921 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Wirtschaftsausschusses

über die Regierungsvorlage (615 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sortenschutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie - Umsetzungsnovelle)

Die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Celex Nr. 398 L 0044) (im folgenden Biotechnologie-Richtlinie) wäre bis 30. Juli 2000 umzusetzen gewesen. Die Regierungsvorlage Patentrechts- und Gebührennovelle 2000 (106 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen), die die Umsetzung der Richtlinie vorsah, wurde in der XXI. GP nicht behandelt.

Die übrigen Regelungen, die die seinerzeitige Regierungsvorlage vorgesehen hat, sind Gegenstand eines gesonderten Entwurfs (Patentrechts- und Gebührennovelle 2004).

Der vorliegende Entwurf enthält nunmehr ausschließlich die Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie. Es liegt bereits eine Klage der Europäischen Kommission gegen Österreich wegen Nichtumsetzung der Richtlinie vor.

Der Verabschiedung der Biotechnologie-Richtlinie im Jahr 1998 waren knapp zehnjährige Beratungen in der Materie vorausgegangen. Das Europäische Parlament hat mit großer Mehrheit für die Verabschiedung der Richtlinie votiert. Im Rat haben nur die Niederlande gegen die Annahme der Richtlinie gestimmt; Italien und Belgien haben sich der Stimme enthalten. Die Niederlande haben im Dezember 1998 eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof erhoben, der sich Italien angeschlossen hat. Die Klage hatte aber keine aufschiebende Wirkung und berührte die Verpflichtung zur rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie nicht. Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. Oktober 2001 wurde die Klage in allen Punkten verworfen.

Im Oktober 2001 hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt um eine Stellungnahme zur Frage der innerstaatlichen Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie ersucht. Mit Beschluss vom 6. März 2002 kam die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zum Ergebnis, dass die innerstaatliche Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie in Österreich auch aus ethischer Sicht wichtig ist.

Ziel der Biotechnologie-Richtlinie ist es, gemeinschaftsweit harmonisierte Regelungen für die Patentierung von Innovationen auf dem Gebiet der belebten Natur festzuschreiben. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Praxis und Rechtsprechung auf diesem Gebiet innerhalb der Gemeinschaft auseinander entwickeln (vgl Erwägungsgründe 5 bis 7 der Biotechnologie-Richtlinie). Vor dem Hintergrund, dass Biotechnologie und Gentechnik als Zukunftstechnologien anzusehen sind, soll eine harmonisierte und gemeinschaftsweite Festschreibung von Regelungen zu Patentierung derartiger Innovationen dem Fortbestehen von Handelsschranken oder dem Entstehen neuer Beeinträchtigungen des Funktionierens des Binnenmarktes entgegenwirken. Ziel der Richtlinie und des vorliegenden Entwurfs ist es aber auch, eindeutige Vorschriften zu den Patentierungsverboten im Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen in das Patentgesetz aufzunehmen.

Mit der Richtlinie ist kein neues Patentrecht für biotechnologische Erfindungen geschaffen worden. Der Grundsatz, dass Erfindungen auch dann patentiert werden können, wenn sie sich auf biologisches Material beziehen, ist bereits seit langem anerkannt. Die Biotechnologie-Richtlinie stellt in ihrem 8. Erwägungsgrund ausdrücklich klar, dass der rechtliche Schutz biotechnologischer Erfindungen nicht die Einführung eines besonderen Rechts erfordert, das an die Stelle des nationalen Patentrechtes tritt, sondern dass das nationale Patentrecht die wesentliche Grundlage für den Rechtsschutz biotechnologischer Erfindungen ist. Die Umsetzung dient daher vor allem der Konkretisierung und Auslegung der geltenden Bestimmungen.

