54/J XXII.GP
Eingelangt am: 23.01.2003
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Enthebung von
Fleischuntersuchungstierärztinnen in der Gemeinde
Unterstinkenbrunn
Im August 2001 wurde vom Amt
der NO-Landesregierung ein höchst ungewöhnlicher
Schritt gesetzt: Die Kompetenz zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung wurde
vom Landeshauptmann Pröll auf den Bürgermeister der Gemeinde
Unterstinkenbrunn übertragen. - Eine Vorgangsweise, die
österreichweit unüblich ist.
Besondere Pikanterie: Der Schlachthofbesitzer ist ÖVP-Gemeinderat.
Daraufhin wurden 15 freiberufliche
Tierärztinnen, die bisher die Kontrolle
durchführten und verschiedene Missstände im Schlachthof festgestellt
hatten, als
unabhängige Kontrollorgane ihres Dienstes enthoben und die Gemeinde
stellte 7
arbeitslose Tierärztinnen mit Unterstützung des AMS an.
Derartige Angriffe auf die
unabhängige Schlachttier- und Fleischuntersuchung (dh
die Anstellung von Tierärztinnen als Kontrollorgane) hat die Gesetzgebung
mit 1. 1.
2003 im
Fleischuntersuchungsgesetz (§ 4 Abs. 2) unterbunden.
Aber in NÖ laufen offenbar die Uhren
anders. 3 Wochen bevor das
Fleischuntersuchungsgesetz in Kraft trat, stellte die Gemeinde die AMS-
Tierärztlnnen unbefristet an. Gleichzeitig versuchte der Landeshauptmann
bzw. der
in seinem Namen agierende Veterinärdirektor Dr. Karner, die
Tierärzte, die in seinem
Namen, von ihm bestellt, über viele Jahre ohne Beanstandung die Kontrollen
durchführten, über gesetzwidrige Bescheide loszuwerden. In den
Bescheiden wird
davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die ursprüngliche
Bestellung
weggefallen seien, weil ohnedies bereits genügend angestellte
Tierärztinnen in der
Gemeinde Unterstinkenbrunn in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung
tätig
seien.
Ein derartiger
Enthebungsgrund ist allerdings im Fleischuntersuchungsgesetz nicht
genannt. Die Behörde bezieht sich auf jene Bestimmung, wonach zu
widerrufen sei,
wenn die Voraussetzungen für die Beauftragung nachträglich
weggefallen sind,
übersieht dabei jedoch, dass diese Voraussetzungen im Gesetz (§ 5
Abs. 1) genau
genannt sind. Tierärztinnen müssen demnach berufsbefugt und im Besitz
eines
amtsärztlichen Zeugnisses nach dem Bazillenausscheidergesetz sein. Ferner
haben
Sie mit Erlass ausdrücklich festgehalten, dass auch bei Anstellung von
Tierärztinnen
durch eine Gemeinde die bescheidmäßig bestellten
Fleischuntersuchungs-
tierärztlnnen im Amt
bleiben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die gesetzwidrige Vorgangsweise von
Landesveternärdirektor Karner, eine erhebliche Anzahl
der mit der Schlachttier-
und Fleischuntersuchung rechtskräftig bestellten, unabhängigen
Tierärztinnen
ihrer Funktion zu entheben und durch
weisungsgebundene Organe zu
ersetzen?
2.
Was werden Sie gegen diesen Anschlag auf die unabhängige
Lebensmittelkontrolle unternehmen?
3.
Inwiefern wurden Sie, der Landeshauptmann und der zuständige Landesrat von
NÖ über diese Gesetzwidrigkeiten in
Kenntnis gesetzt und was haben Sie
bisher dagegen unternommen?
4. Wie beurteilen Sie die gesetzwidrige Argumentation in den
Enthebungsbescheiden und was werden Sie dagegen unternehmen?
5. Wie beurteilen Sie die o.a. Vorgangsweise im Lichte eines von Ihnen
ausgegebenen Erlasses, wonach auch bei Anstellung von
Tierätztlnnen durch
eine Gemeinde die bescheidmässig bestellten
Fleischuntersuchungstierärztinnen im Amt
bleiben sollen?
6.
Wie werden Sie verhindern, dass damit ein Präzedenzfall dafür
geschaffen
wird, wie man mit fadenscheinigen Begründungen unliebsame
Kontrolltierärztinnen loswerden kann?
7.
Stimmt es, dass die ihres Dienstes enthobenen Tierärztinnen auf
Mängel
hingewiesen haben und es deshalb im Jahr 2001
zu “persönlichen Konflikten"
mit dem Schlachthofbesitzer (gleichzeitig ÖVP-Gemeinderat) kam? Sind
diesbezügliche Meldungen über Missstände bei Ihnen eingelangt
und was
haben Sie dagegen unternommen? Gibt es einen diesbezüglichen Bericht
seitens des Landeshauptmannes und was ist der Inhalt dieses Berichtes?
8.
Welche Rolle spielte das Land NÖ hinsichtlich der Enthebung der
Tierärztinnen
vom Dienst?
9. Stimmt es, dass die NÖ Landesveternärdirektion der Gemeinde
Unterstinkenbrunn Berechnungen nannte, wonach
sie im Falle einer
Übertragung der Schlachthof-Beschau an fix angestellte Veterinäre
finanzielle
Mittel lukrieren könnte? Wenn ja, in
welcher Höhe belaufen sich diese
finanziellen Mittel?
10. Ist das Lukrieren von finanziellen Mitteln nach dem
Fleischuntersuchungsgesetz und
Fleischuntersuchungsgebühren-VO legitim (It.
§ 47 ist die Höhe der Gebühren lediglich in einem solchen
Ausmaß
festzusetzen, dass der den Ländern und Gemeinden durch die Vollziehung
dieses Gesetzes entstehende Aufwand ersetzt wird)?
11. Wie ist es zu erklären und inwiefern ist es rechtmäßig, dass die in
Unterstinkenbrunn
nunmehr angestellten Tierärztinnen nur rd. 10 Euro statt rd.
52 Euro/Stunde bezahlt bekommen? Wer profitiert davon?
12. Wie ist zu erklären, dass die Tierärztinnen vom AMS vermittelt und in der
ersten Phase teilweise vom
AMS und damit von der öffentlichen Hand finanziert
wurden? In welcher Höhe belief sich die Finanzierung vom AMS?
13. Inwiefern halten Sie die Weisungsgebundenheit der von der Gemeinde
angestellten
Tierärztinnen im Sinne einer unabhängigen Lebensmittelkontrolle
für tragbar und was werden Sie unternehmen, um die Unabhängigkeit der
Kontrolle im Fall des Schlachthofes Unterstinkenbrunn sicherzustellen?
14. Um die Situation der Schlachttiere EU-weit endlich zu verbessern, ist ein
Rückmeldesystemen
der Schlachter an die Züchter dringend notwendig. Wann
werden Sie ein solches
Rückmeldesystem etablieren und inwiefern werden Sie
die Unabhängigkeit der Beschautierärztinnen sicherstellen?