Stenographisches Protokoll

144. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 30. März 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

144. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 30. März 2006

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. März 2006: 10.00 – 14.50 Uhr

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EU – Themen gemäß § 74b GOG

1. Punkt: Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Si­cherheit

2. Punkt: Neue Impulse für die Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der Europäi­schen Union und in Österreich

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 4

Ordnungsruf ................................................................................................................... 25

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 51

Verhandlungen

1. Punkt: Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Sicherheit                   4

Redner/Rednerinnen:

Dr. Helene Partik-Pablé ..........................................................................................  4, 37

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger .............................................................  7, 32

Herbert Scheibner .......................................................................................................... 9

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................................................. 11

Dr. Johannes Jarolim .................................................................................................. 13

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 15

Markus Fauland ............................................................................................................ 17

Mag. Heribert Donnerbauer ........................................................................................ 19

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 21

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 22


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Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 24

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 26

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 28

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 29

Günter Kößl .................................................................................................................. 34

Dr. Christian Puswald .................................................................................................. 36

2. Punkt: Neue Impulse für die Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der Europäischen Union und in Österreich ....................................................................................................................... 39

Redner/Rednerinnen:

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 39

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .............................................................  42, 68

Wolfgang Katzian ......................................................................................................... 46

Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................................................ 47

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 50

Karl Öllinger .................................................................................................................. 52

Doris Bures ................................................................................................................... 57

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 59

Maximilian Walch ......................................................................................................... 60

Michaela Sburny ........................................................................................................... 62

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................................. 63

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 65

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 66

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 67

Ridi Steibl ...................................................................................................................... 70

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 72

Marianne Hagenhofer .................................................................................................. 75

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 76

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Aufhebung der Übergangsfristen am Arbeitsmarkt und flankieren­des Maßnahmenpaket – Ablehnung  55, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dipl.-Ing. Ma­ximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Vorrang für Beschäf­tigung und Wachstum – Klare Beschlüsse beim Europäischen Rat 23. und 24. März 2006 – Annahme (E 177) ..............................  73, 79

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (816/A)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung emissionsarmer Fahrzeuge – Erweiterung der Begutachtungsplakette (§ 57a KFG) um eine Kennzeich­nung nach Schadstoffklassen (817/A) (E)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorübergehende, wechsel­weise Ausstellung der „Saliera“ in Wien und Innsbruck (818/A) (E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verpflich­tung, Gentechnik-Lebensmittel in gesonderten Regalen anzubieten (819/A) (E)


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Anfragen der Abgeordneten

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Schulkulturbudget für Bundesschulen (4101/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen (4102/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend „Verzögerte Abrechnung EU-Equal – Projekt und Kürzun­gen ESF Mittel“ (4103/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend „Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Lebensversi­cherungen“ (4104/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs“ (4105/J)

Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend bedenkliche Geschäftspraktiken österreichischer Banken (4106/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die „Fortführung der Projekt-Website ,Frauen und neue Technologien‘“ (4107/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend die „Fortführung der Projekt-Website ,Frauen und neue Technologien‘“ (4108/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Schulkenndaten von Schulen im Großraum Innsbruck“ (4109/J)


10.00.07


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Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Die 144. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Ich darf alle Damen und Herren sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen. Die gestrige Sitzung hat bis nach Mitternacht gedauert, und ich freue mich, dass trotzdem alle hier sind.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Broukal, Lackner, Mag. Johann Mo­ser, Wimmer, Dr. Grünewald und Haidlmayr.

Wir haben heute einen so genannten Europatag. Das heißt, diese Sitzung ist aus­schließlich europäischen Themen gewidmet.

Im Zeitraum von 10 Uhr bis 14.05 Uhr wird die Sitzung vom ORF live übertragen. Dar­über hinaus ist beabsichtigt, die Sitzung während der Nachrichten zwischen 13 Uhr und 13.15 Uhr zu unterbrechen.

10.00.511. Punkt

Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Sicher­heit

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum Themenbereich „Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Sicherheit“.

Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé das Wort. Gemäß § 74b Abs. 3 der Ge­schäftsordnung ist die Wortmeldung mit 10 Minuten begrenzt. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.01.13

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Hohes Haus! Uns Österreichern wird immer wieder von manchen EU-Politikern dringend empfohlen, in erster Linie an Europa zu denken und die nationalen Wünsche, Anregungen und so weiter hintanzustellen. Das Gemeinwohl Europas soll das innen­politische Handeln bestimmen – und nicht die Partikularinteressen Österreichs.

So hat zum Beispiel ein EU-Abgeordneter – ich sage gar nicht, wer es war – gesagt: Nicht der national bequemste Weg ist für die Gemeinschaft das richtige, allein richtig für Europa ist jener Weg, der das Vertrauen in die EU stärkt.

So uneingeschränkt möchte ich das nicht hinnehmen, denn für mich als österreichische Politikerin sind natürlich das Wohl Österreichs und das Wohl der Österreicher wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Vordergrund stehen das, was Österreich nützt, was dem Wohl Österreichs dient, sowie die Sinnhaftigkeit der Anwendung des EU-Rechts generell. Wir müssen auch versuchen, die Forderungen, die uns wichtig sind, in Europa durchzusetzen. Frau Mi­nister, deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir heute diese Debatte unter dem Titel „Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Sicherheit“ führen.


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Wir haben heute die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, was uns Österreichern in der Justizpolitik wichtig ist und welche Botschaft wir Ihnen auf Ihrem Weg nach Brüssel mitgeben, Frau Minister, damit Sie unsere Wünsche und unsere Anregungen im Inter­esse der Österreicher befolgen.

Gerade in der Justizpolitik gibt es einige Bereiche, bei denen wir nach meinen Vorstel­lungen kein einheitliches EU-Recht zulassen sollen. Ich meine, dass gerade im Straf­rechtsbereich weiterhin das nationale Recht Geltung behalten soll, obwohl es in der EU immer wieder Tendenzen zur Vereinheitlichung des Strafrechtes gibt.

Es gibt immer wieder Vorstöße, dass die Tatbestände vereinheitlicht werden sollen, dass der Strafvollzug vereinheitlicht werden soll, dass die Strafen vereinheitlicht wer­den sollen und EU-weit geregelt werden müssen. Ich bin überzeugt davon, dass das nicht sinnvoll ist, denn jedes Land in Europa hat seine historisch entstandenen Sys­teme und unterscheidet sich von jedem anderen Land derart gravierend, dass eine Vereinheitlichung nicht nur unendlich schwierig wäre, sondern auch jeder Kompromiss, der da zustande käme, sicher unbefriedigend wäre für alle Länder.

So werden in Österreich zum Beispiel Freiheitsstrafen generell zu 80 Prozent verbüßt. In Großbritannien aber hat man, wenn man eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren be­kommen hat, unter Umständen die Chance, schon nach einem Jahr freizugehen. Das heißt, es sind derart große Differenzen gegeben, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es da sinnvolle Regelungen geben könnte.

Frau Minister! Wir bitten Sie, allen Vorstößen und allen Tendenzen zu einer Vereinheit­lichung des Strafrechts in der EU entgegenzuwirken und zu sagen: Wir haben ein wirklich sehr gut ausgebautes Strafrechtssystem, von dem wir nicht abweichen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein weiteres Verlangen der EU – ich nenne es einmal so: der EU – ist der so genannte europäische Staatsanwalt. Es soll seitens der EU eine eigene Behörde eingerichtet werden, ein Staatsanwalt, der für ganz bestimmte Delikte zuständig ist, nämlich für An­griffe auf die EU selbst, Betrügereien an der EU, Subventionsbetrug und so weiter, also eine Spezialstaatsanwaltschaft, die unabhängig von unserer österreichischen Gesetz­gebung und Rechtsordnung agiert. Das heißt, dieser europäische Staatsanwalt könnte abgehoben agieren, Hausdurchsuchungen veranlassen, Anklagen erheben, Urteile sprechen und so weiter, ohne auf unser Rechtssystem einzugehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Was haben Sie gesagt? (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die euro­päische Staatsanwaltschaft. (Abg. Riepl: „Urteile sprechen“?) Ich habe eine bestimmte Redezeit, ich kann jetzt nicht darauf eingehen, aber Sie haben ja die Möglichkeit, dann im Rahmen einer Wortmeldung darauf zu reagieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Minister! Wir haben ein hoch entwickeltes Rechtssystem, und ich bin überzeugt davon, dass wir auch in der Lage sind – das müssen wir auch in Brüssel darlegen –, sämtliche Arten von Rechtsbruch zu verfolgen, auch wenn sie gegen die EU gerichtet sind. Wie gesagt, diesbezüglich gibt es von unserer Seite her große Ablehnung gegen den europäischen Staatsanwalt beziehungsweise gegen die europäische Staatsanwalt­schaft.

Ein weiteres Vorhaben in der EU ist – da hat ja Österreich die Initiative ergriffen –, dass der Strafvollzug im jeweiligen Heimatland erfolgen soll. Das ist einerseits zu begrüßen, denn in Österreich sind ungefähr 43 Prozent der Häftlinge Ausländer, und es ist nicht einzusehen, dass wir die Kosten tragen sollen, die eigentlich das Heimatland tragen sollte. Nur: Der Haken an der ganzen Geschichte ist, dass man eine so genannte An­passung nicht vornehmen möchte. Das heißt also andererseits, dass österreichische Urteile zum Beispiel nach niederländischem Recht vollzogen werden. Vollzugsrecht:


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Niederlande – das Urteil ist aber in Österreich gesprochen worden. Das führt dazu, dass unter Umständen österreichische Urteile unterlaufen oder konterkariert werden oder dass wir auf der anderen Seite überdimensionale Strafen zu vollziehen haben.

Ich habe schon das Beispiel England erwähnt. Dort sind die Strafen sehr hoch, aber der Vollzug ist sehr locker. In England wird jemand zu 20 Jahren verurteilt – der Straf­vollzug ist ja darauf abgestellt, ihn schon nach wenigen Jahren freizulassen. Nach un­serem Strafvollzugssystem müsste dieser in England Verurteilte 20 Jahre lang sitzen. Das wäre also von der Dimension her ganz einfach nicht gerechtfertigt.

Frau Minister! Ich würde wirklich darauf drängen, dass man da eine Anpassung vor­nimmt, das heißt eine Überprüfung, wie die Strafvollzugssysteme ausschauen und wie sich die Verurteilungen auswirken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie gesagt, im Strafrecht, glaube ich, kommen wir im nationalen Recht wirklich gut vor­an und brauchen da nicht die Europäische Gemeinschaft und auch kein einheitliches System. Im Zivilrecht sieht es anders aus. Dort gibt es sehr viele Bereiche, die sinnvol­lerweise durch EU-einheitliches Recht geregelt werden – das geschieht ja auch stän­dig! Wir passen ununterbrochen an; wir machen das wirklich hervorragend und pünkt­lich, alle EU-Richtlinien werden bei uns vollzogen. Wir haben zum Beispiel die Be­stimmungen zur Geldwäsche, die Haftung juristischer Personen und so weiter, all das haben wir hier vollzogen.

Ein wichtiger Bereich – das möchte ich Ihnen auch noch mit auf den Weg nach Brüssel geben, Frau Minister; Sie sind zwar nicht primär für das Asylrecht zuständig, aber Sie sitzen ja in der Kommission des Justiz- und Innenressorts, und da haben Sie ein ge­wichtiges Wort mitzureden –: Wir brauchen ein EU-einheitliches Asylrecht. Das ist dringend notwendig (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), denn es geht darum, dass die Asylwerber gerechter aufgeteilt werden, dass die Kosten gerechter aufgeteilt werden. Gerade Österreich hat ja eine sehr, sehr große Last zu tragen, weil wir im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern sehr viele Asylwerber haben.

Wir müssen auch eine Lösung für jene finden, die im Namen des Asylrechtes kommen, aber hier kriminelle Tätigkeiten entwickeln. Niemand – kein Österreicher! – sieht ein, dass wir Asylwerber, die kriminell geworden sind, wie beispielsweise Drogendealer, nicht abschieben können. Die EU muss Regelungen finden, dass wir auch gegen jene vorgehen können, die Asylmissbrauch betreiben.

Es hat zum Beispiel seinerzeit SPD-Minister Schily vorgeschlagen, Auffangzentren außerhalb der EU einzurichten – in Afrika, in Russland – und Asylverfahren außerhalb der EU abzuwickeln. Das ist sinnvoll: nicht in die EU einreisen lassen, sondern bereits außerhalb der EU die Probleme lösen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Ministerin Gastinger, wir wissen, wie schwierig die Beratungen in der EU sind, weil es divergierende Interessen gibt – die Skandinavier haben beispielsweise über­haupt kein Verständnis dafür, dass Österreich durch Asylwerber, durch Einwanderer enorm belastet ist –, wir wünschen Ihnen daher für diese Verhandlungen sehr viel Kraft und Durchsetzungsvermögen und hoffen, dass Sie das, was wir Ihnen heute mit auf den Weg geben, auch durchsetzen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin für Justiz Mag. Gastinger zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit ist


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unbegrenzt, aber dann doch nicht zu lange. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) – Bitte, Frau Ministerin.

 


10.11.54

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zuerst meiner Freude Ausdruck verleihen, dass ich heute hier zu einem EU-Thema, nämlich „Erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der europäischen Sicherheit“, sprechen darf.

Wie Sie alle sicher wissen, hatte ich bereits mehrfach die Gelegenheit, auch im Euro­paparlament Stellungnahmen abzugeben – sei es im LIBE-Ausschuss, der für die Grundrechte zuständig ist, oder im JURI-Ausschuss, der mit unserem Justizausschuss vergleichbar ist, aber auch im Plenum habe ich schon eine Fragestunde absolviert. Ich kann Ihnen aus dieser Erfahrung berichten, dass mein Eindruck vom Europaparlament sehr positiv ist und dass es dort wirklich Bestrebungen gibt, hier zum Wohle Europas zu arbeiten – das ist aber ohnehin selbstverständlich.

Ich meine, dass Veranstaltungen, wie wir sie heute hier durchführen, besonders wichtig sind, gerade auch in der Phase, in der Österreich die Ratspräsidentschaft innehat und damit eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe für Europa wahrzunehmen hat.

Gerade der Bereich Justiz und Inneres, in dem ich tätig sein darf und jetzt gemeinsam mit meiner Kollegin Liese Prokop die Ratsführung innehabe, ist für Europa so be­sonders wichtig. Unsere Bürger in Europa dürfen, so meine ich, wirklich gemeinsame Lösungen für grenzüberschreitende Probleme von uns erwarten. In diesem Bereich wollen wir ganz massiv arbeiten!

Ich nenne hier nur die Bereiche, für die wir zuständig sind: illegale Migration – Frau Ab­geordnete Partik-Pablé hat das vorhin angesprochen –, Asylmissbrauch, Menschen­handel, Schlepperei-Kriminalität, Terrorismus und auch organisierte Kriminalität. Sie sehen, das sind all die Bereiche, mit denen wir uns auf der Ebene der Europäischen Union zum Wohle unserer Bürger und Bürgerinnen und damit letztendlich auch – und das ist uns besonders wichtig – zum Wohle Österreichs auseinander setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben uns auf Ebene der Europäischen Union hier ein Arbeitsprogramm gegeben, das so genannte Haager Programm, das ist unser Arbeitskonzept für die nächsten fünf Jahre, also für den Zeitraum von 2005 bis 2010. Die Prioritäten dieses Haager Pro­gramms richten sich genau auf diese Bereiche, die ich gerade genannt habe. Wir ha­ben das in drei Bereiche unterteilt: Das eine ist der Raum der Freiheit, das andere der Raum der Sicherheit, und der dritte Raum ist der Raum des Rechtes. In diesen drei Bereichen wollen wir zum Wohle Europas tätig werden.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat das Thema Asylrecht angesprochen. In diesem Zusammenhang kann ich sie beruhigen: Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahr 2010 gemeinsame europäische Regelungen für eine gemeinsame europäische Asylpolitik zu schaffen, wovon ich glaube, dass es besonders wichtig ist, denn das ist ein Problem, das uns in Europa in Summe beschäftigt – nicht nur uns in Österreich. Ich erinnere daran: Auch in Italien und in Spanien gibt es Probleme mit dem Asylbereich. Das ist ein gemeinsames Problem, und ich glaube, dass wir dieses gemeinsame Pro­blem auch nur in Europa lösen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP so­wie der Abg. Mag. Wurm.)

Ich bin Frau Abgeordneter Partik-Pablé auch dafür dankbar, dass sie den sehr sensib­len Bereich des Strafrechts so eindringlich angesprochen hat, und möchte dazu gleich Folgendes ausführen: Wir haben uns im Haager Programm ganz eindeutig das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zum Vorsatz genommen. Das bedeutet, dass wir un-


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sere Rechtssysteme beibehalten wollen und nicht in Richtung Harmonisierung unserer Rechtssysteme auf ein gemeinsames europäisches Strafrecht zugehen wollen.

Ich glaube, dass das wichtig und auch der richtige Weg ist. Ich werde mich während unserer Ratspräsidentschaft und auch in weiterer Folge als Vertreterin Österreichs im Rat immer dafür einsetzen, dass wir uns massiv gegen die Harmonisierungsbewegun­gen in unserem Justizbereich aussprechen. Das ist besonders wichtig!

Warum ist das so wichtig? – Gerade der Strafrechtsbereich, unser Strafrecht spiegelt unser Wertesystem wider. Wir haben in Europa ein ähnliches Wertesystem, aber trotz­dem haben wir unser spezifisch österreichisches Wertesystem, und das soll sich auch in unserem Strafrechtssystem widerspiegeln.

Das bedeutet aber auch, dass wir im Hinblick auf unsere zukünftige Zusammenarbeit in Europa von diesem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung ausgehen und all die Rechtsinstrumente, die wir jetzt schaffen, sowohl im Straf- als auch im Zivilrechtsbe­reich, von diesem Grundprinzip ausgehen.

Wichtig ist das auch zum Beispiel für den Strafvollzug im Heimatstaat – eine mir sehr wichtige Initiative, die auch eine österreichische Initiative ist. Da sind wir ja jetzt in ganz intensiven Verhandlungen, und ich hoffe, dass es noch während unserer Ratspräsi­dentschaft gelingen wird, den Rahmenbeschluss erfolgreich zu verabschieden. Auch hier ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von ganz essentieller Bedeutung.

Ich denke, dass dieses Instrument des Strafvollzugs im Heimatstaat im Gebiet der EU-25 in weiterer Folge auch richtungweisend für den Europarat sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit schreitet fort – und ich hätte Ihnen so viel zu erzählen! Kurz noch das, was mir auch ganz besonders wichtig ist und wo wir sicherlich nur gemeinsam vorgehen können, wo auch wir Österreicher einen ganz wichtigen Beitrag leisten können: der Kampf gegen Terrorismus und organisierte Krimi­nalität. Österreich allein kann mit diesem Problem nicht fertig werden, hier brauchen wir die Zusammenarbeit mit Europa! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir brauchen diese Zusammenarbeit vor allem auch in Form der Schaffung eines ge­meinsamen Rechtsrahmens – wieder nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerken­nung –, einer verbesserten Kooperation unserer Polizei, aber auch der Kooperation der Justiz, sprich: der Gerichte. Nur dann, wenn wir uns hier auf europäischer Ebene ver­netzen und auch das Vertrauen zu unseren Partnern in Europa haben, können wir die­ser Probleme Herr werden.

Ich möchte einen weiteren Aspekt auch noch kurz anschneiden. Es geht mir um eine Prioritätensetzung während der österreichischen Präsidentschaft, die wir als Regierung gemeinsam vorgenommen haben. Es geht uns um die Perspektiven des Westbalkans, also der Staaten des früheren Jugoslawiens.

In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen berichten, dass ich vor zwei Tagen eine Reise durch all diese Staaten unternommen habe mit dem Ziel, während unserer Rats­präsidentschaft dort auch Zeichen zu setzen, nämlich Zeichen insoweit, als wir für diese Staaten gerade im Bereich der Justiz Hilfestellung anbieten wollen, um Justiz­reformen in diesen Staaten voranzutreiben. Sie können mir glauben, dass eine gut funktionierende Justiz Sicherheit für Europa bedeutet. Eine gut funktionierende Justiz ist auch die Basis für jede Demokratie und die Basis für unsere Wirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Deswegen ist gerade auch diese österreichische – zwischen Anführungszeichen – „Entwicklungshilfe“ in diesen Staaten, wie wir sie ja auch schon sehr erfolgreich in Bul­garien und Rumänien durchgeführt haben, von ganz besonderer Wichtigkeit. Vor allem dürfen wir eines nicht vergessen: Wir haben mit vielen dieser Staaten eine gemein­same Geschichte, und Österreich genießt in diesen Staaten großes Vertrauen. Dieses Vertrauen sollten wir nützen und hier aktiv Hilfestellung anbieten.

Die Erfahrung bei meiner Reise in diese Staaten war, dass diese Hilfe auch sehr gerne angenommen wird und wir in den verschiedenen Bereichen ganz maßgeblich zu Refor­men beitragen können. Ich nenne hier die Bereiche Grundbuchreform, Gerichtsorgani­sationen, Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten. Ich glaube, dass diese Maß­nahmen, das Übertragen unserer erfolgreichen Justizpolitik auch auf diese Staaten ganz maßgeblich dazu beitragen werden, dass auch österreichische Betriebe, seien es Banken, seien es Klein- oder Mittelbetriebe, seien es auch Industriebetriebe, in diesen Staaten auch ganz gut Fuß fassen können, wie es derzeit schon geschieht. Das ist, wie ich meine, ein richtiger und guter Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass Europa eine Herausforde­rung ist und dass wir Österreicher uns dieser Herausforderung stellen sollen. Ich glaube aber auch, dass es besonders wichtig ist, immer darauf zu achten, was jetzt tatsächlich auf europäischer Ebene zu lösen ist und was wir praktisch in Österreich be­halten sollen, weil dies unsere Souveränität betrifft. Es gilt, hier die richtige Balance zu finden, zum Wohle Europas, aber vor allem auch, was ganz besonders wichtig ist, zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger in Österreich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt, wobei kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. In der Debatte dürfen nur Entschließungsanträge gestellt werden.

Die Debatte eröffnet jetzt Herr Abgeordneter Scheibner. Seine Redezeit beträgt 10 Mi­nuten. – Bitte.

 


10.22.07

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Viel wird in der letzten Zeit gerade in Österreich darüber diskutiert, wel­chen Sinn diese Europäische Union hat, welchen Sinn eine internationale Zusammen­arbeit in verschiedenen Feldern der Politik hat. Manche geben dann vor, dass man das alles nicht braucht, und meinen, am besten wäre es, aus dieser Europäischen Union auszutreten, weil wir in Österreich, der Insel der Seligen, unter der Käseglocke doch alles allein regeln können.

Nun: Kritik an der Europäischen Union ist in vielen Bereichen angebracht. Vieles wird dort auf multilateraler Ebene gelöst, was besser auf nationaler, ja sogar regionaler Ebene zu lösen wäre. Aber anderes wird zu Recht auf dieser europäischen Ebene or­ganisiert, manchmal sogar zu wenig. Einer der wichtigsten Grundsätze, wo wir erken­nen müssen, dass das auf regionaler oder nationaler Ebene nicht zu gewährleisten ist, ist die Sicherheit. Und die Sicherheit eines Landes, die Sicherheit der Bevölkerung sind wohl eines der elementarsten Grundbedürfnisse jedes Menschen. Wir haben ein abso­lutes Interesse daran, dass auf der Ebene der Europäischen Union ein Hauptaugen­merk auf die Verbesserung der Sicherheitsstandards auf unserem Kontinent gelegt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wir wissen, dass international agierende kriminelle Banden, Drogenkartelle, Men­schenhändlerringe nicht vor nationalen Grenzen Halt machen. Diese sind perfekt orga­nisiert, verwenden modernste Technologien, sind weltweit vernetzt. Da muss es auch ein international vernetztes Rechtssystem geben, das dem gegenübersteht. Da muss es internationale Zusammenarbeit geben, da muss es einen Datenverbund geben, und da muss es ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Bekämpfung dieser kriminellen Machenschaften geben.

Frau Bundesministerin! Ich bin sehr froh darüber, dass gerade Sie auch im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft wirkliche Dynamik in diese Verhandlungen gelegt haben. Gerade wir als kleines Land, die wir noch dazu Schengen-Außengrenze sind, profitieren davon. Sicherheit in Europa ist auch Sicherheit für Österreich, Sicherheit für die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie, Frau Bundesministerin, und auch Frau Kollegin Partik-Pablé haben das Thema Asylrecht angesprochen. Wir haben Interesse daran. Gerade Österreich ist von illega­ler Immigration betroffen; aber auch andere Länder. Wir haben gerade wieder die Zu­stände in Malta gesehen, wo Zehntausende illegale Einwanderer stranden und man nicht weiß, was man mit ihnen machen soll. In Italien gibt es dasselbe Problem. Da muss es einheitliche Standards geben. Es kann nicht sein, dass sich etwa ein Land dieser Verantwortung begibt, indem man ganz einfach sagt, das interessiert uns nicht, wir lassen die alle irgendwo im Land frei und die haben dann die Möglichkeit, in der ge­samten Europäischen Union herumzureisen und herumzuwandern.

Der Vorschlag, den Frau Abgeordnete Partik-Pablé gemacht hat, dass man außerhalb der Europäischen Union derartige Aufnahmezentren etabliert, wo überprüft wird, ob die Asylwerber auch echte Asylgründe vorzubringen haben, bevor sie auf das Gebiet der Europäischen Union gelangen, ist ein sehr guter Vorschlag, der auch auf EU-Ebene unterstützt werden sollte.

Es muss auch einen Lastenausgleich geben. Österreich hat über viele Jahre allein die­se Last bei der Bewältigung der Sicherung der Schengen-Außengrenze hier übernom­men. Auch da sollte es entsprechende Unterstützung durch die Europäische Union geben, vor allem in der Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedsländern der Europäi­schen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Terrorbekämpfung – auch eine wichtige Frage, die wohl klarerweise nur internatio­nal gelöst werden kann: auf der einen Seite durch eine Vernetzung der nachrichten­dienstlichen Informationen, aber vor allem auch durch Prävention. Und Prävention heißt, auch außerhalb der Grenzen der Europäischen Union für stabile und sichere Zu­stände zu sorgen.

Es wird in Österreich oft darüber diskutiert, was wir denn bei Friedenseinsätzen, wie etwa auf dem Golan, in Afghanistan oder am Balkan, verloren haben. Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, woher zum Beispiel die internationalen Drogenringe ihre Drogen beziehen, etwa aus Afghanistan, wenn man weiß, wo die internationale Krimi­nalität beheimatet ist und woher sie zu uns kommt, wie etwa aus den Balkanländern, wenn man weiß, woher die illegalen Flüchtlingsströme kommen, nämlich genau aus diesen Regionen, dann weiß man, dass Stabilisierung in diesen Ländern auch Sicher­heit für Österreich bedeutet. Und wir haben Interesse daran, dass wir der Bevölkerung in diesen Ländern etwa auch über die Entwicklungszusammenarbeit eine Zukunftsper­spektive für ihr Leben in ihrer Heimat gewährleisten, damit sie keinen Anreiz hat, auf Schlepperbanden hereinzufallen und nach Europa zu kommen, hier eine Zukunft su­chend, die sie aber nicht finden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne unterstützen wir auch den Aufbau gemeinsamer Kapazitäten für eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsstruktur und Sicherheits- und Verteidi-


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gungspolitik. Dazu gehört aber auch eine gemeinsame Außenpolitik, in den Fragen der Justiz, in den Fragen der Sicherheit, in den Fragen auch der Stabilisierung in Europa und darüber hinaus gehend, und da warten wir noch auf die gemeinsamen Initiativen der Europäischen Union.

Zum Schluss noch eines, das, wie ich meine, ganz wichtig ist: Wir haben auch in Euro­pa darüber diskutiert, wie es mit den Grundwerten der Europäischen Union aussieht. Ich erinnere mich an die heftigen Diskussionen und die Ausschreitungen etwa nach dem Karikaturen-Streit. Wir haben das unlängst auch einmal in einer Diskussion mit Vertretern der islamischen Glaubensgemeinschaft sehr intensiv diskutiert. In diesem Zusammenhang muss man auch sagen, dass es in Europa Menschenrechte, Grund- und Freiheitsrechte gibt, die Schranken haben, die aber trotzdem Bestandteil unserer Kultur und unserer Gesellschaftsordnung und deshalb unabänderlich sind.

Es gibt die Pressefreiheit, es gibt die Meinungsfreiheit, es gibt einen Meinungs- und Menschenrechtskodex, zu dem wir stehen, wo wir auch verlangen, dass er auf unse­rem Kontinent auch von anderen geachtet und respektiert wird, aber es gibt selbstver­ständlich auch Schranken für diese Freiheiten. Dort, wo die Freiheit des einen in die Freiheit des anderen eingreift, dort gibt es die Schranken. Aber diese Schranken kann allein die Rechtsordnung setzen, niemand anderer kann darüber entscheiden, wo diese Schranken sind, sondern nur die Rechtsordnung, die durch demokratisch legiti­mierte Körperschaften und Parlamente gegeben wird.

Dort, wo sich jemand in seinen eigenen Rechten verletzt fühlt, kann er und muss er den Rechtsweg beschreiten. Und wenn er dort Recht bekommt, ist es in Ordnung, und wenn er nicht Recht bekommt, muss er diese Entscheidung der Gerichte auch akzep­tieren. Das sei in dieser Frage hier klargestellt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir diese europäische Verfassung unterstützen.

Auch in diesem Zusammenhang wird gefragt: Wozu brauchen wir das? – Wenn wir darauf bestehen, dass wir eine Werteordnung in Europa haben, ein Rechtssystem mit Grundsätzen, zu denen wir stehen, wo wir verlangen, dass auch neue Beitrittswerber dieses Rechtssystem, diese Grundwerteordnung anerkennen, müssen wir sie auch festschreiben.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir zu diesem Verfassungskodex kommen, wo es erst­mals einen Menschenrechtskatalog geben wird, wo es auch ein klares Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat gibt. Das demokratische Prinzip, das rechtsstaatliche Prinzip und die Menschenrechte – das ist wohl der Grundkonsens, den wir hier in Europa haben, von dem wir ausgehen, von dem wir aber nicht abgehen können, denn wir sind stolz darauf. Das müssen wir auch entsprechend weiterentwickeln.

Die Justizminister und die Innenminister sind auf diesem Weg. Ich hoffe, dass wir auch in der zweiten Hälfte der Präsidentschaft eine Lösung für die Fragen gerade in der europäischen Verfassung bekommen, denn auch das wäre ein Fingerzeig, dass Euro­pa sich in viele Dinge einmischt, wo es besser nicht der Fall wäre, aber dass es keine Alternative in weiten Bereichen des Zusammenlebens der Menschen auf diesem Konti­nent gibt als die gemeinsame Lösung der offenen Fragen und Probleme. Das kann nur innerhalb der Europäischen Union geschehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

 


10.31.23

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die EU-Justizpolitik ist


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getragen von Sicherheit für die Menschen, Sicherheit in der EU für EU-Bürger. Das be­deutet Schutz vor Kriminalität, Kampf gegen Verbrechen, Kampf gegen Terror, Kampf gegen Drogenhandel, gegen organisierte Kriminalität, das bedeutet aber auch Kampf gegen Finanzkriminalität und vor allem Sicherheit für zivilrechtliche Angelegenheiten. Dafür ist die EU-Zusammenarbeit notwendig, denn Kriminalität macht nicht Halt vor na­tionalen Grenzen.

Wir brauchen dazu ein Strafregister, das für alle Länder gleichermaßen zugänglich ist. Es muss die Exekutive in Großbritannien kriminelle Energie genauso erkennen wie bei­spielsweise jene in unseren Nachbarstaaten oder bei uns in Österreich. Es ist dazu ein intensiver Informationsaustausch notwendig. Dazu wurden Europol, die europäische Polizeistelle, und Eurojust, jene europäische Stelle, die diesen Informationsaustausch koordinieren soll, geschaffen.

