520/J XXII. GP
Eingelangt am 12.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE
ANFRAGE
gemäß § 93
Abs. 2 GOG
der
Abgeordneten Dr. Cap
und
GenossInnen
an
den Bundesminister für Finanzen
betreffend
mehr als 27 Millionen Euro für Selbstdarstellung und Reklame
Durch
den Bundesminister für Finanzen wurden seit 4.2.2000 mehr als 27
Millionen Euro für Selbstdarstellung und
Reklame verschleudert - bei dieser
Summe handelt es sich um die
höchsten Ausgaben für externe Dienstleister
- veranlasst durch ein einziges Ressort - seit 1945. Davon allein im Jahre
2002 15,93 Millionen Euro, das
entspricht dem 1,5-fachen Betrag, den die
Bundesregierung für die Bedeckung des Härtefonds der
Pensionsversicherung für das Jahr 2004 budgetiert hat.
Die Berichterstattung rund um die exorbitanten Ausgaben
des
Finanzministers für Beratungsleistungen und Propaganda gipfelte in einem
Artikel der Tageszeitung „Salzburger Nachrichten" vom 11. Juni
2003,
wonach die großflächigen Inserate in den Tageszeitungen am
Pfingstwochenende, in denen 37 Universitätsprofessoren zum raschen
Beschluss der Pensionsreform aufriefen, nicht von diesen selbst bezahlt
wurden, sondern sämtliche Kosten in Höhe von 190.000 Euro durch das
Finanzministerium und somit durch den Steuerzahler getragen wurden.
Obwohl die Bundesregierung nicht als Initiator dieser
Inserate aufscheint,
wurden sämtliche Kosten aus Budgetmitteln bezahlt. Die Unterzeichner
dieses Aufrufes, darunter Univ. Prof. Streissler, WU-Rektor Badelt sowie
der
Doktorvater von Finanzminister Grasser, Univ. Prof. Kofler, wurden nicht
einmal um eine finanzielle Beteiligung ersucht, sondern man begnügte
sich
ausschließlich mit deren Unterschrift. Laut dem genannten Medienbericht
ist für diese Vorgangsweise sowie der kompletten Formulierung und
Gestaltung des Inserates das Kabinett von Finanzminister
Grasser
verantwortlich.
Dieser manipulierte Aufruf, der klar die Unabhängigkeit
der Lehre in Frage
stellt, zog nicht nur heftige Kritik durch besorgte Universitätslehrer
nach
sich, sondern es widerspricht diese Regierungspropaganda ganz
offensichtlich den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und
Zweckmäßigkeit, an denen sich der Finanzminister zu orientieren hätte.
Trotz heftigster politischer Kritik und der Befassung
des Ständigen
Unterausschusses des Rechnungshofausschusses mit den Ausgaben des
Finanzministers für Beratung hat BM Grasser Ende März eine weitere
Kommunikationskampagne mit der Auftragshöhe von 2,2 Millionen Euro
ausgeschrieben. Dazu stellt ein Vertreter des Fachverbandes Werbung
fest:
„Eine Unwägbarkeit stellt eindeutig der Zeitrahmen dar: Schließlich sucht
das Ministerium Zusammenarbeit von Juni 2003 bis 31. Dezember 2007.
Zum Zeitpunkt der Ausschreibung kann kaum klar sein, welche
kommunikativen Notwendigkeiten sich in zwei oder drei Jahren
ergeben"
(Extradienst vom 18.4.2003).
Besonders im Gegensatz zu den Interessen des
Steuerzahlers steht die
Vorgangsweise von Finanzminister Grasser - bereits vor Bildung der
Regierung Schüssel II - einen 950.000 Euro teuren Werbeauftrag
auszuschreiben, der eine Bewerbung von zukünftigen Regierungsmaß-
nahmen beinhaltet.
Insgesamt wurden durch das BMF seit 4.2.2000 mindestens 6
Millionen
Euro ausschließlich für Regierungspropaganda vergeben.
Aber nicht nur für Reklame, sondern vor allem für die
Auslagerung von
ressortinternen Aufgaben an externe Berater wurde Steuergeld in
exorbitanter Höhe verschwendet.
