376 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über den Entschließungsantrag 226/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Maßnahmen zur Verhinderung und Reduzierung der Lärmbelästigung

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 226/A(E) am 24. September 2003 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Auf die Frage, welche Art von Lärm am meisten störe, nennen 4 von 5 ÖsterreicherInnen den Verkehrslärm. Mit über 75% der Nennungen zählt der Verkehr mit Abstand zu den größten Lärmerregern. Die nächsthäufig genannte Lärmquelle in der Nacht ist die Nachbarwohnung mit ca. 9%[1]. Diese Spitzenposition des Verkehrs kommt nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis einer den Verkehr privilegierenden Gesetzgebung.

Am meisten Menschen sind vom Straßenverkehrslärm betroffen, in etwa drei von vier verkehrslärmgeplagten Personen. Obwohl der LKW-Anteil am Individualverkehr – mit Ausnahme weniger Straßenabschnitte - unter 15% liegt, wird der LKW-Verkehr als gleich störend wie der PKW-Verkehr erachtet. Dies geht darauf zurück, dass ein LKW im Schnitt so laut wie 6 PKW ist[2].

Während die Behörde bei einer gewerblichen Betriebsanlage gesundheitsgefährdenden oder belästigenden Lärm durch Auflagen zu verhindern hat und Nachbarn und Nachbarinnen solche beantragen können, ist Lärmschutz bei der Straße ein Gnadenakt. Ein Recht auf Lärmschutz steht den Nachbarn und Nachbarinnen nicht zu.

Bei Bundesstraßen gibt es gar kein Zulassungsverfahren, wo sie dies geltend machen könnten. Bundesstraßen werden vom/von der Bundesminister/in „verordnet". Bei der Bestimmung von Trassenverlauf und Ausführung der Straße (Stichwort Unterflurtrasse, Flüsterasphalt) ist auf den Lärmschutz Bedacht zu nehmen, doch wenn es zu laut wird, können die Nachbarn rechtlich nichts dagegen unternehmen[3]. Denn die Trassen-Verordnung kann nur von jenen GrundstückseigentümerInnen, die zugunsten der Trasse Grund hergeben müssen oder von EigentümerInnen von Grundstücken im Bauverbotsbereich entlang von Bundesstraßen bekämpft werden.

Ist vor Errichtung der Bundesstraße allerdings eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G durchzuführen, so können bei Autobahnen und anderen Bundesstraßenvorhaben ab 10 km Länge auch Bürgerinitiativen die Trassenverordnung beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Verbindliche Auflagen sind jedoch bei Verordnungen prinzipiell ausgeschlossen (siehe Verfassungsgerichtshoferkenntnis zur B 301, V 53/01 vom 22. 6. 2002). Anders als bei gewerblichen Anlagen sind die Nachbarn zudem nicht absolut vor unzumutbaren Lärmbelästigungen geschützt. Werden durch die neue Trasse Nachbarn einer bestehenden Straße entlastet, so gilt das Entlastungsprivileg. Hier kommt es auf die Menge der Nachbarn an, die unzumutbar belästigt werden: „Wird bei Straßenbauvorhaben im Einzelfall durch die Verwirklichung des Vorhabens ein wesentlich größerer Kreis von Nachbarn bestehender Verkehrsanlagen dauerhaft entlastet als Nachbarn des Vorhabens belastet werden, so gilt die Genehmigungsvoraussetzung (des Nachbarschaftsschutzes) als erfüllt, wenn die Belästigung der Nachbarn so niedrig gehalten wird, als dies durch einen im Hinblick auf den erzielbaren Zweck wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erreicht werden kann."[4]

Faktum ist also, dass bei der Planung von Straßen der Lärm zu sehr ausgeblendet wird und dann im Nachhinein allenfalls Lärmschutzwände errichtet oder Schallschutzfenster finanziert[5] oder Verkehrsbeschränkungen verfügt werden. Einen Rechtsanspruch der Nachbarn auf diese Maßnahmen gibt es nicht.[6] Zuständig ist der Straßenerhalter, also bei Bundesstraßen der Bund, bei Landesstraßen das Land und bei Gemeindestraßen die Gemeinde. Die Ausgaben des Bundes für Lärmschutzmaßnahmen werden nicht näher aufgegliedert (in Lärmschutzwände, Einhausungen etc.) und schwanken sehr. Seit 1992 hatten sie bis 1997 eine stark fallende Tendenz[7]. Eine leichte Besserung ist erst seit 1998 zu beobachten[8]. Die Ausgaben der ASFINAG für Lärmschutzmaßnahmen im bestehenden Netz stiegen von 5,1 Mio € im Jahre 1997 auf 21,4 Mio € im Jahre 2002[9].

Ein gesetzliches Fahrverbot mit nicht unbedeutenden Ausnahmen (siehe diesbezüglich den Initiativantrag der Abg. Dr. Lichtenberger, Freundinnen und Freunde, Nr. 19/A vom 20.12.2002) gilt nach § 42 Straßenverkehrsordnung für Lastkraftwagen über 7,5 t Gesamtgewicht an Samstagen ab 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 00.00 bis 22.00 Uhr und an sonstigen Tagen in der Nacht von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr früh. Nach § 43 Abs 2 StVO können fallweise für bestimmte Strecken und Gebiete aus Lärmschutzgründen Verkehrsbeschränkungen verordnet werden. Sehr wirksam sind zB Geschwindigkeitsbeschränkungen[10]. Tempo 30 im Ortsgebiet bringt gegenüber Tempo 50 mehr als die Halbierung des Lärms[11]. Je bedeutender eine „Verkehrsbeziehung" ist, desto geringer sind jedoch - schon gesetzlich so angelegt - die Chancen der Nachbarn auf eine Verbesserung ihrer Situation. Der Dauerschallpegel in 25 m Entfernung von der Straße hat in den wichtigsten Abschnitten des österreichischen Bundesstraßennetzes von 1993 auf 1998 im Schnitt um 1,06 dB(A) bei Tag und 0,76 dB(A) bei Nacht zugenommen.[12] Der am stärksten lärmbelastete Straßenabschnitt liegt laut einer bundesweiten Untersuchung aus 1998 in Oberösterreich bei Linz an der A 7, Mühlkreisautobahn, mit 77,8 dB(A) am Tag und 70,8 dB(A) in der Nacht.[13]

Auch der Zivilrechtsweg bietet keinen Ausweg. Anders als gegen private Betriebe können gegen Straßen keine Unterlassungsklagen oder Schadenersatzklagen eingebracht werden, weil der Oberste Gerichtshof die Immissionen aus dem Straßenverkehr als Konsequenz der Trassenverordnung, also einem hoheitlichen Widmungsakt, sieht.[14]

Ähnlich unbefriedigend wie bei Straßen ist die Rechtsposition der Nachbarn von Eisenbahnen und Flugplätzen. Es ist jedoch höchste Zeit, dass Verkehrsanlagen mit gleichem Maß gemessen werden und der Summierung der diversen Lärmquellen Rechnung getragen wird. Denn auch die Nachbarschutzbestimmungen in der Gewerbeordnung, dem Mineralrohstoffgesetz, der Bauordnung ua sind unzureichend solange kein allgemein gültiger Grenzwert für die zulässigen Lärmimmissionen bei Nacht und Tag gilt. Die Vorbelastung wird bei Zulassung neuer Anlagen nur in den geringsten Fällen erhoben. Flächendeckende Untersuchungen fehlen überhaupt. Diese sind jedoch Voraussetzung dafür, dass auch bestehenden Anlagen Lärmschutzmaßnahmen aufgetragen werden können.

Die Europäische Umgebungslärm-Richtlinie[15] verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erhebung der Lärmbelastung und zu Maßnahmen zur Minderung des Lärms sowie zur vorbeugenden Verhinderung von Lärm. Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten bis 30. Juni 2007 aufgrund einer einheitlichen Berechnungsmethode Lärmkarten für Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern, für sämtliche Hauptverkehrsstraßen mit einer jährlichen Frequenz von mehr 6 Mio KFZ, für Haupteisenbahnstrecken mit einer jährlichen Frequenz von mehr als 60.000 Zügen und für Großflughäfen zu erstellen.

Bis 30. Juni 2012 sind derartige Lärmkarten auch für andere Ballungsräume und Hauptverkehrsstrecken zu erstellen. Entsprechende Aktionspläne, die Maßnahmen zur Minderung und Vorbeugung der Lärmbelastung vorsehen sind jeweils spätestens im Juli 2008 und im Juli 2013 zu erstellen. Die maßgeblichen Grenzwerte sind von den Mitgliedstaaten festzulegen. Die Öffentlichkeit ist über den Umgebungslärm zu informieren und in die Erstellung der Aktionspläne einzubinden.“

Der Umweltausschuss hat den vorliegenden Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. Jänner 2004 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin im Ausschuss, Abgeordnete Dr. Gabriela Moser, die Abgeordneten Klaus Wittauer, Mag. Ulrike Sima, Karl Dobnigg, Matthias Ellmauer sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Karlheinz Kopf und Klaus Wittauer einen Entschließungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„In den letzten Jahren sind wesentliche Anstrengungen unternommen worden, den Verkehrslärm einzudämmen. Die deutliche Abnahme der laut Mikrozensus stark durch Lärm Gestörten – sie ist seit 1970 auf die Hälfte gesunken - ist ein großer Erfolg. Die Aufwendungen für Lärmschutzmaßnahmen an Bundesstraßen und Schienenwegen haben in den letzten Jahren auch stark zugenommen. Die Sanierung des gesamten Straßen- und Schienennetzes wird jedoch noch über einen langen Zeitraum andauern und die Anstrengungen insbesondere im Verkehrslärmschutz sind jedenfalls auch in den nächsten Jahren weiter zu forcieren.

