1609 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Petition Nr. 74/PET: betreffend „Menschenrechte für Alle! Für die besondere Berücksichtigung der Rechte von Personen mit Behinderung in den Entwicklungsländern“,

überreicht von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr

Die gegenständliche Petition Nr. 74/PET wurde dem Nationalrat am 29. September 2005 zugeleitet.

 

Zu den Anliegen dieser Petition:

„Menschen mit Behinderung zählen global zu den am meisten marginalisierten und diskriminierten Gesellschaftsgruppen, denen vor allem in den benachteiligten Regionen mehrheitlich die grundlegendsten Menschenrechte verwehrt werden. Weltweit gibt es 600 Millionen Menschen mit Behinderung, von denen 80 Prozent in den Entwicklungsländern leben. Eine der Hauptursachen für dieses große globale Gefälle ist der kausale Zusammenhang zwischen Armut und Behinderung: Einerseits zählen Armutsbedingungen zu den Hauptursachen für physische und psychische Beeinträchtigungen, so zum Beispiel Unterernährung, mangelnde medizinische Versorgung, kein Zugang zu Informationen etc. Andererseits fördern unzureichende sozioökonomische Bedingungen die Entwicklung von anfangs leichten, zu schweren und bis zum Tode führenden Beeinträchtigungen.

Menschenrechte für Alle

Obwohl das universelle Menschenrechtssystem die Prinzipien von Gleichheit und Nicht-Diskriminierung einschließt, sind Personen mit Behinderung de facto in fast allen gesellschaftspolitischen Bereichen einer oder mehrerer Formen von Diskriminierung ausgesetzt. Dem soll in Zukunft die achte internationale Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen für die Rechte und Würde von Personen mit Behinderung, die seit 2003 in Ausarbeitung ist, entgegenwirken. Der derzeitige Entwurf dieser UN Menschenrechtskonvention nimmt jedoch keinen expliziten Bezug auf die Problematik von Behinderung in den Entwicklungsländern. Diese Tatsache wird von zahlreichen internationalen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren kritisiert und es wird gefordert, einen eigenen Artikel zum Thema „Internationale Kooperation" zu inkludieren.

Österreich hat bereits einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer „Inklusiven Entwicklungszusammenarbeit (EZA)" gemacht. Im Zuge der Gesetzesnovelle des EZA-Gesetzes hat der Nationalrat 2003 beschlossen, „dass bei allen Maßnahmen die Bedürfnisse von Kindern und Menschen mit Behinderung in sinnvoller Weise zu berücksichtigen sind". Daraus ergibt sich die Verpflichtung, behinderte Menschen in alle relevanten Bereiche der österreichischen Entwicklungskooperation zu inkludieren.

Auf internationaler Ebene spiegelt die Realität nach wie vor ein anderes Bild wider: Menschen mit Behinderung werden in den Entwicklungsmaßnahmen, sei es von bilateraler oder multilateraler Seite, nicht berücksichtigt. Bildungs- und Gesundheitsmaßnahmen, einkommensschaffende Aktivitäten und zahlreiche andere Bereiche, in denen Programme und Projekte für eine nachhaltige Armutsbekämpfung umgesetzt werden, diskriminieren Menschen mit Behinderung!


Aus Anlass der bevorstehenden siebten Verhandlungsrunde der UN Konvention für die Rechte und Würde von behinderten Menschen fordern wir:

■             Eine globale Armutsbekämpfung, zu er sich die internationale Staatengemeinschaft und so auch Österreich verpflichtet hat, muss die von Armut am meisten betroffenen Menschen mit Behinderung in allen Entwicklungsmaßnahmen berücksichtigen.

■             Eine „Entwicklung für Alle" ist in erster Linie eine Menschenrechtsfrage und muss als solche in nationalen und internationalen sowie rechtlichen und politischen Instrumenten inkludiert werden.

■             Aufgrund dieser Forderungen mögen sich die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten und die Bundesministerin für Soziales innerhalb der EU Verhandlungsgruppe zur UN Konvention, deren Vorsitz Österreich im Zuge der EU Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 haben wird, für die Aufnahme dieses Aspektes in verschiedene Artikel (Art. 24bis „Internationaler Cooperation und Article 4 on General Obligations") der UN Konvention einsetzen.

Ohne die Berücksichtigung der besonderen Problematik von Behinderung und Armut wird dieses internationale Rechtsinstrument für mehr als 480 Millionen Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsländern unbrauchbar sein!“

 

Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, dem die gegenständliche Petition am 30. September 2005 zugewiesen wurde, hat in seiner Sitzung am 15. März 2006 einstimmig beschlossen, den Präsidenten des Nationalrates zu ersuchen, diese zur weiteren Behandlung dem Außenpolitische Ausschuss zuzuweisen. Der Präsident des Nationalrates hat diesem Ersuchen entsprochen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat die erwähnte Petition Nr. 74/PET in seiner Sitzung am 6. April 2006 in Verhandlung genommen und einstimmig beschlossen, die Petition zur Vorbehandlung im bereits eingesetzten Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses, EZA-Unterausschuss, zuzuweisen. Diesem Unterausschuss gehören seitens des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Mag. Dr. Alfred Brader, Carina Felzmann (Schriftführerin), Franz Glaser, Maria Grander, Mag. Karin Hakl (Obfraustellvertreterin) und Jochen Pack, seitens der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Petra Bayr (Obfrau), Dr. Christoph Matznetter, Mag. Christine Muttonen (Schriftführerin), Mag. Walter Posch und Mag. Melitta Trunk, seitens des Freiheitlichen Parlamentsklubs-BZÖ die Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann und seitens des Parlamentsklubs der Grünen die Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Obfraustellvertreterin) an.

