1539/J XXII. GP

Eingelangt am 26.02.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Ulli Sima

und GenossInnen

an   den   Bundesminister   für   Land-   und   Forstwirtschaft,   Umwelt   und

Wasserwirtschaft

betreffend ReaktorUNsicherheit deutscher Atomkraftwerke und Reaktion der

österreichischen Bundesregierung auf das enorme Bedrohungspotential für die

österreichische Bevölkerung

 

 

Seit dem Anschlag auf das World Trade Center im September 2001 wird über die Gefährdung
von Atomkraftwerken durch beabsichtigte Flugzeugabstürze heftig diskutiert. Innerhalb der
EU und den Beitrittskandidatenländern sind kurz nach dem l I.September 2001
unterschiedliche Maßnahmen ergriffen worden, die jedoch nur auf den verbesserten Schutz
von Kernanlagen vermittels polizeilicher und militärischer Maßnahmen abgestimmt waren.

Im Fall eines terroristisch motivierten Angriffs auf ein Atomkraftwerk kann - sofern die
entsprechende Anlage nicht durch die Ausführung des Containments und das Arrangement
von Hilfsanlagenteilen ausreichend geschützt ist - mit bedeutenden Freisetzungen von
radioaktiven Stoffen in die Umwelt gerechnet werden. Die Gefährdung, die sich aufgrund der
Vielzahl von Atomkraftwerken im näheren und ferneren Abstand zur österreichischen Grenze
für die österreichische Bevölkerung ergeben könnte, hat daher auf unterschiedlichen
politischen Ebenen diskutiert und es müssen Initiativen im bilateralen aber auch europäischen
Kontext gesetzt werden.

Seit Ende 2002 liegt in Deutschland eine bis vor kurzem nicht veröffentlichte Studie der
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) vor, die nach den Terrorangriffen
vom 11. September 2001 im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt wurde. Anfang
Februar wurde sie in Auszügen bekannt, dabei schneiden 6 AKWs besonders schlecht ab,
Bedenken werden auch über weitere Kraftwerke geäußert. Die Anlagen Obrigheim, Biblis A,
Stade, Brunsbüttel, Isar l (es liegt nur 70 km von Österreich entfernt) und Phillipsburg l
verfügen demnach über keine explizite Auslegung im Falle eines Flugzeugabsturzes.
Aufgrund mangelnden Schutzes vor terroristischen Angriffen mit Passagierflugzeugen hat das
Bundesamt für Strahlenschutz deshalb am 22. Februar 2004 gefordert, die genannten AKWs
(Stade wurde bereits 2003 geschlossen) vorzeitig abzuschalten. Unter den 18 noch in Betrieb
befindlichen AKWs in Deutschland böten die genannten Anlagen „die größte Unsicherheit",
wenn man gezielte Angriffe mit Passagiermaschinen annehme.

Von Seiten der österreichischen Bundesregierung sind seit Publikwerden der Existenz dieses
Geheimdokumentes (siehe dazu „news" Nr 50/03 vom 11. 12. 03) und auch nach der jetzigen
Forderung des Bundesamts für Strahlenschutz nach Abschaltung von 5 deutschen AKWs
keinerlei Reaktionen bekannt.


Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

Anfrage:

1.   Welche Maßnahmen sind Ihnen bekannt, die nachfolgend dem Angriff auf das World
Trade Center in den Staaten der Europäischen Union, den Beitrittskandidatenländern
aber auch in der Schweiz als Schutzmaßnahme gegen Terrorangriffe gegen
Atomkraftwerke bzw. Anlagen des Kernbrennstoffzyklus ergriffen wurden und auch
heute noch in vollem Umfang in Kraft sind? (Bitte um tabellarische Darstellung nach
Ländern, Art der Maßnahme, Bedeutung nach Effektivität)

2.   Wie beurteilen Sie die ergriffenen Maßnahmen? Inwieweit erachten Sie die
entsprechend ergriffenen Maßnahmen als ausreichend und adäquat?

3.   Welche zusätzlichen Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach erforderlich, sodass ein
ausreichender Schutz der Atomkraftwerke gegen absichtlich herbeigeführte
Flugzeugabstürze gegeben ist?

4.   In welchen Fällen unzureichenden Schutzes erachten Sie die Abschaltung von
Atomkraftwerken als zweckmäßige Maßnahme?

5.   Für welche Typen von Anlagen wäre dies in Geltung zu bringen?

6.   Welche Folgen für die österreichische Bevölkerung und die Umwelt wären
anzunehmen, sollte einer der im Umkreis von 200 km zur österreichischen.
Staatsgrenze befindlichen Anlagen derartig beschädigt werden und eine Freisetzung
von Radioaktivität erfolgen?

7.   Liegen Ihnen Informationen aus diesen Ländern vor, welche die Auslegung von
Atomkraftwerken und Anlagen des Kernbrennstoffzyklus im Zusammenhang mit
Angriffen mittels Verkehrsmaschinen zum Inhalt haben?

8.   Um welche Informationen handelt es sich hierbei und wann wurden diese erstellt?

9.   Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den obig angefragten Informationen?

10. Sind Ihnen Informationen bekannt, denen zufolge Atomkraftwerke in Deutschland
nicht ausreichend gegen Terrorangriffe mittels Verkehrsflugzeugen geschützt sind?

11. Um welche Atomkraftwerke handelt es sich hierbei und wie bewerten Sie die
Gefährdung Österreichs im Falle eines Angriffes auf eine dieser Anlagen?

12. Ist Ihnen bekannt, dass der Anflugkorridor für den neuen Münchner Flughafen über
das bayrische Atomkraftwerk Isar führt?

13. Welche politischen und diplomatischen Schritte hat die Bundesregierung gegenüber
der Deutschen Bundesregierung ergriffen, um auf die dringlich erforderliche
Verbesserung des Schutzes von Kernanlagen gegen Terrorangriffe zu drängen?


14. Welche politischen und diplomatischen Schritte beabsichtigen Sie gegenüber

Deutschland in näherer Zukunft zu setzen, um auf den zu verbesserenden Schutz von
Kernanlagen in Deutschland hinzuweisen?

15. Welche Ressortminister befassen sich mit dieser Frage?

16. Hat bzw. wird die Bundesregierung die Abschaltung von jenen Atomkraftwerken in
Deutschland verlangen, die nicht ausreichend gegen Terrorangriffe mittels
Verkehrsflugzeugen geschützt sind?

17. Falls nein, warum nicht?

18. Haben Sie in den Gremien der Europäischen Union die Problematik des
ungenügenden Schutzes von Atomkraftwerken gegen Terrorangriffe mittels
Verkehrsflugzeugen zur Sprache gebracht?

19. Falls ja, wann und mit welchem Resultat?

20. Falls nein, warum nicht?

21. Kennen Sie die oben genannte Studie der Gesellschaft für Anlagen- und
Reaktorsicherheit" (GRS)?

22. Falls nein, haben Sie diese von Ihrem deutschen Amtskollegen bereits eingefordert?

23. Falls nein, warum nicht?

24. Falls ja, seit wann liegt Sie Ihnen vor?

25. Wie werden Sie auf das nun bekannt gewordene Bedrohungspotential durch das
deutsche AKW Isar l reagieren?

26. Werden Sie die Schließung des 26 Jahre alten AKWs fordern?

27. Werden Sie in allen anderen EU-Mitgliedstaaten (inklusive neuer Mitglieder) die 

Überprüfung der Reaktorsicherheit im Hinblick auf eine terroristische Attacke mit                

einem Passagierflugzeug einfordern?

28. Falls nein, warum nicht?