Außerdem ist zur Bekämpfung dieser Kriminalität und dieser kriminellen Energie not­wendig, dass es gleiche Standards gibt. Die Problematik von unterschiedlichen Straf­bestimmungen ist heute schon angesprochen worden. Es ist notwendig, dass sich alle an in etwa ähnliche Gesetze zu halten haben, denn es geht nicht an, dass beispiels­weise in Österreich etwas strafbar ist, aber nicht in unseren Nachbarländern, wo die­selben Täter frei herumlaufen. Daher ist die Zusammenarbeit in der EU so wichtig. Da­her brauchen wir die EU so notwendig. Wir brauchen die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, denn wer bei uns verurteilt ist, soll im gesamten EU-Raum als Täter gesehen werden und sich nicht in einem anderen EU-Land womöglich frei bewegen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Standards und diese Harmonisierung gelingen in der EU sehr gut und sind weit fortgeschritten. Insbesondere auch mit den neuen EU-Ländern im Osten haben wir diesbezüglich eine exzellente Zusammenarbeit. Standards, was kriminelles Handeln bedeutet, gelten in der EU im Allgemeinen gleichermaßen.

Nicht so haben wir diese Standards beispielsweise in der Karibik. Wir haben in der Ka­ribik keine Auslieferungsabkommen mit allen Staaten, dort gelten diese Standards nicht, beispielsweise bei Finanzkriminalität, dort gelten diese Offenlegungspflichten nicht, und dort gibt es keine Anerkennung in gleichem Maße. Mit EU-Richtlinien er­zeugen wir diese Standards, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Öllinger: Liechtenstein: Stiftungen, Finanzdienstleistungen!)

Wir haben im Herbst vorigen Jahres eine EU-Richtlinie umgesetzt, wo wir die Bilanzre­geln für Banken verschärft haben – die SPÖ hat dagegen gestimmt (Abg. Neudeck: Aha!) –, wo wir die Aufsichtsratspflichten für große Gesellschaften verschärft haben – die SPÖ hat dagegen gestimmt. (Ruf bei der ÖVP: Gewusst, warum!)

Die EU stellt über solche Richtlinien gleichermaßen klar, was rechtens und was krimi­nell ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kriminelle Machenschaften im Bankensektor sind daher innerhalb der EU, wenn man die Vorschriften einhält, nicht so leicht möglich. Sie sind wesentlich leichter möglich in der Karibik, beispielsweise in Anguilla, wo jene sieben Briefkastenfirmen sind, auf die die BAWAG die Gelder geschaufelt hat. (Abg. Öllinger: Liechtenstein!) Es ist bedauer­lich, dass wir in diesen Steueroasen keinen Zugriff haben und diese Standards nicht eingehalten werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran können Sie er­kennen, wie wichtig die EU mit ihren Richtlinien ist. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es geht bei der Bekämpfung der Kriminalität einerseits um den Schutz der Bürger di­rekt, aber auch um den Schutz des Vermögens der Bürger, der Finanzeinlagen, es geht um das Aufdecken von Drogengeldern und um Finanzierung von Terrorismus.


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Das alles ist innerhalb der EU auf Grund der guten Zusammenarbeit wesentlich leichter möglich. Das ist nicht so leicht möglich in den Steueroasen in der Karibik, denn dort versteckt man sich nicht nur vor der Steuer, sondern dort ist auch die kriminelle Energie zu Hause.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, dass wir diese Arbeit intensivieren, dass wir gemeinsam in der EU daran arbeiten, dass die Bekämp­fung der Kriminalität zu mehr Sicherheit für unsere Bürger und zum Schutz des Vermö­gens unserer Bürger führt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Auch er wünscht, 8 Minuten zu sprechen. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.37.38

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Kollegin Fekter, ich habe eigentlich eine andere Rede vorbereitet gehabt, nämlich eine im Zusammenhang mit der EU, weil ja auch von Seiten der Präsidiale das Ersu­chen war, sich heute hier weniger Alltagsthemen zu widmen als Fragen der EU. (Abg. Dr. Fekter: Man muss den Menschen das erklären!) Aber ich gehe natürlich gerne auf das ein, nachdem Sie hier die Debatte auf dieses Niveau herunterbrechen wollten.

Ich möchte Ihnen, weil Sie hier wieder die BAWAG-Affäre angeschnitten haben, viel­leicht nur zwei Dinge sagen: Dem entnehmen wir – das wissen wir seit gestern –, dass Grasser seit langem von diesem Skandal wusste. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und ich frage mich wirklich, warum niemand etwas getan hat. – Das ist der erste Punkt.

Gestern hat der Herr Finanzminister gesagt, das sind Praktiken, wie wir sie von allen Banken kennen. – Bitte klären Sie das doch wirklich einmal, und versuchen Sie nicht so krampfhaft, hier aus dieser Thematik auszusteigen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, wenn wir über Europa reden, weil wir Euro­pa von Anbeginn an als eine vernünftige, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sozi­ale Einheit gesehen haben und weil wir als Sozialdemokraten natürlich eine internatio­nale Partei sind. Mit großer Beklemmung und mit Bedauern sehen wir eigentlich, was Sie, speziell der Herr Bundeskanzler, innerhalb dieser Präsidentschaft, dieser Möglich­keit, dieses Potentials wirklich gestalten und was Sie daraus machen – nämlich nichts! Ich würde mich fragen, was ein Kreisky, ein Vranitzky in der internationalen Gesell­schaft für Österreich bewegt hätten, und nicht das, was der Herr Bundeskanzler macht ... (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Nicht zufällig lassen Sie den Einzi­gen aus, der wirklich schon eine Präsidentschaft gehabt hat: Klima haben Sie verges­sen! – Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Molterer.) – Herr Molterer, Sie brauchen nicht so nervös zu sein, lassen Sie mich doch ausreden! Ich würde mir eine sachliche Diskussion wünschen. Wenn Sie da jetzt herumhüpfen und brüllen, dann wird das nichts nützen.

Ich darf nur zitieren: Das ist Ihr Parteifreund, der sagt, bis zur Halbzeit erkennt er hier in Österreich eine Serie von Veranstaltungen, aber keine Entscheidungen, die in den einzelnen Arbeitsphasen etwas weiterbringen.

Wir moderieren herum. Wir bringen nichts weiter. Die Chance, die wir als Österreicher gehabt hätten, in Europa Fortschritte zu erzielen, wurde nicht genutzt. Es gibt ja genug Know-how! Es gibt genügend, worauf wir stolz sein könnten! Dazu zählen nicht die höchste Arbeitslosigkeit und nicht die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der Zweiten Republik, die Sie auf Ihre Fahnen zu heften haben! Es gibt aber viele gute Ansätze, die wir hier in Europa hätten vermarkten können. Leider haben wir das aber nicht getan.


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Wenn wir über die Strafrechtspolitik reden, wenn wir darüber reden, dass wir uns unter­schiedliche Systeme in Europa ansehen, wie wir voneinander lernen können, wie wir jeweils die Best-Practice-Modelle umsetzen können, so kommt man halt nicht umhin, Frau Kollegin Partik-Pablé – Sie haben es ja einmal selbst im Ausschuss gesagt –, zu erkennen, dass es leider Gottes in Österreich eine Entwicklung gibt, die beklemmend ist. Das wissen Sie genauso. Wir haben nicht nur die schlechtesten Wirtschaftskenn­zahlen, sondern wir haben auch die schlechteste Kriminalitätsquote, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und ich freue mich bei Gott nicht, dass ich das hier sagen muss.

Die Ziffern sind klar: Zwischen den Jahren 1999 und 2005 gibt es einen Anstieg der Kriminalität um 22,7 Prozent. Und das habe ich mir nicht irgendwo herausgeschrieben (Abg. Rädler: Oja, aus Wien!), sondern das habe ich den statistischen Kennzahlen entnommen. Es gibt einen Anstieg der Kriminalität von 22,72 Prozent, und gleichzeitig ist die Aufklärungsquote, meine Damen und Herren – und das ist nicht etwas, worauf Sie stolz sein können –, von 51,4 auf 39 Prozent abgesunken.

Ich frage mich, warum Sie nicht darüber nachdenken, welche Verbesserungen man diesbezüglich anstreben kann, sondern sich ans Rednerpult stellen und erklären, wie toll wir sind. (Abg. Rädler: BAWAG!) Ich hätte gerne, dass wir toll sind, ich hätte gerne, dass wir wirtschaftlich ein Vorzeigeland sind und nicht die größte Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik haben. Und ich hätte gerne, dass wir weniger Kriminalität und höhere Aufklärungsquoten haben, aber das ist Ihr Erfolg, meine Damen und Herren, wenn Sie das so nennen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist. Es ist ja nicht so, dass es keine Begrün­dung dafür gibt. Frau Kollegin Partik-Pablé, wir haben im Ausschuss unlängst darüber gesprochen. Thema Asylpolitik: Es vergeht kein Tag, an dem Sie nicht erklären, eine bessere Asylpolitik haben zu wollen. Was ist das Thema in diesem Zusammenhang? Wir wissen alle, dass wir leider Gottes die längsten Asylantragszeiten haben, das heißt, das Asylverfahren dauert in Österreich am längsten von ganz Europa. Sie wis­sen ganz genau – und das ist das Verantwortungslose an der Situation –, dass die or­ganisierten Kriminellen bei der Entsendung ihrer Gruppen, die hier Kriminalität aus­üben – und das ist die organisierte Kriminalität –, genau jene Länder aussuchen, in denen die Asylverfahren am längsten dauern, weil da die Banden am längsten tätig sein können.

Ich kann Ihnen sagen, eine ganz einfache Lösung dieser Thematik wäre, dass Sie den Bundesasylsenat einfach aufstocken, wie Ihnen auch alle Experten sagen, und die Asylzeiten verkürzen. (Abg. Ellmauer: Haben wir ja gemacht!) Dann könnten Sie sofort eine Verbesserung erzielen. Sie wollen das offensichtlich wider besseres Wissen nicht (Abg. Kainz: Das stimmt ja nicht!), und dafür sollten Sie sich eigentlich schämen, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Im gleichen Ausmaß, wie die Asylzugänge erschwert werden, sind – das ist festgestellt worden – durch den Visa-Skandal, wo Visa in verschiedenen Botschaf­ten verkauft wurden – ich warte noch immer auf eine Aufklärung –, die Schwarzmarkt­preise ins Unendliche gestiegen. Da wird bei den Ärmsten der Armen noch abgecasht!

Frau Justizminister, ich schätze Sie persönlich außerordentlich, und wir wissen auch, dass Sie gute Vorschläge unterbreiten – alleine, diese Vorschläge können nicht umge­setzt werden. Ich habe nichts davon, wenn ich mich freue, wenn Sie etwas ankündi­gen, und am nächsten Tag geschieht das Gegenteil.

Wir haben es diese Woche wieder erlebt. Beim Anti-Stalking-Gesetz geht es um einen verbesserten Schutz hauptsächlich für Kinder, Jugendliche und Frauen, die etwa per­manent durch jemanden, der 20 Meter hinten ihnen geht, verfolgt werden. Da haben


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wir von der Opposition vorgeschlagen, es soll sofort die Exekutive, die Polizei ein­schreiten. Das haben Sie am Anfang auch verlangt. Die Frau Innenministerin, die ÖVP hat aber abgeblockt! Ich hätte ganz gerne gewusst, was sich ein Bundeskanzler Schüssel eigentlich vorstellt, wenn er auf seine Fahnen heftet, dass Jugendliche, Kin­der und Frauen, die verfolgt werden, nicht sofort die Exekutive in Anspruch nehmen sollen. Sie sollten sich für diese Art und Weise der Gesetzgebung schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir hätten uns gefreut, wenn wir diese Europäische Rats­präsidentschaft dazu benützt hätten, in Europa ein Vorbild zu sein. Aber die Vorgangs­weise, die wir in Kärnten mit den Ortstafeln erleben, einen Landeshauptmann, der völ­lig außer Rand und Band erklärt, was er vom Verfassungsgerichtshof hält, einen Bun­deskanzler, der schweigend daneben sitzt und zittert, dass ja seine Koalition nicht aus­einander fliegt – das soll eine europäische Norm, ein europäischer Standard sein? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja ungeheuerlich! Jetzt reicht es!) Österreich wird zum Gespött in Europa, meine Damen und Herren, und zwar dank des Bundeskanzlers und dank Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben leider Gottes nicht mehr Zeit, wir kommen aber noch mit weiteren Informa­tionen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir in Europa einen Stellenwert hätten, wie wir ihn unter Vranitzky, wie wir ihn unter Kreisky hatten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ös­terreich unter Schüssel – dazu muss ich sagen: Ich hoffe, dass diese Zeit bald vorbei­geht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

 


10.45.56

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gern an die Rede des Kollegen Jarolim anknüpfen. Frau Bun­desministerin, ich freue mich, dass Sie sich den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens in Ihrer Eigenschaft als österreichische Justizministerin zuwenden und dort so etwas wie Hilfe beim Ausbau der Justizsysteme anbieten. Das wird von den Grünen hoch ge­schätzt. Wir unterstützen alle diese Maßnahmen, die ja nichts Neues für Österreich sind. Auch in den Staaten des so genannten ehemaligen Ostblocks ist das ja in den letzten Jahren passiert.

Die Frage ist nur, ob die Initiative jetzt und der Zusammenhang mit der EU-Ratspräsi­dentschaft nicht ein bisschen davon ablenkt, was es genau auf diesem Gebiet, was die Initiativen des Westbalkans und die Ratspräsidentschaft angeht – und Sie sind ja Vor­sitzende im entsprechenden Rat –, an österreichischen Initiativen gibt, die darüber hin­ausgehen.

Ich spreche jetzt etwas ganz Konkretes an, was Tausende und Abertausende von Österreicherinnen und Österreicher, die Verwandte am Balkan haben oder die von dort stammen, angeht, nämlich die Visa-Politik. Mich würde sehr interessieren, Frau Minis­terin, ob Sie sich schon jemals Gedanken gemacht haben, was das für junge Leute, beispielsweise aus Crna Gora, Montenegro oder Serbien bedeutet, die bis vor rund 15 Jahren so wie wir auch in ganz Europa reisen konnten, sich frei bewegen konnten, sich Paris, Wien, Prag, Budapest, London anschauen konnten, weil wir alle Europäer sind. Wissen Sie, Frau Ministerin, wie das heute ist, wenn man ein junger Mensch in Belgrad ist? – Man kann aus dem Land nicht raus, weil es kein einziges europäisches Land gibt, wo man ohne Visum einreisen darf.


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Ich hätte mir von Ihnen, Frau Ministerin, aber auch von der zuständigen österreichi­schen Innenministerin, die ja auch Ratsvorsitzende und Ratspräsidentin ist, in diesem EU-Halbjahr, in dem Österreich die Ratspräsidentschaft hat, erwartet, dass wir als Österreicher auch im Sinne der so engen historischen Verflechtungen und des engen Konnexes mit dem Balkan und auch auf Grund dieser sozusagen überlappenden Be­völkerungsgruppe – ich meine die Leute, die vor Jahrzehnten eingewandert sind, dort Verwandte haben, und mit denen dieser Austausch nicht möglich ist – Initiativen set­zen. Das ist es, was unsere Bürger und Bürgerinnen interessiert. (Beifall bei den Grü­nen.)

Das könnte ein wirklicher Beitrag sein, Frau Ministerin, dass Europäer und Europäerin­nen einander näher gebracht werden. Da habe ich aber weder von Ihnen heute, ge­schweige denn von der österreichischen Innenministerin in den letzten Monaten etwas gehört.

Aber lassen Sie mich jetzt sozusagen diesen Faden fortspinnen und zu Ihren Ausfüh­rungen in Bezug auf Asylpolitik kommen. Klubobmann Scheibner hat wieder davon ge­sprochen, es gehe um Burden Sharing, es müssen die Lasten verteilt werden. Ja, es geht um „sharing“, es geht um Teilen von etwas, aber in dem Fall von Verantwortung: Responsibility Sharing wäre angesagt in der Europäischen Union bei der Bewälti­gung von Krisensituationen, die im Zusammenhang mit irregulärer Migration auf der einen Seite, aber vor allem auch mit Konflikten, die es weltweit gibt, auftreten. Es ent­stehen Flüchtlingsbewegungen, Menschen müssen nach Österreich, aber auch in an­dere westeuropäische Staaten flüchten, weil sie Schutz vor Verfolgung suchen.

Da wäre es doch ein ganz klarer Fall, Frau Ministerin, dass gerade ein Land wie Öster­reich aktiv wird, das in Bezug auf Asyltradition auf die letzten 50 Jahre bezogen sozu­sagen europaweit etwas vorzuzeigen hat. Ich brauche nur zu sagen: Stichwort Un­garn 1956, damalige Tschechoslowakei 1968, Polenkrise, aber auch der Krieg am Bal­kan in den neunziger Jahren, wo die Republik Österreich mit ihrer Bevölkerung eine Leistung an den Tag gelegt hat in Bezug auf Hilfe, die sich europaweit sehen lassen kann. – Jetzt wären ja wir in der Ratspräsidentschaft genau diejenigen, die, wenn es um diese gemeinsame Asylpolitik geht, auch in Vorlage treten können.

Daher frage ich: Was gibt es da von Ihnen? Sie haben nämlich nichts davon gesagt, darum frage ich! Was gibt es da in Bezug auf die Asylagentur, die ja auf der Agenda steht, wo es darum geht, dass Asylentscheidungen der Mitgliedstaaten einem Monito­ring unterzogen werden sollen, gemeinsam mit dem UNHCR, den ich sehr unterstütze, um für eine europäische Asylbehörde Leitlinien zu beschließen. – Nichts davon habe ich gehört in den letzten Monaten von Seiten der österreichischen EU-Präsidentschaft!

Ich habe große Sorge, und es zeichnet sich ab, dass in der österreichischen Ratspräsi­dentschaft genau das passiert, was wir innerösterreichisch tun, nämlich überall dort in Erscheinung zu treten, wo es um Repression geht, wo es darum geht, zu verschärfen, Rechte einzuschränken, Rechte zu nehmen. Wenn es nicht so wäre, Frau Ministerin, dann hätten Sie hier auch Stellung bezüglich des Gedankens nehmen müssen, den Frau Partik-Pablé hier formuliert hat, wenn davon gesprochen wird, dass regionale Schutzprogramme beschlossen werden sollen.

Wir von den Grünen haben nichts gegen regionale Schutzprogramme, absolut nicht. Solche regionale Schutzprogramme sind mehr als notwendig. Die Vorfragen, die bei so genannten regionalen Schutzprogrammen zu lösen sind, sind aber folgende: Gilt außerhalb des Territoriums der Europäischen Union, wenn etwa Auffanglager in Län­dern außerhalb der Europäischen Union gebildet werden oder wenn es die Überlegun­gen dazu gibt, die Genfer Flüchtlingskonvention? Was ist mit der Europäischen Men­schenrechtskonvention, kommt diese zur Anwendung? Wie werden in solchen so ge-


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nannten Lagern Asylverfahren durchgeführt? Wie wird Rückführung organisiert? Dür­fen Schutzbedürftige dann in die Europäische Union einreisen?

Das sind die Punkte, Frau Ministerin, die uns im Zusammenhang mit Harmonisierung von Asylpolitik und Migrationspolitik in Europa interessieren würden, aber ich habe heute leider jegliche Stellungnahme von Ihnen für solche Initiativen vermisst.

Jetzt komme ich zu jenem Punkt, meine Damen und Herren, bei dem es sozusagen völlig normal wäre, dass es innerhalb einer Ratspräsidentschaft Reaktionen dazu gibt: Es sind die täglichen Flüchtlingstragödien in Europa. Die täglichen! Es ertrinken täg­lich Menschen im Mittelmeer, weil Europa nicht nur hartherzig ist und die Menschen nicht einreisen lässt, sondern weil ihnen Hilfe verweigert wird.

Das ist tatsächlich Unterstützung, eine direkte Unterstützung, dass Menschen zu Tode kommen, weil ihnen Hilfe verweigert wird. Ich habe eigentlich im letzten Herbst, als große Hilflosigkeit auf Ebene der Europäischen Union herrschte, erwartet, dass Öster­reich Vorschläge macht und sagt: Das ist nicht nur eine menschliche Tragödie, son­dern eine politische Herausforderung. Initiieren wir als österreichische Ratspräsident­schaft Fact-Finding-Missions direkt vor Ort! Schauen wir uns die Situation an! Schauen wir uns an, wie menschenwürdig Lager, die eingerichtet werden, ausgestattet sind! Ich würde mir für ein Land, das in gewisser Hinsicht das historisch-moralische Recht hat, auch in Vorlage zu treten, wünschen, dass wir das jetzt während der Ratspräsident­schaft tun. (Beifall bei den Grünen.)

Von anderen Ländern konnten wir es in der Vergangenheit nicht erwarten, haben es auch nicht erwartet und wurden diese Initiativen auch nicht gesetzt.

Ein Letztes, Frau Ministerin, weil Sie hier das Wertesystem, das sich im Strafverfahren widerspiegeln soll, so betont haben. Diesbezüglich habe ich ganz konkrete Fragen an Sie.

Sie sind jetzt seit drei Monaten Ratsvorsitzende. Die Frage ist: Was haben Sie konkret in jenen Punkten, die fehlen, um diese gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Ent­scheidungen, von der Sie gesprochen haben, weiterzuführen, nämlich bei den Mindest­normen für gerichtliche Verfahren getan? – Das würde mich interessieren, weil das ist ja das Missing Link.

Das klingt so super, wenn man sagt: Ah, Strafvollzug in den Heimatländern! – Das wird es so lange nicht geben, Frau Ministerin, solange es nicht diese Mindestnormen für ge­richtliche Verfahren, die in allen EU-Staaten garantiert sind, gibt.

Und Österreich blockiert hier, denn Österreich war ja ein Land, das die Zustimmung in einzelnen Punkten verweigert hat. Das möchte ich hier wirklich feststellen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass Österreich so unheimlich viel weiterbringt. Noch ist nichts weitergegangen, Frau Ministerin!

Das sind die Punkte, die JustizpolitikerInnen in Österreich tatsächlich interessieren, denn das wäre dann ein Ergebnis, das man nach der Ratspräsidentschaft auch tat­sächlich vorweisen könnte. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Frau Minis­terin, noch haben Sie drei Monate Zeit. Ich hoffe, Sie nutzen sie! (Beifall bei den Grü­nen.)

10.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fauland. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


10.56.55

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke doch, dass gerade unsere


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Justizministerin in den ersten drei Monaten eine ausgezeichnete Leistung geboten hat, und ich gratuliere ihr auch einleitend einmal dafür, wie gut sie Österreich und die Inter­essen Österreichs in der Europäischen Union vertritt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Bedürfnis der Menschen hier in Österreich und auch innerhalb der Europäischen Union, wie auch weltweit, ist natürlich ein Schutzbedürfnis. Sie erwarten Sicherheit, und Sicherheit ist ein Grundwert, den jeder Staat über alle Parteigrenzen hinweg zu bieten hat.

Es ist der Schutz gegen organisierte Kriminalität, Terrorismus, ungeregelte Zuwande­rung und vor allem die Asylproblematik. Die Asylproblematik ist ja gerade auch durch die Rede des Kollegen Jarolim etwas hochgekocht. Wenn er hier die Zahlen der erhöh­ten Straffälligen anspricht, dann möchte ich anmerken, dass 43 Prozent aller straffälli­gen Täter, die in Österreich im Gefängnis sitzen, keine Österreicher sind. Vielleicht sollten Sie sich darüber einmal Gedanken machen, anstatt irgendwelche Statistiken zu frisieren, um da ein falsches Bild darzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was den Rückstau in der Asylproblematik betrifft, so ist das ja wohl auch darauf zu­rückzuführen, dass es hier noch teilweise einen Rückstau bis hin zu Gesetzgebungen unter sozialistischen Innenministern gibt und dass wir mit dem neuen Asylgesetz, das wir gemacht haben, soweit es uns der internationale Rahmen möglich macht, das Opti­male herausgeholt haben.

Gerade die Sozialdemokraten waren ja eine jener Parteien, die internationale Konven­tionen ohne externen Druck in den Verfassungsrang gehoben haben, wie zum Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention oder auch die Genfer Konvention, was uns natürlich in unserem eigenständigen Handeln massiv einschränkt. Der damalige Grund für diese Konventionen war sicher ein anderer. Heute müssen wir von einer massiven Migration im Bereich der Zuwanderung sprechen. Das war damals sicherlich nicht der Grund, diese Konventionen zu machen.

Österreich ist, was das Fremdenrechtspaket betrifft, in Europa sicherlich ein Vorbild­land. Aus diesem Grund denke ich, dass die weitere Entwicklung in Richtung eines ge­meinsamen europäischen Asylrechts ein notwendiger und wichtiger Schritt ist, um die­ser Problematik auch auf europäischer Ebene Herr zu werden.

Den Bereich der Kriminalität betreffend lassen Sie mich Folgendes anmerken: Gestern erst haben wir hier den Prümer Vertrag besprochen; einen Vertrag innerhalb der Euro­päischen Union – ohne die Zustimmung der Grünen, die da wieder datenschutzrecht­liche Bedenken hatten –, der es allein für Österreich möglich macht, in Strafsachen im DNA-Vergleich 12 000 Daten nachzuverfolgen, und man kann davon ausgehen, dass wir allein durch diese Vernetzung des Abgleichs der Informationen der einzelnen Staa­ten auf einen Schlag über 100 Straftaten werden lösen können.

Ein weiterer, vielleicht eher trivialer Punkt, aber ein Anliegen meinerseits ist zum Bei­spiel die Zusammenarbeit hinsichtlich der Problematik bei Verkehrsstrafen. Wir haben in Österreich das Problem, dass Deutsche durch Österreich rasen können, ohne straf­rechtlich verfolgt zu werden. Daher ist es ein ganz wesentlicher Punkt, dass man auf europäischer Ebene zu einer Gleichbehandlung aller europäischen Bürger kommt, denn es ist nicht einzusehen, dass nur die Österreicher zur Kassa gebeten werden. Auch die Deutschen und Mitglieder anderer europäischer Länder sollen zur Kassa ge­beten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sehr richtig!)

Ein weiterer Punkt, der mir persönlich ein besonderes Anliegen ist, ist die Zusammen­arbeit im Bereich der Drogenbekämpfung. Drogenbekämpfung macht nicht Halt vor


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nationalen Grenzen – Drogenbekämpfung muss ein europäisches Anliegen sein! Unse­re Jugend ist vor Drogen zu schützen, denn nur ohne Drogen hat unsere Jugend auch eine Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Als letzten Punkt möchte ich anmerken, dass auch im Bereich der neuen Technologien die europäische Zusammenarbeit unumgänglich ist, wenn man sich die Online-Krimi­nalität oder die Problematik im Cyberspace anschaut. Auch Österreich hat mehrere Millionen abgeschlossene Handelsverträge bei Ebay, jedes Jahr mittlerweile, alle 30 Minuten wird in Österreich sogar ein Auto versteigert. Es ist notwendig, dass man die Konsumenten vor den Möglichkeiten, die dieses Medium für die Kriminellen bietet, schützt. Ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg.

Ich wünsche der Frau Justizministerin auch für die nächsten drei Monate alles Gute und bin der vollen Überzeugung, dass sie das Beste für Österreich und die Euro­päische Union machen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. Seine Redezeit ist auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


11.02.16

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte nur ganz kurz auf die Ausführungen der Kollegin Stoisits und des Kollegen Jarolim zum Thema Asyl eingehen, weil man einiges davon, glaube ich, nicht so im Raum stehen lassen kann. So ist anzumerken, dass die Mittel, auch die personellen Ressourcen für den UBAS von uns sehr wohl aufgestockt wurden. Wir sehen aber im Gegensatz zu Ihnen den Weg nicht darin, einfach alle hereinzuholen und dann möglichst viel Perso­nal aufzuwenden, um das alles zu überprüfen, sondern wir sehen auch den Asylmiss­brauch. Es gilt, die überwiegende Zahl der Fälle, die dann auch nicht bewilligt werden, effizient einzudämmen, und zwar schon an der Wurzel einzudämmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon erwähnt, dass ein gemein­samer europäischer Wirtschaftsraum vor allem auch Sicherheit benötigt; Sicherheit einerseits in Form der persönlichen Sicherheit, Sicherheit vor Krieg, aber auch vor Ge­walt, vor terroristischen Angriffen, vor Angriffen gegen Leib und Leben als auch vor Eingriffen in die körperliche Integrität, andererseits auch Rechtssicherheit, das heißt Sicherheit vor kriminellen Angriffen gegen das Vermögen, die Sicherheit, dass auch im privaten und im wirtschaftlichen Leben gewisse Spielregeln eingehalten werden und man sich einfach auf gewisse Dinge verlassen kann.

Es ist daher auch von ganz besonders großer Bedeutung, dass sich gerade in Zeiten, in denen sich die Kriminalität bereits lange, in vielen Bereichen grenzüberschreitend und international organisiert und – ganz nebenbei erwähnt – selbst Gewerkschaften und Gewerkschaftsbanken nicht davor zurückschrecken, Gelder in großem Stil inter­national zu verschieben und in dunklen Kanälen in der Karibik verschwinden zu lassen, wie wir leider in den letzten Tagen und Wochen staunend und entsetzt zur Kenntnis haben nehmen müssen, dass sich in solchen Zeiten bei der Bekämpfung der Krimina­lität und des Terrorismus Staaten gemeinsam organisieren – weltweit, aber natürlich auch und besonders auf europäischer Ebene.

Die Europäische Union hat sich daher bereits 1999 im Amsterdamer Vertrag dazu ent­schlossen, Europa als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu er­halten und weiterzuentwickeln. Es wurden im selben Jahr in Tampere und später, 2004 in Haag, durch das Haager Programm auch entsprechende Maßnahmen der Mitglied-


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staaten beschlossen, um diesen gemeinsamen Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts zu verwirklichen.

Ich bin daher auch besonders froh, dass die wichtige Zusammenarbeit, die gerade in den Bereichen der Drogenbekämpfung, der Terrorismusbekämpfung, der Asylfragen, aber auch der durchaus heiklen Frage der polizeilichen Zusammenarbeit, wo es natür­lich um eine Gratwanderung geht zwischen einem guten und effizienten Informations­austausch zwischen Polizeibehörden, aber andererseits auch dem wichtigen Grund­recht auf Datenschutz, notwendig ist, besonders intensiviert wird, dass entsprechende Überzeugungsarbeit geleistet wird. Dass das auch ein Schwerpunkt für die Ratspräsi­dentschaft Österreichs ist, zeigen die bereits abgehaltenen Treffen, das EU-Drogenko­ordinatoren-Treffen im Februar in Innsbruck, die EU-Ratstagung der Innen- und Justiz­minister am 20. und 21. Februar in Brüssel und die im ersten Halbjahr noch anstehen­den zwei weiteren Ratstagungen zu den Themen Sicherheit und Justiz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wichtig die internationale Zusammenar­beit in Polizei- und Justizfragen gerade in der heutigen Zeit auch ist, so wichtig ist es meiner Ansicht nach aber auch, auf die große Bedeutung und vor allem die Vorbildwir­kung einer raschen und uneingeschränkten Aufklärung und eines sauberen und trans­parenten Umgangs gerade mit großen und prominenten Kriminalfällen, wie zuletzt bei BAWAG und ÖGB, auch in Österreich, in unserem Land, hinzuweisen. Denn das Straf­recht und eine funktionierende Justiz sollen nicht nur eine effiziente Strafverfolgung und eine nachträgliche Bestrafung von Straftätern ermöglichen und bewirken, sondern sie dienen vor allem dazu, wichtige Verhaltensregeln für das Zusammenleben, aber auch für das Verhalten in Rechts- und Wirtschaftsfragen festzulegen und durch eine Vorbildfunktion, aber natürlich auch durch Abschreckung eine Einhaltung dieser Re­geln zu bewirken.

Dazu ist es aber nicht nur notwendig, sondern, wie ich meine, geradezu lebenswichtig, dass sich gerade politische Funktionsträger, politische Mandatare, aber auch große öffentliche Organisationen und Vereinigungen wie zum Beispiel der Österreichische Gewerkschaftsbund und seine Repräsentanten besonders genau an diese Spielregeln und an die Regeln der politischen und auch wirtschaftlichen Hygiene halten.

In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich es für besonders bedenklich und im Zeichen der Rechtstreue und der politischen Sauberkeit auch für besonders kontraproduktiv, wenn in den letzten Tagen hohe und höchste Funktionäre der SPÖ, bis hinauf zu ihrem Vorsitzenden Dr. Gusenbauer, versucht haben, die widerrechtliche Verwendung von 1 Milliarde € – lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: 1 Milliarde €! –, von Gewerkschaftsvermögen, ohne Einbindung der zuständigen Gremien, zu bagatellisieren und geradezu als Heldentat hinzustellen. Während jeder kleine Vereinsobmann und jeder kleine Vereinskassier, der sich am Vereinsvermögen vergreift, zu Recht mit der vollen Härte des Gesetzes und mit drako­nischen Strafen zu rechnen hat, wird hier so getan, als ob eigentlich nichts passiert und das nur eine zum Überleben notwendige Handlung gewesen sei.

Ich fordere Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, vor allem Sie, sehr ge­ehrter Herr Gusenbauer, daher auf, sich im Sinne eines klaren Bekenntnisses zu einem sauberen und nachvollziehbaren Umgang mit den Beiträgen von mehr als 1,3 Millionen Gewerkschaftsmitgliedern klar und eindeutig von den Malversationen bei BAWAG, ÖGB, ARBÖ zu distanzieren und für eine schonungslose und umfassende Aufklärung zu sorgen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Ihre Wunschredezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 



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11.09.11

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Zurück zur Justizpolitik! Es gibt Fälle, die einem enorm ans Herz gehen, so zum Beispiel, wenn ein Kind kommt, sich dauernd den Oberarm hält, wir dann nachfragen und nachschauen, was das Kind dort hat, und feststellen müssen, es hat eine mit einem Feuerzeug zugefügte tiefe Brandwunde, und sich dann heraus­stellt, dass das der Schlepper war, weil das Kind einfach zu wenig gestohlen hat. Oder: Ein Kind – auch wieder; weil es zu wenig gestohlen hat – ist der Prostitution zugeführt worden und dort wiederum auf einen Perversen gestoßen, der ihm die Brust blauge­quetscht hat. – Das sind Fälle, wo man sich gar nicht vorstellen kann, welchen Qualen die Betreffenden durch ihre Peiniger ausgesetzt sind.

Sie fragen sich sicherlich, sehr geehrte Damen und Herren, worum es hier geht. – Das war ein Zitat von Herrn Ceipek, der beim Amt für Jugend und Familie in Wien tätig ist. Er sagte dies am Dienstag in der ORF-Sendung „Report“ zum Thema „Menschenhan­del“. Vielleicht, sehr geehrte Damen und Herren, haben einige von Ihnen diese Sen­dung gesehen.

20 807 geschleppte Personen wurden in Österreich aufgegriffen, und unter diesen 20 807 Menschen waren 2 497 Kinder! Das ist eine wirklich tragische Geschichte. Hier muss etwas getan werden, hier muss europaweit etwas getan werden, Frau Ministerin! (Allgemeiner Beifall.)

Es ist kein Geheimnis, dass es sich beim Frauen- und Kinderhandel um ein massives Problem moderner Sklaverei handelt – und das inmitten der EU! Man schätzt, dass 500 000 Frauen in den Westen Europas geschleppt werden. Das sind Tatsachen, und das ist verwerflich! In welch einer Gesellschaft leben wir überhaupt?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

78 Prozent der Opfer, die dem Frauenhandel zuzuzählen sind, werden der Zwangs­prostitution zugeführt. In einigen Dörfern in Moldawien gibt es schon keine jungen Frauen mehr. Die Frauen gehen weg, dorthin, wo sie glauben, dass ein besseres Le­ben auf sie wartet. Es gibt in einigen Dörfern in Moldawien keine Frauen mehr unter 25. Sie kommen nach Europa, der Traum vom Paradies erfüllt sich jedoch nicht, und oft werden diese Frauen dann der zwangsweisen Bettelei, der Zwangsprostitution zugeführt, müssen Leib und Seele als Prostituierte verkaufen. Verloren dabei geht der Selbstwert, verloren geht die Würde des Menschen.

Die Profite der Händler und Zuhälterringe, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden mittlerweile auf 7 bis 15 Milliarden € geschätzt. Das Geschäft mit der Ware Mensch ist ein gutes, ein florierendes Geschäft und hat mittlerweile nach dem Drogen- und dem Waffenhandel den dritten Platz eingenommen. Und dem muss Einhalt gebo­ten werden, sehr geehrte Damen und Herren!

Da wir heute hier eine erfolgreiche Justizpolitik zum Wohle Österreichs und der euro­päischen Sicherheit diskutieren, frage ich Sie, Frau Ministerin Gastinger: Wo in Europa ist für diese Frauen und Kinder Sicherheit gewährleistet? Ist die Justizpolitik wirklich so erfolgreich? Ist es zum Wohle Österreichs, wenn auch bei uns diese Art der Barbarei herrscht? – Hier muss etwas getan werden!

Wenn im Haager Programm vom November 2004 die Stärkung der Freiheit, der Si­cherheit und des Rechtes in der EU als Ziel festgeschrieben ist, dann frage ich Sie, Frau Ministerin: Besteht hier nicht ein enormer Widerspruch zwischen diesen Ziele und der Realität in Europa?

Zum Thema „Menschenhandel“ wurde bereits – Frau Kollegin Fekter hat kurz darauf hingewiesen – eine Reihe von Konventionen diskutiert und verabschiedet; von der UN,


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dem Europarat eingebracht und auch im österreichischen Parlament behandelt. Doch offenbar – das sage ich jetzt einmal – waren die Anstrengungen nicht groß genug, denn Sicherheit, Freiheit und Recht gelten nicht für die Opfer der modernen Sklaverei.

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion haben im Jänner dieses Jahres einen For­derungskatalog eingebracht. Dieser Forderungskatalog sollte so schnell als möglich umgesetzt werden. Wir brauchen genaue Daten, wir brauchen eine Kooperations- und Koordinationsstelle. Es muss auf allen europäischen Ebenen mit den Ländern des Europarates zusammengearbeitet werden. – Das ist etwas Wichtiges, das ist etwas Notwendiges. Die Europäische Union und die Länder, in denen mit Kindern und Frauen gehandelt wird, müssen entsprechend kooperieren. Hier besteht Handlungsbedarf, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es müssen auch die Netzwerke zerschlagen werden! Ich sage – wir haben heute via Medien erfahren können, dass ein hoher Polizeibeam­ter auf Grund des Verdachtes des Amtsmissbrauchs suspendiert wurde –: Es muss ohne Ansehen der Person, sei es nun in der Justiz oder bei der Polizei, wo immer solch ein Verdacht auftritt, und über alle Grenzen hinweg ermittelt werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zum Abschluss noch Folgendes, sehr geehrte Damen und Herren, Kollege Scheib­ner – Sie waren doch auch Mitglied des Europarates –: Was sich heute Abgeordneter Fauland hier geleistet hat, das ist mir nicht egal, das tut mir weh. Es kann doch nicht sein, dass hier einzelne Kollegen, Abgeordnete in Zweifel ziehen, dass die Europäi­sche Menschenrechtskonvention weiterhin zu gelten hat. Wir müssen doch stolz darauf sein, dass sie im Verfassungsrang ist, dass das Europäische Menschenrecht in Öster­reich gilt und dass die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen anhand unserer Standards auch vorbildlich nachzuvollziehen ist. – Das ist etwas Wichtiges, und das sage ich auch Ihnen, Kollege Scheibner; Sie waren ja ein Mitglied des Europarates. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Aber man kann darüber dis­kutieren, dass sich etwas verändert!)

11.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ihre Wunschredezeit beträgt 7 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


11.16.40

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Mi­nisterin! Meine Damen und Herren! Ich kann meiner Vorrednerin voll und ganz zustim­men, möchte meine Rede aber in eine andere Richtung lenken.

Frau Justizministerin! Auch mir geht es so wie meiner Kollegin Terezija Stoisits, auch ich freue mich sehr darüber und finde, das war auch wichtig, dass Sie im Rahmen des Ratsvorsitzes als Justizministerin nach Südosteuropa gereist sind und dort die Wichtig­keit von Justizreformen, vom Schaffen von Rechtssicherheit in den Mittelpunkt gestellt haben und dass es dazu auch von österreichischer Seite sinnvolle Initiativen gibt.

Aber eine Erwartung, die ich in die österreichische Präsidentschaft gesetzt habe, ist nicht erfüllt worden, und da schließe ich ebenfalls an die Ausführungen meiner Kollegin Terezija Stoisits an: In jedem dieser südosteuropäischen Länder leben junge Men­schen, denen ständig gesagt wird, wie wichtig es ist, dass ihr Land, ihre Justiz et cete­ra an europäische Normen angepasst wird, die aber gleichzeitig keine Chance haben, andere Länder auch nur zu besuchen, denn dafür brauchen sie ein Visum, und das kostet oft mehr, als deren Eltern in einem Monat verdienen. Eine einzige Ausnahme gibt es: Jene, die kroatische Pässe haben, entweder in Kroatien oder in Bosnien-Her-


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zegowina, wo Einzelne aus kroatischen Familien kommen, haben die Möglichkeit, die EU ohne Visum zu bereisen.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie sind jung, Sie machen gerade die Matura oder Sie sind Lehrling und wollen mit einer Gruppe von Freunden und Freundinnen einmal diese EU besuchen, um zu erfahren, was sich dort abspielt, wie die jungen Leute dort leben, was so Besonderes an dieser Europäischen Union ist, dass alle sagen, man muss alles tun, damit man beitreten kann, und dann heißt es: Nein, du bist in einem anderen Land geboren – stellen Sie sich vor, das wäre bei uns so: du bist in der Türkei geboren, du bist in der Schweiz geboren oder du bist in Südafrika geboren –, du brauchst leider ein Visum für die Staaten der EU, und das kostet so viel, mehr als deine Eltern in einem Monat verdienen. Leider, eure Gruppe kann diese Reise nicht gemeinsam unter­nehmen. Ihr müsst zu Hause bleiben, ihr könnt euch das nicht leisten.

Wissen Sie, was das für so junge Leute heißt, die noch dazu keine Perspektiven ha­ben, wirtschaftlich etwas zu machen, einen Beruf zu haben, der ihnen Spaß macht, eine Ausbildung, die ihnen Spaß macht, wenn sie auch nicht reisen dürfen, gerade in einem Alter, wo man einfach auf alles neugierig ist und alles kennen lernen will? Viele von ihnen folgen vielleicht jenen, die in Richtung Extremismus, in Richtung Nationalis­mus gehen, und das ist gefährlich – für diese Menschen selbst, für dieses Land, aber natürlich auch für Österreich und für die Europäische Union.

Ich habe schon Frau Außenministerin Plassnik gesagt – sie hat mir allerdings nie eine Antwort darauf gegeben –: Es wäre doch eine gute Initiative, jetzt im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs zu sagen: Jedes EU-Land lädt im Sommer hundert junge Leute aus einem Land Südosteuropas ein, die sollen mit Interrail fahren oder auf einem anderen Wege kommen, damit sie dieses EU-Europa endlich kennen lernen, damit sie wissen, wovon wir ihnen und auch die Eliten in diesen Staaten vorschwärmen!

Warum gibt es so eine Initiative nicht? Warum gibt es das nicht? Das ist etwas, was ich mir von Ihnen wünschen würde, Frau Ministerin, nämlich dass dieser Raum der Frei­heit und der Sicherheit und des Rechts auch für die jungen Menschen in den südost­europäischen Staaten spürbar wird. Es ist zu wenig, dass sie es nur auf dem Papier stehen sehen können. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig müsste es aber auch in die Richtung gehen, tatsächlich für diese Länder Visafreiheit einzuführen, denn schließlich und endlich durften sie bis vor 15 Jahren reisen, und jetzt auf einmal dürfen es nur einige und nur die, die es sich leisten können.

Ein anderer Punkt, der den Raum der Sicherheit und der Freiheit, dieses schöne Bild einschränkt: Was passiert in Österreich mit Menschen, die Leute aus Nicht-EU-Staaten geheiratet haben und die letztes Jahr die Aufenthaltsbewilligung beantragt haben? Das diesbezügliche Gesetz wurde geändert, und jetzt werden sie abgeschoben. Vor kur­zem ist ein solcher Fall auch durch die Medien gegangen: Eine Chinesin, die mit einem Österreicher verheiratet ist, musste dieses Land verlassen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie war illegal hier!)

Frau Kollegin Partik-Pablé, was Sie mit Ihrem Fremdenrecht machen, das ist, dass Sie unterstellen, dass alle Ehen mit Menschen, die nicht aus dem EU-Raum stammen, so genannte Scheinehen sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso? – Abg. Neudeck: Das hat sie nicht gesagt!) Das ist rassistisch! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso ist das rassistisch?)

Weil Sie das unterstellen, denn in Ihrem Gesetz ist das so vorgesehen! Diese Men­schen müssen zuerst einmal beweisen, dass sie einander lieben, damit sie hier leben können. Das ist Rassismus! Sie unterstellen, dass dann, wenn jemand mit österreichi-


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scher Staatsbürgerschaft irgendjemanden aus einem Nicht-EU-Land heiratet, das eine Scheinehe ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso? Das sagt doch niemand!)

Sie glauben anscheinend nicht, dass es Menschen gibt, die sich tatsächlich in jeman­den verlieben, der aus einem anderen Land ist, und sind nicht der Meinung, dass diese Menschen auch das Recht haben, hier in Österreich zu leben – und dieses Land nicht verlassen müssen. In Österreich muss man sich für den Umgang mit Fremden derzeit schämen, und das ist eine Schande für die EU-Präsidentschaft Österreichs.

In ähnliche Richtung geht das, bezüglich dessen ich mit Freude vernommen habe, Frau Ministerin, dass Sie sagten, Sie hätten so einen positiven Eindruck vom Europa­parlament gehabt. Das freut mich sehr. Wissen Sie, dass das Europaparlament am 18. Jänner mit den Stimmen auch von sozusagen konservativen Menschen beschlos­sen hat (Abg. Mag. Molterer: Sind das auch Menschen? Danke! Was heißt „konserva­tive Menschen“? Sind das auch Menschen?), dass gleichgeschlechtlichen Paaren der­selbe Respekt, dieselbe Achtung und derselbe Schutz wie den übrigen Bürgern und Bürgerinnen einer Gesellschaft entgegengebracht werden muss und dass alle Mitglied­staaten aufgefordert werden, die Diskriminierungen, die es gibt, etwa im Erbrecht, im Mietrecht, im Pensionsrecht, bei den Steuern, endlich zu beenden?

Jetzt weiß ich schon, Sie sind die, die da einen Vorstoß gewagt hat, und zwar als Ein­zige in Ihrer Partei und auch in dieser Regierung. Sie wollten ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare. Mich hat das sehr gefreut. Das Problem dabei ist aller­dings, dass weder Ihre Partei – der Klubchef Scheibner hat Sie sofort zurückgepfiffen – noch die Regierung da hinter Ihnen steht.

Frau Ministerin, eine „Regierungsschwalbe“ macht leider noch lange keinen Sommer für gleichgeschlechtliche Paare, und ich bin immer wieder persönlich betroffen, wenn mich Leute anrufen und mir sagen: Was muss ich jetzt tun? Ich habe in Österreich kein Recht, hier mit meiner Partnerin beziehungsweise mit meinem Partner zu leben! – Diese Beziehung geht in Brüche. Das kann doch wohl nicht das Symbol für den Raum von Freiheit und Recht sein!

Ein letztes Wort noch zum Kollegen Scheibner und seiner erfreulichen Erwähnung, dass auch die Entwicklungszusammenarbeit und die Entwicklungspolitik für die Stabili­sierung und Demokratisierung wichtig sind. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was wollen Sie noch schlechtreden?) Das Problem ist auch dabei: Große Worte, aber Taten gibt es nicht! (Abg. Scheibner: Na geh!) Österreich ist immer noch im unteren Feld dessen, was reale Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit betrifft, es liegt fast ganz am Schluss der Rangliste.

Sie haben gesagt, Herr Kollege Scheibner, dass das ein Faktor der Stabilisierung und der Demokratisierung von Staaten außerhalb Europas ist und dass das auch in unse­rem Interesse ist. – Das stimmt schon. Aber primär ist es im Interesse jener Menschen, die dort leben. (Abg. Scheibner: Dass Sie immer auf mich losgehen! Ich fürchte mich ja schön langsam!) Es ist ihr ureigenstes Recht, dass sie im eigenen Land Lebens­chancen haben. Und das ist immer noch anders, als wenn man nur auf die eigenen Interessen pocht. (Beifall bei den Grünen.)

11.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


11.25.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Luna­cek, Sie machen in Wirklichkeit die Schubumkehr: Sie versuchen immer anhand von


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irgendwelchen Einzelbeispielen, die es geben mag, ein Gesetz schlecht zu machen. Es mag immer wieder passieren, dass es Leute gibt, die auf Grund der geltenden Ge­setzeslage benachteiligt werden. Das ist einmal so, dagegen kann man nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten, und trotzdem wird es das geben. Aber anhand einiger weniger Beispiele ein Gesamtpaket beziehungsweise das ganze Gesetz, das gut ist, das streng ist, das nachvollziehbar ist, das vor allem im Interesse der Bevölkerung ist, schlecht zu machen, das ist, glaube ich, der falsche Ansatz. Man sollte nicht perma­nent mit Einzelbeispielen ein gutes Gesetz in Frage stellen.

Es sei mir eine Minute lang erlaubt, auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Jarolim einzugehen, bevor ich mich dem eigentlichen Thema zuwende. Kollege Jarolim hat nämlich im Rahmen dieser Debatte, die dem Thema Justizpolitik und Sicherheitspolitik in Europa gewidmet ist, die Ortstafeldiskussion ins Treffen geführt.

Herr Kollege Jarolim, ich sage Ihnen ein für alle Mal: Ich stelle mich als Kärntner Abge­ordneter hier gerne heraus und sage Ihnen: Ich stelle mich ganz klar vor mein Land und vor meine Bevölkerung. Es ist ungeheuerlich, dass Sie bei jeder Gelegenheit ver­suchen, einen Streit nach Kärnten zu tragen bei einem Problem, das wir sehr wohl im Interesse der Bevölkerung in Kärnten lösen werden! Wir werden in Kärnten eine ver­nünftige Lösung im Interesse der Bürger und in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Bürgern auf die Füße stellen. Dass Sie sich hier herausstellen und im Rahmen einer Europadebatte die Kärntner Ortstafelfrage wiederum zur Negativpropaganda aus­nutzen, das verurteile ich auf das Schärfste. (Abg. Dr. Puswald: Peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Puswald und Frau Kollegin Trunk, fassen Sie sich doch an Ihre eigene Nase und schauen Sie, wie Sie in Kärnten das Problem lösen können! Ihre Parteivor­sitzende Gabi Schaunig-Kanduth war bis heute nicht in der Lage, da eine Lösung an­zubieten. (Abg. Mag. Trunk: Das ist eine Lüge!) Wir werden in dieser Sache Lösungen anbieten. Wir werden die Ortstafelfrage lösen und damit beweisen, dass wir unser Land gut im Griff haben und ordentlich führen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Kollegin Trunk, das Wort „Lüge“ nehmen Sie zu­rück, oder? (Abg. Mag. Trunk schüttelt verneinend den Kopf.) Sie nehmen es nicht zu­rück. Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Am Wort ist Herr Abgeordneter Scheuch.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (fortsetzend): Nun zur Sicherheits- und Asyl­politik in Europa, einem, wie ich meine, sehr wichtigen Thema, das meine Vorredner, speziell Frau Dr. Partik-Pablé und Herr Klubobmann Scheibner, ja bereits andiskutiert haben.

Es geht dabei ganz klar darum, dass wir da einen europäischen Konnex finden müs­sen, dass wir mittelfristig und langfristig die Probleme im Asylbereich beziehungsweise im Zuwanderungsbereich und in Verbindung damit auch die Probleme rund um die Kriminalität und um das Bandenwesen nur im europäischen Zusammenhang werden lösen können.

Man hat da auf österreichischer Ebene – das möchte ich schon erwähnen – bereits viele gute und richtige Schritte gesetzt, wie mein Kollege Markus Fauland es bereits ausgeführt hat. Es ist uns in Österreich unter Ministerin Karin Gastinger gelungen, ein sehr gutes Asylgesetz beziehungsweise Fremdengesetz auf die Reise zu schicken. Es ist uns gelungen, da erste Pflöcke einzuschlagen und Marksteine zu legen, woran die Menschen erkennen können, dass die neuen Gesetze wirken.


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Wir haben ganz klare Bestimmungen beschlossen, für die Beschleunigung der Verfah­ren gesorgt, Missbrauch abgestellt und einen raschen Abschub der Straftäter erreicht. Das Asylgesetz wurde strenger gemacht, und nun zeigen sich erste Erfolge.

Wir hatten zum Beispiel bei den Asylanträgen im Jänner ein Minus von 4 Prozent zu verzeichnen, und im Februar waren es bereits mehr als minus 20 Prozent. Man sieht also: Wenn man mit viel Gefühl, aber mit der nötigen Härte Gesetze macht, dann dient man im Endeffekt auch dem Land. Aber wir müssen diese Gesetze auch dafür heran­ziehen, um auf europäischer Ebene das weiterzuführen.

In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, sind wir ein Vorzeigeland. In vielen Berei­chen gelingt es uns, in Europa die Spitzenposition einzunehmen, etwa bei der Arbeits­platzpolitik, bei der Wirtschaftspolitik oder bei der Asylpolitik – leider auch bei der Skandalpolitik, wie jetzt bei der BAWAG. (Zahlreiche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Einen Skandal wie den bei der BAWAG gibt es in ganz Europa kein zweites Mal. Dass eine Partei mit ihrem Gewerkschaftsbund Milliarden Euro in den Sand der Karibik setzt, ist ungeheuerlich. (Abg. Reheis: Spitzenarbeitslosigkeit!) Auch da sind wir leider an der Spitze, aber dafür müssen wir uns bei der linken Reichshälfte sozusagen bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Spitzenjugendarbeitslosigkeit!)

Wir haben hier gute Arbeit geleistet, und wir werden auch weiterhin gute Arbeit leisten!

Meine geschätzte Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen schließen mit einem klaren Auftrag an die Bundesregierung. Ich möchte hier als Parlamentarier nicht nur die Bitte, sondern auch die Aufforderung an die Bundesregierung richten, dass man jene Gesetzesinitiativen, die wir in den letzten sechs Jahren in dieser Bundesre­gierung gesetzt haben, auf europäischer Ebene umsetzt, denn dieses Modell Europa, über das sehr viel diskutiert wird, dieser Modellfall Europa kann nur unter bestimmten Voraussetzungen und unter Anwendung bestimmter Mechanismen funktionieren. Ich denke, dass ein gutes Asyl- und Sicherheitsgesetz auf europäischer Ebene einer der wichtigsten Bausteine sein wird, ja sein muss, damit das Modell Europa nicht zum Scheitern kommt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Ihre Wunschredezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des sich zu seinem Platz begebenden Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Herr Kol­lege, Kärnten hat sich diesen Landeshauptmann nicht verdient! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. – Abg. Wattaul, darauf replizierend: Danke, nein! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


11.30.20

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ein Österreicher irgendwo im Ausland ist und man ihn fragt: Was vermisst du an Österreich am meisten?, dann sagt er: das Wasser, eine intakte Umwelt, eine Top-Gesundheitsversorgung und die Sicherheit.

Österreich ist eines jener weltweit wenigen Länder, in denen man als Frau mitten in der Nacht mit der U-Bahn fahren kann, ohne sich fürchten zu müssen. Wir arbeiten daran, dass es auch so bleibt. Ganz alleine können wir das allerdings nicht, und deswegen ist die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene von ganz immenser Bedeutung. Das gilt gleichermaßen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Kein Manager – damit gibt es auch keinen Firmensitz – will in einem Land arbeiten, in welchem sich seine Kinder und er selbst nicht sicher fühlen. Das heißt, auch die Frage, wie viele Arbeitsplätze in einem Land geschaffen werden, ist ganz unmittelbar mit der Sicherheit in einem Land verbunden.


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Gleichzeitig stehen wir vor völlig neuen Herausforderungen. Es gibt die neuen Techno­logien, die auf der einen Seite zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Ar­beitsplätzen mittlerweile bis zu einem Viertel beitragen, sie stellen uns aber auf der an­deren Seite vor völlig neue Herausforderungen bei der Schaffung des entsprechenden Rechtsrahmens und bei der Bekämpfung von kriminellen Machenschaften. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die letzten Fälle von Phishing, wo jemand über das Inter­net versucht, an die Kontendaten von Menschen zu gelangen.

Uns alle haben Fälle von Internet-Kinderpornographie schockiert. Das sind Fälle, wo haarsträubende Bilder im Netz gehandelt werden. Wir können uns vorstellen, wie schwierig es ist, die Kriminellen, die dahinter stehen, auch wirklich zu fassen.

Sie erinnern sich sicherlich auch noch an die Anschläge von Madrid, wo Bomben mit­tels Handys, die anonym gekauft wurden, gezündet wurden.

Das alles sind ganz neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Diesen neuen Technologien ist – das entspricht ihrem ureigensten Wesen – Positives und Ne­gatives eigen. Sie überschreiten automatisch immer selbstverständlich Grenzen. Und da kann Österreich nicht alleine handeln.

Die Europäische Union hat einen Rechtsrahmen für den sicheren Handel im Internet geschaffen, und Österreich hat dies entsprechend umgesetzt. Es geht in diesem Zu­sammenhang um Fragen wie: Wie weiß ich, wer mein Vertrags- beziehungsweise mein Geschäftspartner ist? Da haben wir in Österreich aber auch noch Hausaufgaben zu machen. Es beschäftigt sich nämlich in ganz Österreich noch kein einziges Institut mit Fragen des e-Rechts. Im Rahmen der Zivilrechtslehre wird das noch kaum unterrichtet. Wir brauchen mehr Menschen in Österreich, die in diesem Bereich ausgebildet sind. Wir brauchen sie im Bereich der Justiz, wir brauchen sie auf europäischer Ebene, und wir brauchen sie ganz besonders im Bereich der Polizei und im Bereich der polizei­lichen Zusammenarbeit in Europa.

Da geht es nicht mehr – und da sind all unsere Verwaltungs- und Behördenapparate gefragt – um Zuständigkeiten und um Hierarchien, sondern da geht es um die optimale Vernetzung der europäischen Behörden. Denn: Auch die Kriminellen vernetzen sich und sind nicht „zuständig“ für etwas. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da schneller ausgebildet zu werden, um gezielter zugreifen zu können, da optimal mit den Behörden der Nachbarstaaten, der europäischen Staaten zusammenzuarbeiten, ist von ganz existentieller Bedeutung für ein sicheres Leben und Wirtschaften in Europa.

Wir haben aber auch noch andere Herausforderungen zu meistern. Gerade in den letz­ten Tagen stehen wir doch alle fassungslos davor, dass Wirtschaftsmachenschaften und Kriminalität im großen Umfang viel schwerer zu ahnden sind als die Straftat des kleinen Ladendiebs. Der wird sofort zur Rechenschaft gezogen, während das im anderen Fall nicht so einfach ist.

Es ist daher wichtig, Frau Bundesminister, im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft einen Schwerpunkt darauf zu setzen, dass Europa auch mit Ländern wie den Karibik­staaten, mit allen Offshore-Ländern eine bessere Zusammenarbeit im justiziellen Be­reich erreicht, denn Vertrauen in die Sicherheit bedeutet, dass nicht der kleine Laden­dieb eher geschnappt wird, sondern dass in Kriminalitätsfällen, wo es um Beträge von beispielsweise 1,4 Milliarden € geht, um Beträge, die man sich gar nicht mehr vorstel­len kann, ermittelt und auch zugegriffen werden kann. Das erwartet die Bevölkerung von uns, und dafür müssen wir arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.35



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Maier. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.35.32

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Abgeordnete von den Regierungsparteien haben diese Justizdebatte dazu verwendet, die Sozialdemokra­tische Partei zu verunglimpfen. (Abg. Wattaul: Wir haben nur die Wahrheit gesagt!)

Ich möchte eines mit aller Deutlichkeit hier festhalten: Die SPÖ verurteilt die hochris­kanten Spekulationsgeschäfte früherer BAWAG-Manager auf das Schärfste! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) So darf nicht mit dem Geld der Sparer umgegangen werden! Die Schuldigen müssen – und die Justiz ermittelt bereits – zur Verantwortung gezogen werden; sie müssen auch persönliche Wiedergutmachung leisten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Die SPÖ gibt das Geld zurück!)

Gleichzeitig ist zu sagen: Finanzminister Grasser hat seit April 2001 Beweise für die Spekulationsgeschäfte der BAWAG-Manager gehabt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Er hat aber nichts unternom­men. Damit ist er seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Karl-Heinz Grasser muss dafür die politische Verantwortung übernehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Die SPÖ zahlt das zurück, was sie gekriegt hat!)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Die Frage, die wir uns zu stellen haben, ist die: Gibt es diesen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts?

Halten wir uns vor Augen, dass aus einigen europäischen Staaten europäische Bürger von amerikanischen Geheimdiensten mit Wissen nationaler Behörden in Drittstaaten entführt wurden! Halten wir uns vor Augen, dass europäische Bürger vermutlich sogar im Beisein nationaler Polizisten in Drittstaaten gefoltert wurden. Ich frage Sie: Ist das der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, den wir anstreben? Mitnichten, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Vorkommnisse müssen mit allem Nachdruck abgelehnt werden, und die europäischen Menschenrechte müssen in die­sem Bereich eingefordert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, wenn wir Fragen der Justizpolitik diskutieren, dann dürfen wir nicht nur den strafrechtlichen und polizeilichen Bereich diskutieren, sondern müssen sehr wohl auch den zivilrechtlichen Bereich mit ins Auge fassen. Es geht um den Raum des Rechts, es geht um Normen, mit denen jeder Konsument tagtäglich konfrontiert ist, und es geht um Probleme, die wir in Österreich allerdings selbst zu verantworten haben, weil wir die europäischen Vorgaben zum Schutz der Konsumenten bisher noch nicht umgesetzt haben.

Jetzt gibt es ein grundsätzliches Problem in der europäischen Zivilrechtsgesetzgebung, dass nämlich neoliberale Überlegungen eine größere Rolle spielen als der Schutz­zweck des Rechts. Man sieht es auf der einen Seite an der Wettbewerbsorientierung, und man sieht es auf der anderen Seite, wenn bestimmte Grundrechte den Menschen verweigert werden. Aber wie gesagt, auch Österreich setzt genau diese europäischen Maßnahmen nicht um.

Frau Bundesministerin! Seit Jänner müssten wir eine österreichische Konsumenten­schutzbehörde haben – eine Konsumentenschutzbehörde, die für die Vollziehung von 20 Richtlinien und Verordnungen zuständig ist. Ich frage Sie: Warum haben wir für die Umsetzung dieser Richtlinien diese Behörde nicht?


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Ich frage Sie: Warum wird schlampig umgesetzt? Warum ist die Verordnung über die Fluggastrechte, die regelt, wann Entschädigungen zu zahlen sind, in Österreich noch nicht umgesetzt worden? Es kommt die Urlaubszeit. Internationale Airlines weigern sich, den österreichischen Konsumenten entsprechende Entschädigungen zu zahlen. Das ist ein österreichisches Problem!