In diesem Jahr ist die Umgebungslärmrichtlinie der EU in das österreichische Recht umzusetzen (Frist 18. Juli 2004). Ziel der für den Lärm-Schutz von Bürgern wichtigen Richtlinie ist die Festlegung eines gemeinsamen europäischen Konzeptes zur Verringerung von schädlichen Einwirkungen des Umgebungslärmes auf den Menschen. Schwerpunkte sind eine gemeinsame Methode in den Mitgliedsstaaten sowie die Informationen der Öffentlichkeit über Umgebungslärm und seine Auswirkungen.

Derzeit ist Lärmschutz in Österreich eine Annexmaterie klassischer Kompetenztatbestände mit einer entsprechend starken kompetenzrechtlichen Zersplitterung der Aufgaben des Lärmschutzes zwischen dem Bund und den Ländern. Die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie hat deshalb gemeinsam von Seiten des Bundes und der Länder zu erfolgen. Zur Forcierung der Erfolge der Lärmbekämpfung ist aber im Zuge der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie eine Bündelung der Lärmbekämpfungsstrategien zweckmäßig und notwendig.“

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

Der erwähnte Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf und Klaus Wittauer wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1. diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und

2. die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2004-01-20

Klaus Wittauer Dr. Eva Glawischnig

       Berichterstatter                     Obfrau

 



[1] Daten aufgrund der aktuellsten Mikrozensuserhebung der Statistik Austria in österreichisches Statistisches Zentralamt, Umweltbedingungen und Umweltverhalten der Österreicher 1998 und Manfred T. Kalivoda, Verkehrslärmschutz in Österreich, AK-Informationen zur Umweltpolitik Nr. 135 (1999), S 7.

[2] Manfred T. Kalivoda, Verkehrslärmschutz  in  Österreich Teil  II  (2000),  AK-Informationen zur Umweltpolitik Nr 136, S iii.

[3] § 7a Abs 1 Bundesstraßengesetz lautet: „Bei Planung und beim Bau von Bundesstraßen ist vorzusorgen, dass Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf der Bundesstraße so weit herabgesetzt werden, als dies durch einen im Hinblick auf den erzielbaren Zweck wirtschaftlich vertretbaren Aufwand erreicht werden kann, sofern nicht die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Bundesstraße benachbarten Geländes zumutbar ist. Subjektive Rechte werden hiedurch nicht begründet."

[4] § 24h Abs 2 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Das UVP-G kommt seit 1.1.1995 zur Anwendung. Bundesstraßen, die vorher geplant wurden, wurden (hinsichtlich Nachbarschaftsschutz) nur nach dem Bundesstraßengesetz beurteilt.

[5] Nach der alten Dienstanweisung des BMwA, die bis 1999 galt, sollten bei Bundesstraßen, die vor 1983 errichtet wurden, Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden, wenn der Dauerschallpegel in der Nacht von 55 dB(A) und untertags von 65 dB(A) überschritten wurde. Bei Neubauten wurde auch der Umgebungslärm mit 10 dB(A) in Rechnung gestellt5. Seit Dezember 1999 gilt für geplante und bestehende Straßen für den Tag 60 dB und für die Nacht 50 dB als Immissionsgrenzwert. Für geplante Straßen in besonders ruhigen Gebieten gelten jeweils um 10 dB geringere Grenzwerte (BMwA, Dienstanweisungen Zl. 920.080/1-11/14/82 und Zl. 890.040/2-VI/14a/99.)

[6] Siehe schon FN 3.

[7] Verkehrslärmschutz in Österreich, S 45.

[8] Friedrich Zotter, Entwicklung des Lärmschutzes im internationalen Vergleich, Vortrag bei Fachtagung Lärmschutz - Stillstand oder Trendwende vom Juni 2002, Folie 12. Zugriff über www.asfinag.at > Umweltschutz > fachtagung lärmschutz.

[9] Werner Kaufmann, Lärmschutz aus Sicht der ASFINAG, Vortrag bei Fachtagung Lärmschutz -Stillstand oder Trendwende vom Juni 2002, Folie 7. Zugriff über www.asfinag.at > Umweltschutz >fachtagung lärmschutz.

[10] BMLFUW, Sechster Umweltkontrollbericht (2001), S 461.

[11] www.vcoe.at, VCÖ-Tipps gegen Verkehrslärm.

[12] Auf die gesetzlich verfügten Senkungen des Emissionspegels der Einzelfahrzeuge nach dem Kraftfahrzeuggesetz braucht hier nicht naher eingegangen werden, da diese Lärmminderungsmaßnahmen durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens wettgemacht wurden. Siehe Verkehrslärmschutz Teil II, S iii.

[13] Verkehrslärmschutz in Österreich, S 31.

[14] Siehe dazu die Kritik an der Rechtssprechung in Bezug auf lärmmindernde Maßnahmen bei Monika
Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung (1994) S 309 f.

[15] RL 2002/49/EG vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm.