382/J XXII. GP

Eingelangt am 07.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

betreffend Weiterleitung falscher Daten über die Unterrichtsstunden der
Schülerinnen in Österreich an die OECD

Die jährlich erscheinende OECD-Publikation "Bildung auf einen Blick" enthält auch
eine vergleichende Tabelle über die vorgesehene Unterrichtszeit in öffentlichen
Bildungseinrichtungen. In der Publikation "Bildung auf einen Blick 2002" finden sich
darin auf Seite 314 für Österreich

bei den 12-jährigen 1013 Stunden Unterrichtszeit pro Jahr,
bei den 13-jährigen 1169 Stunden und
bei den 14-jährigen 1262 Stunden.

Dies ergibt einen Durchschnittswert von 1148 Stunden.

Im Anhang der Studie findet sich auf Seite 413 die Erläuterung, welche Zeiten
einzurechnen sind: "Die vorgesehene Unterrichtszeit bezieht sich auf die Anzahl an
Unterrichtsstunden, in denen Schüler im Pflichtteil und Nicht-Pflichtteil des Lehrplans
unterrichtet werden. Für Länder, in denen keine formellen Vorschriften zu der
Unterrichtszeit vorliegen, wurde die Zahl der Unterrichtsstunden aufgrund der
Erhebungsdaten geschätzt. Stunden, die entfallen wenn Schulen wegen Feiertagen
oder Feierlichkeiten geschlossen sind, werden nicht gezählt. In der vorgesehen
Unterrichtszeit nicht enthalten sind freiwillige Aktivitäten außerhalb der regulären
Schulzeit, auch nicht die Zeit für Hausaufgaben, Einzelunterricht und sonstiges
Lernen vor oder nach der Schule."

Aus dieser Erläuterung geht eindeutig hervor, dass

1. 50-Minuten-Stunden in ganze Stunden umzurechnen sind.

2. Feiertage abzuziehen sind und

3. Freigegenstände nicht einzurechnen sind.

In Österreich sind daher von den

52 Jahreswochen 13 Ferienwochen (9 Wochen Sommerferien, 2 Wochen
Weihnachtsferien, 1 Woche Osterferien und 1 Woche Semesterferien) abzuziehen.
1 weitere Woche ist für die schulautonomen Tage abzuziehen und 2 Wochen für 10
schulfreie Feiertage.

 

Auch wenn Feiertage teilweise auf ohnehin schulfreie Tage fallen können, dürfte
nach den OECD-Vorgaben von nicht mehr als 36 Schulwochen ausgegangen
werden.

Bislang betrug die Anzahl der Unterrichtsstunden in diesen 3 Jahren zwischen 32
und 33 Stunden. Daraus errechnet sich eine Jahresstundenzahl von 960 Stunden
bei 32 Wochenstunden und von 990 Stunden bei 33 Wochenstunden. Diese Zahlen
liegen zwar geringfügig über dem OECD-Durchschnitt, bei weiten aber nicht in jenem
Ausmaß, wie es der OECD vom Ministerium übermittelt wurde.

Völlig rätselhaft ist, wie in den OECD-Daten eine enorme Steigerung von 249 (!)
zwischen den 12- und 14-jährigen aufscheinen kann, obwohl sich die
Wochenstundenzahl nur um 1 Stunde erhöht. Somit wurde ein um das Zehnfache
überhöhter Wert bekannt gegeben. Auf die genannten 1262 Jahresstunden käme
man nur bei 42 (!) Wochenstunden bei 14-jährigen.

In mehreren öffentlichen Aussagen haben Sie den offensichtlich falschen
Durchschnittswert von 1148 Stunden als Begründung für die ohne jede
ausgleichende Maßnahme geplante Reduzierung der Wochenstundenzahl um zwei
Stunden genannt.

Die unterfertigen Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. Wie errechnen sich die der OECD bekannt gegeben Wochenstundenzahlen
im Detail?

2. Welche genauen Kriterien gelten für die Berechnung dieser Daten?

3. Sind Ihnen auch andere Länder bekannt, die sich bei der Bekanntgabe
der Daten nicht an die Vorgaben der OECD gehalten haben? Wenn ja,
welche?

4. Gab es unterschiedliche Berechnungsformen in den OECD-Staaten? Wenn
ja, wodurch unterschieden sich die Berechnungen im Detail?

5. Welche Zahl an Jahresunterrichtsstunden ergeben sich für die an dem
Vergleich beteiligten Staaten, wenn die österreichische
Berechnungsmethode herangezogen wird?

6. Welche Zahl an Jahresunterrichtsstunden ergibt sich für Österreich
unter Heranziehung der im Anhang der OECD-Studie angeführten
Errechnungsmethode?

7. Woraus resultiert die enorme Steigerung der Wochenstundenzahl von den
12-jährigen zu den 14-jährigen, obwohl die Stundentafel nur eine
Erhöhung um 1 Stunde pro Woche aufweist?

 

8. Wieso enthält die Studie "Bildung auf einen Blick 2002" keine Daten
über die vorgesehene Unterrichtszeit der 9- bis 11-jährigen? War das
Ministerium nicht in der Lage, die Stundentafeln dieser Altergruppen in
Jahresstunden umzurechnen?

9. Welche internationalen Vergleichswerte liegen für die anderen
Altersjahrgänge vor? Bitte erläutern Sie die Berechnung und nennen Sie
die Quellen.

10. Werden Sie die sogenannte "Entlastungsverordnung" auch erlassen,
nachdem sich die von Ihnen mehrfach genannten durchschnittlich 1.148
Wochenstunden bei 12- bis 14jährigen als Folge einer falschen Berechnung
erwiesen haben?

11. Wie hoch ist der finanzielle Einsparungseffekt der sogenannten
"Entlastungsverordnung" in den Jahren 2003, 2004, 2005 und 2006?

12. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um mit den freiwerdenden Mitteln
die Bildungsqualität anzuheben und insbesondere Fördermaßnahmen
auszuweiten?

13. Ist eine Evaluierung der Stundenkürzung geplant? Wenn ja, durch wen und bis
wann werden Ergebnisse vorliegen?