Ich frage Sie aber auch: Warum sind bestimmte Menschen in Österreich von Rechten ausgeschlossen? Warum gibt es noch keine Bestimmung, die jedem Österreicher bei­spielsweise das Recht auf ein Girokonto einräumt? – Der Antrag der Sozialdemokrati­schen Partei dazu liegt im Finanzausschuss – seit drei Jahren! –, er wurde noch nie behandelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir benötigen den Raum der Freiheit, der Si­cherheit und des Rechts, aber eines muss allen klar sein: Diese Regelungen dürfen nicht allein im Bereich der dritten Säule erlassen werden. Die Rechtsetzung in der dritten Säule widerspricht dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip.

Wir müssen uns darum kümmern, dass alle Maßnahmen im Rahmen der dritten Säule auch im Europäischen Parlament, aber auch in den nationalen Parlamenten behandelt werden. Derzeit hat es oft den Anschein, dass immer dann, wenn sich Minister in den nationalen Parlamenten nicht durchsetzen können, auf europäischer Ebene im Rah­men der dritten Säule entsprechende Regelungen geschaffen werden.

Ein klassisches Beispiel dafür ist die Vorratsdatenspeicherung, die in Österreich vom Datenschutzrat abgelehnt worden ist und trotzdem – und das, Frau Bundesministerin, vergessen wir Ihnen nicht! –: Sie haben dieser Regelung zugestimmt und damit den österreichischen Vorgaben, die wir im Datenschutzrat beschlossen haben, nicht ent­sprochen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. 8 Minuten Wunschredezeit, das ist auch die Restredezeit der grünen Fraktion. – Bitte.

 


11.42.13

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Hohes Haus! Herr Präsident Khol, wir debattieren jetzt zwar Sicherheit, aber Sie stürzen mich in eine ziemliche Unsicherheit – nicht wegen Ihrer Pflanzen- und Gießtipps, die uns heute freundlich aus dem „Standard“ entgegenlächeln, sondern wegen Ihrer Ordnungsrufe für das Wort „Lüge“. Ich rätsle seither, ob es am Geschlecht liegt, ob man das Wort „Lüge“ sagen darf oder nicht, ob es am Alter liegt – was ich Ihnen als überzeugtem Demokra­ten und Parlamentarier keineswegs unterstellen würde –, ob es an der Zugehörigkeit zu einer Oppositions- oder Regierungspartei liegt oder ob es an der Geographie liegt. Das Wort „Lüge“ darf nicht aus dem Plenum kommen, es darf nicht hier vom Redner­pult kommen, aber es darf von der Regierungsbank kommen. – Vielleicht können Sie mir diese Unsicherheit bei Gelegenheit nehmen und mich aufklären. (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das mache ich gerne, Frau Abgeordnete! Es geht um den konkreten Vorwurf der Lüge an eine bestimmte Person.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (fortsetzend): Das werde ich gerne im Protokoll der Rede des Herrn Finanzministers nachlesen. – Danke schön. (Zwischenrufe der Ab­geordneten Dipl.-Ing. Scheuch und Dr. Partik-Pablé.)

Ein Punkt, hinsichtlich dessen allerdings jegliche Unsicherheit ausgeräumt ist, sind die Intentionen, mit denen die Regierungsparteien an manche Fragen der Debatte heran­gehen. Ich glaube, man kann jedenfalls mit Fug und Recht das Wort „ungehörig“ ver-


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wenden, wenn ein Abgeordneter dieses Hauses, nämlich Herr Abgeordneter Fauland, hier öffentlich am Rednerpult beklagt, dass die Europäische Menschenrechtskonven­tion und die Genfer Flüchtlingskonvention in Österreich im Verfassungsrang stehen.

Soll das heißen, er würde sie gerne mit der einfachen Mehrheit Ihrer Regierung entsor­gen, damit man sich an diese lästigen internationalen Vereinbarungen nicht mehr hal­ten muss, damit man Menschenrechte in Österreich mit einfacher Regierungsmehrheit übergehen kann, wie Sie das ja de facto mit Ihrer Asylgesetzgebung sowieso machen? War das die Absicht, oder wie kommt man sonst auf eine derart verwegene Idee, sich herzustellen und zu bedauern, dass hier Menschenrechtskonventionen im Verfas­sungsrang stehen? – Auch das ist zumindest aufklärungsbedürftig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben hier ein Bild gezeichnet oder lassen den Eindruck entstehen, als wäre das große Problem innerhalb der EU, dass wir von Menschenmassen aus allen Erdteilen überrollt werden und kaum noch wissen, wie wir mit denen umgehen sollen. Und das Einzige, was Ihnen als Instrument einfällt, ist Repression, Repression und Repres­sion. – So gehen Sie mit Menschen in Not um.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sprechen sie eine ganz andere Sprache. Es gab EU-weit im Jahr 2001 gerundet 439 000 Asylanträge, im letzten Jahr gab es EU-weit – vergleichbare Länder herangezogen – gerundet 238 000 Asylanträge. Es ist also ein dramatischer Rückgang um fast die Hälfte festzustellen. Und noch immer stehen Sie hier und tun so, als wären das allergrößte Problem diese heranströmenden Men­schenmassen, derer die EU nicht habhaft wird. (Abg. Rädler: Verschließen Sie die Augen nicht! Sie verschließen die Augen!)

Sie können offenbar nicht rechnen, wenn Sie mir vorwerfen, ich verschließe angesichts dieser Zahlen die Augen. Ich habe Ihnen gerade nachgewiesen, dass es deutlich weni­ger geworden sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber immer noch zu viele!)

Das Problem, das tatsächlich besteht, ist: Wie wird mit diesen Menschen, die Asyl be­antragen – ich rede jetzt nur von Menschen, die aus großer Not, aus Lebensgefahr, vor Verfolgung geflüchtet sind und Asyl beantragen –, umgegangen? Gibt es EU-weit ge­meinsame Standards dessen, wie man menschenwürdig mit Flüchtlingen, mit Asylsu­chenden umgeht?

Das, was Frau Ministerin Prokop völlig schuldig geblieben ist, ist, dass sie diesbezüg­lich Initiativen setzt, die in Richtung Harmonisierung des Vollzugs und gleicher Stan­dards gehen. Man bedenke nur, dass zwar in den Richtlinien-Diskussionen Überlegun­gen dahin gehend angestellt wurden, wie man die Schubhaft und gemeinsame Char­ter-Abschiebungen handhabt – dem müsste aber vorausgehen, dass man sich einmal darauf verständigt, wie denn die Standards für die der Abschiebung vorangehende Schubhaft sind. Hiezu gibt es EU-weit den Vorschlag, die Schubhaft auf maximal sechs Monate zu beschränken.

Jetzt verstehe ich schon, warum Ihre Regierung keine Initiative auf europäischer Ebene unternimmt: Nämlich weil Sie in Ihr österreichisches Gesetz hineingeschrieben haben, zehn Monate Schubhaft sind auch okay, weil Sie ja weit hinter dem hinterher­hinken, was EU-weit diskutiert wird.

Bei einem zweiten Bereich glaube ich ebenfalls, dass dringender Harmonisierungsbe­darf besteht. Man braucht sich nur die Aufnahmerichtlinien und das Dubliner Abkom­men anzuschauen, wie das Burden-Sharing funktioniert, also wie die Verteilung der Last – weil Sie ja immer davon ausgehen, dass Asylsuchende eine „Last“ sind – auf die Staatengemeinschaft erfolgen soll. Da kann mit den bestehenden Richtlinien heraus-


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kommen, dass drei enge Familienangehörige auf drei verschiedene Mitgliedstaaten verteilt werden. – Ich halte das für dringend überarbeitungsbedürftig und harmonisie­rungsbedürftig und frage mich: Wo ist denn hier die Innenministerin in ihrer Ratspräsi­dentschaft? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Jarolim: Das frage ich mich auch!)

Und schließlich: Es bestehen brennende Probleme mit Flüchtlingstragödien – meine Kollegin Stoisits hat Sie schon darauf angesprochen –, es gibt immer wieder Meldun­gen, wie viele Menschen wieder beim Versuch ums Leben gekommen sind, zum Bei­spiel über das Mittelmeer nach Spanien oder Italien zu kommen. – Das sind Tragödien, das sind zwar keine Hunderttausendschaften, aber menschliches Leid ganz konkret vor der Tür der EU!

Was tut die EU? – Sie steckt den Kopf in den Sand, statt herzugehen und zu schauen: Können wir zumindest menschenwürdige Standards in den Lagern garantieren? Was brauchen wir vor Ort? Wie kann man das gemeinsam besser organisieren?

Außerdem verschließt die EU, verschließen die EU-Staaten sowieso vor einem Zu­kunftsproblem die Augen in ihrer ganzen Abschottungs- und Repressionspolitik, die auch Österreich vorrangig betreibt, nämlich: Wie werden wir uns denn in fünf, zehn oder 15 Jahren positioniert haben, um Einwanderung, die wir brauchen werden – die wir für die Wirtschaftsentwicklung brauchen, die wir für unsere Sozialsysteme brau­chen –, zu regeln und mit Konkurrenten wie den USA irgendwie mithalten zu können, damit Leute aus Südostasien, aus Indien – wo immer her – bevorzugt in die EU ein­wandern wollen und zu uns kommen – Menschen, die wir dann dringend brauchen werden? Wir werden dann nämlich feststellen: Wir haben uns leider einen Ruf aufge­baut, der Abschottung und Fremdenfeindlichkeit signalisiert, und daher will gar nie­mand mehr zu uns kommen – nicht nach Österreich und womöglich auch nicht in die EU. – Hier verschlafen Sie sowieso völlig eine Entwicklung.

Ein letzter Punkt noch, wenn wir von menschlichem Leid und Sicherheit sprechen. Sie sind zwar noch am ehesten motiviert, internationale Kooperationen zur Verfolgung und Bekämpfung von Kriminalität zu betreiben, allerdings haben Sie auch da eine Brille auf. Bestimmte Formen von Kriminalität blenden Sie von vornherein aus; da macht die Brille zu, das sehen Sie nicht. Damit ist der Menschenhandel gemeint, der blüht und gedeiht, der hauptsächlich Frauen betrifft.

Und das ist wieder einmal ein Thema, das Ihnen – Kollege Ellmauer schüttelt den Kopf – nicht wichtig ist. Es geht ja nur um gehandelte Frauen, die gegen ihren Willen verschleppt und entweder zur Hausarbeit oder zur Prostitution gezwungen werden.

Kein Thema für Sie, das erkennt man an der Politik, das erkennt man am Fehlen jed­weder Initiative jetzt während der Ratspräsidentschaft – sei es durch die Innenminis­terin, sei es durch die Justizministerin. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist so was von an den Haaren herbeigezogen! Wollen Sie sagen, dass die Justizministerin ... ist? Das ist ja unverschämt!) Und man erkennt es auch an der Gesetzgebung in dem Bereich, die Sie in Österreich machen: Asyl für geschlechtsspezifische Verfolgung – nein, danke! Schutz vor Frauenhandel für die betroffenen Opfer – nein, danke! Schutz vor Verfol­gung ganz generell – muss nicht unbedingt sein! Sie konzentrieren sich auf den Asyl­missbrauch. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Schauen Sie die Frau Justizministerin an und sagen Sie ihr, dass ihr das nicht wichtig ist! Das ist unverschämt!) – Herr Abgeordneter Scheuch, da könnten Sie sich einmal anschauen, wie die Realität aussieht.

In diesem Sinne kann man nur folgendermaßen zusammenfassen: Das, was Sie unter EU-Sicherheitspolitik verstehen, ist eine sehr einseitige Vertretung Ihrer ideologischen Interessen, aber sicher nicht das, was wir EU-weit an Kooperation für mehr Sicherheit brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

11.51



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Gastinger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Vielleicht kann man das aufklären!)

 


11.51.04

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es freut mich, dass ich noch einmal die Mög­lichkeit habe, hier ein Statement vor Ihnen abzugeben; vor allem gab es doch einige interessante Redebeiträge, auf die ich gerne reagieren möchte.

Primär möchte ich damit anfangen, dass im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts natürlich auch der Bereich der Grundrechte von ganz immanenter Bedeutung ist. Ich glaube, es war Herr Abgeordneter Scheibner, der angesprochen hat, wie wich­tig in diesem Zusammenhang der EU-Verfassungsvertrag gewesen sei, der hier im Na­tionalrat mit einer Gegenstimme, soweit ich mich erinnern kann, verabschiedet wurde, denn dieser EU-Verfassungsvertrag hätte die Grundrechtscharta, die Europäische Grundrechtscharta auch in den Verträgen der Europäischen Union vorgesehen, was derzeit nicht der Fall ist.

Ich denke, viele Menschen wissen nicht, dass wir in der Europäischen Union, die ja praktisch ab der Zeit ihrer Gründung auf eine Wirtschaftsunion angelegt war, derzeit noch keine gemeinsame Grundrechtscharta haben, denn das wäre ein wichtiger Schritt gewesen. Ich hoffe doch, dass wir mit dieser institutionellen Reform und auch mit der Aufnahme der Grundrechtscharta in unsere Verträge in sehr absehbarer Zeit einen weiteren großen Schritt in die richtige Richtung machen können.

Wesentlich sind uns auch – das betrifft unmittelbar meinen Rat; das hat Frau Abgeord­nete Stoisits angesprochen – die Mindestverfahrensgarantien in strafrechtlichen Ver­fahren. Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen versichern, das ist mir wichtig! Das war auch ein Thema, das wir während unseres informellen Rates im Jänner hier in Wien behan­delt haben, ausdrücklich behandelt haben, denn wie Sie sicherlich wissen, ist dieser Rahmenbeschluss, wie er derzeit in Verhandlung steht, vor unserer Präsidentschaft ziemlich in eine Sackgasse gelangt. Die österreichische Präsidentschaft unter meiner Führung bemüht sich, dass wir bei diesem Rahmenbeschluss ganz maßgebliche wei­tere Schritte setzen können. Wir haben vor, dies im April-Rat auch offiziell auf die Rats­tagesordnung zu bringen und hoffen, dass wir spätestens bis Juni einen neuerlichen Schritt weiterkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gut ist in diesem Zusammenhang aber auch zu wissen, dass es hiebei nicht darum geht, dass es keine politische Einigung auf europäischer Ebene gibt oder dass wir dies nicht haben wollen, sondern es geht darum, dass wir, wie in jedem anderen Rechtssys­tem auch in Europa, nur auf Basis unseres Rechtsrahmens agieren können. Bezüglich dieses Rahmenbeschlusses bestehen von Seiten einiger Mitgliedstaaten massive Zweifel, dass eine Rechtsgrundlage auf europäischer Ebene vorhanden ist, um prak­tisch auf europäischer Ebene tätig zu werden. Das ist der Punkt, weswegen wir im Grunde genommen Schwierigkeiten haben.

Es herrscht politische Einigung vor, dass wir die Mindestverfahrensgarantien im Straf­verfahren brauchen und dass wir einen Schritt weiterkommen müssen. Darin sind wir uns auch mit dem Europäischen Parlament einig, das diesen Punkt als eine der Priori­täten gesetzt hat.

Herr Abgeordneter Maier hat angeführt, dass es diese Problematik zwischen der ersten und der dritten Säule gibt. Ich möchte hier nur erläuternd ausführen, was die erste und die dritte Säule im europäischen Kontext heißt, weil ich glaube, viele unserer Zuhörer wissen das vielleicht nicht. Es ist so, dass in der ersten Säule das Gemeinschaftsrecht geregelt wird. Das bedeutet bei uns im Rat qualifizierte Mehrheit, im Entscheidungsver-


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fahren bedeutet das Mitentscheidungsverfahren mit dem Europäischen Parlament. Die dritte Säule bedeutet Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres, bedeutet Ein­stimmigkeit im Rat, bedeutet aber nur Stellungnahmerecht des Europäischen Parla­ments, was praktisch eine mindere Beteiligung des Europäischen Parlamentes dar­stellt.

Ich möchte aber dazu sagen, dass die von Ihnen so kritisierte Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der ersten Säule abgehandelt wurde. Das war eine Richtlinie und diese Richtlinie wurde mit Zustimmung des Europäischen Parlaments und mit sehr enger Einbindung des Europäischen Parlamentes beschlossen.

Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich anmerken, dass es eine österreichische Initiative war – da hatten wir noch nicht die Präsidentschaft inne – und dass wir eindringlich dar­auf hinwirken konnten, dass Missbrauchsbestimmungen in dieser Richtlinie enthalten sind. Wir haben vor allem auch darauf geachtet, dass wir, auch den innerösterreichi­schen Stellungnahmen folgend, insbesondere was den Datenschutz anbelangt, der uns besonders wichtig ist, die Kommission gedrängt haben, dass wir nunmehr auch einen Vorschlag für eine europaweite Datenschutzbestimmung auf dem Tisch haben, den wir bereits im Rat in den Arbeitsgruppen verhandeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das war etwas, was wir aus österreichischer Sicht wollten und was uns gelungen ist, dass wir nämlich die Kommission dazu bringen konnten, dass sie das auch weiter so vorsieht. – So weit zum Grundrechtsschutz, der uns immer besonders wichtig ist.

Gerade im Bereich des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts müssen wir immer darauf achten, dass wir die Balance zwischen dem Sicherheitsbedürfnis un­serer Bürger auf der einen Seite und dem Bedürfnis der Freiheit der Bürger auf der anderen Seite, sprich des Grundrechtschutzes, finden. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, den wir sicherlich auch im Auge behalten.

Es wurde mehrfach im Rahmen der Diskussion der gesamte Bereich der Asylpolitik angesprochen, obwohl das nicht unmittelbar Justizpolitik ist, aber, wie ich glaube, doch ein wichtiger Bereich, der uns in Österreich sehr beschäftigt. Hiezu möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir uns am Rat von Tampere – das war praktisch das Vorprogramm vor dem Haager Programm, das ich zuerst ausgeführt habe – bereits darauf geeinigt ha­ben, dass wir in Europa eine gemeinsame Asylpolitik haben wollen.

Die erste Stufe dieser gemeinsamen Asylpolitik wurde bereits umgesetzt, nämlich durch die Schaffung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern, dann auch noch durch die Dublin II-Verordnung, in der festgelegt wurde, dass das Asylver­fahren in jenem Staat durchzuführen ist, wo der Asylwerber erstmals europäischen Boden betreten hat. Weiters gibt es noch die Rahmenbedingungen für den Asylstatus und Ähnliches. Das wurde bereits umgesetzt, wir haben das durch das hier schon mehrfach erwähnte Asyl- und Fremdenrecht bereits in nationales Recht umgesetzt, wobei ich glaube, dass wir damit einen richtigen Schritt gesetzt haben.

Als zweite Stufe werden derzeit die neuen Strukturen für die Asylbehörde, der Aktions­plan, das Schutzprogramm und regionale Neuansiedelungen verhandelt, wobei es dar­um geht, in Drittstaaten, praktisch vor Ort in der Nähe, wo es Krisenherde gibt, tatsäch­lich regionale Schutzzentren mit Mitteln der Europäischen Union zu errichten. Hiezu laufen bereits Gespräche mit diversen Staaten, natürlich auch unter Einbindung der österreichischen Präsidentschaft, natürlich auch unter Einbindung der Europäischen Kommission. Ich bin der Meinung, dass es der richtige Weg ist, Hilfe vor Ort zu geben, auch mit Mitteln der Europäischen Union – und nicht nur mit finanziellen Mitteln, son­dern auch mit dem Know-how der Europäischen Union, wie man diesen menschlichen


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Tragödien, die sicher sehr oft mit den Krisenherden und vor allem mit Flüchtlingen ver­bunden sind, wie man diesem Problem Herr werden kann.

Dazu ist auch geplant, zum Beispiel einen europäischen Flüchtlingsfonds einzurichten, auch wieder mit Mitteln der Europäischen Union, damit es dann auch eine Art Burden-Sharing, was die finanziellen Mittel anbelangt, gibt.

Wichtig ist auch, dass an einer Liste der sicheren Drittstaaten gearbeitet wird. Das ist momentan einer jener Bereiche, bei denen die Frau Innenministerin ganz intensiv ver­handelt.

Ein weiterer wichtiger Bereich – auch mehrfach angesprochen, gerade was den West­balkan anbelangt – betrifft die Visa-Politik. Dazu darf ich anmerken, dass es die Politik der Europäischen Union ist, dass wir, bevor wir Visa-Erleichterungen für verschiedene Staaten gewähren, das Rücknahmeübereinkommen mit diesen Staaten für illegal Ein­reisende auch abgeschlossen haben. Da laufen die Verhandlungen mit diversen Staa­ten. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, weil dann auch sichergestellt werden muss, dass es durch diese Visa-Erleichterungen nicht zu einer erleichterten illegalen Einwanderung kommen kann. – So weit dieser Bereich.

Ein mir ganz besonders am Herzen liegender Bereich ist jener des Menschenhandels und der Schlepperei. Hier zu sagen, dass wir da weder auf europäischer Ebene noch in Österreich etwas gemacht hätten, darauf muss ich bei aller Wertschätzung erwidern: Das ist vermessen. Wirklich: Das ist vermessen!

Wir haben hier in Österreich die Rahmenbedingungen umgesetzt. Wir haben das Straf­recht, was das Schlepperwesen anbelangt, verschärft. Wir haben im Bereich des Op­ferschutzes Verbesserungen verwirklicht. Natürlich ist es wichtig, der Schlepperbanden habhaft zu werden, und es gibt, wie jüngst auch, immer wieder Ermittlungserfolge der Exekutive im Bereich des Schlepperwesens. Was uns aber besonders wichtig ist, ist der Opferschutz, und dieser ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen. Wir haben mit LEFÖ – das ist ein Verein in Österreich, der sich, wie Sie wissen, sehr intensiv mit Opfern von Schlepperei beschäftigt – einen Vertrag abgeschlossen, wonach wir in Zu­sammenarbeit mit diesem Verein die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung für Opfer von Schleppereiwesen aus Mitteln des Justizministeriums bezahlen. (Präsi­dentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben in weiterer Folge in unserem neuen Fremdenrecht auch vorgesehen, dass es für eine beschränkte Zeit einen Aufenthaltsstatus für Opfer von Menschenhandel gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben auch vorgesehen, mit Bulgarien und mit Rumänien sehr erfolgreich zu ko­operieren, damit wir das Problem mit den Kindern in den Griff bekommen. Es gibt ja Banden von Taschenräuberkindern, die aus Bulgarien und Rumänien kommen. Hier gibt es intensive Verhandlungen mit der bulgarischen und mit der rumänischen Regie­rung. Es gibt in Österreich noch zusätzlich eine Task Force „Menschenhandel“.

Das ist ein Problem, das wir sehr ernst nehmen, ein Problem, das wir längerfristig se­hen, hoffentlich auch mittelfristig in den Griff bekommen werden, vor allem auch im Interesse des Schutzes der Opfer. Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Kößl zu Wort. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.02.08

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Verantwortungsvolle


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Politik im Bereich der Sicherheit heißt, den europäischen Kontext zu erkennen und sich zur internationalen Zusammenarbeit zu bekennen. Ein starker Motor in der Europäi­schen Union für die Zusammenarbeit ist Österreich, ist die österreichische Bundes­regierung und sind unsere Bundesministerinnen für Justiz und innere Sicherheit.

Was ist unser Ziel? – Unser Ziel muss sein, Österreich sicherer zu machen. Wir wissen genau, wenn Europa sicherer ist, dann erhöht sich sicherlich auch die Sicherheit in unserem Lande, und die Menschen leben in größerer Sicherheit.

Wir stehen zur Europäischen Union, und wir stehen hinter dem Amsterdamer Vertrag, der heute schon mehrmals zitiert worden ist, der Europa als Raum der Freiheit, der Si­cherheit und des Rechts definiert. Wir stehen hinter ihren Zielen, mit geeigneten Maß­nahmen für sichere Grenzen zu sorgen, Probleme im Asylbereich und der Migration gemeinsam zu lösen und unsere Bevölkerung bestmöglich vor der Kriminalität zu schützen.

Geschätzte Damen und Herren, vor allem in Richtung Opposition: Da ist Gemeinsam­keit gefordert und nicht Frontalopposition, die immer wieder von Ihrer Seite kommt. Ge­rade im Bereich der Sicherheit stehen wir vor großen Herausforderungen. Kriminelle organisieren sich über die Grenzen hinweg. Sie nutzen alle technischen Möglichkeiten und sie greifen auf modernste Kommunikationsmittel zurück.

Im Bereich Justiz und Innere Sicherheit haben wir rechtzeitig erkannt, dass wir zur effi­zienten Bekämpfung von internationaler Kriminalität eines verstärkt brauchen: grenz­überschreitende Kooperation der nationalen Polizeiorganisationen und der nationalen Strafverfolgungsbehörden, gemeinsame Verträge, so wie wir gestern den Prümer Ver­trag abgeschlossen haben, Erfahrungsaustausch, Vernetzung von Datenmaterial und schnellere internationale gegenseitige Unterstützung im Exekutivbereich und im Justiz­bereich.

Die Europäische Union hat im Haager Programm den Weg zu mehr Sicherheit in Euro­pa aufgezeigt, den wir gemeinsam gehen müssen. Hier sind die Instrumente angeführt, die wir brauchen, um mehr Sicherheit für unsere Bevölkerung zu erreichen. Das Haager Programm hat das vordringliche Ziel, die Einwanderungs- und Asylpolitik wei­terzuentwickeln. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Regelung in diesen Be­reichen. Wir müssen die Menschen aus der Illegalität holen. Wir müssen Schranken dort einziehen, wo Schranken notwendig sind. Wir brauchen einen europäischen Las­tenausgleich und wir brauchen Perspektiven für diejenigen, die wirklich Schutz und Hilfe bei uns suchen und diese Hilfe auch brauchen. Und wir brauchen auch eine klare Regelung für diejenigen, welche die Freizügigkeit unserer Gesellschaft missbrauchen.

Geschätzte Damen und Herren, ich möchte noch ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Jarolim eingehen, der erklärt hat, dass wir in Österreich eine steigende Krimi­nalität zu verzeichnen haben. – Nein, das stimmt nicht! Im Gegenteil: In den letzten beiden Jahren haben wir Gott sei Dank die Kehrtwende erreicht; die Kriminalität ist rückläufig, und zwar um mehr als 2 Prozent, und wir haben eine steigende Aufklä­rungsquote.

Kollege Jarolim lebt in der Vergangenheit! – Wir haben auch im UBAS die Zahl der Be­diensteten um 100 erhöht. Das sind alles große Fortschritte, aber das dürfte dem Kolle­gen Jarolim entgangen sein.

Ich möchte noch auf eines zurückkommen, was Kollege Jarolim gesagt hat, und um eines bitten: Man möge uns wirklich verschonen vor einer Kreisky’schen und Vra­nitzky’schen Politik, wie sie in der Vergangenheit stattgefunden hat, denn sie ist in Ver­bindung zu bringen mit Schuldenpolitik und auch mit Bankenpleiten, weil Vranitzky zu dieser Zeit auch für die Länderbank verantwortlich war! Die SPÖ sollte überhaupt eines


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klar sehen: Sie möge von Wirtschaft und Banken die Finger lassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Puswald zu Wort. 4 Minuten Redezeit; das ist auch die Gesamtrestredezeit für den sozialdemokratischen Klub. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.06.59

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Vizekanzler! Herr Wirtschaftsminister! – Der Herr mit dem Rücken zu mir sei auch herzlich gegrüßt! – Meine Damen und Herren im Hause! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Meinen Sie den Öllinger?) Es ist eigentlich beschämend und erschre­ckend, wenn man feststellen muss, dass selbst EU-Themen von den Rednern der Re­gierungsparteien dazu missbraucht werden, politisches Kleingeld zu wechseln, aber man sieht halt, Stil kann man nicht kaufen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da passt ein Zitat aus der heutigen „Kronen Zeitung“ sehr gut. „Ganz vorsichtig“, sagt die „Kronen Zeitung“, „sollte die schwarz-orange Regierung in ihrer Wortwahl sein, wenn es um die Krisen von Banken geht. Und speziell die ÖVP sollte nicht vergessen, wie es ihr mit Beinahe-Bankpleiten von schwarzen Instituten in den siebziger Jahren ergangen ist, als man ihr damals diskret aus der Patsche geholfen hat.“

Da sehen Sie ganz deutlich den Stil, der Sie von einer staatstragenden sozialdemokra­tischen Politik unterscheidet. (Lebhafte Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es freut mich, dass Sie darüber noch lachen können. Behalten Sie Ihren Humor, Sie werden ihn nach den nächsten Wahlen brauchen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber während sozialdemokratische Finanzminister Ihre schwarzen Bankenpleiten da­mals auf diskrete Weise saniert haben, müssen Sie hier politisches Kleingeld wech­seln. Aber das scheint ja auch notwendig zu sein, um vom wirklichen Thema abzulen­ken.

Der Herr Finanzminister etwa hat vorgestern im „Mittagsjournal“ all diese „Offshore-Center“, wie er sie bezeichnet, beklagt und gesagt, dass man international dagegen vorgehen muss. Wörtlich sagte er: Es ist aber natürlich schwierig, weil das keine Frage ist, die die BAWAG allein gemacht hat. – Also ich denke, da wird der Herr Finanzmi­nister wohl auch Ihren schwarzen Bankensektor gemeint haben. Daher habe ich heute eine parlamentarische Anfrage an den Herrn Finanzminister gerichtet, darf aber Sie, Frau Bundesminister Gastinger, bitten, indem ich Ihnen eine Kopie davon überreiche, dass auch Sie sich des Themas annehmen, denn wir wollen Aufklärung haben, und da haben wir in den Finanzminister wenig Vertrauen. Die Frau Bundesministerin wird hier vielleicht weiter vorgehen können.

Dass Sie mit Ihrem Stilbruch und Ihrer eigentlich sehr bedenklichen Art aufzutreten, über die Sie sich mehr als nur Gedanken machen, sondern für die Sie sich auch schä­men sollten, von den wahren Themen ablenken, sagt Ihr eigener Parteifreund aus Finnland, der konservative ehemalige Europaminister. Er sagte in einer Aussendung kürzlich wörtlich:

„Der Vorsitz Österreichs entwickle sich zur Halbzeit eher zu einer Serie von (...) Veran­staltungen denn zu einer echten, Entscheidungen bringenden Arbeitsphase.“ (Abg. Lentsch: Wer sagt das? – Abg. Amon: Wer?) Er befürchtet daher und zeigt sich be­sorgt, „dass durch den seiner Ansicht nach mangelnden Eifer Österreichs viele große offene Fragen Anfang Juli in die Verantwortung des finnischen Ratsvorsitzes über­gehen würden. (Abg. Amon: Wer denn? Wer hat denn das gesagt?) – Kollege Amon, Ihr Bildungsnotstand in diesem Punkt ist zwar bedauerlich, aber Ihr konservativer Par-


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teigenosse und ehemaliger Europaminister heißt Vilén. Vielleicht merken Sie sich den Namen, falls Sie ihm wieder einmal begegnen. (Abg. Dr. Fasslabend: Das stimmt nicht!) – Sie lenken von den Themen ab, das ist verständlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Fasslabend, auch bei Ihnen ist das verständlich, denn Ihre Panzer-Geschichte, bei der Sie Milliarden der Steuerzahler in den Sand gesetzt haben, wird Sie noch ver­folgen, wenn Sie schon lange nicht mehr in diesem Hause sitzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, Ihnen möchte ich nur noch kurz Folgendes sagen: Wir sind ja in vielen Punkten mit Ihnen einer Meinung; nur sind wir der Meinung, dass es nicht blo­ßer Lippenbekenntnisse bedarf, sondern weiter gehen muss, etwa beim Thema Asyl­werber/Grundrechte.

Sie haben vollkommen Recht, dass man den Wohlstand in diesen Staaten potentieller Asylwerber heben sollte – aber man sollte auch vor der eigenen Türe kehren, und da sprechen die Zahlen Ihrer Politik der letzten Jahre leider eine traurige Sprache: So ist das Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent im Jahr 1999 auf 1,7 Prozent im Jahr 2005 gesunken (Abg. Ellmauer: Falsch! Sie wissen nicht einmal das! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen); die Inflationsrate von 0,5 Prozent 1999 auf 2,2 Prozent gestiegen (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen); die Reallohnsteigerung von 1,3 Prozent auf minus 0,1 Prozent gesunken und das Be­schäftigungswachstum von 1,1 Prozent auf 0,4 Prozent und ...

12.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie haben die Glocke offen­sichtlich überhört: Ihre Redezeit ist bereits überschritten. Danke schön.

(Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Puswald.)

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort. 6 Minuten Redezeit; das ist die Gesamtrestredezeit für Ihren Klub. – Bitte.

 


12.11.45

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Meine grundsätzlichen Positionen zur Justizpolitik im Rahmen der EU habe ich ja schon im Rahmen meiner ersten Wortmeldung deponiert. Ich möchte jetzt nur mehr auf verschiedene Debattenbeiträge eingehen.

Es tut mir Leid, dass diese Debatte von Rednern der Opposition wie Jarolim oder Pus­wald dazu benutzt worden ist, hier wirklich politisches Kleingeld zu machen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Skandalös! Ungeheuerlich!) und die Schlammkübel wieder einmal aus­zugraben und auszuschütten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr Vorwurf, Herr Abgeordneter Puswald, dass von der Regierungsseite politisches Kleingeld geschlagen worden sei, beruht auf einer völlig falschen Beobachtung dieser Situation!

Herr Abgeordneter Jarolim hat einen Satz gesagt, der ihm sozusagen rausgerutscht ist: Es gibt genug, worauf wir stolz sein können! – Herr Jarolim, das ist richtig! Es gibt wirk­lich sehr vieles, worauf wir in Österreich stolz sein können! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Wir sind erst neulich, wie in der „Kronen Zeitung“ zu lesen war – sie ist ja gerade zitiert worden, Sie glauben ja alles, was in der „Kronen Zeitung“ steht –, auf dem Platz 3 einer internationalen Betrachtung gelandet, was Wirtschaftspolitik, was Arbeitslosen­problematik und so weiter anlangt. Also, wie gesagt: Wir können sehr stolz darauf sein, was in Österreich geschaffen worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Viele beneiden uns um unsere Situation in Österreich.


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Aber jetzt möchte ich noch auf einige andere Debattenbeiträge eingehen.

Frau Abgeordnete Stoisits hat gemeint: Tausende Menschen, die aus Afrika kommen, ertrinken, weil Europa die Hilfe verweigert, weil Europa keine Unterstützung gibt.

Frau Abgeordnete Stoisits, diese massiven Anschuldigungen möchte ich so nicht im Raum stehen lassen, denn Europa leistet nicht nur für Afrika, sondern auch für den Nahen Osten und überall in der Welt massive Unterstützungen. Jedes Land in Europa gibt zusätzlich Entwicklungshilfe. – Sonst plädieren Sie ja immer für die Selbstverant­wortlichkeit, und da plötzlich ist Europa für alles und jedes zuständig. Europa ist nicht für die gesamte Asylproblematik in der ganzen Welt zuständig – das müssen Sie ein­mal zur Kenntnis nehmen!

Außerdem: In Afrika – neulich ebenfalls in der Zeitung gestanden – warten 500 000 Menschen darauf, dass sie in den Europäischen Wirtschaftsraum einreisen können.

Frau Abgeordnete Stoisits! Soll Europa Zeichen setzen, dass alle diese 500 000 Afrika­ner, aber auch Asiaten nach Europa kommen sollen? Also ich möchte das ganz ein­fach nicht. Wir brauchen möglicherweise eine Einwanderung in fünf oder in zehn Jah­ren, aber wir wollen uns die Leute aussuchen, die zu uns kommen. Wir brauchen Leute, die in unser Wirtschaftsgefüge und auch in unsere Altersstruktur passen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Asyl, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ganz einfach nur jemand bekom­men, der auch Asylgründe hat. Und wir verlangen, dass unsere Gesetze in Österreich eingehalten werden.

Die Grünen haben sich ja heute wieder demaskiert mit ihrer Asylpolitik, mit diesen An­würfen auf Europa. Ich hoffe, dass sie nie in die Regierung kommen, damit sie nichts von ihrer Politik umsetzen können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Wurm, wenn Sie meinen, mein Kollege Fauland hätte verlangt, dass die Menschenrechtskonvention oder die Genfer Konvention aufgehoben wird: Nein, wir wollen das nicht. (Abg. Dr. Niederwieser: O ja!) Bemängelt hat Kollege Fauland Fol­gendes: In der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel ist die Menschenrechtskon­vention nicht im Verfassungsrang, deshalb hat Deutschland einen viel größeren Spiel­raum in den Fremdengesetzen, im Asylgesetz als Österreich.

Wir wollen haben, dass diese internationalen Verträge an die jetzige Situation ange­passt werden. Die Genfer Konvention ist 1955 abgeschlossen worden; damals hat es keinen Asylmissbrauch gegeben. Die Menschen damals waren wirklich verfolgt, wäh­rend wir heute ganz genau wissen, dass die Asylgesetze benutzt werden, um Einwan­derung zu erzielen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja alles nicht, was Sie sagen!)

Frau Weinzinger, Sie sagen, es sei nicht notwendig, die Asylgesetze zu verschärfen, weil ohnehin die Zahl der Anträge zurückgegangen ist. – Ja warum ist sie zurückge­gangen? – Weil wir ein neues Asylgesetz geschaffen haben, deshalb!

Sie verlangen, man soll mit den Asylwerbern menschenwürdig umgehen. Natürlich muss man mit ihnen menschenwürdig umgehen. Aber wir verlangen auch Maßnahmen gegen kriminelle Asylwerber. Es ist doch nicht hinzunehmen, dass Menschen unter dem Titel Asylwerber nach Österreich kommen und hier kriminelle Handlungen zum Schaden der Österreicher setzen. Da wollen wir entsprechende Maßnahmen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Lunacek, Sie wollen mich als Rassistin abstempeln. Ich weiß, das ist Ihr Bestreben. Aber wenn man sagt, Scheinehen gehören geahndet, dann ist das


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doch kein Rassismus! Ich glaube wirklich, Sie sollten etwas vorsichtiger mit diesem Begriff umgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Skanda­lös!)

Ich verlange, dass die Gesetze eingehalten und respektiert werden. Und ich finde, das ist das gute Recht, sogar die Pflicht eines jeden Parlamentariers zu verlangen, dass die Gesetze eingehalten werden.

Und zu der Chinesin, die Sie angesprochen haben, möchte ich Ihnen nur sagen: Diese ist illegal eingereist, hat wiederholt falsche Identitäten angegeben, hat sich selbst zur Jugendlichen gemacht, hat ein Aufenthaltsverbot nicht beachtet, und dann hat sie einen Asylantrag eingebracht, als ihr alles nichts mehr genützt hat. So schaut das näm­lich aus, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Ich komme schon zum Schluss. – Europa – und damit wir alle – steht vor ungeheuer großen Aufgaben. Und wir dürfen nicht erwar­ten, dass das Idealbild Europa von heute auf morgen entsteht, sondern das wird eine gewisse Zeit dauern, und wir müssen jetzt, nach den Jahren der Erweiterung, schauen, dass sich dieses Europa konsolidiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

12.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.18.182. Punkt

Neue Impulse für die Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der Europäi­schen Union und in Österreich

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum zweiten Themenbereich.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Einem das Wort. Gemäß § 74b Abs. 3 GOG darf diese Wortmeldung 10 Minuten nicht überschreiten. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


12.18.36

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Erlauben Sie mir zunächst eine analytische Vorbemerkung: Wo stehen wir derzeit in Europa? Wir haben in Europa seit Jahren ein schwaches Wirtschaftswachstum, jedenfalls viel zu wenig, um die Zahl der Arbeits­losen endlich spürbar zu senken. Wir haben in Österreich etwas bessere Daten als im europäischen Durchschnitt, aber sie sind auch nicht gut genug. Auch hier reicht das Wachstum nicht aus, um die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren, den Menschen end­lich wieder Arbeit zu geben.

Noch ein Wort zu dem, was der Bundeskanzler gestern gesagt hat: Das einzige Bun­desland in Österreich, in dem die Arbeitslosenzahlen im letzten Jahr gesunken sind, war Wien – nicht die übrigen Bundesländer. Also genau das Gegenteil dessen, was der Bundeskanzler gestern gesagt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Staaten der Euro-Zone wird heuer mit einem Wachstum von knapp 2 Prozent gerechnet, für die der EU-25 mit einem von 2,2 Prozent. Und da redet der Bundes­kanzler von „erfreulichem Wachstum“?! Seine Ansprüche sind ganz offensichtlich be­scheiden. Wir wollen mehr, und mit einer entsprechenden Politik ist auch mehr mög­lich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man genauer hinsieht, meine sehr geehrten Damen und Herren, so zeigt sich, dass die großen, exportorientierten Unternehmen Europas, auch in Österreich, sehr


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gut verdienen, und zwar von Jahr zu Jahr besser verdienen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Arbeitnehmer in den letzten Jahren bloß geringe oder gar keine Reallohnsteigerungen bekommen konnten, weil die hohe Arbeitslosigkeit natürlich auch massiv auf den Lohn drückt.

Es zeigt sich weiters, dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen unter die­sen Bedingungen sehr schwachen Wachstums leiden. Sie exportieren überwiegend nicht (Abg. Ellmauer: Sie sind großteils Zulieferer!), sie brauchen Nachfrage auf dem Inlandsmarkt oder auf dem europäischen Binnenmarkt, und das ist derzeit nicht gege­ben.

Hinzu kommt, dass viele von den europäischen Initiativen der letzten Jahre das Wirt­schaftswachstum auch von sich aus gebremst haben. Die ständigen Reformen bei Pensionssicherung, bei der Gesundheitsfinanzierung, bei der Arbeitslosenunterstüt­zung, bei der Arbeitsmarktpolitik haben zu einer massiven Verunsicherung sehr, sehr vieler Menschen geführt, und Menschen, die Sorge um die Zukunft haben, legen auch noch den letzten Groschen, den sie haben, auf die hohe Kante, um für den Fall des Falles in der Zukunft gesichert zu sein. Auch das fehlt für die Entwicklung der europäi­schen Wirtschaft. Ich denke, da muss gegengesteuert werden.

Was also braucht Europa, um endlich wieder vorwärts zu kommen, damit es aufwärts geht und damit es alle Menschen spüren und nicht nur einige wenige große Unterneh­men?

Erstens: Wir brauchen Wachstum, Wirtschaftswachstum in Europa, Wirtschaftswachs­tum in Österreich. Was ist dazu notwendig? – Dazu ist es notwendig, dass Investitio­nen in die Infrastruktur zur Verbesserung der Standortqualität vorgenommen werden. Da reicht es nicht, wenn die Bundesregierung sich darauf bezieht, dass im Verkehrs­ressort jetzt mehr Geld ausgegeben wird als früher. Die Hauptinvestoren in Österreich waren traditionell immer die Gemeinden, und denen ist „die Gas abgedreht worden“, wie man so schön sagt, die haben derzeit kaum Luft, um zu investieren. Das spüren wir auf dem Inlandsmarkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen dringend Investitionen in die Bildung und in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bundesminister Bartenstein hat jetzt auch entdeckt, dass es gut gewesen wäre, wenn man in Kinderbetreuungseinrich­tungen investiert hätte, und zwar in ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen, und hat selbst dafür das Beispiel Wien genannt. (Abg. Ellmauer: Wien mit der höchsten Ar­beitslosigkeit Österreichs!)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das braucht es, damit die Frauen eine faire Chance haben, am Berufsleben teilzunehmen (Beifall bei der SPÖ), und dafür tre­ten wir auch seit Jahren ein! Nur diese Bundesregierung tut nichts in dieser Richtung. (Abg. Felzmann: Wenn die Männer ein bisschen mehr dazu beitragen würden, wäre es auch ...!)

Wir brauchen auch massive Investitionen in die Bildung, in die Schulbildung. Es ist be­kannt, wie schlecht wir bei PISA abgeschnitten haben, und auch hier brauchen wir ganztägige Modelle. Diese kommen aber nur ganz schleppend voran.

Wir brauchen Investitionen in die Forschung. Da ist einiges geschehen, das ist zuzuge­ben, aber man muss auch deutlich Folgendes sagen: Auch wenn die Steigerungen der Ausgaben für Forschung tatsächlich stattfinden, von den Forschungsausgaben allein entsteht keine Konjunktur! Sie sind eine absolute Voraussetzung dafür, dass Öster­reich im internationalen Wettbewerb zukünftig mithalten kann – keine Frage –, aber um Arbeit zu schaffen reicht Investition in die Forschung nicht. Auch das sollte man deut­lich sagen.


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Um die Wirksamkeit dieser Maßnahmen, die wir fordern, die wir vorschlagen und für die wir auch ein entsprechendes Programm erarbeitet haben und vorlegen können, zu verstärken, sollte dieses Programm schrittweise Steigerungen der Investitionen durch mehrere aufeinander folgende Jahre vorsehen. So ist auch Konsumentenvertrauen zu erzielen, und das würde uns auch wirtschaftlich helfen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das Vertrauen der BAWAG-Kunden wiederherstellen!) – nicht nur den Konsumenten selbst, die spüren, dass es aufwärts geht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was ich hier vorschlage, scheint ja sogar auch die Bundesregierung, auch der Bundeskanzler zum Teil für richtig zu finden! Wie sonst wäre es zu erklären, dass etwa bei dem Beschluss des Europäischen Rates, der darauf abzielt, dass sich alle Mitglied­staaten der EU verpflichten, ihre Forschungsausgaben jährlich etwas zu erhöhen, mit dem Ziel, im Jahr 2010 in Europa 3 Prozent Forschungsquote zu haben, der Bundes­kanzler das für den richtigen Weg hält?

Die Frage ist nur: Warum nur in der Forschung? – Das kann man anderswo auch ma­chen, und es würde dann auch wirklich wirtschaftspolitische Wirkungen haben. Ich denke, dass sich da die ständige Behauptung des Bundeskanzlers, der Außenminis­terin, anderer Regierungsvertreter umkehrt; die sagen immer, der Staat kann keine Arbeitsplätze schaffen, das können nur Unternehmen.

Ich habe schon gestern Gelegenheit gehabt, kurz darauf einzugehen. Das, worum es geht, ist nicht, dass der Staat nicht kann, sondern dass diese Regierung nicht will, dass der Staat kann, sonst könnte er. Das wissen auch die Menschen, wie wir aus Umfragen wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, worum es geht, ist, dass der Staat die Dinge tut, die nur der Staat tun kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sie können sich zurückhalten, Sie haben dann vielleicht noch Redezeit.

Was ist das? – Es ist, mehr ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen, wie das in Wien schon der Fall ist. (Abg. Ellmauer: ... hat Wien die höchste Arbeitslo­sigkeit! Doppelt so hoch wie in Oberösterreich!) Wer soll das tun? Unternehmen sollen das tun? – Dann bringen Sie uns Beispiele dafür, wie das Unternehmen tun sollen! – Das ist notwendigerweise der Staat, und es wäre richtig, dort etwas zu tun, nicht nur, weil wir es finden (Abg. Großruck: Die Unternehmen nicht verjagen, die Steuern ein­bringen!), sondern auch die Europäische Kommission hat die Reformpläne der Bun­desregierung in diesem Punkt kritisiert, und zwar mit Recht, weil die Bundesregierung hier bis jetzt alles schuldig geblieben ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen mehr ganztägige Schulformen, weil auch das notwendig ist, um sicherzu­stellen, dass die Kinder eine Chance haben, in gemischter Form Unterrichts- und Frei­zeitabschnitte zu absolvieren, und weil es auch da darum geht, den Eltern die Chance zu geben, ganztägig berufstätig zu sein und ein Einkommen zu erzielen, von dem man auch leben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen – ich habe das vorhin schon angesprochen – mehr Investitionen in die Infrastruktur, und wir brauchen insbesondere mehr Spielraum für die Gemeinden, in die Infrastruktur investieren zu können. Die Gemeinden sind gedrückt worden und können kaum mehr investieren. Es gilt, dort Akzente zu setzen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Jakob Auer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen aber auch mehr Unterstützung für die kleinen und mittleren Unternehmen, etwa durch Investitionsbegünstigungen. Der Punkt ist: Die Investitionsbegünstigungen hat diese Regierung abgeschafft! Und so gut es ist, dass auf europäischer Ebene Beschlüsse gefasst worden sind, um die Grün-


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dung von Unternehmen zu unterstützen – das ist wunderbar! –, muss ich doch sagen, es gibt in Europa 20 Millionen kleine und mittlere Unternehmen. Was geschieht zu deren Gunsten, wenn ich einmal fragen darf?

Die brauchen Wirtschaftswachstum, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die kön­nen diese 10 Millionen zusätzlichen Beschäftigten nicht anstellen, wenn sie nicht mehr Geschäft machen – denn nur das ist die Basis dafür, dass sie Menschen anstellen können.

Ich denke, sie brauchen auch – um ein letztes Beispiel zu nennen – eine bessere Un­terstützung ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Felzmann und Dipl.-Ing. Scheuch.) – Herr Scheuch, Sie reden ohnedies vielleicht später, seien Sie einstweilen einmal ruhig! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie brauchen auch, wenn sie Beschäftigte suchen, bessere Unterstützung dafür, die richtigen zu finden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Periode, in der wir 380 000 Arbeitsuchende in Österreich haben, ist es für einen Kleinbetrieb unendlich schwierig, unter den 100, 150 Bewerbungen die 2, 3 Bewerber herauszufinden, die in Betracht kommen.

Wien hat hier ein Modell geschaffen (die Abgeordneten Ellmauer und Amon: ... die höchste Arbeitslosenrate ...!), den so genannten Personalfinder, der ein Vorscreening vornimmt, wo man den Betrieben hilft, die richtigen Arbeitnehmer zu finden, die sie brauchen können. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Warum ist das nicht auch auf Bundesebene umgesetzt? (Ruf bei der ÖVP: Weil es in Wien die höchste Arbeitslosenrate gibt! – Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Es ist also relativ klar: Wir brauchen sowohl auf europäischer Ebene als auch auf ös­terreichischer Ebene eine Änderung der politischen Voraussetzungen, die endlich für den Aufschwung sorgt, den die Menschen brauchen, um Arbeit zu haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: So, wie es die Sozialisten in Deutschland gezeigt haben, so sollen wir es machen!)

12.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. Auch Ihre Redezeit, Herr Bundesminister, soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.29.22

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Dr. Einem, einer der beiden Arbeitgeberpräsidenten Europas – er ist der Arbeitgeber­präsident der öffentlichen Unternehmungen –, hat zu Beginn dieser Europa-Debatte re­lativ wenig Redezeit den Themen Europas gewidmet und relativ viel an Staatsgläubig­keit durchblicken lassen. Ich habe nicht gewusst, dass sich heute in Österreich noch jemand hinstellt und sagt, der Staat soll und kann Arbeitsplätze schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Staat soll dafür die Rahmenbedingungen setzen – aber Arbeitsplätze schaffen Unternehmungen, Arbeitgeber gemeinsam mit Ar­beitnehmern! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Wer streicht die Lehrerposten? Die Unternehmen?)

Ich stimme mit Ihnen in Ihrer Analyse überein: Europa hat eine Wachstumsschwäche hinter sich, es geht aufwärts. Auch in Österreich war das Wachstum nicht ganz so, wie wir es uns erwartet und erhofft hätten, aber, Hand aufs Herz, gut 2 Prozent Wachstum in den Jahren 2004, 2005, im Jahr 2006 wahrscheinlich um die 2,5 Prozent Wachstum, das ist schon etwas, damit kann man arbeiten. Das führt letztlich auch zu einer Ent-


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spannung auf dem Arbeitsmarkt. Und da hat der Bundeskanzler völlig Recht: Das ein­zige Bundesland Österreichs, in dem die Arbeitslosigkeit nachhaltig per Ende Februar noch gestiegen ist – ich hoffe, das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten auch hier drehen –, ist Wien. (Abg. Ellmauer: 2 700 Arbeitslose mehr!)

Die Steigerung der Arbeitslosigkeit im Jahresabstand in Wien per Ende Februar hat mehr ausgemacht als die Gesamtsteigerung in Österreich – das gebe ich Ihnen schrift­lich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Wien muss 200 000 Niederösterreicher ...! 200 000 Einpendler täglich!)

Das, was ich sage, stimmt (Abg. Gradwohl: Seit wann stimmt das, Herr Minister, was Sie da sagen?), und zu meinen Sachaussagen stehe ich. Ihre Freunde haben das in den letzten Jahren offensichtlich anders gehalten, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Aber 18,5 Millionen Arbeitslose in Europa sind zu viel – Tendenz derzeit bereits fallend, allerdings noch nicht in dem Ausmaß, wie wir uns das erhoffen würden; ich gehe davon aus, per Ende dieses Jahres unter 18 Millionen. Deswegen ist es besonders wichtig, dass der Bundeskanzler, natürlich gemeinsam mit seinem Team, der Außenministe­rin – aus meiner Sicht nicht unbedingt zu erwarten und zu erhoffen –, Europas Staats- und Regierungschefs am Gipfel dazu verpflichtet hat, sich selbst zu verpflichten, 2 Mil­lionen Arbeitsplätze pro Jahr zu schaffen, schaffen zu lassen durch eine Wirtschaft in Europa, die das auch kann.

Nur wenige haben erwartet, dass das gelingt. Eines der wesentlichen Ergebnisse des Frühjahrsgipfels ist die Botschaft an Europas Bürger, an Europas Arbeitnehmer: In den nächsten Jahren werden pro Jahr 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. 1 Prozent Be­schäftigungssteigerung, das ist möglich. Heute hat Europa 200 Millionen Jobs. – Dan­ke, Herr Bundeskanzler Schüssel, da haben Sie Großartiges geleistet! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Heiße Luft! – Abg. Sburny: Wer schafft die jetzt? – Zwi­schenrufe des Abg. Dr. Puswald.)

Österreich liegt hier im oberen Feld Europas. Wir haben im letzten Jahr etwa 1,3 Pro­zent Beschäftigungszuwachs gehabt, mehr als 40 000 neue Arbeitsplätze. (Rufe bei der SPÖ: Teilzeit! Teilzeit!) Das heißt, 1 Prozent pro Jahr, 2 Millionen Jobs pro Jahr, das ist möglich und muss möglich sein. Österreich geht hier mit gutem Beispiel voran. (Abg. Riepl: Warum haben wir dann so viele Arbeitslose?)

Ebenso wichtig ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir bei diesem Gipfel auch ein Signal an die Jugend gesetzt und gesagt haben, dass das, was in Ös­terreich selbstverständlich ist, nämlich dass Schulabgänger einen Lehrplatz oder zu­mindest eine vergleichbare Ausbildungsstelle bekommen (Abg. Dr. Puswald: Das ist nicht selbstverständlich!), auch in Europa durchgesetzt werden soll – jetzt einmal inner­halb von sechs Monaten, und ab dem Jahr 2010 innerhalb von vier Monaten. In Öster­reich ist das kurzfristig möglich. Auch hier ist Österreich ein Vorbild für andere in der Europäischen Union! (Abg. Mag. Gaßner: ... haben keinen Pflichtschulabschluss!)

Herr Dr. Einem, Sie haben den Mittelstand angesprochen. – Richtig, dieser ist das Rückgrat der Wirtschaft! Es freut mich ja, dass die früher sehr großbetriebsgläubige Sozialdemokratie plötzlich den Mittelstand entdeckt hat. Wunderbar!

Der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft in Österreich und in Europa, ist das Rückgrat letztlich auch der Innovation, der Arbeitsplätze der Zukunft. Und da war es wichtig, dass wir auf europäischer Ebene erreicht haben, dass Unternehmungen in Zukunft innerhalb einer Woche gegründet werden können. – In Österreich ist das plus/minus der Fall.


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Da ist es wichtig, dass mittelständische Unternehmen und Unternehmer, wenn sie Un­ternehmungen gründen wollen, das One-Stop-Shop-Prinzip vorfinden. Und da ist es wichtig, dass Bundeskanzler Schüssel erreicht hat, dass die Kommission die so ge­nannte De-minimis-Grenze, also ab wann eine Förderung an mittelständische Unter­nehmungen notifizierungspflichtig ist, zumindest verdoppelt hat. Ein weiterer großer Er­folg unserer Präsidentschaft bei diesem Frühjahrsgipfel, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Puswald: Selbstbeweihräucherung ...!)

In einem weiteren Punkt bin ich vom Prinzip her durchaus Ihrer Meinung, nämlich dass es bei Forschung und Entwicklung oberstes Gebot ist, hier das 3-Prozent-Ziel zu errei­chen. Aber sagen Sie auch dazu, dass es Österreichs Präsidentschaft war, die Euro­pas Mitgliedstaaten zum ersten Mal dazu gebracht hat – nach vielen vergeblichen An­läufen anderer Präsidentschaften –, sich selbst auch zu nationalen Zielen zu verpflich­ten. Jetzt steht nicht mehr bloß drinnen: 3 Prozent Europäische Union per 2010, son­dern es steht drinnen: Finnland und Schweden 4 Prozent, Österreich 3 Prozent, Italien 2,5 Prozent. – All das haben wir erreicht, und das ist jetzt einfach konkreter, was die Steigerung der Finanzierung für Forschung und Entwicklung anlangt – eine der wich­tigsten Voraussetzungen, um Wettbewerb und Wirtschaftskraft und damit letztlich auch Jobs in Europa zu schaffen.

Es ist in den ersten drei Monaten unserer Präsidentschaft aber nicht nur das gelun­gen – wir wollen uns ja über die Europäische Union und ihre Politik unterhalten –, son­dern es ist uns auch gelungen, ein wenig stärker zu diskutieren über die Fragen: Wie halten wir es denn mit unserem Europa? Wie wollen wir denn leben? Wie schaut denn unser europäisches Lebensmodell aus? Wie wollen wir denn das gemeinsame Inter­esse eines Hingehens zu einem sozialen Europa verstärken? – Wichtiges Thema in Villach beim informellen Beschäftigungsrat, als ich, Präsident Verzetnitsch und Frau Ministerin Haubner einander noch auf der Draubrücke die Hand schütteln konnten in unserer gemeinsamen Arbeit für dieses gemeinsame Ziel, meine sehr verehrten Da­men und Herren.

Für ein soziales Europa!, aber man muss dazu auch sagen, wie wir in diese Richtung gehen. Und da hat ein Vorschlag Österreichs, eine politische Strategie in Brüssel bis jetzt großen Erfolg und große Reaktion, große Resonanz hervorgerufen, nämlich das Konzept Flexicurity – also nicht einfach nur ein Ziel zu formulieren, sondern auch zu sagen, wie ich dorthin komme.

Wir brauchen flexiblere Arbeitsmärkte, aber das wollen wir erreichen, indem wir den Ar­beitnehmern mehr soziale Sicherheit anbieten, nicht immer soziale Sicherheit als Wett­bewerbshindernis disqualifizieren, sondern in Europa und in Österreich sagen: Soziale Sicherheit, richtig gemacht, ist geradezu die Voraussetzung dafür, dass unsere Arbeit­nehmer, unsere Betriebe, unser Europa wettbewerbsfähig sind, bleiben und noch wett­bewerbsfähiger werden! – Ein Konzept, das aus Österreich kommt, meine sehr verehr­ten Damen und Herren, und in Europa gerne gehört wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mehrfach gemeinsam mit Arbeitgeberpräsident Einem auf europäischer Ebene disku­tiert, und es läuft gut, eine wichtige Wachstumsvoraussetzung für Europa: die Schaf­fung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Dienstleistungen. 600 000 Jobs zusätz­lich, sagen Wirtschaftsforscher. Mal sehen, wie das kommt, aber dass die Realisierung dieses gemeinsamen Dienstleistungs-Binnenmarktes oberste Priorität hat, das wissen wir.

Da ist es doch auch ein durchaus gemeinsamer Erfolg, unter Einbeziehung der euro­päischen Sozialpartner – und niemand, Herr Dr. Einem, das wissen Sie, hat wie Bun­deskanzler Schüssel unter Österreichs Präsidentschaft die Sozialpartner bisher in die


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europäische Entscheidungsfindung eingebunden –, da ist es ein großer Erfolg, dass nicht nur ein Großteil der Sozialpartnerschaft – im Übrigen auch der Europäische Ge­werkschaftsbund, meine sehr verehrten Damen und Herren des Österreichischen Ge­werkschaftsbundes! –, sondern auch die Sozialdemokratie in Europa und auch die Christdemokratie in Europa hinter einer großartigen Kompromissfindung im Europäi­schen Parlament zur Dienstleistungsrichtlinie stehen, dort eine Zweidrittelmehrheit da­für erreicht haben, sich jetzt auch die Kommission klar dafür ausgesprochen hat und wir die Chance haben, dieses ganz, ganz wichtige europäische Projekt – getragen von zwei Dritteln der EP-Abgeordneten, getragen von der Sozialdemokratie und den Christ­demokraten in Europa – unter österreichischer Präsidentschaft abzuschließen. Ein ganz wichtiges Projekt!

Ich hoffe, dass auch Österreichs Sozialdemokraten und Österreichs Gewerkschaftsver­treter das, was Europas Sozialdemokraten und Europas Gewerkschaftsvertreter begrü­ßen, letztlich mit uns mittragen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich schließen mit einem Kapitel, das indirekt natürlich auch für Wachstum und Beschäftigung steht – es ist vor allem dann, wenn man es nicht hat, für Wachstum und Beschäftigung ganz schlecht –, nämlich Energie. Energie wird uns vor Augen geführt als oberstes, prioritäres Thema. (Abg. Öllinger: Atomenergie!) – Herr Kollege Öllinger, hören Sie mir kurz zu! So weit sind wir da vielleicht gar nicht auseinander. Sei’s drum, das ist Parlamentarismus. Ich höre Ihnen da auch zu, auch wenn es mir schwer fallen mag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einerseits das Thema Klimaschutz, auf der anderen Seite das Thema Ölpreis- und sonstige Energiepreissteigerungen und zum Dritten – für Österreich besonders schlagend – der zugedrehte Gashahn am 1. Jänner bis in den 2. Jänner hinein haben uns vor Augen geführt, wie wichtig dieses Thema ist.

Da ist es gelungen, auf Basis eines Grünbuches der Europäischen Kommission über den Gipfel und jetzt über die Gemeinsamkeit der Staats- und Regierungschefs man­ches auf die Reihe und Reise zu bringen, was in Richtung einer „gemeinsameren“, einer kohärenteren europäischen Energiepolitik geht, und das ist absolut zu begrüßen! Da ist auch absolut zu begrüßen, dass selbstverständlich die Wahl des Energiemixes jedem Mitgliedstaat auch in Zukunft weiter überlassen bleibt. Also wer mit Wasserkraft arbeiten will, wie Österreich, wer auf erneuerbare Energieträger setzen will, wird das tun können. Was andere tun, das werden sie im Zuge der Subsidiarität auch selbst be­stimmen. Da soll niemand in Österreich etwas hineininterpretieren, was in diesen euro­päischen Beschlüssen nicht drinnen ist. (Abg. Marizzi: Wann ist das letzte Wasser­kraftwerk gebaut worden?) Wir achten ganz genau darauf, dass wir energiepolitisch selbstbestimmt sind und bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Wann ist das letzte Wasserkraftwerk in Österreich gebaut worden?)

Bundeskanzler Schüssel konnte entgegen vielen Erwartungshaltungen unter unserer jetzigen Präsidentschaft durchsetzen, dass Europa verstärkt einen Weg geht, den wir in Österreich schon beschreiten, nämlich Energiesparen und Energieeffizienz. 20 Pro­zent Energieeffizienzerhöhung innerhalb der nächsten 15 Jahre ist ein wirklich großer Erfolg.