Mit dem Entwurf wird - wie seinerzeit in der Regierungsvorlage Patentrechts- und Gebührennovelle 2000 - vorgeschlagen, die Bestimmungen der Richtlinie weitgehend wörtlich umzusetzen. Dafür spricht, dass sämtliche Bestimmungen der Biotechnologie-Richtlinie das Ergebnis langer und intensiver Beratungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat sind. Um aber die Bedeutung ethischer Grenzziehungen bei der Patentierung hervorzuheben, wird nunmehr der Katalog der Patentierungsverbote unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der Biotechnologie-Richtlinie präziser und umfassender formuliert. Wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Bestimmung des ordre public in Österreich wird auch ein ausdrücklicher Hinweis auf die tragenden Vorschriften des Fortpflanzungsmedizingesetzes eingefügt.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Patentinhaber mit einem Patent das daraus entspringende Recht erwirbt, anderen die Benutzung seiner Erfindung für die Dauer der Patentlaufzeit zu untersagen, es entsteht durch die Patentierung aber kein Ausübungsrecht des Patentinhabers. Ist die Verwendung der Erfindung durch Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift verboten, darf der Patentinhaber selbst die Erfindung nicht verwerten, solange das Verbot besteht.

Der Entwurf geht – wie auch der Erwägungsgrund 26 der Biotechnologie-Richtlinie – davon aus, dass im Fall der Entnahme von biologischem Material – im Regelfall im klinischen Bereich – der Betroffene nach Inkenntnissetzung und vorher freiwillig zugestimmt hat. Dies ist nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften sichergestellt, etwa durch Regelungen im Gesundheitsrecht und im Strafrecht. Soweit hier in bestimmten Bereichen Vollzugsdefizite bestehen sollten, muss ihnen ebendort entgegengetreten werden. Es handelt sich insoweit nicht um eine Frage des Patentrechts. Auch der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang betont, dass sich die Biotechnologie-Richtlinie mit der Erteilung von Patenten befasst und deren Anwendungsbereich sich daher nicht auf Vorgänge vor der Erteilung erstreckt.

Erwägungsgrund 27 der Biotechnologie-Richtlinie sieht vor, dass eine Patentanmeldung, die eine Erfindung betreffend biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand hat, Angaben zum geographischen Herkunftsort dieses Materials umfassen sollte, falls dieser bekannt ist. Die 5. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt hat im Mai 2000 zum Thema „Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vorteilsausgleich“ eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich des Themas mit Blick auf die Entwicklung von Internationalen Richtlinien für einen Umgang mit genetischen Ressourcen, der den Zielen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt entspricht, annehmen wird. Ebenso beschäftigt sich eine Sachverständigengruppe der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) mit dieser Fragestellung. Die Ergebnisse dieser internationalen Verhandlungen sind bei einer späteren Revision der Biotechnologie-Richtlinie und des Patentgesetzes entsprechend zu berücksichtigen. Eine Verpflichtung zur Umsetzung des Erwägungsgrundes 27 zum derzeitigen Zeitpunkt besteht nicht. Hinzu kommt, dass der Erwägungsgrund 27 selbst vorsieht, dass die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Patente von der Angabe des Herkunftsortes unberührt bleibt.

Das Gesetzesvorhaben unterliegt gemäß Art 1 Abs. 1 der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus, BGBl. I Nr. 35/1999, dem genannten Konsultationsmechanismus. Die Befassung der in Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus benannten Stellen ist im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zur Regierungsvorlage Patentrechts- und Gebührennovelle 2000 erfolgt, ein Verlangen nach Art. 2 Abs. 1 der Vereinbarung nach Verhandlungen im Konsultationsgremium wurde seinerzeit nicht gestellt.

Der Wirtschaftsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. April 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Kai Jan Krainer, Dr. Eva Glawischnig, Michaela Sburny, Mag. Johann Moser sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Mag. Eduard Mainoni und der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Wirtschaftsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (615 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005-04-29

               Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann          Dr. Reinhold Mitterlehner

       Berichterstatter                  Obmann