Unter Heranziehung von entsprechenden
Anfragebeantwortungen und
diesbezüglicher Medienberichterstattung ergibt sich nachfolgendes Bild
der
Ausgaben von Finanzminister Grasser für Beratung und Werbung:
1. Beratungsaufträge
(seit 4.2.2OOO):
Arthur Andersen Business Consulting
GmbH (Beratungstätigkeit zur
Erreichung eines Nulldefizits) €
4.290.482,--
Mc Kinsey & Company Inc. (Reorganisation der
Finanzverwaltung,
Finanz
2001) €
344.649,--
Institut für Verwaltungsmanagement
GesmbH (Kosten- und
Leistungsrechnung für die öffentliche Verwaltung)
€ 50.OOO,--
A.T. Kearney GmbH
(Reorganisation des Vergabewesens)
€ 2.603.767,--
WIFO (Bereitstellung von
Beratungskapazitäten im Rahmen der
Arbeitsgruppe „Ausgliederungen")
€ 2.180,--
Mummert und Partner/FAA Holding GmbH
und Co. KEG (Reorganisation
der Zollverwaltung) €
338.408,-
Externe Berater, Prof. Dr. Josef
Zechner (Reform der österreichischen
Bankenaufsicht, Finanzmarktaufsicht)
€ 171.42O,--
Privatisierungsberatung der
Bundeswohnbaugesellschaften, Aufträge an
eine Rechtsanwaltskanzlei,
€ 506.330,21--
2 Universitätsprofessoren sowie die €
179.O40,--
Lehman & Brothers Bankhaus AG
€ 10.23O.OOO,--
Dr. Richard Kirchweger (rechtliche
Beratung im Zusammenhang mit einer
Umstrukturierung der ÖBB) €
62.172,--
Kanzlei Grant Thornton - Jonasch &
Platzer (Beratungsleistungen im
Zusammenhang mit einer Reorganisationsmaßnahme der ÖBB, Integration
der Schieneninfrastrukturfinanzierung) €
41.625,--
Rechtsanwaltskanzlei Schramm &
Partner (Beratungsleistungen im
Zusammenhang mit Umstrukturierung der ÖBB) €
50.622,--
Infora (Begleitung des Change-Prozesses im Rahmen der
Neuorientierung
der Finanzverwaltung) €
451.650,--
Rechtsanwaltskanzlei Lessiak & Univ.Prof. Aicher
(laufende Rechtsberatung
in diversen Vergabeverfahren) €
341.8O1,--
Univ.Prof.
Sandner (fachliche Beratung im Zusammenhang mit diversen
Vergabeverfahren, Bewertungen, Evaluierungen, Leistungsbeschreibungen)
€ 96.624,--
TQS - Team für Qualitätssicherung
(Projekt „Österreichische Zollverwaltung:
Qualitätssicherung und Projekterfolg aus Kundensicht") €
12.OOO,--
KPMG Corporate Finance GmbH
(Beratungsleistung
im Zusammenhang mit der Privatisierung der
Österreichischen Bundesverlag AG) €
788.866,--
Austria Wirtschaftsservice GesmbH
(Rahmenvertrag
zur Unterstützung beim Aufbau und der Einführung eines
Beteiligungs- und Finanzcontrollings) €
31.232,--
2. Propagandaausgaben
(seit 4.2.2OOO):
Dr.