Der Unterausschuss befasste sich in seiner Sitzung vom 29. Juni 2006 mit der gegenständlichen Petition.

Die Obfrau des Unterausschusses berichtete den Mitgliedern des Außenpolitischen Ausschusses in dessen Sitzung vom 5. Juli 2006 über das Ergebnis der Verhandlungen.

 

Ein von den Abgeordneten Franz Glaser, Petra Bayr, Mag. Dr. Magda Bleckmann und Mag. Ulrike Lunacek eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Integration von behinderten Menschen bei der Entwicklungszusammenarbeit wurde einstimmig beschlossen.

Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Weltweit leben mehrere hundert Millionen behinderte Menschen, drei Viertel davon in Entwicklungsländern. Armut ist dort eine Hauptursache für vermeidbare Behinderung und Behinderung ist umgekehrt auch ein wesentlicher Faktor für mangelnde Erwerbschancen, damit für Armut.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit muss deshalb ein Schwerpunkt auf  die Situation von Menschen mit Behinderung gesetzt werden, um den Anforderungen der UN Millenniumsziele, bis zum Jahr 2015 extreme Armut um die Hälfte zu reduzieren, gerecht werden zu können.

Auf der Ebene der Europäischen Union hat das Europäische Parlament am 19.01.2006 eine Resolution zu Behinderung und Entwicklung [PA_TA-PROV(2006)0033] verabschiedet. In dieser Resolution wird unter anderem betont und gefordert, dass nicht nur in besonderen Programmen die Themen Vorsorge, Betreuung, Rehabilitation und Stigmatisierung von Behinderten berücksichtigt werden sollten, sondern auch, dass die mit dem Thema Behinderung zusammenhängenden Fragen auf allen Ebenen, von der Entwicklung über die Umsetzung bis zur Bewertung der Politik, behandelt werden müssen; einschließlich weiterführender Maßnahmen zur Erklärung über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union und des EU-Aktionsplans für Afrika.

Weiters verlangt die Resolution von der Europäischen Kommission‚ eine behindertenspezifische Komponente in ihre gesundheitspolitischen Maßnahmen und Programme aufzunehmen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit von Kindern, Sexual- und Reproduktionsgesundheit, geistige Gesundheit, Altern, HIV/Aids und chronische Erkrankungen. Ebenfalls gefordert wird eine aktive Beteiligung der EU-Kommission an der Internationalen Kampagne „VISION 2020 – The Right to Sight“ zur Eliminierung vermeidbarer Blindheit bis zum Jahr 2020.

LICHT FÜR DIE WELT ist der österreichische Partner in dieser internationalen Kampagne, die von der WHO gemeinsam mit NGOs getragen wird, und hat in der vorliegenden Petition Nr. 74 an den Nationalrat die besondere Berücksichtigung der Rechte von Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsländern vorgeschlagen.

Nicht zuletzt wird in der Resolution des Europäischen Parlaments die Auffassung vertreten, dass 2007 das Europäische Jahr der Nichtdiskriminierung und der Chancengleichheit, der Europäischen Union eine Gelegenheit bieten sollte, ihre Werte in ihrer Außenpolitik und ihren außenpolitischen Aktionen zum Ausdruck zu bringen; die Kommission wird aufgefordert, eine spezifische Initiative für Behindertenrechte und Nichtdiskriminierung in der Entwicklungszusammenarbeit einzuleiten.

Das Executive Board der WHO nahm am 25.01.2006 einen Resolutionsvorschlag für die World Health Assembly  im Mai 2006 betreffend „Prävention von vermeidbarer Blindheit und visueller Schädigungen“ an.

Das kürzlich veröffentlichte Fokuspapier der OEZA greift die Thematik auf und misst der Förderung spezifischer Projekte gleiche Bedeutung zu wie der Behandlung von Behinderung als Querschnittsthema.

Der österreichische Nationalrat begrüßt die Initiative des Europäischen Parlamentes zur Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Damit wird auf europäischer Ebene ein Anliegen aufgenommen, dem in Österreich bereits vor drei Jahren im Rahmen der Novellierung zum EZA-Gesetz Rechnung getragen wurde:

„Die österreichische Entwicklungspolitik wird dabei vor allem von den nachstehenden Prinzipien geleitet. Bei allen Maßnahmen (…) sind in sinnvoller Weise die Bedürfnisse von Kindern und von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen“ (§1, Abs.4, Z.4 Entwicklungszusammenarbeitsgesetz in der gültigen Fassung).“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2006 07 05

                                     Petra Bayr                                                                Dr. h.c. Peter Schieder

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann