaat die gesamte Weiterentwicklung blockieren.

Zum Zwecke einer Beschleunigung der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit in der Europäischen Union auf den vorstehend genannten Feldern hat eine Gruppe von Mitgliedstaaten die Initiative ergriffen und ein Kooperationsmodell erarbeitet, das auf die Erreichung eines möglichst hohen Standards in der Zusammenarbeit, insbesondere durch einen verbesserten Austausch von Informationen, abzielt. Diese neuen Formen und Standards der Zusammenarbeit sollen in weiterer Folge ein Modell für die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens der Europäischen Union sein und schrittweise in diesen übergeführt werden.

Im Vertrag verpflichten sich die Vertragsparteien im Rahmen des automatisierten Abrufs und Abgleichs von DNA-Profilen, der Gewinnung molekulargenetischen Materials und der Übermittlung von DNA-Profilen, des automatisierten Abrufs von daktyloskopischen Daten, des automatisierten Abrufs von Daten aus den Fahrzeugregistern, der Übermittlung von nicht-personenbezogenen und personenbezogenen Daten im Zusammenhang von Großereignissen, der Übermittlung von Informationen zur Verhinderung terroristischer Straftaten, der Flugsicherheitsbegleiter, der Dokumentenberater, der Unterstützung von Rückführungen, gemeinsamer Einsatzformen, von Maßnahmen bei gegenwärtiger Gefahr, der Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen und der Zusammenarbeit über Ersuchen zusammenzuarbeiten.

Durch das Übereinkommen werden technische Anpassungen in den Datenanwendungen des Bundesministeriums für Inneres für die DNA-Profile DNA, die daktyloskopischen Daten AFIS und des Kfz-Registers KZR notwendig. Die zu erwartenden Kosten belaufen sich auf € 600.000,- an externen Programmierkosten für die Errichtung. Zusätzlich werden noch ca. 2 interne VBÄ (Vollbeschäftigungsäquivalent) für die internationalen und nationalen Spezifikationen erforderlich sein. Die jährlichen laufenden Kosten für den Betrieb betragen erfahrungsgemäß ca. 15 % der Errichtungskosten. Die Kosten werden aus dem laufenden Budget des Bundesministeriums für Inneres gedeckt werden.

Dieses Übereinkommen steht nicht im Widerspruch zum Recht der Europäischen Union und steht gemäß den Bestimmungen dieses Übereinkommens jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Beitritt offen. In den Bereichen der Zusammenarbeit, in denen es entsprechendes Recht der Europäischen Union bereits gibt (Dokumentenberater und Unterstützung der Rückführung), dient das Übereinkommen einer verstärkten operativen Zusammenarbeit unter Berücksichtigung des entsprechenden EU-Rechts.

Der Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem  Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Er ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen nach Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch den Vertrag Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder berührt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

 

Der Staatsvertrag ist in deutscher, französischer, niederländischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Text gleichermaßen authentisch ist.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner am 22. und 28. Februar 2006 abgehaltenen Sitzung sowie in seiner Sitzung am 23. März 2006 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Erwin Hornek die Abgeordneten Mag. Johann Maier, Matthias Ellmauer, Dr. Helene Partik-Pablé, Günter Kößl, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Peter Pilz, Mag. Gisela Wurm sowie die Bundesministerin für Inneres Liese Prokop und der Ausschussobmann Abgeordneter Rudolf Parnigoni.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters mit Stimmenmehrheit die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Ferner beschloss der Ausschuss für innere Angelegenheiten mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen zum Verhandlungsgegenstand (in weiterer Folge auch als Prümer Vertrag bezeichnet):

 

Zu den Artikeln 8 – 11:

Zu den Artikeln 8 – 11 Prümer Vertrag stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten fest, dass sich die Zusammenarbeit im Bereich der daktyloskopischen Daten ausschließlich auf zum Zweck der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten eingerichteten Dateien beschränkt. Allenfalls bestehende oder in Zukunft zu administrativen Zwecken eingerichtete Dateien (z.B. Visa, Reisepässe) sind von der Einbeziehung in die Zusammenarbeit ausgeschlossen.

 

Zu Artikel 12:

Hinsichtlich des zweiten Falles des Artikels 12 Prümer Vertrag stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten fest, dass Österreich – aufgrund fehlender Voraussetzungen (Zuständigkeit der Gerichte oder Staatsanwaltschaften) – in Fällen von Verwaltungsübertretungen keine automatisierten Abrufe vornimmt.

Den anderen Vertragsparteien ist das Recht eingeräumt, zur Verfolgung von Verstößen, die nach ihrer Rechtsordnung in die Zuständigkeit der Gerichte oder Staatsanwaltschaften fallen, Daten aus dem österreichischen Fahrzeugregister abzurufen.

Alle Vertragsstaaten haben im Zuge der Verhandlungen klargestellt, dass ein automatisierter Abruf von Daten aus den Fahrzeugregistern im Falle von Bagatelldelikte (Parken) sowie bloßen Ordnungswidrigkeiten (etwa Verstöße gegen ungeschriebene Regeln des öffentlichen Anstandes) unzulässig ist.

 

Zu Artikel 34 Abs. 2:

Der Datenschutzrat hat in seiner Stellungnahme vom 11. Mai 2005 ausdrücklich ersucht, ihm vor Entscheidungen im Ministerkomitee nach Art. 34 Abs. 2 die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien untereinander hat das Ministerkomitee gesondert zu evaluieren, ob die spezifischen Anforderungen für die Kooperationsformen nach Art. 3, 4, 9 und 12 („automatisierte Abrufe bzw. Abgleiche“) erfüllt sind. In Bezug auf neu beigetretene Vertragsparteien hat sich die datenschutzrechtliche Prüfung durch das Ministerkomitee hingegen auf das Datenschutzkapitel (Kap. 7) insgesamt zu beziehen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten geht davon aus, dass dem einleitend zitierten Ersuchen des Datenschutzrates vollinhaltlich entsprochen wird.

 

Evaluierung

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten geht davon aus, dass die Anwendung der neuen Bestimmungen des Prümer Vertrags einer Evaluierung unterzogen wird und würde eine Berichterstattung über die praktischen Erfahrungen mit diesen Regelungen nach Ablauf von zwei Jahren für wünschenswert erachten.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Erwin Hornek gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung (1155 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 2006 03 23

Erwin Hornek Rudolf Parnigoni

       Berichterstatter                  Obmann