Hochegger Kommunikationsberatung GmbH (Information der
Öffentlichkeit über finanz- bzw. wirtschaftspolitische Maßnahmen)
€
139.800,--
Europäisches Zentrum für
Wohlfahrtspolitik - Dr. Bernd Marin
(Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Pensionsreform,
Mitarbeitervorsorge, Sozialversicherungsbeiträge; Vorbereitung und
Teilnahme an Konferenzen und Präsentationen, Mitwirkung am
Weltaltenplan) €
145.345,--
The White House
(PR-Kampagne zur verbesserten Darstellung der Leistungen
des BMF)
€
163.716,--
Dr. Hochegger Kommunikationsberatung GmbH
(Informations-
und Kommunikationskampagne für kleine und mittlere
Unternehmen, KMU-Dialog) €
2.36O.29O,--
Diaserie zum Thema Konjunkturpaket und
steuerliche
Maßnahmen €
52.838,--
Radio-Spots zum Thema Konjunkturpaket und
steuerliche
Maßnahmen €
17.632,--
Recherchen
und Erstellung von Inhalten für das Internet €
6.000,--
3. Schaltung von Inseraten (seit 4.2.20OO):
„Wir
sichern die Pensionen"-Kampagne €
508.710,--
Informationen betreffend Null-Defizit € 326.359,-
5 Schaltungen zum Thema „Euro-Ehrlich" € 91.567,--
Weitere Schaltungen zum Thema „Büro" € 96.486,--
Inserat in Financial Times € 59.019,--
Media Select WerbegesmbH (Anzeigen in diversen
Tageszeitungen
- Telefonstunde des HBM) €
88.325,--
Inserat und Beilage zum Thema
Unternehmens-
neugründungen -
Jungunternehmer €
98.784,--
Inserate zum Thema
Konjunkturpaket und steuerliche
Maßnahmen €
6O.O79,--
C+M Marketing
Services AG (Inseratenkampagne,
Abfertigung neu -
Österreichtelefon) €
3.432,--
GESAMTSUMME: €24.811.250,21--
Zu
dieser ermittelten Gesamtsumme sind noch die Aufträge für die
Schaltung des Professoren-Aufrufes sowie
die im März ausgeschriebene
Kommunikationskampagne hinzuzurechnen, sodass insgesamt von
Aufträgen in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro ausgegangen werden
muss.
Bei dieser Summe handelt es sich um die höchsten
Ausgaben für externe
Dienstleister - veranlasst durch ein einziges Ressort - seit 1945. Noch nie in
der Geschichte in der Zweiten Republik wurden durch einen Finanzminister
derartig viele ressortinterne Dienstleistungen an Dritte ausgelagert,
obwohl
im Finanzministerium eine große Anzahl von bestens ausgebildeten
Fachbeamten zur Verfügung steht und damit ein entsprechendes Know-how
im Ressort brach liegt.
Viele Indizien und einzelne Aufträge deuten klar darauf
hin, dass durch
diesen intensiven Einsatz von Beratern vor allem einem Zweck gedient
wird:
der Persönlichkeitswerbung von Finanzminister Grasser.
Diese erreichte ihren Höhepunkt in einer ganzseitigen Einschaltung samt
Foto des Ministers in der Financial Times am 30.11.2001.
Kritische Medien wie die Wiener Stadtzeitung
„Falter" berichten über
Veranstaltungen von Finanzminister Grasser „in Casinos, Opernhäusern
und Kunsthallen" samt „tausender Cocktails und Brötchen".
Berechtigterweise stellt sich diesbezüglich die Frage, ob „hier das
private
Image eines Politikers mit öffentlichen Mitteln aufpoliert wird"
und ob „der
Sparefroh der Republik tief in den Staatssäckel greife, um den Kurs
seiner
Ich-Aktie in die Höhe zu treiben" (Falter Nr. 24/03).
Gerade die oben angeführten Aufträge zeigen klar, dass
verschiedene
natürliche und juristische Personen zu ähnlichen Themen beschäftigt
wurden. Auch erscheint die Heranziehung von privaten Auftragnehmern für
Gesetzesvorbereitungen - unabhängig von der enormen Kostenhöhe - als
höchst bedenklich.
Vergleicht man die budgetierten Personalkosten der
Zentralstelle des
Bundesministeriums für Finanzen für die Budgetjahre 2003 und 2004 mit
den im Jahre 2002 angefallenen Kosten für externe Berater, so ergibt sich
nachfolgende Kostensituation:
Personalausgaben von rund 44 Millionen Euro stehen
Beratungs- und PR-
Kosten von rund 16 Millionen Euro gegenüber. Das heißt, dass mehr als ein
Drittel der Gesamtpersonalkosten des Ressorts für externe Beratung
verwendet wird (das entspricht dem Jahresgehalt von ca. 220 Beamten).
Trotz Rechnungshofkritik an den kostenintensiven und
ergebnisarmen
Vergaben an externe Berater und den Werbekampagnen ohne
Informationscharakter
werden durch Finanzminister Grasser auch im Jahre
2003 vermehrt entsprechende Aufträge
vergeben. Grundsätzlich führten die
oben näher bezeichneten
Auslagerungen von Aufgaben des
Finanzministeriums an Dritte zu
keinen erkennbaren Erfolgen -
ausgenommen der Imagepflege des
Finanzministers - sondern zu einer
enormen Belastung des Steuerzahlers.
Aus den dargestellten Gründen stellen die unterfertigten
Abgeordneten an
den Bundesminister für Finanzen folgende
Anfrage:
1. Ist es richtig, dass die Kosten der
Schaltungen eines am 7. Juni 2003 in
verschiedenen Tageszeitungen
veröffentlichten Aufrufs von
Universitätsprofessoren für eine „rasche Beschlussfassung über
Reformen unseres Pensionssystems"
durch die Bundesregierung bzw.
durch das Bundesministerium für Finanzen bezahlt wurde?
2. Inwieweit war es Ihre Absicht, durch
dieses in der Frage l näher
bezeichnete
Inserat den Leser dahingehend zu täuschen, dass es sich
um eine unabhängige Initiative handle?
3. Wie hoch waren die
Kosten für diese Schaltungen und von welcher
Institution wurde
dieses Inserat graphisch erstellt?
4. Welche Werbekampagnen
wurden bzw. werden durch das BMF im
Budgetjahr 2003 in Auftrag gegeben, welche Themen sollen durch die
jeweiligen Kampagnen transportiert werden und welche Kosten ziehen
diese
Werbemaßnahmen nach sich?
5. Welche Kosten werden
durch die momentan laufende Regierungs-
werbung zur „Pensionsreform" (Schaltungen in Tageszeitungen - TV-
Werbespots)
verursacht und welches Unternehmen wurde mit der
Durchführung dieser Kampagne beauftragt?
6. Aus welchen Umständen
erklärt sich der exorbitante Bedarf an
externen
Beratungsdienstleistungen für das Bundesministerium für
Finanzen?
7. Aus welchen Umständen
resultiert die Beauftragung von mindestens
drei
Beratungsunternehmen im Zuge des Verkaufs der
Bundeswohnungen?
8. Aus welchem Grund
wurden für die juristische Beratung der
Angebotsevaluierung im Zuge des Verkaufes der
Bundeswohnungen
zwei Universitätsprofessoren beauftragt und wie viele Juristen sind im
BMF beschäftigt?
9. Aus welchem Grund
wurde eine Rechtsanwaltskanzlei mit der
juristischen
Vergaberechtsberatung für den Verkauf der
Bundeswohnungen befasst und wie viele Juristen in Ihrem Ressort
beschäftigen sich mit Vergaberecht?
10. Wie viele Unternehmen wurden
insgesamt mit Beratungsleistungen im
Zusammenhang mit
einer Umstrukturierung der ÖBB beauftragt,
welche Kosten wurden dadurch verursacht und woraus erklärt sich der
Umstand, dass für diese Beratungsdienstleistung mindestens zwei
Rechtsanwaltskanzleien beauftragt wurden?
11. Warum ist es notwendig, eine
Rechtsanwaltskanzlei und zwei
Universitätsprofessoren
mit der laufenden Rechtsberatung in diversen
Vergabeverfahren zu betrauen und aus welchen Gründen wird das
ressortinterne Know-how nicht genutzt?
12. Aus welchen Gründen wurde Dr.
Bernd Marin bzw. das Europäische
Zentrum für Wohlfahrtspolitik für PR-Dienstleistungen herangezogen
und ist es
richtig, dass für diese Dienstleistungen 145.345 Euro an
Kosten angefallen sind?
13. In welche Einzelaufträge gliedert
sich die Informations- und
Kommunikationskampagne
für kleine und mittlere Unternehmen und
aus welchen Gründen wurde für die Erhebung von Bedürfnissen der
KMUs nicht die dafür zuständige
Wirtschaftskammer herangezogen?
14. In welcher Höhe wurden durch das
Finanzministerium seit 4.2.2000
Aufträge für externe Beratung und Werbung vergeben (unter Anführung
möglicher nicht im
Begründungstext genannter Vergaben und deren
Kostenhöhe)?
15.
Von welchem Unternehmen wurde Ihre persönliche Homepage
(www.karlheinzgrasser.at) erstellt und können Sie ausschließen,
dass
dieses Unternehmen auch Auftragsbeziehungen zum BMF unterhält?
In formeller Hinsicht wird
verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2
GOG dringlich zu behandeln.