288 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 250/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird

Die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 23. Oktober 2003 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zu Artikel I:

Nach dem bisher geltenden Ratsakt 76/787/EGKS durfte bei Europawahlen in den einzelnen Mitgliedstaaten mit der Stimmenauszählung erst begonnen werden, wenn im letzten Mitgliedstaat die letzten Wahllokale geschlossen hatten. Dies war regelmäßig in Italien und Spanien um 22.00 Uhr. Österreich hat dieser Norm (Art. 9 Abs. 2 des Ratsakts) innerstaatlich mit § 66 Abs. 2 der Europawahlordnung (EuWO) Rechnung getragen und sich exakt an diese Bestimmung gehalten. In der Praxis hat dies bedeutet, dass bei der Europawahl 1999 die Wahllokale nach Schließung entweder bis 22.00 Uhr versiegelt wurden (und erst dann mit der Stimmauszählung begonnen wurde), oder dass die Wahllokale – abweichend von Jahrzehnte alten Gepflogenheiten – nicht am Vormittag, sondern in den Nachmittags- und Abendstunden geöffnet waren.

Im Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (2002/772/EG, Euratom) zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklärungen (209 d.B.) – es handelt sich bei dieser Norm um eine Wiederverlautbarung und gleichzeitige Novellierung des oben angeführten Ratsakts – wurde ua. – nicht zuletzt auf Drängen von Deutschland und Österreich – das Auszählungsverbot fallengelassen und das Veröffentlichungsverbot auf amtliche Bekanntgaben beschränkt. § 66 Abs. 2 EuWO kann somit nach In-Kraft-Treten dieses oben bezeichneten Ratsbeschlusses ersatzlos entfallen. In Hinkunft können Europawahlen ihrem Ablauf nach so stattfinden, wie dies die Österreicherinnen und Österreicher seit jeher von anderen Wahlereignissen gewohnt sind. Auch einer Veröffentlichung von Hochrechnungen in den Medien vor Schließung des letzten Wahllokales in einem anderen Mitgliedstaat steht nichts entgegen. Lediglich amtliche Veröffentlichungen werden bis zu diesem Zeitpunkt zu unterbleiben haben.

Um die Anwendbarkeit der Änderung von § 66 Abs. 2 EuWO bei der Europawahl 2004 zu gewährleisten, soll diese Bestimmung bereits frühzeitig beschlossen werden, jedoch erst gemeinsam mit dem In-Kraft-Treten des Ratsbeschlusses innerstaatlich wirksam werden. Es wird daher – nach dem Muster der Art. 151 Abs. 11 Z 2 (Beitrittsvertrag), Abs. 19 (Vertrag von Amsterdam) und Abs. 26 Z 5 B‑VG (Vertrag von Nizza) – das In-Kraft-Treten der innerstaatlichen Regelung vom In-Kraft-Treten des Ratsbeschlusses abhängig gemacht.

Zu Artikel II:

Gemäß Art. 23a B-VG können nicht-österreichische Unionsbürgerinnen und -bürger mit Hauptwohnsitz in Österreich nur dann die von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament wählen, wenn diese Voraussetzung am Stichtag – dieser liegt gut zwei Monate vor dem Wahltag – auf sie zutrifft. Da die zehn Beitrittswerberstaaten erst am 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union sein werden, wären in Österreich lebende Staatsangehörige dieser Nationen durch das B-VG von der Möglichkeit, die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament zu wählen, ausgeschlossen.

Der Beitrittstermin 1. Mai 2004 wurde nicht zuletzt deshalb so festgesetzt, weil den hinzukommenden EU-Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben werden sollte, bei der im Juni 2004 stattfindenden Europawahl teilzunehmen. Es erschiene daher unbillig, bei der Europawahl in Österreich zwei Klassen von Staatsangehörigen der Europäischen Union in Kauf zu nehmen. Eine Beseitigung dieser Unbilligkeit durch ein spezielles Bundesgesetz scheint daher geboten. Der gegenständliche Gesetzentwurf trägt im Fall seiner Umsetzung auch dem von der Kommission in dem als „COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT AND THE COUNCIL on measures to be taken by Member States to ensure participation of all citizens of the Union to the 2004 elections to the European Parliament in an enlarged Union“ betitelten Papier [KOM/2003/0174] artikulierten Wunsch Rechnung, dass die in anderen Mitgliedstaaten lebenden Staatsangehörigen der zehn Beitrittswerberstaaten bereits bei der Europawahl im Juni 2004 die Wahlmöglichkeit haben sollen, die Kandidatinnen und Kandidaten des Wohnsitzmitgliedstaates oder jene ihres Herkunftsmitgliedstaates zu wählen.

Rechtstechnisch soll das angeführte Ziel umgesetzt werden, indem der betroffene Personenkreis beginnend mit 1. Jänner 2004 den in Österreich wohnenden Staatsangehörigen der bisherigen Mitgliedstaaten in Belangen der Europa-Wählerevidenz und der Europawahl mit der Maßgabe gleichgestellt wird, dass zum 1. Mai 2004 tatsächlich ein Beitritt der in Rede stehenden Staaten zur Europäischen Union tatsächlich stattfindet.

Die Vorlaufzeit zwischen In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes und dem Stichtag zur Europawahl 2004 (dieser wird für den 6. April 2004 erwartet) ist notwendig, weil durch die Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 (in dieser Richtlinie sind die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürgerinnen und -bürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, geregelt) de facto das Erfordernis einer Antragstellung (mit der Abgabe einer förmlichen Erklärung, die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament wählen zu wollen) verankert ist. Eine amtswegige Aufnahme der Betroffenen in die Europa-Wählerevidenz wäre nicht richtlinienkonform und würde überdies eine Bevorzugung der Betroffenen gegenüber in Österreich wohnenden Staatsangehörigen bisheriger Mitgliedstaaten darstellen.

Die in der oben angeführten Richtlinie enthaltene Verpflichtung zur Information der nicht-österreichischen EU-Bürgerinnen und -bürger mit Hauptwohnsitz in Österreich soll - wie bisher aber ergänzt um die Bürgerinnen und Bürger der Beitrittsländer - im Erlassweg umgesetzt werden. Der Modus für eine Verständigung von nicht-österreichischen EU-Bürgerinnen und -bürgern mit Hauptwohnsitz in Österreich könnte zu einem späteren Zeitpunkt generell präzisiert wie auch das für Laien etwas missverständliche Europa-Wähleranlagenblatt überarbeitet werden.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 6. November 2003 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Eva Glawischnig, Josef Bucher, Karl Donabauer, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Dr. Michel Spindelegger, Mag. Ulrike Lunacek, Herbert Scheibner, Fritz Neugebauer, Helga Machne, Mag. Elisabeth Grossmann sowie der Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel.

Im Zuge der Beratungen haben die Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Herbert Scheibner, Dr. Peter Wittmann und Dr. Eva Glawischnig einen Abänderungsantrag eingebracht.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oberwähnten Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2003 11 06

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer          Dr. Peter Wittmann

    Berichterstatterin                  Obmann