1610 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Petition Nr. 80/PET: „betreffend Beratungen über eine neue Bundesverfassung“,

überreicht vom Präsidenten des Nationalrates Dr. Andreas Khol und den Abgeordneten Klaus Wittauer, Astrid Stadler, Georg Keuschnigg, Mag. Karin Hakl, Maria Grander, Johannes Schweisgut, Helga Machne und Hermann Gahr

Die gegenständliche Petition Nr. 80/PET wurde dem Nationalrat am 18. Jänner 2006 zugeleitet.

 

Zu den Anliegen dieser Petition:

„Die unterzeichneten Schützenkompanien und Bürgermeister aus allen Teilen des historischen, großen Tirol ersuchen den Nationalrat bei den derzeit laufenden Beratungen über eine neue österreichische Bundesverfassung auf der Grundlage der Beratungen des Österreich-Konvents in der Präambel einer solchen Verfassung folgende Worte aufzunehmen:

1.      Die Republik Österreich anerkennt die historisch gewachsenen Volksgruppen in Österreich und setzt sich für Schutz und Förderung der mit Österreich geschichtlich verbundenen deutschsprachigen Minderheiten, insbesondere auch der Südtiroler ein.

2.      Die Republik Österreich bekennt sich zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des vom Land Tirol abgetrennten Tiroler Volkes deutscher und ladinischer Sprache und zum besonderen Schutz der Rechte der Südtiroler auf der Grundlage des Völkerrechtes.“

 

Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, dem die gegenständliche Petition am 25. Jänner 2006 zugewiesen wurde, hat in seiner Sitzung am 15. März 2006 einstimmig beschlossen, den Präsidenten des Nationalrates zu ersuchen, diese zur weiteren Behandlung dem Außenpolitische Ausschuss zuzuweisen. Der Präsident des Nationalrates hat diesem Ersuchen entsprochen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat die erwähnte Petition Nr. 80/PET in seiner Sitzung am 6. April 2006 in Verhandlung genommen und einstimmig beschlossen, die Petition zur Vorbehandlung im bereits eingesetzten Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses, Südtirol-Unterausschuss, zuzuweisen. Diesem Unterausschuss gehören seitens des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Mag. Dr. Alfred Brader, Mag. Karin Hakl, Dr. Andreas Khol (Obmann), Johann Ledolter, Helga Machne (Schriftführerin) und Dr. Michael Spindelegger, seitens der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Marianne Hagenhofer (Schriftführerin), Hermann Krist, DDr. Erwin Niederwieser (Obmannstellvertreter), Dr. Christian Puswald und Gerhard Reheis, seitens des Freiheitlichen Parlamentsklubs-BZÖ der Abgeordnete Klaus Wittauer (Obmannstellvertreter) und seitens des Parlamentsklubs der Grünen die Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek an.

Der Unterausschuss befasste sich in seinen Sitzungen vom 24. Mai 2006 und 4. Juli 2006 mit der gegenständlichen Petition.

Der vom Unterausschuss gewählte Berichterstatter, Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger, hat den Mitgliedern des Außenpolitischen Ausschusses, in dessen Sitzung am 5. Juli 2006 über das Ergebnis der Verhandlungen berichtet.

An der sich daran anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Herbert Scheibner, DDr. Erwin Niederwieser, Mag. Ulrike Lunacek sowie der Präsident des Nationalrates Dr. Andreas Khol.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, DDr. Erwin Niederwieser und Klaus Wittauer eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Südtirol, Verankerung der Schutzfunktion für die österreichische Volksgruppe in Südtirol in der österreichischen Bundesverfassung, wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen.

Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Dem vom Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats zur Vorbehandlung der o.a. Gegenstände am 17. Juni 2003 eingesetzten Unterausschuss gehören seitens des Klubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Mag. Dr. Alfred Brader, Mag. Karin Hakl, Dr. Andreas Khol (Obmann), Johann Ledolter, Helga Machne (Schriftführerin) und Dr. Michael Spindelegger, seitens der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Marianne Hagenhofer (Schriftführerin), Hermann Krist, DDr. Erwin Niederwieser (Obmannstellvertreter), Dr. Christian Puswald und Gerhard Reheis, seitens des Freiheitlichen Parlamentsklubs BZÖ der Abgeordnete Klaus Wittauer (Obmannstellvertreter) und seitens des Grünen Klubs die Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek an. Der Unterausschuss befasste sich in bisher vier Arbeitssitzungen mit der gegenständlichen Materie.

Um sich ein Bild über die Entwicklungen der Autonomie seit der Streitbeilegung im Jahr 1972 zu machen, hielt sich in der Zeit vom 19. bis 21. Mai 2004 eine Delegation des Unterausschusses in Südtirol auf. Auf dem Programm standen Gespräche mit Mitgliedern des Präsidiums und den Fraktionsvorsitzenden des Südtiroler Landtags, mit dem Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder sowie mit Vertretern der Südtiroler Volkspartei.

Die Südtiroler Politiker zeigten sich dabei über die Ankündigung des Obmanns des Unterausschusses, die Schutzfunktion Österreichs in der Verfassung verankern zu wollen, sehr erfreut. Der Obmann des Unterausschusses berichtete, dass innerhalb der im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien breiter Konsens bestehe, den Schutz der Autonomie Südtirols in einer neuen österreichischen Verfassung zu verankern.

Beim Treffen mit dem Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder wurden auch einige strittige Themen aufgegriffen. So verteidigte Durnwalder die Volksgruppenerhebung, die bei der EU auf Bedenken gestoßen sei. Dies sei die einzige Möglichkeit, so Durnwalder, alle Sprachgruppen in Südtirol gleichermaßen am öffentlichen Leben zu beteiligen. Ebenso kamen die Vorverkaufsrechte für die Kraftwerke, der Brenner Basistunnel und die Verfassungsreform in Italien zur Sprache.

Die Petition (80/PET) der Tiroler Schützenkompanien, die auch von den Bürgermeistern bzw. Vizebürgermeistern von 113 Südtiroler Gemeinden sowie einem Großteil der Bürgermeister Nord- und Osttirols unterzeichnet wurde, hat der Außenpolitische Ausschuss am 6. April 2006 dem Unterausschuss zur Vorberatung übertragen. In dieser Petition wird der Nationalrat ersucht, in die Präambel der in Diskussion stehenden neuen Bundesverfassung eine Passage aufzunehmen, in der sich Österreich ausdrücklich zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts „des vom Land Tirol abgetrennten Tiroler Volkes deutscher und ladinischer Sprache“ und zum Schutz der Rechte der Südtiroler bekennt.

Der Unterausschuss hat in seiner Sitzung am 24. Mai 2006 beschlossen, den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, das Völkerrechtsbüro des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, die Tiroler Landesregierung, den Tiroler Landtag sowie den Bund der Tiroler Schützenkompanien zu einer schriftlichen Äußerung zur gegenständlichen Petition und zu den im Österreich-Konvent und im Besonderen Ausschuss eingebrachten Textvorschlägen einzuladen.

Der Verfassungsdienst fasste die Diskussion zu diesem Gegenstand im Österreich-Konvent zusammen und verwies darauf, dass die Fragen letztlich vom Gesetzgeber zu lösen sind, da sie primär verfassungs- und außenpolitischer Natur seien.

Der Landeshauptmann von Tirol und der Tiroler Landtagspräsident unterstützten die Petition und hielten fest: „Wir erachten die bisherige Entwicklung der Südtiroler Autonomie als substanzielle Schritte zur Umsetzung des Pariser Vertrages, aus welchem die österreichische Schutzfunktion für Südtirol resultiert. Deshalb begrüßen wir den ersten Punkt der Petition der Tiroler Schützenkompanien, dessen Formulierung in einem ergänzenden Textierungsvorschlag für die Präambel zum „Entwurf Dr. Fiedler“ einer Bundesverfassung bereits Berücksichtigung gefunden hat. Zum zweiten Punkt möchten wir unterstreichen, dass wir uns grundsätzlich zu allen Möglichkeiten bekennen, die das Völkerrecht zum Minderheitenschutz sowie zu demokratisch legitimierten Umsetzungen des Selbstbestimmungsrechtes vorsieht.“

Das Völkerrechtsbüro hielt fest, dass aus außenpolitischen Gründen nichts gegen eine Verankerung einer derartigen Bestimmung spricht. Weiters wurde angeregt, den Begriff Volksgruppe anstatt Minderheit zu verwenden. Zum Punkt 2 der Petition (Selbstbestimmungsrecht) verwies das Völkerrechtsbüro auf folgendes: „Das in der Petition 80/PET ebenfalls angesprochene „Selbstbestimmungsrecht“ ist als Grundsatz und als kollektives Recht von Völkern etwa über Art. 1 Abs. 2 der Satzung der Vereinten Nationen (Grundsatz der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker) und die gleichlautenden Art. 1 der beiden Menschenrechtspakte vom 19. Dezember 1966 im Völkerrecht fest verankert und kommt auch in der Prinzipiendeklaration der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 und der Prinzipienerklärung der Schlussakte von Helsinki vom 1. August 1975 zum Ausdruck. Daher scheint ein Bekenntnis dazu im Rahmen einer österreichischen Bundesverfassung nicht nötig.“

Der Bund der Tiroler Schützenkompanien hielt in seiner Stellungnahme fest, dass der Punkt 1 der Petition im Textvorschlag „Ergänzung zur Präambel im Entwurf Fiedler“ weitgehend berücksichtigt sei, und dass dem Punkt 2 bisher in keinem der Textvorschläge näher getreten worden sei.

Der Unterausschuss hatte zu diesem Anliegen bereits bei seinem Besuch in Südtirol in Bozen vom 19. bis 21. Mai 2004 informative Gespräche mit Vertretern des Landes Südtirol und verschiedenen anderen Persönlichkeiten geführt. In den Diskussionen im Besonderen Ausschuss zur Vorbereitung des Berichts des Österreich Konvents (III-136 der Beilagen) haben ÖVP, der FPÖ-BZÖ Klub und die SPÖ Vorschläge zur Verankerung der Schutzfunktion Österreichs für Südtirol auf der Grundlage des allgemeinen Völkerrechts, der Menschenrechts-Konventionen der Vereinten Nationen und des Pariser Abkommens 1946 eingebracht.“

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2006 07 05

                        Dr. Michael Spindelegger                                                  Dr. h.c. Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann