V o r b l a
t t
Problem:
Neue und veränderte Erscheinungsformen der
gewerblich-organisierten Kriminalität im Warenverkehr sowohl innerhalb
der Europäischen Union als auch mit Drittstaaten erfordern die Schaffung
zeitgemäßer Rechtsgrundlagen auf europäischer Ebene, um das den jeweils
zuständigen Zoll- und Polizeiverwaltungen auch in ihrer Eigenschaft als
Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehende Instrumentarium zur
Verhinderung, Ermittlung und Aufklärung von Straftaten im Bereich der
organisierten Zoll-, Drogen- und Geldwäschekriminalität zu verbessern und neu
zu gestalten. Das Übereinkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über
die Europäische Union über gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der
Zollverwaltungen (Neapel II-Übereinkommen) stellt die Zusammenarbeit im
Zollbereich auf eine neue Stufe und führt besondere Zusammenarbeitsformen ein,
die es sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich bestimmter Materien wie zum
Beispiel Geldwäsche noch nicht gibt.
Ziel:
Ziel des vorliegenden Übereinkommens ist
es, die Verhinderung, Ermittlung, Verfolgung und Ahndung schwerer Verstöße
gegen Zollvorschriften im weitesten Sinn im Wege der Zusammenarbeit der Zollverwaltungen
der EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen. Das Übereinkommen soll auch die
Unterschiede bei den nationalen Behördenzuständigkeiten innerhalb der
Mitgliedstaaten überbrücken und für den gesamten Warenverkehr einen EU-weiten
Informationsaustausch ermöglichen.
Inhalt:
Das Übereinkommen sieht eine umfassende
Zusammenarbeit der EU-Zollverwaltungen vor, die sich auch auf Nacheile,
grenzüberschreitende Observation, kontrollierte Lieferung, verdeckte
Ermittlungen und Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams erstrecken kann.
Ausgenommen bleiben jedoch vor allem die Amtshilfe zur Einbringung von Abgaben
(Vollstreckungshilfe) sowie die justizielle Rechtshilfe.
Alternativen:
Keine.
Auswirkung auf die Beschäftigung und
den Wirtschaftsstandort Österreich:
Das Übereinkommen hat keine Auswirkung auf
die Beschäftigung. Dem Wirtschaftsstandort Österreich kann eine bessere
Zollzusammenarbeit insofern dienlich sein, als Schmuggelimporte und damit auch
Wettbewerbsverzerrungen hintangehalten werden.
Finanzielle Auswirkungen:
Die Gewährung von Amtshilfe wird in Folge
der Bearbeitung von Aktenvorgängen nicht konkret messbare Kosten bei Personal-
und Sachaufwand verursachen, denen aber in jenen Fällen, in denen eingeholte
Auskünfte zum Abschluss von Abgaben- und Finanzstrafverfahren führen, Einnahmen
in nicht vorhersehbarer Höhe gegenüber stehen. Hinsichtlich der besonderen
Formen der Zusammenarbeit im operativen Bereich ist gleichfalls davon
auszugehen, dass diese sehr selten anfallen und ebenfalls nicht konkret
messbare Kosten bei Personal- und Sachaufwand verursachen. Insgesamt ist von
einer Kostenneutralität auszugehen.
Verhältnis zu Rechtsvorschriften
der Europäischen Union:
Ist von der Natur des Übereinkommens her
schon gegeben.
Besonderheiten des
Normerzeugungsverfahren:
Keine.
E r l ä u t e r u n g e n
Allgemeiner Teil
Das Übereinkommen aufgrund von
Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über gegenseitige
Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen ist gesetzändernd und
gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß
Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es enthält keine verfassungsändernden
Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren
Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung
von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Eine
Zustimmung des Bundesrats gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz ist nicht
erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich
der Länder betreffen, geregelt werden.
Entstehung des Übereinkommens
Der erste Schritte in Richtung einer
engeren Zusammenarbeit der Zollverwaltungen der E(W)G-Staaten war das
Übereinkommen von Neapel aus dem Jahr 1967 (Übereinkommen zwischen Belgien, der
Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden
über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen), das einen Austausch
von Informationen im Wege der Amtshilfe zum Zweck der gleichmäßigen Anwendung
aller bestehenden Zollvorschriften im Warenverkehr als auch zur besseren
Schmuggelbekämpfung vorsieht. Dieses Übereinkommen hat Österreich ratifiziert
(siehe BGBl. III Nr. 98/1999).
Im Bereich der Ersten Säule
der Europäischen Union wurde am 13. März 1997 die Verordnung (EG)
Nr. 515/97 des Rates über die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich, ABl.
Nr. L 82 vom 22. März 1997, erlassen, die im Bereich des Binnenmarktes
bzw. des vergemeinschafteten Zollwesens und der gemeinsamen Agrarpolitik zur
Anwendung kommt.
Für den Bereich der Dritten Säule, der
polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, wurde das
Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische
Union verabschiedet. Dieses Übereinkommen (Neapel II-Übereinkommen) ersetzt das
Übereinkommen von Neapel aus dem Jahr 1967. Das Übereinkommen ergänzt das
hinsichtlich des Bereiches des automatisierten Nachrichtenaustausches
bestehende Übereinkommen aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über
die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im
Zollbereich, das von Österreich bereits ratifiziert wurde (siehe BGBl. III
Nr. 189/2000).
Ziele des Übereinkommens:
Die innere Sicherheit in
der Europäischen Union wird durch die internationale organisierte
Kriminalität erheblich bedroht. Die Täter von Abgabenhinterziehungen und
Warenschmuggel profitieren vom Abbau der Grenzkontrollen und Freizügigkeit
in Europa. Dem gegenüber sind die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten bei
der gemeinsamen Kriminalitätsbekämpfung im Zollbereich auf ihr jeweiliges
Hoheitsgebiet beschränkt. Aus diesem Grund muss die Zusammenarbeit des Zolls bei
der Verhinderung, Ermittlung, Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen
gegen Zollvorschriften verbessert und grenzüberschreitend ausgestaltet werden.
Neben einer Vertiefung der gegenseitigen Amtshilfe sind neue Formen der
grenzüberschreitenden, operativen Zusammenarbeit erforderlich. Die europäische
Kooperation in den Bereichen Zoll, Polizei und Justiz muss sich möglichst
parallel entwickeln, damit der Binnenmarkt ein „Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts“ ist.
Inhalt:
Das Übereinkommen soll auch die
Unterschiede bei den nationalen Behördenzuständigkeiten innerhalb der
Mitgliedstaaten dadurch überbrücken, dass alle für den Warenverkehr zuständigen
Verwaltungszweige als „Zollverwaltungen“ definiert werden. Dies ermöglicht für den
gesamten Warenverkehr einen EU-weiten Informationsaustausch, insbesondere auch
in Angelegenheiten gewisser Verbote und Beschränkungen oder im Rahmen
finanzstrafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen zwischen der Zollverwaltung eines
Mitgliedstaates und der Polizeiverwaltung eines anderen Mitgliedstaates, in dem
die Zollverwaltung für die Materie nicht zuständig ist. Als Informationskanal
wird in jedem Mitgliedstaat eine Stelle in der nationalen Zollverwaltung
eingerichtet; zu einer Veränderung innerstaatlicher Zuständigkeiten kommt es
dadurch nicht.
Dieser Anwendungsbereich wird im Sinne des
vom Europäischen Rat von Amsterdam beschlossenen Aktionsplanes zur
Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. Nr. C 251 vom
15.8.1997 S.1) erweitert um
- die Beteiligung an der Begehung von Zuwiderhandlungen im Sinne des
Übereinkommens,
- die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, die solche
Zuwiderhandlungen begeht, und
- das Waschen der Erträge aus solchen Zuwiderhandlungen.
In Titel IV des Übereinkommens
(Art. 19 bis 24) wird die besondere grenzüberschreitende Zusammenarbeit
zwischen den nationalen Zollverwaltungen geregelt. Eine solche ist nur zur
Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von schwerwiegenden Zuwiderhandlungen
im Sinne von Art. 19 Abs. 2 zulässig. Diese umfassen
- den illegalen Handel von Verbotswaren (Drogen, psychotrope Stoffe,
Waffen, Munition, Explosivstoffe, Kulturgüter, gefährlicher und giftiger
Abfall, Nuklearmaterial oder Stoffe und Anlagen, die zur Herstellung von
atomaren, biologischen und/oder chemischen Waffen bestimmt sind),
- den Handel mit Vorläufersubstanzen im Sinne der Tabellen I und II
des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels
mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen,
- den gewerbsmäßigen grenzüberschreitenden illegalen Handel mit
abgabepflichtigen Waren,
- den sonstigen Handel mit Waren, der nach den gemeinschaftlichen oder
nationalen Zollvorschriften verboten ist.
Eine Verpflichtung zur Anwendung der im
Titel IV des Übereinkommens geregelten besonderen Formen der Zusammenarbeit wie
Nacheile, grenzüberschreitende Observation, kontrollierte Lieferung, verdeckte
Ermittlungen und Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams entfällt ferner, wenn die
Ermittlungshandlung nach dem nationalen Recht des ersuchten Mitgliedstaates
unzulässig oder nicht vorgesehen ist. Soweit dies nach dem Recht der
Mitgliedstaaten notwendig ist, muss darüber hinaus die Zustimmung der Justizbehörden
zu den geplanten Ermittlungen vorliegen; wird eine solche Zustimmung nur unter
gewissen Bedingungen und Auflagen erteilt, ist sicherzustellen, dass diese im
Zuge der Ermittlungen beachtet werden. In diesem Zusammenhang ist auf die
Regelungen der Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die
justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
(EU-JZG), 370 d. Beilagen XXII. GP, hinzuweisen, das auch bestimmte Fälle
der kontrollierten Lieferung, die verdeckte Ermittlung und die Bildung
gemeinsamer Ermittlungsgruppen im Fall strafrechtlicher Ermittlungsgruppen
regelt.
Schließlich entfällt die Verpflichtung zur
gegenseitigen Amtshilfe, wenn die Tragweite der beantragten Maßnahme,
insbesondere im Rahmen der erwähnten besonderen Formen der Zusammenarbeit, in
einem offensichtlichen Missverhältnis zur Schwere der betreffenden
Zuwiderhandlung steht (Verhältnismäßigkeitsprinzip – Art. 28). Außerdem
können die Mitgliedstaaten die Anwendung dieser grenzüberschreitenden Formen
der Zusammenarbeit durch Erklärungen anlässlich der Unterzeichnung (bezüglich der
Nacheile) oder bei der Notifikation gemäß Art. 32 Abs. 2
(hinsichtlich der grenzüberschreitenden Observation und der verdeckten
Ermittlungen) durch Abgabe einer Erklärung über eine teilweise oder gänzliche
Nichtbeteiligung völkerrechtlich einschränken.
Datenschutz:
Das Übereinkommen enthält im Artikel 25
eine eingehende Datenschutzregelung, die im wesentlichen jene Bereiche abdeckt,
die nicht vom Übereinkommen über den Einsatz der Informationstechnologie im
Zollbereich umfasst sind, und die sowohl den nationalen Datenschutzvorschriften
als auch dem Übereinkommen des Europarates vom 28. Jänner 1981 zum Schutze
des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten und
den im Bereich des Binnenmarktes bestehenden Datenschutzvorschriften entsprechen.
Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften:
Jeder Mitgliedstaat kann nach Art. 26
des Übereinkommens bei Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die
Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anrufen, wenn eine Streitbeilegung
im Rat keinen Erfolg gebracht hat. Bei bestimmten Streitigkeiten zwischen
Mitgliedstaaten und der Kommission ist ebenfalls eine Anrufung des EuGH
vorgesehen. Außerdem kann jeder Mitgliedstaat bei Unterzeichnung des
Übereinkommens eine Erklärung abgeben, dass die Zuständigkeit des EuGH auch für
Vorabentscheidungen nationaler Gerichte an den EuGH anerkannt wird. Österreich
hat diese Erklärungen schon bei Unterzeichnung des Übereinkommens abgegeben.
Verhältnis zur Rechtshilfe:
Das Übereinkommen berührt nicht die
geltenden Bestimmungen über die Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden in
Strafsachen, doch werden die Justizbehörden nach Art. 3 Abs. 2 des
Übereinkommens ermächtigt, Ersuchen um Amtshilfe oder Zusammenarbeit aufgrund
der Bestimmungen des Übereinkommens vorzulegen und sich damit des
Amtshilfeweges über die Zollverwaltungen zu bedienen. Überdies wurde in das
Übereinkommen eine Bestimmung aufgenommen, dass bestehende günstigere Bestimmungen
der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen
Übereinkünfte betreffend die Zusammenarbeit hinsichtlich Zuwiderhandlungen
gegen Zollvorschriften unberührt bleiben. Schließlich wurde auch eine
ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich des Schengener Durchführungsübereinkommens
vom 19. Juni 1990 aufgenommen.
Kosten:
Durch die Anwendung des Übereinkommens
werden derzeit nicht bezifferbare Aufwendungen beim Personal- und Sachaufwand
im Bereich des Bundesministeriums für Finanzen entstehen, denen aber in jenen
Fällen, in denen Auskünfte zum Abschluss von Abgaben- und Finanzstrafverfahren
führen, Einnahmen nicht vorhersehbarer Höhe gegenüber stehen werden. Da durch
die Erweiterung der Europäischen Union auch die Anzahl der
Zollabfertigungen zurückgehen wird, ist insgesamt daher von einer
Kostenneutralität auszugehen.
Erläuternder Bericht:
Zum Übereinkommen wurde in der
Ratsarbeitsgruppe „Zollzusammenarbeit“ ein erläuternder Bericht ausgearbeitet,
der vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigt wurde (ABl. Nr. C 189 vom 17. Juni
1998 S. 1). Der Bericht enthält detaillierte Ausführungen zu den
einzelnen Bestimmungen sowie eine umfassende Darstellung der Vorgeschichte und
der Entstehung des Übereinkommens. Die Erläuterungen im besonderen Teil
enthalten daher nur prägnante Bemerkungen zum Rechtstext des Übereinkommens
oder gehen auf die spezifische österreichische Rechtssituation ein.
Österreichische Erklärungen:
Österreich wird anlässlich der Notifikation
gemäß Art. 32 Abs. 2 die bereits zur Nacheile und zum EuGH abgegebenen
Erklärungen wiederholen sowie auch zusätzliche Erklärungen zu den verdeckten
Ermittlungen und zur provisorischen Anwendung des Übereinkommens abgeben.
Besonderer Teil
zu Artikel 1:
Dieser Artikel spiegelt das Verhältnis der
Ersten Säule zur Dritten Säule im Bereich des Zollwesens wieder. Durch den
Amsterdamer Vertrag vom 16. Juni 1997 wurde im neugefassten Art. 135 des
EGV zwar eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die
gemeinschaftsrechtliche Zusammenarbeit im Zollwesen geschaffen, aber es
erfolgte keine inhaltliche Vergemeinschaftung von bisher nicht vergemeinschafteten
Bereichen des Zollwesens. Da im Bereich der Ersten Säule bis heute keine
Ermächtigungsgrundlage für die repressive Verfolgung von Zollzuwiderhandlungen
existiert, bleibt die Amtshilfe weiterhin in Gemeinschaftsrecht (Erste Säule
der Union) und Unionsrecht (Dritte Säule der Union) aufgespalten. Das
Übereinkommen beinhaltet daher die Ausübung hoheitlicher Gewalt im Zusammenhang
mit strafprozessualen Zwangsmitteln, Nacheile, Festnahmen, Verantwortung für
die Einleitung von Strafverfolgungen und ähnliches und soll in diesem Bereich
die erforderliche Kooperation zwischen den Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten
ermöglichen und zugleich die Parallelität der Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen
der Ersten und der Dritten Säule bzw. zwischen EG- und EU-Bereich herstellen.
In den Anwendungsbereich der Verordnung
Nr. 515/97 vom 13. März 1997 fällt ausschließlich die Verwaltungszusammenarbeit
der Mitgliedstaaten bei der Verhinderung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen
gegen gemeinschaftsrechtliche Zoll- und Agrarvorschriften. Dem gegenüber
umfasst das Übereinkommen von seinem Ziel und Inhalt sowohl die administrative
Zusammenarbeit bei Verstößen gegen nationale Zollvorschriften als auch die
Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen gemeinschaftsrechtliche und
nationale Zollvorschriften. Damit ist klar gestellt, dass das im Rahmen der
Dritten Säule geschaffene Übereinkommen auch zur repressiven Durchsetzung des
in der Ersten Säule geregelten gemeinschaftlichen Zollrechts anwendbar ist.
zu Artikel 2:
Die bestehenden Zuständigkeiten der
Zollverwaltungen im Sinn des Übereinkommens (Zollverwaltungen,
Polizeiverwaltungen) bleiben insofern unberührt, als durch das Übereinkommen
keine Änderungen der innerstaatlichen Kompetenzverteilung bewirkt werden.
zu Artikel 3:
Das Übereinkommen kann grundsätzlich auch
im Bereich der justiziellen Rechtshilfe angewendet werden; siehe dazu die
Ausführungen im allgemeinen Teil der Erläuterungen hinsichtlich des
Verhältnisses zur justiziellen Rechtshilfe.
zu Artikel 4:
Die Definitionen der „nationalen
Zollvorschriften“ und der „gemeinschaftlichen Zollvorschriften“ legen den
Anwendungsbereich des Übereinkommens fest.
„Nationale Zollvorschriften“ sind die
Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates, die die nicht
harmonisierten Verbrauchsteuern betreffen sowie den grenzüberschreitenden
Verkehr mit Waren, die Verboten, Beschränkungen und Kontrollen unterliegen.
Hiezu zählen beispielsweise Rauschgift, Waffen, strahlende Stoffe, aber auch
die Verbote und manche Beschränkungen des Außenwirtschaftsrechts.
„Gemeinschaftliche Zollvorschriften“ sind
im umfassenden Sinne das europäische Zollrecht, die Marktordnungsregelung im
Agrarbereich, die Vorschriften über die harmonisierten Verbrauchsteuern und die
Einfuhrumsatzsteuer sowie die Verbote, Beschränkungen und Kontrollen nach
Gemeinschaftsrecht (z.B. Produktpiraterie). Soweit EG-Richtlinien in das
nationale Recht umgesetzt wurden, gelten auch die nationalen Vorschriften als
gemeinschaftliche Zollvorschriften.
Der Begriff der „Zuwiderhandlungen“ gegen
Zollvorschriften wird im Abkommen sehr weit definiert. Darunter fallen nicht
nur alle Beteiligungsformen und Versuchshandlungen, sondern auch die bloße Beteiligung
an einer entsprechenden kriminellen Organisation und das Waschen von Erträgen,
die aus den genannten Zuwiderhandlungen resultieren, sowie
Ordnungswidrigkeiten.
Die übrigen Definitionen entsprechen den in
bilateralen Zollamtshilfeverträgen üblichen Definitionen.
zu Artikel 5:
Das Bundesministerium für Finanzen wird die
für Betrugsbekämpfung zuständige Organisationseinheit als zentrale
Koordinierungsstelle benennen. Auch dadurch tritt keine Änderung
innerstaatlicher Zuständigkeiten ein; bei Unzuständigkeit hat diese Stelle das
Ersuchen an die zuständige Stelle weiter zu leiten.
zu Artikel 6:
Dieser Artikel regelt die Modalitäten der
Entsendung von Verbindungsbeamten, die im Gastland nur unterstützend tätig
werden dürfen.
zu Artikel 7:
In einem anderen Land anwesende Bedienstete
müssen über einen schriftlichen Auftrag verfügen, der mitzuführen ist.
zu Artikel 8:
Der Gedanke, dass Ersuchen anderer
Mitgliedstaaten genau wie innerstaatliche Ersuchen behandelt werden, entspricht
Art. 29 EUV für den Bereich der Dritten Säule der Union, der die Schaffung
eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorsieht. Der Gedanke
entspricht ferner Art. 280 EGV, wonach die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung
für Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft
richten, die gleichen Maßnahmen ergreifen, die sie auch zur Bekämpfung von
Betrügereien ergreifen, die sich gegen ihre eigenen finanziellen Interessen
richten.
zu den Artikeln 9 bis 18:
Diese Artikel regeln in üblicher Form
völkerrechtlicher Amtshilfeverträge die Form und den Inhalt von
Amtshilfeersuchen, spezielle Formen von Ersuchen um Auskunft, um Überwachung,
um Ermittlung oder um Zustellung sowie die Verwendung von Informationen als
Beweismittel sowohl für die Amtshilfe auf Ersuchen als auch für die spontane
Amtshilfe, also ohne vorheriges Ersuchen.
zu Artikel 19:
Die Zulässigkeit der besonderen Formen der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Zollverwaltungen im Sinne des
Übereinkommens wird in Absatz 2 in einem abschließenden Katalog auf die
Bekämpfung von Zuwiderhandlungen gegen Zollvorschriften mit besonders sensiblem
Charakter beschränkt. Dass nur besonders schwere Zollzuwiderhandlungen zur
Anwendung dieses Titels berechtigen, kommt auch in der Formulierung des
Buchstaben c zum Ausdruck, wenn dort beim Abgaben- und Subventionsbetrug die
Gefahr einer „erheblichen“ finanziellen Belastung der Haushalte gefordert wird.
Ein solches Erheblichkeitskriterium ist aus systematischen Gründen in alle
Arten der Zuwiderhandlungen nach diesem Absatz hineinzulesen. Dies gilt vor
allem für den Auffangtatbestand des Buchstaben d. Andernfalls würden die in den
Buchstaben a bis c enthaltenen Beschränkungen umgangen.
Der Auffangtatbestand des Buchstaben d, der
den Handel mit Waren betrifft, die nach den gemeinschaftlichen oder nationalen
Zollvorschriften verboten sind, und der von der Systematik her Buchstabe a ergänzt,
wurde in das Übereinkommen aufgenommen, um die europäische Zollzusammenarbeit
auch in Zukunft für neue Formen der schweren Zollkriminalität offen zu halten.
Es ist dabei etwa an den Schmuggel von pädophilem oder extremistischem Material
oder an den unerlaubten Verkehr mit anderen Verbotswaren, z.B. im Umwelt-,
Lebensmittel- oder Artenschutzbereich, zu denken.
Darüber hinaus ist es auch aus
datenschutzrechtlichen Gründen unerlässlich, dass die besonderen Formen der
Zollzusammenarbeit auf Fälle der Schwerkriminalität beschränkt bleiben.
Andernfalls würde z.B. die Ermöglichung der grenzüberschreitenden Observation
im Falle einer bloßen „Verwicklung“ in Zollzuwiderhandlungen in
unverhältnismäßiger Weise in die Rechte der Betroffenen eingreifen und auch zu
einer unzulässigen Datenerhebung führen können. Das gleiche gilt entsprechend
für alle anderen besonderen Formen der Zusammenarbeit nach diesem Artikel.
Die Absätze 3 bis 8 regeln, dass einem
Ersuchen nicht entsprochen werden muss, wenn die angestrebte Art der Ermittlung
nach dem nationalen Recht unzulässig oder nicht vorgesehen ist, und dass
jeweils entsprechend dem nationalen Recht die Zustimmung einer Justizbehörde zu
beantragen ist. Weiteres werden Haftungs- und Schadenersatzregelungen sowie
Beweisverwertungsregeln getroffen und im Inland zum Einsatz kommende
ausländische Beamte in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder
die sie begehen, gleichgestellt.
zu Artikel 20:
Der
Begriff „auslieferungsfähige Zuwiderhandlung“ ist nunmehr nach dem
Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl L 190
vom 18. 7. 2002, S.1, auszulegen. Die Verpflichtungen aus diesem
Rahmenbeschluss wurden in Österreich durch das Bundesgesetz über die
justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
(EU-JZG) umgesetzt. Eine auslieferungsfähige Straftat liegt vor, wenn die
zugrundeliegenden Handlungen zur Vollstreckung eines Europäischen
Haftbefehls berechtigen würden. Dies ist für Österreich der Fall, wenn die
dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegende Handlung nach dem Recht des
Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem
Jahr bedroht ist und die Tat auch
nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist (§ 4 Abs 1 EU-JZG).
Ist die Handlung aber nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer
Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht und fällt die
Handlung in eine der Kategorien von Straftaten nach Anhang I zum EU-JZG, ist
eine Prüfung der Strafbarkeit nach österreichischem Recht grundsätzlich nicht
erforderlich (§ 4 Abs. 3 EU-JZG). Durch diese enge Fassung der
Anwendung der Nacheilebestimmungen soll sichergestellt werden, dass nur bei
besonders schweren Verstößen gegen die im Art. 19 Abs. 2 genannten
Vorschriften von dieser Form der Zollzusammenarbeit Gebrauch gemacht wird.
Die nacheilenden Bediensteten sind an die
Rechtsvorschriften des Gebietsstaates gebunden und müssen die Anordnungen der
zuständigen Behörden dieses Staates befolgen. Zum Schutz seiner staatlichen Souveränität
bleibt der Einreisestaat stets Herr der Operation. Österreich hat zur Nacheile
bereits die in der Beilage angeschlossene Erklärung anlässlich der
Unterzeichnung abgegeben.
zu Artikel 21:
Der Anwendungsbereich dieses Artikels ist
durch die Formulierung „verwickelt“ weit gefasst. Es muss keine Täterschaft
oder Beihilfe im strafrechtlichen Sinne an einer Zuwiderhandlung nach
Art. 19 Abs. 2 Buchstabe a bis d gegeben sein, sondern es genügt, dass
die zu observierende Person in irgendeiner Weise mit dieser Zuwiderhandlung zu
tun hat oder damit in Zusammenhang gebracht werden kann. Damit ist
grundsätzlich auch eine Observation gutgläubiger oder leicht fahrlässiger
Frachtführer oder Kuriere möglich. Auch bei der grenzüberschreitenden
Observation finden sich ähnliche Regelungen wie bei der Nacheile, und zwar die
Bindung der observierenden Bediensteten an das Recht des Mitgliedstaates, in
dessen Hoheitsgebiet sie operieren, und die Pflicht, Anordnungen der
zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaates zu befolgen.
zu Artikel 22:
Bestimmte Fälle der kontrollierten
Lieferung sind in § 71 des EU-JZG geregelt, und zwar der Transport von
verkehrsbeschränkten oder verbotenen Waren aus oder durch das Bundesgebiet. In
diesen Fällen werden kontrollierte Lieferungen nur auf Ersuchen eines anderen
Mitgliedstaates im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen bewilligt werden, die
auslieferungsfähige Zuwiderhandlungen betreffen, sohin Sachverhalte, die die
Erlassung eines europäischen Haftbefehls rechtfertigen. Neapel II sieht darüber
hinaus auch die kontrollierte Lieferung von nicht verbotenen oder beschränkten
Waren vor, und dies alles auch in der Einfuhr in den ersuchten Mitgliedstaat.
Nationale Regelungen für die nicht vom EU-JZG umfassten Fälle werden in der
Regierungsvorlage betreffend die 5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle (5.
ZollR-DG-Novelle), 405 d. Beilagen XXII. GP, getroffen, und zwar in
§ 17a Abs. 2 in der Fassung des Abänderungsantrages, 431 d. Beilagen
XXII. GP.
zu Artikel 23:
Durch diesen Artikel soll der
grenzüberschreitende Einsatz von verdeckten Ermittlern ermöglicht werden. Ein
verdeckter Ermittler ist ein Behördenorgan, das unter einer auf Dauer
angelegten, veränderten Identität (Legende) zur Informationsgewinnung im
Täterumfeld eingesetzt wird. Das Übereinkommen gestattet den verdeckten Einsatz
von Beamten der Zollverwaltung sowie von Beamten, die im Auftrag der Zollbehörden
handeln. Damit wäre z.B. sichergestellt, dass zum Beispiel Polizeibeamte im
Wege der Amtshilfe für die Zollverwaltung nach Art. 23 des Übereinkommens
tätig werden dürfen.
Die Mitgliedstaaten waren sich beim
Abschluss des Übereinkommens einig, dass dieser Artikel nicht den Einsatz von
Vertrauenspersonen, sogenannten V-Männern, umfassen soll. Da die
Einwirkungsmöglichkeiten einer Verwaltung auf diese privaten Informanten nur im
begrenzten Umfang bestehen, sollte ihnen nicht mit Hilfe des Übereinkommens ein
grenzüberschreitender Einsatz ermöglicht werden.
Österreich gibt eine Erklärung ab, dass
verdeckte Ermittlungen im Umfang der §§ 73 und 74 EU-JZG zugelassen
werden, soferne die Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 2 des
Übereinkommens vorliegen, also wenn strafrechtliche Ermittlungen von einer
Justizbehörde oder unter deren Leitung durchgeführt werden, zumal Art. 23
Abs. 2 ohnedies bestimmt, dass die Bedingungen, unter denen verdeckte
Ermittlungen zulässig sind und durchgeführt werden, von der ersuchten Behörde
entsprechend dem nationalen Recht festgelegt werden.
zu Artikel 24:
Der Einsatz besonderer gemeinsamer
Ermittlungsteams kommt in den Fällen in Betracht, in denen für eine gewisse
Dauer eine intensive Zusammenarbeit von Bediensteten der Mitgliedstaaten in
einem gemeinsamen Arbeitsstab notwendig ist, um ein bestimmtes Ermittlungsziel
zu erreichen. Wegen des erheblichen logistischen Aufwandes, der mit der Bildung
einer internationalen Sonderkommission verbunden ist, rechtfertigt sich diese
Maßnahme nur in den Fällen, in denen besonders schwierige Ermittlungen
durchzuführen sind, die eine gleichzeitige und abgestimmte Vorgehensweise
erfordern.
Durch das Übereinkommen können nunmehr auch
im Bereich der repressiven Verfolgung und der Ahndung von Verstößen gegen
gemeinschaftliche und nationale Zollvorschriften grenzüberschreitende Ermittlungsteams
eingerichtet werden. Dabei kann auf die Erfahrungen zurückgegriffen werden, die
bereits im Bereich der Ersten Säule der Europäischen Union durch
vergleichbare Formen der Zollzusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemacht wurden. Ein
Beispiel für gemeinsame Ermittlungsteams im Bereich der Ersten Säule sind die
koordinierten Vorgangsweisen in Angelegenheiten der Betrugsbekämpfung, wo
das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) die administrativen
Ermittlungen der Verwaltungsbehörden koordiniert, entweder in Form von
Taskforces oder auch im Rahmen von Missionen vor Ort sowohl im Gebiet der EU
Mitgliedstaaten als auch in Drittstaaten.
Hinsichtlich der Bildung gemeinsamer
Ermittlungsgruppen zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen in einem oder
mehreren Mitgliedstaaten ist auf den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni
2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 162 vom 20.6.2002, hinzuweisen,
der mit den §§ 60 bis 62 des EU-JZG umgesetzt wird. Die Bildung besonderer
gemeinsamer Ermittlungsteams wird sich daher innerstaatlich nach dem EU-JZG
richten, soweit es sich um strafrechtliche Ermittlungsgruppen handelt;
ansonsten richtet sich die Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams in Zollangelegenheiten
nach § 115 Abs. 5 der 5. ZollR-DG-Novelle.
zu Artikel 25:
Dieser Artikel enthält eine ausführliche
Datenschutzregelung, die sowohl den europäischen/EU-Standards als auch der
nationalen Rechtslage auf Grund des Datenschutzgesetzes entspricht, und regelt
die Verarbeitung von Daten, Berichtigungs- und Löschungsverpflichtungen,
Auskunftsrechte der Betroffenen und Haftungen sowie Aufbewahrungszeiten und
Datenschutzkontrollen.
zu Artikel 26:
Dieser Artikel regelt die Zuständigkeit des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften; siehe dazu die Allgemeinen
Erläuterungen.
zu den Artikeln 27 bis 31:
In diesen Durchführungs- und
Schlussbestimmungen werden die Vertraulichkeit von Informationen, das Recht der
Verweigerung der Amtshilfe, eine Kostenregelung, die Möglichkeit, Vorbehalte
zum Übereinkommen einzulegen, der territoriale Anwendungsbereich bestehend aus
dem Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft und das Inkrafttreten
geregelt.
zu Artikel 32:
Österreich wird eine Erklärung nach
Abs. 4 dieses Artikels abgeben, dass dieses Übereinkommen mit Ausnahme des
Art. 26 für Österreich gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung
gleichen Inhalts abgegeben haben, anwendbar ist.
zu den Artikeln 33 bis 35:
Diese Artikel regeln den Beitritt neuer
Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Übereinkommen, die Möglichkeit
zukünftiger Änderungen und, dass der Generalsekretär des Rates
der Europäischen Union der Verwahrer des Übereinkommens ist.