Die ökologischste, billigste Kilowattstunde ist jene, die gar nicht erst verbraucht wird. Das ist allemal das Beste, was es gibt, und dafür ist letztlich auch viel an Forschung, Entwicklung und Technologie notwendig. Diesbezüglich sind wir in Österreich nicht nur Durchschnitt, sondern in Europa einer der Vorreiter und können damit Vorsprünge aus-


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bauen und indirekt Arbeitsplätze schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein weiteres wichtiges Selbstverpflichtungs­ziel der Europäer, von dem 24 Stunden vor dem Gipfel niemand geglaubt hätte, dass man das erreichen kann, ist geglückt. Bundeskanzler Schüssel hat es geschafft, dass bis zum Jahr 2015 15 Prozent der Gesamtenergie aus erneuerbaren Energieträgern kommen sollen. Auch da ist Österreich heute schon deutlich besser dran, denn inklusi­ve unserer Wasserkraft liegen wir bei 25 Prozent, aber Europa liegt noch weit dahinter.

15 Prozent des Energieverbrauchs sollen aus erneuerbaren Energieträgern kommen. Das ist die Basis für die heimische Wertschöpfung, das ist die Basis für eine endogene Energiepolitik, und das ist letztlich auch die Basis für eine verringerte Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen wie Gas und Öl aus anderen, im Regelfall politisch instabilen Regi­onen.

So gesehen haben diese ersten drei Monate der österreichischen Präsidentschaft be­züglich Forschung und Entwicklung, bezüglich Energiepolitik und auch Mittelstandspoli­tik, also insgesamt für unsere Politik im Hinblick auf mehr Wachstum und Beschäfti­gung in Europa und in Österreich mehr gebracht, als wir uns erwarten und erhoffen konnten. Ich bin sehr stolz auf Bundeskanzler Schüssel und unser Team. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Katzian. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


12.41.58

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern und auch heute Vormit­tag hier im Haus mit großem Interesse die Debattenbeiträge verfolgt. Was mich dabei ein bisschen überrascht hat, ist die Sorge, die sich einige Abgeordnete insbesondere der Regierungsparteien um die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung gemacht haben. (Abg. Grillitsch: Das muss man aber!) Ich möchte Ihnen dazu gerne einige Dinge sa­gen.

Erstens: Der neue Generaldirektor der BAWAG Ewald Nowotny, das Team in der BAWAG und die dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen, die mit vollem Einsatz für ihre Kunden arbeiten, genießen mein volles Vertrauen, und ich bin überzeugt da­von, sie werden die Bank wieder in die richtige Richtung bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Der ÖGB arbeitet zurzeit an einem Corporate-Governance-Katalog. Wir wol­len auch darstellen, wie wir mit unserem Eigentum in Zukunft umgehen. Ich glaube, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich lade im Übrigen all jene, die so et­was nicht haben, ein, wenn wir das gemacht haben, diesem Beispiel zu folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens: Die Gewerkschaftsbewegung in Österreich war, ist und wird der verlässliche Partner der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich bleiben, und um die Kampffähigkeit dieser Gewerkschaftsbewegung, unserer Bewegung, braucht sich hier in diesem Haus niemand zu sorgen. Das wollte ich Ihnen noch dazu sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Menschen in Europa, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Öster­reich steht ein anderes Thema im Mittelpunkt, meine Damen und Herren, und dieses Thema heißt Arbeit, und zwar nicht Arbeit in Form irgendwelcher Jobs, sondern Arbeit, von der man leben kann. Es gibt fast 400 000 Arbeitslose in Österreich und 32 Mil­lionen Arbeitsuchende in Europa – und der italienische Ministerpräsident Berlusconi


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sagte, der Gipfel sei so ruhig wie noch nie verlaufen. Er hat sogar das Wort „Eintracht“ verwendet.

Ich frage mich: Wie konnte in Anbetracht dieser Massenarbeitslosigkeit, in Anbetracht dieser Rahmenbedingungen auf dem Gipfel Eintracht herrschen? – Außer heißen Sprachblasen und Versprechungen für die Zukunft wurden in Wirklichkeit keine Schritte gesetzt, die tatsächlich Arbeit schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hier im Hohen Haus sind sehr viele Jugendliche, und wir müssen auch die Diskussion darüber führen, wie die Situation der Jugend in Europa aussieht und wie die Chance der Jugend aussieht, Arbeitsplätze zu bekommen, von denen man leben kann, von denen man sich eine Zukunft aufbauen kann. Wenn neue Arbeitsplätze vorwiegend im Bereich prekärer Dienstverhältnisse entstehen – es sind dies die unterschiedlichsten Formen von Teilzeitarbeit, so genannte neue Beschäfti­gungen bis hin zu geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen –, dann, glauben Sie mir, tickt in Europa eine Zeitbombe. Sie können das auch in der heutigen „Presse“ nach­lesen, in der das eindeutig aufgezeigt wird.

Wenn keine glaubhaften Signale an die Jugend in Europa gesendet werden, wenn es nicht dazu kommt, dass die jungen Menschen sehen, verstehen und nachvollziehen können, dass Schritte gesetzt werden, die auch ihnen Arbeitsplätze für die Zukunft ver­mitteln, dann haben wir mit einer tickenden Zeitbombe zu kämpfen. Und letztlich wird es dann so weit sein, dass Situationen, wie wir sie zurzeit in Frankreich erleben, auch in anderen europäischen Ländern Platz greifen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

2 Millionen Jobs wurden als eines der Ziele des Beschäftigungsgipfels formuliert. Ich habe schon erwähnt und möchte unterstreichen, meine Damen und Herren, dass es dabei nicht um statistische Größen, nicht um die andere Darstellung irgendwelcher Statistiken geht, sondern es geht darum, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, von denen jene, die jetzt Arbeitsplätze suchen, auch tatsächlich leben können, die ihnen eine Zukunft geben.

Die jungen Menschen, die in den Beruf eintreten, die Arbeitsplätze brauchen, sollen auch Arbeitsplätze haben, die letztlich dazu führen, dass sie sich eine Existenz auf­bauen und ihre Zukunft entsprechend gestalten können. Und um all das zu erreichen, braucht es eine europäische Investitionsoffensive – eine Forderung, die die europäi­schen Gewerkschaften seit vielen Jahren auf den Tisch gelegt haben –, mit den Schwerpunkten Forschung, Bildung, Entwicklung und Transeuropäische Netze.

Für die Finanzierung solch europäischer Investitionsoffensiven gibt es Vorschläge, die auf dem Tisch liegen. Auch der Herr Bundeskanzler hat ganz konkret erklärt, er könne sich vorstellen, eine Tobin-Steuer umzusetzen, um die entsprechenden Programme für Wachstum und Beschäftigung in Europa zu finanzieren. Die Ankündigung haben wir gehört, was ich jedoch vermisse, sind die konkreten Schritte und Initiativen, um das auch tatsächlich zu verwirklichen. Ich hoffe, dass die heutige Debatte ein Beitrag dazu sein kann, dass auch ein entsprechender Schritt vom österreichischen Parlament aus­geht, um in dieser Frage nachhaltig weiterzukommen und die Tobin-Steuer tatsächlich umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Mitterlehner. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


12.48.18

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Niederwie-


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ser: Er hat dieselbe Krawatte wie Minister Bartenstein!) So viel einmal zur Nähe von SPÖ und Gewerkschaft – das haben wir gerade von Herrn Katzian gehört. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Im Unterschied zu Ihnen brauche ich keine Einflüsterer (Abg. Schieder: Das sagt das Glashaus!) Ich wollte einfach dort anknüpfen. Es war seine Jungfernrede, und inhaltlich finde ich es richtig, dass das der zentrale Punkt ist. Es sind hier viele Jugendliche an­wesend. Es gibt gerade in Österreich diesbezüglich eine große Konferenz, und das heutige Thema auf Seite 5 in der „Presse“ heißt „Jugend ist Europas soziale Zeitbom­be“. 62 Prozent der österreichischen Jugendlichen erwarten, dass ihre Arbeitssituation in zehn Jahren schlechter sein wird als die ihrer Eltern. Daher glaube ich, dass es ganz richtig ist, dass die EU genau dort ansetzt und im Bereich der Arbeitsmarktpolitik unter den prioritären Zielgruppen die Jugend hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Ich finde auch die Zielsetzung, dass mit 22 Jahren mindestens 85 Prozent aller Ju­gendlichen zumindest im Sekundärbereich eine Ausbildung haben sollen und bis zum Jahr 2007 jeder arbeitslose Schulabgänger innerhalb von sechs Monaten eine Be­schäftigung finden soll, hervorragend. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, damit Sie sehen, was wir in Österreich tun: Die Wirtschafts­kammer hat sich gemeinsam mit dem AMS das Ziel gesetzt, für alle langzeitarbeits­losen Jugendlichen, also für jene, die länger als sechs Monate arbeitslos sind, eine Be­schäftigung zu finden, und wir sind da sehr gut unterwegs. Wir haben schon mehr als 1 000 Firmen gefunden, die Jugendliche aufnehmen. Wir arbeiten mit einem Coaching-Modell und sind zuversichtlich, dass wir alle, die wollen, entsprechend unterbringen können. Das heißt, wir reden nicht nur, sondern wir setzen auch Taten. (Abg. Öllinger: Wer ist „wir“?)

Ich finde es auch richtig, dass man sich gerade hinsichtlich der Älteren entsprechende Ziele gesetzt hat. Wenn es beispielsweise um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer geht, braucht man auch eine entsprechende Weiterbildung. Auch da werden wir, wenn demographisch der Nachwuchs nicht mehr so stark ist, entsprechende Notwendigkei­ten haben. Auch das ist daher eine richtige Zielsetzung.

Ich finde es auch wichtig, dass die Dienstleistungsrichtlinie jetzt endlich Fahrt auf­genommen hat, dass sie umgesetzt werden wird. Ich erwarte mir davon Beschäfti­gungsauswirkungen und sehe nicht die Gefahr des Lohndumpings, denn das hat man jetzt mit entsprechenden Einschränkungen ausreichend verhindert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Ich möchte jetzt auf das eingehen, was Herr Einem im Zusammenhang mit der Lissa­bon-Strategie gesagt hat. Herr Einem, gestern haben Sie in der Aktuellen Stunde ge­meint, eigentlich sei das überhaupt kein sehr ambitionierter Anspruch, wenn man im Jahr 2006 bei einem Wachstum in der Höhe von 2,2 Prozent 2 Millionen Beschäftigte schaffen will; das sei etwas Automatisches. Ich glaube, Sie haben dabei übersehen, dass wir im Jahr 2004 ein Wachstum im Ausmaß von 2,4 Prozent und „lediglich“ eine Beschäftigungsauswirkung von 1 Million gehabt haben. Daher ist nichts automatisch, nichts ist einfach, sondern es ist eine sehr ambitionierte Anstrengung, die in diesem Jahr unternommen wird, um tatsächlich 2 Millionen Beschäftigte zu erreichen.

Es wundert mich auch, Herr Kollege Einem – vielleicht hören Sie mir einmal kurz zu –, wenn Sie in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die Gemeinden jetzt weniger Mit­tel im Infrastrukturbereich zur Verfügung haben. (Abg. Eder: Ja!) Hätten Sie dazu ge­sagt, dass man sich beim letzten Finanzausgleich tatsächlich bemüht hat, den kleinen Gemeinden mehr Geld zu geben. Aber wer hat verhindert, dass der abgestufte Bevöl­kerungsschlüssel wegkommt? (Abg. Marizzi: Nein, nein, nein!) – Die großen Gemein-


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den, Wien allen voran, waren es. Es ist nicht sehr glaubwürdig, das einerseits zu ver­hindern und andererseits zu beklagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters: Ich wundere mich wirklich sehr und kann es kaum glauben, dass Sie jetzt dauernd von den 20 Millionen Klein- und Mittelbetrieben reden, die Sie vertreten und die mit Hindernissen zu kämpfen haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Das stimmt alles. Herr Kollege, ich glaube, Sie haben erkannt, dass Sie im Arbeitnehmer­bereich Ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, darum reden Sie nicht mehr davon. Ihre Redner sprechen nicht mehr von Arbeitnehmerpolitik, aber glauben Sie mir, im Bereich der Mittelbetriebe haben Sie überhaupt keine Kompetenz, da haben wir sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Arbeitsplätze entstehen nicht ohne entsprechende Rah­menbedingungen, ohne dass das unternehmerische Potenzial entsprechend belebt wird. Daher finde ich es auch richtig, dass wir die Ambition haben, innerhalb von einer Woche in ganz Europa Betriebsgründungen vonstatten gehen zu lassen. Wir haben uns angeschaut, welche Durchschnittszeiten wir in Österreich haben. Bei freien Gewer­ben sind es 15 Minuten. Das heißt, diese eine Woche haben wir dort mehr als erreicht. Weiters erfolgen Eintragungen in das Firmenbuch innerhalb von eineinhalb Wochen. Lediglich bei den Betriebsanlagengenehmigungen braucht man teilweise über drei Mo­nate. Das heißt, auch da ist also noch einiges zu machen.

Was die Kredite anlangt, so werden Großkredite innerhalb eines Wochenendes abge­wickelt, aber auch bei den Kleinkrediten müssen wir schauen, dass diese möglichst schnell abgewickelt werden können. Daher wird das unternehmerische Potenzial in jenem Ausmaß entfacht werden, das wir brauchen.

Ich höre auch, dass wir die De-minimis-Regelung verdoppeln. Das ist für die Betriebe sehr wichtig, weil sie damit nicht unter das Beihilfenrecht fallen. Die Frage ist aber: Er­höhen wir jetzt den bestehenden Rechtsrahmen von 100 000 € auf 200 000 € oder greifen wir den Vorschlag der Kommission auf, nämlich Erhöhung von 150 000 € auf 300 000 €? Das ist ein gravierender Unterschied.

Insgesamt aber, glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg. Dies wird bestätigt von einer Studie von Roland Berger, einem Consulter, der meint, Klein- und Mittelbetriebe sind durch mehr Insolvenzen gefährdet, die Eigenkapitalausstattung ist schlecht, daher müssten wir gerade in dem Bereich etwas tun. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) – Herr Puswald, beruhigen Sie sich! (Abg. Dr. Puswald: Die Insolvenzen sind so hoch wie noch nie und steigen weiter!)

Die Insolvenzen sind so hoch, aber nicht aus Verschulden der Klein- und Mittelbe­triebe, sondern weil die Großbetriebe und diverse Banken Probleme machen, und na­türlich muss man die Eigenkapitalausstattung verbessern. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Zusammenfassend sei gesagt, meine Damen und Herren: Wir haben im Bereich der Unternehmenspolitik – vor allem im Bereich der Klein- und Mittelunternehmen – jetzt endlich eine Lobby auch in Europa gefunden. Es ist doch ganz klar: Ich brauche je­manden, der einmal für eine Gruppe von Unternehmen spricht, der dann dort ein ent­sprechendes Image schafft, der dann dort entsprechende Rahmenbedingungen schafft und der dann auch entsprechende Kompetenz schafft. Das haben Sie früher nie ge­macht. Jetzt hat es eine Änderung in der europäischen Politik gegeben, und meines Erachtens erfolgen genau zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

12.56



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Herr Abgeordneter, nach 4 Minuten läute ich ab, Sie kön­nen dann nach der Sitzungsunterbrechung Ihre Rede fortsetzen. – Bitte.

 


12.56.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Das zweite EU-Thema heute betrifft Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort – ein Thema, das, glaube ich, alle beschäf­tigt; die Ausführungen hier haben das gezeigt. Ich glaube, man ist über alle politischen Fraktionen hinweg der Meinung, dass jeder Arbeitslose/jede Arbeitslose einer/eine zu viel sind; darüber braucht man gar nicht zu diskutieren. Und jeder Arbeitsplatz, den wir schaffen können, ist ein guter Arbeitsplatz.

Interessant war aber die Jungfernrede des Kollegen Katzian. Wir haben nicht so viel dazwischen gerufen (Ruf: Jungmannrede!) – Jungmannrede –, denn das gehört sich nicht. Aber ich glaube, man darf nicht vergessen, dass wir in Österreich hervorragende Zahlen haben: Wir haben die höchste Beschäftigungsquote, die wir jemals hatten, wir haben in Österreich die höchste Beschäftigungsquote, die wir jemals hatten! (Abg. Riepl: So viele Junge ohne Arbeit haben wir noch nie gehabt!) Das können und wer­den Sie nicht krank reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Riepl.) – Wir haben noch etwas nie gehabt, zu dem ich noch komme – danke für das Stichwort! –, aber da zu dramatisieren, wäre der falsche Zugang. Man sollte hier ... (Abg. Riepl: Sie haben versagt!)

Wir haben nicht versagt! Wissen Sie, wer versagt hat? – Die SPÖ hat versagt, der ÖGB hat versagt. Das ist wirklich einzigartig! Sie haben jegliche Kompetenz verloren. Wenn Sie hier über Arbeitslosigkeit und soziale Härte diskutieren, lachen ja die Hühner im Stall. Das ist ungeheuerlich! Sie haben 1 Milliarde € im Sand der Karibik versenkt. Sie haben Milliarden € vernichtet mit Ihrer Vorfeldorganisation, dem ÖGB. Kollege Kat­zian war hier beim Rednerpult. Es ist unverständlich, da über Arbeitslose zu diskutie­ren. Das ist ein Skandal! (Abg. Gaál: Die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Re­publik!)

Herr Kollege Gaál, wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze man mit dieser Milliarde hätte schaffen können? Unser Blum-Modell kostet – der Herr Bundesminister wird mich aus­bessern, wenn es nicht stimmt – zirka 10 000 € pro Lehrling. Das heißt, mit 1 Milli­arde € hätte man an die 100 000 Lehrlingsplätze in Österreich schaffen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

100 000 junge Menschen – und es sind gerade junge Menschen hier oben auf der Ga­lerie –, 100 000 junge Menschen, die sich berechtigterweise um ihre Zukunft Sorgen machen, hätten einen Arbeitsplatz. Aber Sie haben es vorgezogen, dass sich Herr Elsner ein Penthouse bauen kann, dass Herr Flöttl in der Karibik auf den Cayman Islands residiert und der ÖGB- und BAWAG-Skandal Ausmaße annimmt, die noch nie da gewesen sind. (Abg. Dobnigg: ... Eurofighter, dann hätten Sie 200 000 Arbeits­plätze!) – Wer schreit, hat nicht Recht, Sie müssen sich leider zurücknehmen!

 


Zweite Geschichte: Hätte man diese 1 Milliarde € – die Aufgeregtheit zeigt die Schuld – in Forschung und Entwicklung gesteckt, meine geschätzten Damen und Herren, dann hätte man damit 50 000 direkte Arbeitsplätze geschaffen. 1 Milliarde € Investition in Forschung und Entwicklung – und man hätte dort 50 000 Arbeitsplätze schaffen können. Rechnet man es zusammen – ich komme zum Schluss meines ersten Rede­teils –, dann kommt man drauf, dass Sie 100 000 Lehrplätze und 50 000 Arbeitsplätze vernichtet haben. „Konsum“, Bank Burgenland und so weiter lassen grüßen! Ihre Kom­petenz ist gleich null! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dobnigg: Das ist eine traurige Rede!)


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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Rede des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Scheuch ist damit unterbrochen – und auch die Sitzung ist für 15 Minuten unter­brochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13 Uhr unterbrochen und um 13.15 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die un­terbrochene Sitzung wieder auf.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch, der seine unterbrochene Rede fort­setzen wird. Herr Abgeordneter, ich stelle Ihnen 4 Minuten ein, damit Sie auf die Wunschredezeit von 8 Minuten kommen. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (fortsetzend): Ich werde nicht so viel Zeit brauchen. Ich fange nicht mehr von vorne an, nur keine Sorge.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Nach der Mittagsunterbrechung ist es natürlich etwas schwer, in die Diskussion so einzusteigen, wie man sie verlassen hat. Es zeigen ja auch die leider nicht sehr vollen Reihen, dass doch noch einige in der Mittagspause sind. (Abg. Steibl: Aber nur bei der SPÖ! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Seien Sie doch nicht gleich immer so aufgeregt auf Seiten der SPÖ! Ich habe ja nicht gesagt, bei euch, sondern ich habe das generell gemeint, dass die Reihen leer sind. Die Kritik war nicht explizit auf die rote Reichshälfte bezogen. (Abg. Scheibner: Ob­wohl es berechtigt ist!) Nicht immer, wenn der Uwe Scheuch ans Rednerpult geht, geht es gleich gegen euch. Da herrscht bei euch offenbar eine grundsätzliche Angst vor.

Wir haben vor der Unterbrechung über diese Verstrickungen ÖGB – BAWAG gespro­chen und über die Skandale, die dort abgelaufen sind. Ich glaube, es ist schon wichtig, dass man noch einmal wiederholt, dass man natürlich mit diesem Geld sehr viele ar­beitsplatzwirksame Maßnahmen hätte setzen können. Es wäre sehr wohl möglich ge­wesen, dieses Geld arbeitsplatzwirksam einzusetzen, und gerade der ÖGB als die Vor­feldorganisation, die Berufsvertretung der kleinen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin­nen, der berufstätigen Menschen, hätte hier wahrscheinlich seine Verantwortung an­ders wahrnehmen können.

Allerdings hat man es sehr wohl geschafft, einige wenige Arbeitsplätze zu schaffen. Ich denke etwa an den Arbeitsplatz des ehemaligen Generaldirektors Elsner. Der hat einen Job bekommen, bei ihm hat es funktioniert. Nachdem man ihn bei der BAWAG sozusa­gen hinausgelobt hat für seine gute Arbeit, nachdem er eine Abfertigung von 50 Millio­nen Schilling bekommen hat, hat er natürlich einen neuen Job gebraucht, und diesen Job hat man gefunden. Und ich glaube, es ist völlig egal, wo man politisch zu Hause ist: Wenn man einen neuen Job für diesen „verdienten“ Herrn sucht und ihn bei den Lotterien findet, mit einer Jahresgage von 320 000 € – das sind 5 Millionen Schilling Jahresgage! –, zeigt sich, dass die SPÖ auch Arbeitsplätze schaffen kann und dass der ÖGB sehr wohl in der Lage ist, für Mitarbeiter Arbeitsplätze zu schaffen. Der Herr Elsner war zumindest einer jener, die es geschafft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte aber natürlich auch noch ein paar Ansätze zur Lösung der Arbeitsplatzpro­blematik ansprechen. Wenn man sich die Arbeitslosenzahlen im Detail ansieht, erkennt man, es sind sehr viele ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Haben Sie zur Sache auch ...?)


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Ich komme zur Sache, Herr Kollege Gusenbauer; Sie werden das leider aushalten müssen in den nächsten Wochen und Monaten! Kollege Katzian ist heraußen gestan­den und hat über das Sanierungskonzept der BAWAG gesprochen. – Ich weiß nicht, was das mit der europäischen Wachstumspolitik zu tun hat. Das ist aber ein Thema, das die Menschen bewegt.

Zirka 20 Prozent der Arbeitslosen sind Ausländer. Das heißt, wir haben einen sehr ho­hen Anteil ausländischer Arbeitsloser, und wir müssen uns sehr wohl Strategien über­legen, wie wir hier ein neues System schaffen können, um nicht zunehmend Ausländer ins Land zu bekommen, die einen Arbeitsplatz hatten, dann arbeitslos werden und damit den Arbeitslosenmarkt zusätzlich belasten. Ich denke, dass es an der Zeit wäre, das System ein wenig zu überdenken. Man sollte über die Quoten diskutieren, man sollte darüber nachdenken, ob es vernünftig ist, quotenfreie und quotengetrennte Zu­wanderung zu haben. Im Jahre 2004 hatten wir 5 000 quotenpflichtige Zuzüge in Ös­terreich, aber 58 900 nicht quotenpflichtige. Diese Verstrickungen gehören entflochten. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist Familienzusammenführung!)

Man sollte dafür sorgen, dass der Zuzug irgendwie anders gestaltet wird. Man sollte sich vielleicht auch trauen, neue Modell anzudenken. Wir von unserer Fraktion treten für die Einführung der Green Card ein. Wir wollen hier neue Modelle schaffen, ein kanadisches Modell andenken, etwa die Green Card kombiniert mit einem Punktesys­tem, wo man spezifisch jene Leute zum Arbeiten ins Land hereinlässt, die man auch benötigt. Das heißt, dass Ausbildung, Sprachkenntnis, Berufserfahrung, vorhandene Arbeitsplätze für diese Arbeitszuwanderung eine Rolle spielen.

Und wenn man die Kritik aus den roten Reihen hört: In England wurde gestern ein sol­ches neues Gesetz beschlossen. Man denkt dort darüber nach, ein Punktesystem ein­zuführen, den Zuzug von minder qualifizierten Arbeit Suchenden einzuschränken und in Richtung höher qualifizierte und auch benötigte Schlüsselarbeitskräfte zu gehen.

Abschließend: Natürlich wird man auch darüber nachdenken müssen, das AMS – ich habe das schon sehr oft an dieser Stelle gesagt – einmal genau unter die Lupe zu neh­men. Gibt es da Einsparungspotentiale? Gibt es vielleicht Gelder, die anders besser verwendet werden könnten?

Man wird es den Menschen draußen auf der Straße oder oben auf den Rängen nicht erklären können, warum man im AMS Tanzkurse und Kochkurse anbietet, um die Arbeitslosen in eine Schulung zu bringen. Da muss man konkrete Maßnahmen setzen, um die Leute aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit zu bringen und damit die Top-Platzie­rung, die Österreich im europäischen Durchschnitt hat, noch weiter auszubauen und Österreich an die Spitze Europas zu bringen. Das ist das ambitionierte Ziel dieser Bun­desregierung – und daran werden wir weiter arbeiten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllin­ger zu Wort. Ich stelle Ihnen die Uhr auf 10 Minuten; das ist die Gesamtredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.20.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheuch! Ich halte es eigentlich für deplatziert, dass Sie jetzt fast 10 Minuten über die BAWAG geredet haben. Ich bin nicht dagegen, dass über die BAWAG gesprochen wird, aber alles zu seiner Zeit. Jetzt sollten wir eigentlich über europäische Beschäftigungsstrategien reden, aber da haben Sie nichts zu bieten, und deshalb flüchten Sie in das Thema BAWAG. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge-


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ordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Man musste doch auf die SPÖ reagie­ren, auf die Ausführungen von Katzian! – Und das war jetzt auch schon der einzige Höhepunkt Ihrer Rede! – Abg. Schöls: Und den hat er auch noch falsch gesetzt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel hat gestern einen Satz gesagt, den ich gerne wiederhole, weil ich ihn unterstreichen will: Wir sollten den jungen Menschen alle Chancen dieser Welt eröffnen! – Ein schöner Satz! Und ich frage mich natürlich: Was tut die Bundesregierung, was tun die Regierungsparteien, was tut Europa dazu, den jungen Menschen tatsächlich alle Chancen dieser Welt zu eröffnen? Ich frage das auch deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil dieser Satz von Bundeskanzler Schüssel offensichtlich nicht für alle Jugendlichen gilt. Ich denke da etwa an die Jugendlichen in den Erweiterungsländern, die ja von diesen Chancen offensichtlich ausgenommen sind.

Österreich will seine Grenzen am Arbeitsmarkt nach wie vor dicht machen. Diese Men­schen dürfen zwar hereinkommen, aber nicht als normale, selbstständige, gleichbe­rechtigte Bürgerinnen und Bürger, die hier einen Arbeitsplatz oder eine Arbeit suchen, sondern nur als Hospitanten, als Grenzgänger, als Saisoniers, als Praktikanten, also unter schlechteren beziehungsweise spezifisch geregelten Bedingungen. Das wissen Sie, Herr Bundesminister Bartenstein!

Wir sagen deshalb klar: Gleiches Recht muss für alle gelten! Und wir haben nur eine Chance, mit den Schwierigkeiten auch am österreichischen Arbeitsmarkt fertig zu wer­den, wenn auch die Menschen aus den Erweiterungsländern hier nur zu denselben und nicht zu schlechteren Konditionen beschäftigt werden dürfen und können wie un­sere österreichischen, inländischen, jungen Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei den Grünen.)

Das wäre die richtige Antwort, meine sehr geehrten Damen und Herren, und deshalb bringen wir auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein betreffend die Auf­hebung der Übergangsfristen am Arbeitsmarkt und ein flankierendes Maßnahmenpa­ket.

Ich sage auch etwas zum flankierenden Maßnahmenpaket, aber dazu brauche ich noch einen Satz als Antwort auch an Herrn Bundesminister Bartenstein. Sie, Herr Bun­desminister, haben eine Debatte aufgenommen – ich finde das ja spannend; allerdings wird es nicht gelingen, das in dieser kurzen Zeit hier abzuhandeln –, indem Sie auf die Ausführungen des Abgeordneten Einem repliziert haben, der gesagt hat, dass auch der Staat eine bestimmte Verpflichtung in Bezug auf Arbeitsplätze hat. Und Sie haben erwidert: Nein, der Staat nicht, sondern die Wirtschaft – sondern die Wirtschaft! (Bun­desminister Dr. Bartenstein: Nein, das habe ich nicht gesagt!) – Herr Bundesminister, Sie können gerne replizieren, aber ich kann den Dialog jetzt nur sehr schwer so über die Schulter führen!

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen weiteren Satz zitieren, nämlich den des deutschen Unternehmers Götz Werner, Chef der DM-Gruppe, der gesagt hat, er könne es schon nicht mehr hören, dass die Unternehmen dafür verantwortlich seien, Arbeits­plätze zu schaffen. Die Unternehmen sind dafür verantwortlich, Gewinne zu machen, hat er gesagt – Sie können das gerne auch nachlesen –, aber nicht dafür, Arbeitsplätze zu schaffen. Und ich muss sagen: Leider, leider hat Götz Werner nicht so Unrecht. Wenn ich mir die Entwicklung, auch die Gewinnentwicklung großer österreichischer Unternehmen in den letzten Jahren genauer ansehe, dann muss ich feststellen: Die machen Rekordgewinne. Sie zahlen kaum mehr Steuern – da gibt es die entsprechen­den Statistiken, was die Gewinnsteuern dieser Unternehmen betrifft – und schaffen auch kaum mehr Arbeitsplätze, jedenfalls nicht in Österreich. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und was wäre Ihr Gegenvorschlag?)


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Das heißt: Die Rahmenbedingungen, die Sie, Herr Bundesminister, einfordern, die ent­lasten diese Unternehmen, die Rekordgewinne machen, von ihrer Verantwortung, auch Arbeitsplätze zu schaffen. Und das sollten wir uns genauer ansehen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Es kann ja nicht so sein und in Zukunft so weitergehen, dass von großen Unternehmen Riesengewinne eingefahren werden, aber diese gro­ßen Unternehmen, was ihre Steuerverpflichtung betrifft, überhaupt keine Verantwor­tung mehr sehen, weil sie auch vom Gesetzgeber in dieser Hinsicht entlastet werden. (Bundesminister Dr. Barteinstein: Nein!)  – Sagen Sie nicht nein! Ich kann Ihnen die Aufstellungen über die Körperschaftsteuern zeigen, die genau diese großen, teilweise österreichischen Betriebe nicht mehr zahlen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Machen Sie doch einen Gegenvorschlag, wie das gehen kann, ohne dass die Betriebe ins Ausland ab­wandern!)

Der Punkt ist der: Wie können wir es schaffen, nicht mehr nur auf österreichischer Ebene, sondern auch auf europäischer Ebene hier wieder eine Verantwortung herzu­stellen, die auch die Unternehmen, aber natürlich auch alle anderen mit einbezieht? Und da, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich von diesem Ratsgipfel im März überhaupt keinen Impuls mitbekommen und überhaupt nicht bemerkt, dass sich dort irgendjemand über diese für Europa entscheidenden Fragen tatsächlich Gedanken machen würde.

Gut, wir haben jetzt eine „Lissabon-Strategie neu“, aber mir ist zum Beispiel aufgefal­len, dass das Ziel der alten Lissabon-Strategie, sozialen Zusammenhalt in Europa zu fördern, weitgehend hinausgekippt wurde aus der „Lissabon-Strategie neu“. Sie finden es nicht mehr in den Unterlagen, Herr Präsident Khol. Wenn Sie sie durcharbeiten, werden Sie feststellen, dass da nichts mehr drinnen ist, was den sozialen Zusammen­halt tatsächlich fördern könnte.

Ich sage Ihnen nur eines, weil das auch ein Element unseres Antrags bildet: Wenn wir nicht dazu übergehen, für Menschen, die arbeiten und die arbeiten wollen, erstens Ar­beitsplätze bereitzustellen, dies vor allem für jüngere Menschen – ich sage dann dazu auch noch etwas Konkreteres –, aber vor allem auch den Menschen, die tatsächlich ar­beiten, ausreichende Einkommen zu sichern, von denen sie auch leben können, wenn das nicht gewährleistet ist, wenn Europa das nicht schafft, vor allem für die jungen Menschen, dann hat Europa seine Zukunft verspielt. Und ich will das nicht! Ich will, dass junge Menschen eine Chance erhalten in diesem Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Rada.)

Ganz egal, ob es österreichische, ungarische, rumänische oder französische junge Menschen sind: Alle sollen diese Chance haben! Und alle sollen ein bestimmtes Aus­maß an sozialer Sicherheit haben. Das haben aber junge Menschen derzeit nicht. Das ist ein Riesenproblem. Wenn Sie unsere Situation mit der in Frankreich vergleichen – einer der Vorredner hat das schon angesprochen –: Dort haben junge Menschen we­sentlich größere Probleme, eine Arbeit zu finden, und gehen deswegen auf die Straße. Wenn es nach der französischen Regierung geht – das ist ja der Vorschlag der franzö­sischen Regierung –, sollen sie im Arbeitsvertrag nicht dieselben Rechte wie alle ande­ren Menschen erhalten. (Zwischenruf der Abg. Felzmann.)

Gleichzeitig aber erwartet die Regierung, und zwar jede europäische Regierung von diesen jungen Menschen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Felzmann– regen Sie sich nicht so auf, hören Sie zu! –, gleichzeitig erwartet sich also die Regierung, erwar­tet sich die Politik von diesen jungen Menschen, dass sie wieder junge Menschen, dass sie Kinder auf die Welt bringen sollen.


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Diese jungen Leute von heute haben keine Sicherheiten, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen Ihnen diese Sicherheit zu geben versuchen, damit sie ihr Le­ben einigermaßen bewältigen können. (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Felzmann.)

Wenn es an Arbeit fehlt, wenn es an Einkommen fehlt, wenn es an einer entsprechen­den Perspektive fehlt, dann haben diese jungen Menschen nicht die Sicherheiten, die sie brauchen, um sich ihr Leben zu organisieren. (Beifall bei den Grünen und den Ab­geordneten Dr. Rada und Königsberger-Ludwig.)

Da sage ich Ihnen schon, meine sehr geehrten Damen und Herren: Auch Österreich täte gut daran, da etwas zu verbessern. Wenn sich die Jugendarbeitslosigkeit inner­halb der letzten Jahre verdoppelt hat – und das ist so –, dann ist das ein extrem schlechtes Signal, das wir den Jugendliche und den jungen Menschen hier in unserem Lande geben, und dann muss auch die Bundesregierung ihre Anstrengungen erhöhen.

Wenn junge Menschen kein ausreichendes Einkommen aus einer Arbeit erzielen kön­nen – und dafür gibt es genügend Beispiele –, dann müssen alle Anstrengungen unter­nommen werden, dass eben mit einer Beschäftigung tatsächlich ein ausreichendes Einkommen erzielt werden kann. Wenn junge Menschen mit fertiger Ausbildung – und das ist Realität in Österreich – zwei, drei, vier, fünf Jahre lang ohne einen sicheren Job irgendwo herumflottieren müssen – „Generation Praktikum“: das gilt auch für Öster­reich –, dann haben wir große Chancen für junge Menschen vertan. Und zumindest einen Teil der Verantwortung tragen Sie, aber Sie tun so, als ob Sie überhaupt nicht dafür verantwortlich wären. Genau das ist Ihre Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und auch die Verantwortung des Bundesministers beziehungswei­se dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

So geht es mit Sicherheit nicht, dass wir die jungen Menschen einfach abfertigen und sagen: Wir sind nicht zuständig dafür; die Wirtschaft wird euch das schon irgendwie richten!

Das ist zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Von Herrn Abgeordnetem Öllinger wurde so­eben ein Entschließungsantrag eingebracht, den er in den Eckpunkten erläutert hat. Dieser Antrag ist ausreichend unterstützt. Auf Grund seines Umfanges lasse ich diesen Antrag gemäß § 53 Abs. 4 GO zur Verteilung bringen; er steht auch mit zur Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Aufhebung der Über­gangsfristen am Arbeitsmarkt und flankierendem Maßnahmepaket eingebracht im Zu­ge der Debatte über „Neue Impulse der Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der EU und in Österreich“

Durch den EU-Beitritt der zehn neuen Länder am 1. Mai 2004 entstanden in den alten EU-Ländern erhebliche Ängste, dass durch die neuen Nachbarn eine unerwünschte Lohnkonkurrenz und Lohndumping durch Migration von Arbeitskräften entstehen könnte.

Das erklärte Ziel der EU und des Binnenmarktes ist es, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu gewährleisten. Bis jedoch diese im vollen Umfang in Kraft getreten ist, gibt es so-


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genannte Übergangsregelungen und Beschränkungen. Dazu gehören auch sensible Dienstleistungsbereiche (Baugewerbe samt verwandter Branchen, gärtnerische Dienst­leistungen, Reinigungs- und Sozialdienste sowie Sicherheitsdienste), die durch eine Übergangsfrist geschützt sind.

In den Beitrittsverträgen wurde eine 7-jährige Übergangsfrist vereinbart. Diese soll die legale Verdrängung durch kostengünstigere Anbieter aus den zukünftigen neuen Mit­gliedsländern verhindern.

1. Phase (zweijährig)

Innerhalb des Zeitraumes bis 1. Mai 2006 gibt es eine „Schutzklausel“, währenddessen die Freizügigkeit ausgesetzt ist. Dies bedeutet, dass StaatsbürgerInnen der neuen Mit­gliedsstaaten für eine Beschäftigung in Österreich weiterhin die erforderliche Bewilli­gung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigen.

2. Phase:

Vor Ablauf der ersten Phase sind die eingesessenen Mitgliedstaaten verpflichtet, im Rahmen einer förmlichen Mitteilung die EU-Kommission darüber zu unterrichten, ob sie die Freizügigkeitsbeschränkungen der ersten Phase für weitere drei Jahre weiterführen wollen. Die österreichische Bundesregierung hat delikaterweise im Weissbuch zur Ratspräsidentschaft bereits die Verlängerung der Übergangsfristen bis 2009 angekün­digt.

3. Phase:

“Altmitgliedstaaten“, für die nach fünf Jahren immer noch nationale Beschränkungen gelten, müssen der EU-Kommission förmlich mitteilen, dass sie diese Beschränkungen noch weitere zwei Jahre aufrechterhalten wollen. Dies ist nur zulässig, wenn ein Mit­gliedstaat eine schwerwiegende Störung des Arbeitsmarktes nachweisen kann. Es be­steht eine Begründungspflicht der Europäischen Kommission gegenüber. Die neuen Beitrittsländer konnten für sich insbesondere folgende Zusatzregelungen erreichen:

Sie können – sofern sie es wünschen – spiegelbildliche Beschränkungen einführen.

Die neuen Mitgliedstaaten haben eine Bemühensklausel der EU-15 durchgesetzt. Dies bedeutet, dass die EU-15 Länder ab sofort, jedenfalls aber innerhalb der Übergangs­frist eine schrittweise Liberalisierung vornehmen müssen.

Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass die Aufrechterhaltung der Übergangsfristen Schwarzarbeit insbesondere in den betreffenden Branchen auf hohem Niveau erhalten haben, bzw., dass von den Betroffenen Umwege über die Gründung eines Unterneh­mens und die Arbeit als Scheinselbständige genommen werden. Es bestehen inzwi­schen bis zu 30 verschiedene – nach Beschäftigung, Qualifikation etc. – nicht zuletzt aufgrund zahlreicher bilateraler Abkommen und verschiedener EU-Bestimmungen. Dies setzt den Arbeitsmarkt weiterhin stark unter Druck. Eine Aufhebung der Über­gangsfristen bei gleichzeitiger Umsetzung entsprechender flankierender Maßnahmen stellt daher eine attraktive Alternative dar, die insbesondere angesichts zusammen­wachsender Märkte in Europa und der Situation Österreichs als größtem Beitrittsgewin­ner, mehr als geboten erscheint.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf die Abgabe einer formellen Erklärung ge­genüber der Kommission zur Verlängerung der Übergangsfristen am Arbeitsmarkt zu


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verzichten und gleichzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschäftigungsverhält­nisse „neuer Selbständiger“ und die prekären Arbeitsverhältnisse von Menschen aus den neuen Mitgliedstaaten der EU durch Regelarbeitsverhältnisse zu ersetzen. Dar­über hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, wirksame Maßnahmen gegen Schwarzarbeit und Schwarzunternehmertum zu setzen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, gleichzeitig mit der Aufhebung der Übergangs­fristen am Arbeitsmarkt folgende konkrete Maßnahmen zu setzen:

1) Prekäre Arbeitsverhältnisse wie ErntehelferInnen, Saisonniers, PraktikantInnen aus dem EU-Ausland sind durch regulären Zugang zum Arbeitsmarkt für die Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedstaaten und die Anwendung der Kollektivverträge auch auf die­se Gruppe zu ersetzen.

2) Die Kontrolle des österreichischen Arbeitsmarktes ist intensiv durchzuführen und der Schwarzarbeitsmarkt insbesondere im Bau- und Pflegebereich damit abzuschaffen.

3) In Österreich ist ein Mindestlohn zu definieren, der ausreichendes Einkommen ga­rantiert.

4) Österreich regt bis spätestens Ende Juni 2006 eine europaweite Initiative für die Ein­führung von Mindestlöhnen in allen EU-Mitgliedstaaten an

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.31.38

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin froh, dass wir wieder zu einer sachlichen Diskussion ge­funden haben, weil ich denke, dass 20 Millionen arbeitslose Menschen in Europa alle­mal Grund genug sind, uns verantwortungsbewusst mit diesem Thema zu beschäftigen und den Fokus auf dieses Thema zu richten. Dies auch deshalb, weil wir in Öster­reich – wie Sie wissen – die höchste Arbeitslosigkeit seit Bestehen der Zweiten Repub­lik haben. (Abg. Scheibner: Wir lassen uns von Ihnen nicht vorschreiben, worüber wir reden und worüber nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, wir sollten von den Fakten aus­gehen, und die Fakten sind leider die, dass, was die österreichische Wachstums- und Beschäftigungspolitik betrifft, Österreich mittlerweile in vielen Eckdaten Schlusslicht in der Europäischen Union ist. Wenn es beispielsweise um öffentliche Investitionen geht, dann investieren alle 24 EU-Mitgliedstaaten mehr, als es diese österreichische Bun­desregierung tut. Bundesminister Bartenstein rühmt sich mit Beschäftigungswachstum, welches ausschließlich auf Teilzeitarbeit zurückzuführen ist, und er sagt auch nicht dazu, dass selbst beim Beschäftigungswachstum Österreich Schlusslicht in der Euro­päischen Union ist. (Abg. Rädler: Das stimmt überhaupt nicht! – Abg. Freund: Wo ha­ben Sie denn das her?)

Da wir heute gehört haben, mit wie viel Geld man wie viele Arbeitsplätze hätte schaffen können, denke ich mir: Warum haben Sie denn nichts getan? Warum steigt seit sechs Jahren Jahr für Jahr die Arbeitslosigkeit in Österreich? (Abg. Grillitsch: 200 000 Ar­beitsplätze mehr!) Warum haben Sie nicht investiert in Beschäftigung? Sie haben Milli­arden in den Sand gesetzt, indem Sie unnötige Abfangjäger ankaufen und Steuerge­schenke an Großkonzerne gemacht haben. (Zahlreiche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist der falsche Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Realitäten sind auch nicht wegzulachen! Ich sage Ihnen, wie die Realitäten ausschau­en: Seit Jahren hören wir lediglich leere Ankündigungen! Ich sage Ihnen: In allen Ge­sprächen, die ich mit Menschen führe, wird deutlich, dass sie es satt haben: Sie haben es satt, von Ihnen zu hören, dass es eine Beschäftigungsgarantie gibt. (Abg. Dr. Fek­ter: Den roten Filz haben die Menschen satt!) Es sind 70 000 junge Menschen – Frau Kollegin Fekter, das sollte Sie aufregen –, die in Österreich keinen Job haben; das sind 10,5 Prozent der jungen Leute, die keinen Job haben. (Abg. Schöls: Wie schaut es in Deutschland aus nach der rot-grünen Regierung?) Hunderte Male könnten wir dieses Haus – leider – mit arbeitslosen jungen Menschen füllen. Und der Herr Bundesminister und der Herr Bundeskanzler sagen immer: Jeder Jugendliche bekommt einen Ausbil­dungsplatz. – Arbeitslos sind sie auf Grund Ihrer schlechten und falschen Wirtschafts­politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich hat die Ratspräsidentschaft inne, und daher beschäftigen wir uns auch mit diesem Thema. Ich denke, dass die Frage schon legitim ist, die sich wahrscheinlich viele in Europa stellen. Viele fragen sich, wie in Europa eigentlich mehr Jobs geschaf­fen werden können, wenn jetzt ein Bundeskanzler dafür verantwortlich ist, der in den letzten sechs Jahren dafür gesorgt hat, dass Österreich leider einen erfolgreichen Weg der Vollbeschäftigung verlassen hat und wir in Österreich Massenarbeitslosigkeit ha­ben. (Abg. Scheibner: Verstaatlichte, „Konsum“, BAWAG – so sieht die „Wirtschafts­kompetenz“ der SPÖ aus!) Er hat die Arbeitslosigkeit durch seine Politik in Österreich auf den Höchststand getrieben, und daher wird er das Problem in Europa leider nicht lösen können, obwohl es gelöst werden könnte.

Ich sage Ihnen auch: Viele junge Menschen – es gibt die Jugendstudie, es wurde auch hier schon darauf hingewiesen –, Millionen junge Menschen in Europa stellen natürlich zu Recht die Frage: Wie soll Wolfgang Schüssel das Jobversprechen einlösen? Ein Wolfgang Schüssel, unter dessen Regierung sich die Jugendarbeitslosigkeit – 70 000 –in den letzten sechs Jahren verdoppelt hat. Doppelt so viele junge Menschen sind ar­beitslos! Sie haben die Regierungsverantwortung zu einem Zeitpunkt übernommen, als es in Österreich die geringste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa gegeben hat. Heute sinkt die Arbeitslosigkeit in 17 EU-Mitgliedstaaten, in Österreich steigt sie. Sie sind verantwortlich für diesen Anstieg der Arbeitslosigkeit, und Sie sind verantwortlich, dass tausende junge Menschen auch in der Jugendstudie sagen, dass sie Zukunfts­ängste haben und an dieser Politik der Regierung verzweifeln.

Ich sage diesen jungen Menschen, sie sollen nicht daran verzweifeln, denn es wäre nicht notwendig. Wir sind ein reiches Land. Wir könnten das Geld nicht für Steuerge­schenke für Großkonzerne einsetzen, sondern für Maßnahmen zur Jugendbeschäfti­gung. (Abg. Scheibner: In der Karibik!)

Wir könnten das Geld nicht beim Fenster rausschmeißen, um Abfangjäger zu finanzie­ren, sondern wir könnten die Kaufkraft durch eine Steuerentlastung stärken. Es wäre möglich, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Aber wir können zuversichtlich sein: Nach den nächsten Wahlen kann ich versprechen, dass es wieder eine verantwortungsvolle Politik geben wird, es wird einen sozialen Zu­sammenhalt geben und der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wird oberste Priorität haben. Es besteht Hoffnung nach der nächsten Wahl, wenn Sie nicht mehr Verantwor­tung tragen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Amon. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 



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13.37.15

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Nur, damit das alle wissen: Das war die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ – damit das nicht unter­geht –, die hier „soziale Verantwortung“ eingemahnt hat! – Ich glaube, es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn sich die Sozialdemokraten selbst bei der Nase näh­men. Als die ehemalige Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, Frau Magistra Kuntzl, aus ihrem Unternehmen SPÖ ausgeschieden ist, waren Sie nicht bereit, ihr die Ansprüche an Abfertigung und Urlaubsgeld auszubezahlen. (Rufe bei der ÖVP: Oho!) Sie musste den Österreichischen Gewerkschaftsbund bemühen, damit sie ihre Ansprüche geltend machen konnte. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das steht im „NEWS“, meine Damen und Herren! Das ist soziale Ungerechtigkeit! Sie von der SPÖ haben uns da gar nichts zu sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist geradezu mutig – ich möchte fast sagen leichtsinnig –, dass Sie das Thema Wachstum und Beschäftigung für Österreich und Europa wählen. Ich bin Ihnen eigent­lich dankbar dafür, weil wir als Partei, die Regierungsverantwortung trägt, als Volkspar­tei, hier zweifelsohne eine unserer Kernkompetenzen haben. Wenn Sie sich das Wirt­schaftswachstum in Österreich in den letzten Jahren anschauen, dann lag es immer deutlich über dem europäischen Schnitt. Herr Bundesminister, das ist Ihr Erfolg, der Er­folg des Herrn Bundeskanzlers und der gesamten Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Wachstum lag alle Jahre deutlich über jenem der Bundesrepublik Deutschland, die von einer sozialdemokratischen Regierung geführt worden ist. Auch das, so glaube ich, ist ein Beweis dafür, dass man mit sozialdemokratischen Konzepten keine Wirtschafts­politik machen kann. Deutschland atmet geradezu auf, seit Angela Merkel und die Christdemokraten dort die Regierung anführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben – auch wenn Sie das nicht gerne hören – Rekordbeschäftigung in Öster­reich. Noch nie seit 1945 hatten so viele Menschen in Österreich Arbeit. Gleichzeitig haben wir eine relativ hohe Arbeitslosigkeit. Und ich bin froh, dass die Bundesregie­rung 285 Millionen € in die Hand genommen hat, um gegen diese Arbeitslosigkeit vor­zugehen – übrigens einen Betrag, dem Sie Ihre Zustimmung gegeben haben.

Ich möchte mich bei allen Sozialpartnern bedanken, dass sie einstimmig für diese Maßnahmen gestimmt haben, die heute ergriffen werden. Und die Arbeitslosigkeit ist rückläufig: ein Erfolg dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn sich Wien, das unter sozialdemokratischer Verantwortung steht, ein bisschen mehr anstrengt, dann wird die Arbeitslosigkeit noch etwas schneller zurückgehen – das wünschen wir uns alle, meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Wo ist die Arbeits­losigkeit zurückgegangen? Das stimmt überhaupt nicht!)

Oder wenn Sie sich die ÖIAG, die Staatsholding, anschauen, die die Beteiligungen der Republik verwaltet: Als die ÖVP und die Freiheitlichen in die Bundesregierung einge­treten sind, waren dort 80 Milliarden Schilling Schulden vorhanden. Heute ist die ÖIAG schuldenfrei! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – So sieht verantwortungsvolle Wirtschafts­politik aus, aber das hören Sie nicht gerne. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Öllinger: Einen Satz zu Europa! Einen! – Abg. Dr. Van der Bellen: Einen Satz zu Europa!)

Meine Damen und Herren! Viele Banken und Versicherungen und andere Unterneh­mungen in Österreich haben die europäische Erweiterung hervorragend genützt, ha­ben Tausende, Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen – eine Bank jedoch hat Milliar­den verspekuliert: die BAWAG, die Bank, die im Eigentum des insbesondere von den


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Sozialdemokraten geführten Österreichischen Gewerkschaftsbundes steht. (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Ich möchte Ihnen sagen, dass die Sozialdemokraten jede soziale Kompetenz verloren haben. Kollege Katzian hat heute hier kritisiert, dass die Jobs, die geschaffen werden, Teilzeitjobs, geringfügige Beschäftigungen sind. Wenn Sie jedoch selbst der Eigentü­mervertreter von Handelsunternehmen sind, in denen überwiegend Teilzeitjobs gege­ben sind, dann sollten Sie, Herr Kollege Katzian, sehr vorsichtig sein mit dieser Kritik an Teilzeitbeschäftigungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Ein Letztes, weil heute über die Fernschreiber läuft, dass an die 500 ÖGB-Mitglieder, die in der AMAG beschäftigt sind, aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund aus­treten wollen, weil ihnen die Gewerkschaftsspitzen dort ihr Eigentum nicht lassen wol­len, weil sie ihre Mitarbeiterbeteiligung nicht verkaufen dürfen (Zwischenruf des Abg. Heinzl), weil die Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer dagegen sind.

Präsident Kalliauer konnte nicht hingehen, weil die Exekutive seine persönliche Sicher­heit nicht mehr gewährleisten konnte – eine solche Wut herrscht dort bei den Arbeit­nehmern gegen die Sozialdemokraten! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Herr Präsident Kalliauer, Herr Präsident Tumpel, nehmen Sie endlich Ihre Verantwor­tung wahr und treten Sie zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

13.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Walch. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Ich ersuche um etwas mehr Ruhe, meine Damen und Herren! – Herr Abgeordneter, bitte.

 


13.42.42

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die Ausführungen meines Vorredners anknüpfen und hätte gerne eine Antwort von den Sozialdemokraten, vom Gewerkschaftsbund auf die Frage: Wieso weigern Sie sich bei der AMAG so sehr ge­gen den Verkauf von Mitarbeiterbeteiligungen? (Zwischenruf des Abg. Schopf.) Habt ihr die vielleicht auch schon exekutieren lassen? – Dieser Verdacht liegt nahe, denn das Sagen haben dort Kämmerer und Gewerkschafter und die wollen nicht unterschrei­ben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Schopf, stell dich hier heraus und sag die Wahrheit! (Abg. Schopf: Ich habe es eh gesagt!) – Ich traue euch nicht mehr und viele andere auch nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kollege Katzian, das war heute deine Jungfernrede, und du hättest dich in dieser deiner Rede bei den BAWAG-Mitarbeitern für diesen Missstand entschuldigen sollen, an dessen Zustandekommen du nicht ganz unschuldig bist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Die BAWAG-Mitarbeiter müssen sich täglich beschimpfen lassen für eure Vorgangsweisen, für eure Schuldenpolitik, mit der ihr in der Karibik Milliarden in den Sand gesetzt habt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ihr steht hinter den Mitarbeitern der BAWAG – aber die BAWAG-Mitarbeiter stehen nicht mehr hinter dem ÖGB, das muss euch auch einmal klar sein! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Öllinger, das, was in dem Entschließungsantrag steht, den du hier eingebracht hast, meinst du sicher nicht ernst, das kann nicht stimmen, da muss irgendetwas schief gelaufen sein. (Abg. Öllinger: Lesen – denken – sprechen!) Vielleicht habt ihr einen


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Antrag vom Vorjahr oder von vor zwei Jahren genommen, denn: Auf der einen Seite stellst du dich hier heraus, Kollege Öllinger, und verlangst Beschäftigung für alle, auf der anderen Seite aber möchtest du die gute siebenjährige Übergangsregelung aufma­chen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hört zu, sonst kennt ihr euch wieder nicht aus!

Wisst ihr überhaupt, was das bringen würde, welchen Nachteil das nach sich ziehen würde? – Würde die siebenjährige Übergangsregelung betreffend Freizügigkeit im Hin­blick auf die neuen EU-Länder aufgemacht, hieße das, dass Tschechen nach Oberös­terreich hereinkommen. (Abg. Öllinger: Die sind eh schon dort!) Der Lohnunterschied ist 1 : 5. Der tschechische Arbeitnehmer wird täglich pendeln, im Raum Freistadt oder Linz arbeiten, kann natürlich leicht um den Kollektivvertragslohn arbeiten, ist lebensfä­hig in Tschechien. – Der Gewerkschaftsbund hat es nicht geschafft, in Österreich auch für ganz bestimmte Berufsgruppen einen Kollektivvertragslohn festzulegen, von dem die Arbeitnehmer leben können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zuerst würde die Wirtschaft nach billigen Arbeitskräften suchen – das ist das Erste –, dann würden wieder Tausende österreichische Arbeitnehmer arbeitslos. (Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Hört zu! Ihr seid so nervös, ihr seid schuldig!

Der tschechische Arbeitnehmer würde dann mit dem bei uns verdienten Lohn nach Tschechien fahren und dieses Geld dort in die Wirtschaft investieren.

Kollege Öllinger, bitte, zieh diesen Antrag zurück! Ich kenne dich doch ganz anders. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt komme ich noch auf Kollegen Caspar Einem zu sprechen. Kollege Einem kritisiert unseren Herrn Vizekanzler und sagt, dass bei der Infrastruktur nichts geschehen ist. – Kollege Caspar Einem! Sie waren doch einmal in der Regierung, angeblich sogar Mi­nister, und in Ihrer Zeit wurde außer Schulden und einem Abwirtschaften nichts ge­macht! Ihr habt uns einen Schuldenstand von 174 Milliarden € hinterlassen. (Abg. Riepl: Jetzt haben wir 174 Milliarden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) 100 Milli­onen € an Zinsen zahlen die Steuerzahler! Dieses Geld könnte man viel besser für die Jugend investieren, für jeden einen Arbeitsplatz schaffen und vieles mehr.

Diese Regierung hat Beschäftigungsprogramme gemacht (Abg. Schopf: Ja genau!), Wirtschaftsprogramme; drei, vier Programme haben wir gemacht. Wir haben eine Lehr­lingsförderung geschaffen – so viel an Förderungen, wie diese Regierung gemacht hat, hat es vorher überhaupt nie gegeben. (Abg. Riepl: Aber es gibt keine Lehrstellen!) – Lehrstellen genug.

Jetzt ist die Wirtschaft gefordert, den Jugendlichen eine Chance zu geben. Geld gibt es genug. (Abg. Riepl: Das ist eine Jahrmarktrede, die Sie hier halten!) Für einen Lehr­ling, den man zusätzlich aufnimmt, bekommt man für das erste Lehrjahr 400 €, für das zweite 200 € und für das dritte 100 €, plus 1 000 € pro Lehrling. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der, der schreit, ist immer schuldig. – Ihr habt abgewirtschaftet, wir wirtschaften auf!

Ich bin froh, dass wir jetzt die Ratspräsidentschaft in der EU innehaben. Wir haben ein gutes Programm, alle schauen neidvoll auf Österreich und sagen (Abg. Riepl: Alles in Ordnung bei uns!): Wie die das machen?! (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Bitte, hör auf!) – Wer ist an der Regierung? – Unsere Minister und die Kollegen von der ÖVP. Wir sind eine Wirtschaftspartei und eine Arbeitnehmerpartei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Heinzl: Ihr seid überhaupt keine Partei ...!) Wir entlasten, ihr habt belastet!

Mit Karibik-Geschäften, dem Vergeuden von Milliarden an Mitgliedsbeiträgen, dem Un­terstützen von kriminellen Situationen, dem Abwälzen auf andere und damit, den Täter


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zum Opfer zu machen, werdet ihr nicht durchkommen. So, wie ich gestern gesagt habe: Ich hoffe, dass Parteien mit solchen Machenschaften nie mehr an die Regierung kommen, denn sonst heißt es: Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Sburny. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.48.02

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Bundeskanzler Schüssel hat am Ende des EU-Rates stolz verkündet, dass bis zum Jahr 2010 jährlich zwei Millionen zusätzliche Jobs geschaffen werden, das hätten die Regierungen beschlossen.

Zehn Millionen zusätzliche Jobs in den nächsten Jahren, haben die Regierungen be­schlossen. Ich frage mich, wer das glauben soll, wenn man sich anschaut, was in den letzten Jahren seitens der Regierungen alles beschlossen und versprochen wurde und was alles nicht eingelöst wurde. Das kann man am besten in Österreich nachvollzie­hen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu befürchten ist, dass das eine weitere vollmundige Ankündigung ist, der keine Kon­sequenzen folgen werden, und dass sich an der tristen Situation auf dem Arbeitsmarkt wenig ändern wird; dies vor allem, wenn man sich anschaut, wie wenig Konkretes nicht nur auf dem Papier steht, sondern tatsächlich dann auch umgesetzt wird.

Das kann man sich in Österreich sehr gut anschauen. Sogar die Europäische Kommis­sion sagt zu den österreichischen Programmen, sie seien „wenig ambitioniert“, und zeigt – was nämlich noch viel besser ist –, wie die Regierung hier in vielen Fällen vor­geht: Die finanziellen Mittel, die für diese Programme vorgesehen sind, stimmen mit den Budgetzahlen nicht überein.

Auf gut Deutsch: Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, wie das, was auf dem Pa­pier steht, dann auch wirklich umgesetzt werden soll. – Genau so schaut es aus! Sie haben hier wirklich ein Glaubwürdigkeitsproblem. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Ich möchte Ihre mangelnde Glaubwürdigkeit an zwei Beispielen darstellen. Das eine Beispiel ist die Frauenbeschäftigung. Es ist wirklich immer wieder ein schönes Thema, wie es Ihnen gelingt, darzustellen, dass eine höhere Quote an Beschäftigung in Öster­reich vorhanden ist. (Abg. Steibl: Das ist die Tatsache! Ihr verdrängt das!) – Warten Sie ein bisschen! Eines nach dem anderen.

Im EU-Schnitt beträgt die Frauenbeschäftigungsquote zirka 55 Prozent – in Österreich 60 Prozent, sagen Sie. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Mittlerweile schon ein bisschen mehr. Das heißt, wir liegen rein auf dem Papier über dem Durchschnitt, aber ich nenne Ihnen noch eine andere Zahl: Im Jahr 2000 hatten wir 86 800 arbeitslose Frauen, Ende 2005 hatten wir 120 300 arbeitslose Frauen – ein Plus von 38 Prozent bei den arbeitslosen Frauen.

Und jetzt erklären Sie mir, wie das mit einer steigenden Beschäftigungsquote zusam­menpasst! Für den Fall, dass Sie es nicht können, kann ich es Ihnen erklären: Es ist so, dass Sie eine große Zahl der Jobs, die Frauen im Jahr 2000 Vollzeit hatten, einfach aufteilen, zerstückeln in jede Menge Teilzeitjobs, prekäre Jobs, von denen die Frauen nicht mehr leben können. (Abg. Steibl: Aber geben Sie doch zu, dass das viele Frauen wollen! Sie verdrängen auch das! Sie verdrängen die Realität!) Und darauf sind Sie dann stolz! – Viel Vergnügen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Der Herr Bundesminister hat zuerst gesagt, dass die Verantwortung der Regierung nicht darin liegt, Jobs zu schaffen – es gibt ja immer wieder Widersprüche, ob man jetzt Jobs beschließt oder ob man nicht dafür verantwortlich ist, jedenfalls haben Sie, Herr Bundesminister, heute gesagt, dass die Politik für das Schaffen von Rahmenbedingun­gen verantwortlich ist, und damit haben Sie natürlich Recht.

Eine dieser Rahmenbedingungen, um diese katastrophale Situation der Frauen in Ös­terreich zu verändern, wäre ein Mehr an Kinderbetreuung. Das sagen die Grünen in Österreich, das sagt die Europäische Kommission, das haben Sie schriftlich von allen Seiten – und was tun Sie? Definitiv nichts! Das ist Ihre Verantwortung und zeigt, wie Sie sich um die Frauenbeschäftigung kümmern. (Beifall bei den Grünen.)

Im Übrigen haben Sie jede Menge Anträge der Grünen abgelehnt. Wir haben beantragt mehr Kinderbetreuung, wir haben beantragt eine bessere Förderung der Frauen auf dem Arbeitsplatz, wir haben beantragt Maßnahmen zum Durchstoßen der gläsernen Decke bei Frauenkarrieren, Sie haben all das abgelehnt. Und dann sagen Sie, die Europäische Union solle für mehr Frauenbeschäftigung sorgen?! Dann fangen Sie da­mit einmal in Österreich an! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das zweite Beispiel: Energie; auch das ist von Ihnen, Herr Bundesminister, heute an­gesprochen worden. Sie haben gesagt, das ist ein sehr wichtiger Bereich – da stimmen wir Ihnen natürlich voll zu, aber auch da gibt es ein sehr interessantes Spannungsfeld zwischen dem, was Sie sagen, und dem, was Sie tun. Ich rede auch in diesem Zusam­menhang von den Arbeitsplätzen.

Massive Investitionen in erneuerbare Energien schaffen Arbeitsplätze. Das ist in Deutschland bereits bewiesen worden, und das ist auch in Österreich bewiesen wor­den. Wir hatten im Jahr 2004 in dieser Branche insgesamt 32 700 Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von über 1 Milliarde €, und es wäre möglich, in den nächsten 15 Jahren zirka 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Ener­gien, im Bereich der Energieeffizienztechnologie, im Bereich der Gebäudeumrüstung mit Wärmedämmung und ähnlichem zu schaffen.

Aber auch da machen Sie genau das Gegenteil: Sie wollen eine Novelle zum Öko­stromgesetz beschließen, die die Ökoenergie wieder um 80 Prozent reduziert. (Abg. Krainer: Stimmt doch gar nicht! Stimmt nicht!) Das heißt, Sie reden in die eine Rich­tung und tun etwas in die andere Richtung. Ökostromförderung wird um 80 Prozent re­duziert! (Abg. Krainer: Nein!) – Ja, das sagen Sie, weil Sie mitstimmen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es Ihnen unangenehm ist, wenn man darüber redet, aber Faktum ist, dass Sie hier bremsen, statt in den Bereich der Energie, wo es wirk­lich Arbeitsplätze gibt, zu investieren.

Eine neue Energiepolitik für Europa muss die richtigen Prioritäten setzen. Das hat Bundeskanzler Schüssel beim EU-Gipfel absolut verabsäumt. (Zwischenruf des Abg. Neugebauer.)

Der Ausbau der Atomkraft, der jetzt im Grünbuch verankert ist, gleichgesetzt mit erneu­erbarer Energie, ist für Europa, sowohl was die Nachhaltigkeit betrifft, als auch was die Arbeitsplätze betrifft, sicher nicht die richtige Prioritätensetzung. Und auch da haben Sie es verabsäumt, das Richtige zu tun! (Beifall bei den Grünen.)

13.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Bauer zu Wort. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.55.14

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Damen und Herren! Zunächst auf die Ausführungen einiger Vorredner


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eingehend, möchte ich sagen, dass Herr Abgeordneter Amon (Abg. Steibl: Eine gute Rede gehalten hat!) so herausstreicht, dass die ÖIAG schuldenfrei ist. Ich möchte Ihnen sagen, sie ist dadurch auch vermögensfrei geworden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Nein! Nein! Das ist ein Unsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Mehr wert als vorher!)

Dem Kollegen Öllinger möchte ich Folgendes sagen: Herr Kollege, es ist tatsächlich notwendig, diese Übergangsbestimmungen einzuhalten, weil es einen ungemeinen Druck auf den Arbeitsmarkt gibt, der insbesondere im Grenzland nicht mehr auszuhal­ten ist. Daher würden wir die Bundesregierung auffordern, dass sie sehr wohl diese dreijährige Verlängerung für Österreich beansprucht, wobei ich Ihnen in einem Recht gebe: Die begleitenden Maßnahmen sollen auf jeden Fall gesetzt werden, weil eine Übergangsfrist, egal, wie lange sie auch ist, endet einmal und somit sind jedenfalls vor­bereitende Maßnahmen zu setzen. (Abg. Amon – eine Graphik zeigend –: Kollege Bauer, ...!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch klarstellen, dass es wichtig ist, zu erkennen, was das Problem in Österreich und auch im übrigen Europa ist. Es ist eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die dazu führt, dass hohe Gewinne, wenn man will, auch boomende Exporte da sind, aber immer weniger Arbeitsplätze geschaffen werden, weil die Nachfrageorientierung fehlt, die notwendig wäre, um entsprechende Kaufkraft, Massenkaufkraft in Österreich und auch im übrigen Europa zu schaffen.

Ich glaube, dass wir alle darunter leiden, dass die entsprechende Nachfrage der Men­schen fehlt. Bei Untersuchungen durch Wirtschaftsforschungsinstitute wird jedes Jahr festgestellt, dass die Inlandsnachfrage nachhinkt, und das ist ein enormer Bereich. Ich möchte daher sagen, wir brauchen nicht die Politik der Sachzwänge, die hier vorge­geben wird und die so rigide angewandt wird, dass sie sogar positive Entwicklungen erstickt. Es ist notwendig, einmal klarzustellen: Wir brauchen die öffentlichen Investitio­nen, wir brauchen die Stärkung der Nachfrage, um mehr Konsum und ein Inlandsni­veau zu erreichen, das letztlich wieder zu Wachstum und damit zu neuen Investitionen führt.

Die Realeinkommen, geschätzte Damen und Herren, sind in allen Bevölkerungsschich­ten gesunken, das ist eine Tatsache. Ein Vergleich zeigt: Die Inlandsnachfrage hat von 1996 bis 2000 2,7 Prozent betragen, während sie von 2000 bis 2005 1,3 Prozent betra­gen hat. Das ist einfach zu wenig, um jenes Wachstumsziel zwischen 2,5 Prozent und 3 Prozent zu erreichen, das wir brauchen.

Das führt zu steigender Armut in Österreich, nachzulesen im Armutsbericht, wonach 13 Prozent, also 1 044 000 Menschen, in Armut leben, davon 460 000, also rund 5,9 Prozent, in akuter Armut. Das kann man nicht wegdiskutieren, geschätzte Damen und Herren. Daher glaube ich, dass Politik auf den verschiedenen Ebenen stärker zu­sammenspielen muss, denn was Vollbeschäftigungspolitik betrifft, ist meiner Auffas­sung nach primär die EU gefordert. Deswegen müssen jene Maßnahmen gesetzt werden, die durch Verknüpfung der nationalen Politikfelder erreicht werden. Und dazu gehören einmal die Finanzierung der europäischen Verkehrsnetze und die Energiever­sorgung als ein großer Bereich. Beschäftigungsprogramme innerhalb der EU müssen auch aufeinander abgestimmt werden.

Ich gebe zu, dass es ein Fortschritt ist, dass jetzt diese neue Politik für Wachstum und Beschäftigung den nationalen Regierungen mehr abverlangt, nämlich Umsetzungspro­gramme im Unterschied zur Lissabon-Strategie, die eine richtige Zielsetzung hatte, also notwendig war, die aber leider zu wenig Verbindlichkeit aufgewiesen hat.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte auch noch erwähnen, wie wichtig es ist, dass wir in Österreich eines begreifen: Es wird immer von der Jugend, von den Gene-


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rationen der Beschäftigten gesprochen. Man sollte doch endlich verstehen, dass Öster­reich und die Europäische Union sozialen Zusammenhalt brauchen.

Daher muss es in unser aller Interesse sein, der Jugend die beste Ausbildung zu ge­ben, die sie einfach braucht, um im künftigen Wettbewerb bestehen zu können. (Präsi­dent Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen die Vollbeschäftigung, um unsere sozialen Systeme finanzieren zu kön­nen. Daher brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung auf den verschiedenen Politikfeldern, um das zu erreichen, was wir wollen, nämlich ein Zusammenleben und einen Zusammenhalt in einem sozialen Europa.

In diesem Sinne haben wir, wie ich meine, viel zu tun. Unsere Beiträge dazu müssen wir hier in Österreich leisten und sollten auch unmittelbar aufgenommen werden, denn vieles sind wir auch in Österreich schuldig geblieben. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


14.01.10

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Bauer haben wieder gezeigt, worum es sich bei der SPÖ handelt, wenn es darum geht, wirtschaftliche Fragen zu durchleuchten und zu beleuchten (Zwischenrufe bei der SPÖ), denn der Vermögens­stand der ÖIAG ist heute wesentlich höher als im Jahr 2000, während wir bei der ÖIAG gleichzeitig schuldenfrei sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wachstum und Beschäftigung sind Grundvoraussetzung für eine positive Entwicklung. Beides ist nur möglich, wenn wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Gera­de die österreichische Bundesregierung hat, wie ich meine, in den letzten Jahren her­vorragende Rahmenbedingungen geschaffen, und zwar durch die Wachstumspakete, durch die Steuerreform, wodurch von 35 000 neu auf den Arbeitsmarkt Kommenden 33 000 einen Job finden.

Natürlich ist jeder Arbeitslose einer zu viel, das wissen wir. Daher ist es gerade wichtig, dass es unserem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beim letzten Rat, wo es um wirt­schafts-, sozial- und energiepolitische Fragen gegangen ist, gelungen ist, auch klare Ziele festzuschreiben. Konkret heißt das stärkere Investitionen in Wissen und Innova­tion, Förderung von KMUs, Schaffung von 2 Millionen Arbeitsplätzen pro Jahr bis zum Jahr 2010 oder die Festlegung spätestens seit dem Streit Ukraine/Russland, wo auch der Faktor Unabhängigkeit eine wesentliche Rolle in der Versorgungssicherheit von Energie spielt, wo es unserem Bundesminister Martin Bartenstein gelungen ist, auch klar und rasch für Ordnung zu sorgen, wo es um Wettbewerbsfähigkeit geht und wo es auch um Nachhaltigkeit geht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Abg. Dr. Gab­riela Moser: Ökostromgesetz!)

Da wurden auch wiederum klare Ziele festgelegt, neben den 2 Millionen Arbeitsplätzen pro Jahr klare Ziele auch in der Energiepolitik, nämlich 20 Prozent Energiesparpotential bis zum Jahr 2020 oder Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energieträger. (Abg. Mag. Kogler: Haben Sie eine Maßnahme vorzuweisen?) Ich weiß schon, dass ihr das nicht hören wollt, aber das ist Wolfgang Schüssel gelungen: bis zum Jahr 2015 Erhö­hung auf 15 Prozent (Zwischenrufe bei den Grünen) und die Erhöhung beim Biokraft­stoff von 5,75 Prozent auf 8 Prozent bis zum Jahr 2015, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.


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Ja, ich weiß schon, euch fällt nichts Besseres dazu ein. Es könnte sein, dass der SPÖ noch Schlechteres dazu einfällt, nämlich beispielsweise 50 Prozent im ländlichen Raum wegzunehmen und damit 530 000 Arbeitsplätze zu gefährden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Öllinger und Dipl.-Ing. Kummerer.) Das ist Wirtschaftspolitik à la SPÖ, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Bundeskanzler Schüssel hat ja, wie ich meine, wirklich großartig für Österreich verhan­delt. Während wir die Mittel für den ländlichen Raum halten können, bekommen die Bayern um 45 Prozent weniger, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Öllin­ger: Da ist ja die CDU an der Regierung!) Das muss man auch einmal in aller Deutlich­keit in diesem Hause hier sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Riepl: Dass wir immer mehr Arbeitslose haben!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Regierung gibt pro Jahr in Österreich so viel für Arbeitsmarktmaßnahmen aus, wie SPÖ, ÖGB, BAWAG in der Karibik versenkt haben. Das gibt die Bundesregierung für Arbeitsmarktmaßnahmen aus.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, Herr Kollege Katzian, es war zwar Ihre Jungfernrede heute hier (Abg. Dr. Fekter: Darum haben wir uns zurückgehalten!), aber wenn Sie sagen, es geht uns nichts an, wie es mit dem ÖGB weitergeht, dann kann ich Ihnen nur sagen, das ist verantwortungslos, was Sie hier gesagt haben. Wir machen uns Sorgen um diese staatspolitisch wichtige Organisation des ÖGB (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – das sage ich auch als Bauernvertreter –, damit es auch in Zukunft eine funktionierende Sozialpartnerschaft in diesem Lande gibt. Wer uns das vorwirft, meine Damen und Herren, nimmt Verantwortung im ÖGB nicht wahr.

Frau Kollegin Bures, machen Sie sich keine Sorgen, dass Sie nach der nächsten Wahl in diesem Lande große Verantwortung tragen werden, denn das wird weiterhin die Ös­terreichische Volkspartei tun! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


14.05.49

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bures und Herr Kollege Bauer, ich glaube, Sie haben wirklich jeglichen Sinn für Realität verloren. Miss­wirtschaft müssen Sie nicht nur bei BAWAG und ÖGB verantworten, sondern schauen Sie nur einmal nach Wien, das SPÖ-regiert ist! Ein Vergleich der Arbeitslosenzahlen zeigt: Jede dritte arbeitslose Frau kommt aus Wien. Die Arbeitslosenquote bei Frauen ist nur in Wien gestiegen, Wien hat also eine sinkende Zahl bei der Frauenbeschäfti­gung, während sie in ganz Österreich steigt. Das ist die Realität in Wien, geprägt von einer SPÖ-regierten Arbeitsmarktpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In Österreich können wir heuer ein Beschäftigungs­wachstum von 1,3 Prozent erwarten, und das zeugt davon, dass es auch möglich sein muss, in der gesamten Europäischen Union ein Wachstum von 1 Prozent zu erzielen – allerdings nur dann, wenn wir in der gesamten Europäischen Union geeignete Maß­nahmen setzen, von denen viele in Österreich schon gesetzt wurden. Österreich ist in der Europäischen Union ein Vorzeigeland.

Aus einer brandneuen Studie geht hervor, dass Österreich, was die Wettbewerbsfähig­keit betrifft, den Sprung unter die Top 3 in der Europäischen Union geschafft hat. Frau Kollegin Sburny, diese Studie weist aus, dass Österreich gerade hinsichtlich Frauenbe­schäftigung eine Bestnote erhalten hat. Wir haben die höchste Frauenbeschäftigung in


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der gesamten Europäischen Union, noch vor Dänemark und Schweden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Sburny: Wie oft muss ich es denn noch erklä­ren!?)

Wahrscheinlich wäre diese Quote noch höher, würde man sich in Wien mehr anstren­gen. Ich habe es eingangs schon erwähnt, wie die tatsächlichen Arbeitslosen- und Be­schäftigungsquoten in Wien aussehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die EU hat auch erkannt, dass die Frauen in Zukunft Schlüsselkräfte sind. Österreich ist da auf dem richtigen Weg, und es ist ganz wichtig, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zukunft europaweit und insbesondere in Österreich noch mehr gefördert wird. Wir sind auch hier ein Vorzeigeland, denn ge­rade mit dem Kinderbetreuungsgeld sind wir ein Vorreiter, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, aber wir müssen noch mehr tun. Es muss noch eine bessere Zusammenarbeit mit den Betrieben, eine bessere Bewusstseinsbildung geben. Es muss ein Miteinander geben, es muss eine Win-win-Situation auf beiden Seiten sein, und zwar für Betriebe und für Arbeitnehmer, um familienfreundliche Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, viele Themen, die wir uns vorgenommen und auch schon umgesetzt haben, sind im europäischen Arbeitsprogramm enthalten. Dabei ist das Thema Forschung und Entwicklung ein sehr wichtiger Beitrag zu Wachstum und Be­schäftigung. Österreich hat eine sehr große Anstrengung unternommen, und wir sind auch da an vorderster Stelle, wenn es darum geht, die Steigerungsrate darzustellen, denn im Jahre 1999 unter einer SPÖ-Regierung waren Forschung und Entwicklung kein Thema. Wir waren meilenweit davon entfernt, jene Forschungs- und Entwicklungs­quote zu erreichen, die wir heuer ausweisen können, denn im Jahr 2005 hat diese Quote 2,35 Prozent betragen, während für heuer von der Statistik Austria eine For­schungs- und Entwicklungsquote von 2,5 prognostiziert wird, und das bedeutet wieder­um Wachstum und im weiteren Sinne Arbeitsplätze.

Hohes Haus! Österreich ist ein Vorzeigeland in der Europäischen Union, und hoffent­lich bewahrt es uns noch lange vor einer katastrophalen Wirtschaftspolitik dieser SPÖ. Wir hoffen, dass der erfolgreiche Weg dieser Regierung noch lange fortgesetzt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Mag. Hoscher. (Abg. Wittauer – in Richtung des sich zum Redner­pult begebenden Abg. Mag. Hoscher –: Vielleicht geht es ein bisschen schneller, oder?)

 


14.10.39

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Das werden aber wirklich nicht Sie bestimmen! Wenn Ihnen etwas nicht passt, dann müssen Sie ja nicht hier herinnen sein! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Geschwindigkeit meines Auftretens bestimme immer noch ich und nicht Sie, Herr Kollege Wittauer! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Kollegen Amon: Wenn Sie sich schon in die Gegenden der Ökonomie in Wien begeben, dann würde ich Sie ersuchen, sich vielleicht auch nach Niederösterreich zu begeben. Wenn Sie Ihrem Landeshauptmann dort klarmachen könnten, dass er für eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen für seine Landesbürgerinnen und -bürger sorgen könnte, dann müssten nicht 200 000 Niederösterreicherinnen und Niederöster­reicher nach Wien einpendeln, für die Wien Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren, diskutiert man über Beschäftigungs- und Wachstumschan­cen in der EU, kommt man relativ rasch und zwangsweise zu einer Branche – Gott sei Dank –, welche in Österreich zu den bedeutendsten Branchen zählt, nämlich zur Frei­zeit- und Tourismuswirtschaft. Allein in den neuen Mitgliedsstaaten schätzt die EU den Bedarf an neuen Arbeitsplätzen auf rund 3 Millionen. Immerhin entfallen in der EU be­reits jetzt 12 Prozent der Gesamtbeschäftigung auf den Freizeit- und Tourismussektor, vornehmlich im Bereich der KMU.

Österreich verfügt da zweifelsfrei über komparative Wettbewerbsvorteile. Dennoch darf man nicht die Augen davor verschließen, dass Österreich bei den internationalen Tou­rismusankünften Marktanteile verliert. Im Zeitraum 1990 bis 2002 sanken diese euro­paweit etwa von 6,8 Prozent auf 4,66 Prozent. Ohne jetzt dramatisieren zu wollen, muss ich doch sagen, es besteht da doch unzweifelhaft Handlungsbedarf. Nicht um­sonst hat Kommissar Verheugen bei der Tourismusministerkonferenz, die vergangene Woche in Wien stattgefunden hat, festgehalten, dass aus europäischer Sicht die Frei­zeit- und Tourismuswirtschaft eine Schlüsselindustrie darstellt, und dies ohne die Sub­sidiarität in Frage zu stellen.

Zahllose Aspekte der Branche beziehen sich nämlich auf die europäische Ebene. Das sind Fragen wie Ferienzeitenstaffelung, internationale Verkehrsplanung, Alpenkonven­tion, steuerliche Aspekte wie die Frage des ermäßigten Umsatzsteuersatzes, Finanzie­rungsfragen wie Basel II bis hin zur Problematik der Inanspruchnahme von Kofinanzie­rungsmitteln, wo die heimische Tourismuswirtschaft erheblichen Nachholbedarf und noch große Chancen hat. So waren es etwa im Zeitraum 2000 bis 2004 knapp 80 Pro­jekte mit nicht einmal 10 Millionen €, die da in Anspruch genommen wurden.

Ich glaube, Österreich sollte die Speerspitze bei der Unterstützung von Kommissar Verheugen in seiner Strategie zur Förderung des Tourismus in Europa darstellen. Ich hätte mir da von der österreichischen Ratspräsidentschaft wesentlich mehr Engage­ment gewünscht als die bloße Abhaltung einer knapp zweitägigen Konferenz.

Eines der konkreten Probleme, welche die EU in diesem Bereich thematisiert, ist die Nachfolgeproblematik bei den KMUs. Und auch in Österreich stehen, wie wir wissen, in dieser Branche in den nächsten Jahren Tausende Betriebe vor der Übergabe. Die EU denkt hier etwa an nationale Nachfolgebörsen oder auch an moderne Beratungs­systeme. Auch wir haben hiezu Anträge, etwa zur Gewerbeordnung, eingebracht, die selbstverständlich, möchte ich fast sagen, von den Regierungsparteien wie immer ignoriert wurden. (Abg. Wattaul: Weil ihr keine Kompetenz habt!)

Abschließend auch noch zum Kollegen Stummvoll. Herr Kollege Stummvoll hat gestern im Rahmen der ersten Lesung zum Einkommensteuergesetz gemeint, dass ich es mir einfach mache, ich würde hier den Lobbyisten des Tourismus abgeben. – Zum Ersten bin ich Tourismussprecher, das ist meine Aufgabe. Und zum Zweiten sage ich Ihnen, Herr Kollege Stummvoll, ich bin stolz darauf, für diese Branche zu lobbyieren. Es sind nämlich Hunderttausende fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Zehntausende ebenso fleißige und erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Aber keine roten!) Dass es die ÖVP aufgegeben hat, in diesem Bereich zu lobbyieren, das ist ihr Problem. – Mich werden Sie davon nicht abhalten! (Beifall bei der SPÖ.)

14.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


14.14.46

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich kurz zu einigen Redebeiträgen von Abgeord-


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neten Stellung nehme. Ich komme noch einmal auf das letztlich oberste Ziel unserer Ratspräsidentschaft zurück: im Rahmen der Lissabon-Strategie einen Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung voranzutreiben und als Ergebnis letztlich dann einen Beitrag zu mehr Beschäftigung, vor allem in Europa, zu leisten. Das ist und muss unser oberstes Gebot sein.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, Sie irren, wenn Sie hier behauptet haben, es wäre aus dem Thema Lissabon, aus dem Aktionsplan für mehr Wachstum und Beschäftigung die Förderung des sozialen Zusammenhaltes herausgefallen, gestrichen worden. Ich darf Sie alleine auf die Seiten 23 und 24 der Gipfelerklärung verweisen, zwei Seiten der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Förderung des sozia­len Zusammenhaltes, wo ausdrücklich davon gesprochen wird, dass es um die Schaf­fung von Arbeitsplätzen geht, bei der Wettbewerbsfähigkeit, aber auch sozialer Zusam­menhalt erzielt werden.

Sozial ist, Herr Abgeordneter Öllinger, was Arbeit schafft. Das gilt nicht erst seit ges­tern, das haben europäische Staats- und Regierungschefs schon im Jahr 2005 gesagt, als sie im Rahmen ihrer Halbzeitüberprüfung darauf hingewiesen haben, dass Wachs­tum und Beschäftigung, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Dienste des sozi­alen Zusammenhaltes stehen. Also da hat sich an der Prioritätenreihung der Europäi­schen Union nichts geändert. Das an die Adresse von Herrn Abgeordnetem Öllinger.

Wenn Sie und die Grünen Österreichs im Übrigen in diesem Lande alleine der Meinung sind, dass wir sehr kurzfristig die Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit aufheben könnten, dann sei Ihnen das unbenommen. Aber da sage ich schon, Öster­reich ist hier exponiert. Wir haben die bei weitem längste Grenze mit neuen Mitglieds­staaten. Die Engländer haben sich massiv verschätzt, das dortige Innenministerium hat gemeint, 13 000 Polen würden kommen – 300 000 sind gekommen. Wir haben einen Arbeitsmarkt, der sich keinesfalls so erfreulich entwickelt, wie ich und Sie sich das vor­stellen würden. Daher sehen wir uns gezwungen, bis auf Weiteres von diesen Über­gangsfristen in Sachen Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch zu machen. Es geht nicht anders.

Ganz abgesehen davon, dass wir natürlich in vielen Bereichen die Grenzen öffnen, auch in unserem eigenen Interesse. Es gibt keine Quoten mehr für Schlüsselkräfte aus den neuen Mitgliedsstaaten. Junge Menschen, die in Österreich die Schule abschlie­ßen, können hier bleiben und arbeiten. Es gibt Grenzgängerabkommen und Praktikan­tenabkommen mit unseren Nachbarn. Wir werden das Schritt für Schritt und so, wie es möglich ist, ausweiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da hat mir der Aufschrei der Gewerkschafts­vertreter gefehlt – aber sie sind augenscheinlich mit anderen Problemen beschäftigt, ich verstehe das –, wenn die Grünen einmal mehr einen gesetzlichen Mindestlohn for­dern. – Ja wollen wir denn das in Österreich? Ich weiß schon, anderswo in Europa gibt es das. Aber ist denn das der gescheitere Weg? – Ich glaube, nein. Ich glaube, es ist die sozialpartnerschaftliche Lohnfindung, nämlich auf Kollektivvertragsebene, der bes­sere Weg. Man ist letztlich besser in der Lage, auf Bedürfnisse von einzelnen Bran­chen, auf Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen.

Wenn wir uns einmal im Jahr hier versammeln würden, um über einen gesetzlichen Mindestlohn zu diskutieren und ihn auf politischer Ebene zu erhöhen, dann wäre das für Österreichs Arbeitnehmer, aber auch für den Standort und die Arbeitsplätze insge­samt aus meiner Sicht ganz sicher der schlechtere Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Sehr verehrte Frau Abgeordnete Bures, schade, dass Sie das Thema Jugendarbeitslo­sigkeit zum Anlass genommen haben, hier einmal mehr falsche Zahlen in die Welt zu


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setzen; Sie sprachen von 70 000 im Schnitt des Jahres 2005. – Das ist viel zu hoch: Es waren 41 500. Im Februar 2006 sind es, saisonal bedingt, etwas mehr, aber es wird Sie sicherlich gemeinsam mit mir freuen, dass die Jugendarbeitslosigkeit seit einigen Monaten bereits letztlich auf Grund von Maßnahmen, die wir mit Ihnen, mit der Sozial­demokratie, immer gemeinsam beschlossen haben – da sind Sie überall mitgegan­gen –, rückläufig ist.

Genauso hat die Sozialdemokratie, sehr geehrte Frau Abgeordnete Sburny, auch beim größten Qualifizierungspaket der Zweiten Republik mitgestimmt, das 285 Millionen € für die Qualifizierung von Menschen in Österreich beinhaltet hat. Es stimmt überhaupt nicht, was Sie da sagen, dass die Kommission da kommentieren würde, da sei wenig Konkretes darin. Das wird von der Kommission ausdrücklich als europäisches Best-Practice-Modell herausgestrichen, es werden Lob und Anerkennung dafür geäußert, weil wir hier relativ sehr viel Geld in Hand nehmen – und die Wirkung zeigt sich schon, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Tourismus ist ein wichtiges Thema, da stimme ich ganz mit Herrn Kollegen Hoscher überein. Es hätte mich gefreut, Sie bei dieser wichtigen zweitägigen Tourismusminis­terkonferenz länger zu sehen, aber angemeldet waren Sie immerhin.

Die Frauenbeschäftigung – das wissen alle Expertinnen und Experten im Hohen Hau­se – ist in Österreich im Europaschnitt überdurchschnittlich gut, und sie steigt. Das ist wichtig, das unterstützen wir, das gehört sich auch.

Insgesamt kann ich Ihnen sagen, dass letztlich dieses Qualifizierungspaket auf der einen Seite und das Wachstum auf der anderen Seite, das in den letzten Monaten doch etwas angezogen hat – und da ist Deutschland von Bedeutung, da ist der stär­kere Konsum in Österreich von Bedeutung, da ist die bessere Performance der Euro­päischen Union von Bedeutung –, zu einer weiteren Entspannung am Arbeitsmarkt füh­ren, sodass ich davon ausgehe, dass die Zahlen von Monat zu Monat besser werden.

Per Ende Februar konnte ich Ihnen berichten, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit fast gestoppt ist – ich gehe davon aus, Ihnen per Ende März sagen zu können, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit in diesem Land jedenfalls einmal gestoppt sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


14.20.49

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs eine tatsächliche Berichtigung auf die Aus­sagen von Herrn Mag. Hoscher: Wien hat jetzt gleich viele Arbeitsplätze wie 1956 (Oh-Rufe bei der ÖVP), und ich denke, wir schreiben heute 2006!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der „Kurier“ schreibt in seiner Ausgabe vom 20. März 2006 – ich zitiere –:

„Europa kommt auf seinem Weg zu mehr Jobs und Wachstum kaum vom Fleck, doch innerhalb der Union gibt es Gazellen und Schnecken – Österreich ist im Vorjahr unter die Top Drei aufgerückt“, also eine Gazelle, mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Bravo!) Damit liegen wir knapp hinter Däne­mark und Schweden.

An Österreich wurden auch sozusagen Bestnoten vergeben, unter anderem in der Ka­tegorie Frauenbeschäftigung, Energieeffizienz und Schulabschlüsse. (Abg. Öllinger:


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Waren Sie in der Kommission drinnen? Schulabschlüsse!) – Lesen Sie nach im „Ku­rier“! Vielleicht lügt der „Kurier“?! Sagen Sie das!

Österreich liegt auch bei der Frauenarbeitslosigkeit in Europa an vierter Stelle – das wurde schon erwähnt –, hinter Irland, Großbritannien und den Niederlanden. Und dank Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der Beschäftigungsinitiative von Bundesminis­ter Bartenstein „Unternehmen Arbeitsplatz“ werden an die 300 Millionen € zusätzlich zur Basisförderung dem AMS zur Verfügung gestellt. – Das ist das größte Arbeits­markt-Maßnahmenpaket, das tatsächlich beispiellos in Europa ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, Österreich mit Wolfgang Schüssel ist auch mensch­licher! Nehmen wir zum Beispiel Deutschland her: Als in Deutschland noch die Sozia­listen am Ruder waren, gab es täglich 1 000 Arbeitsplätze weniger, in Österreich dage­gen gibt es pro Tag um 100 Arbeitsplätze mehr.

Oder Irland: Dieses Land hat zwar die niedrigste Arbeitslosenquote – minus 4,3 Pro­zent –, dafür aber eine Frauenarbeitsquote von nur 56,5 Prozent. Auch wenn es Kol­legin Sburny nicht hören will: Österreich hat hingegen eine Frauenarbeitsquote von 60,7 Prozent. (Abg. Sburny: Ja, aber die Arbeitsplätze sind keine Vollarbeitsplätze!) – Ich komme noch dazu, Sie auch aufzuklären.

Uns in Österreich ist die Familienförderung auch ein Herzensanliegen. Ich zitiere das „profil“ vom 27. März, zwar nicht die Titelgeschichte, aber doch einiges dazu:

„Kinder sind teuer, weshalb auch der Staat tief in die Tasche greift.“ Und wenn der kleine Paul in den Kindergarten kommt im vierten Lebensjahr, dann sind fast 25 000 € vom Staat in die Geldbörse der Eltern geflossen. – Ich denke, das ist eine Maßnahme, die sich wirklich zeigen lässt.

Auch haben wir die Elternteilzeit eingeführt. Eine Erhebung des Fessel-Institutes im Sommer 2005 hat ergeben, dass von den in Teilzeit Arbeitenden oder geringfügig Beschäftigten 66 Prozent mit ihrer Teilzeitarbeit zufrieden sind, bei den Frauen sogar 70 Prozent. Und 80 Prozent der Teilzeit beschäftigten Männer sowie Frauen möchten eine gewisse Zeit nicht Vollzeit beschäftigt sein. – Das müssen wir akzeptieren! Wir haben nicht über Väter und Mütter zu bestimmen! (Abg. Steibl: Sie bestimmen!) Das ist eine freie Entscheidung, die Eltern treffen!

Wenn Arbeiterkammerpräsident Tumpel in einer APA-Meldung behauptet, dass nur 15 Prozent freiwillig Teilzeit arbeiten, weil sie nicht Vollzeit arbeiten wollen, so ist dies schlichtweg falsch und wird durch diese Umfrage – siehe Fessel-Institut – eindeutig widerlegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sozial ist, was Arbeit schafft! Wir haben auch die „Abfertigung neu“ eingeführt und vieles mehr. Was aber hat die SPÖ ge­macht, die sich als die soziale Partei bezeichnet? – Sie kritisiert die Pensionsreform und die familien- und sozialpolitischen Maßnahmen, will nicht sehen, dass wir an der Europaspitze sind, sie investiert in Gagen und Pensionsgelder ihrer Funktionäre, sie verspielt Gewerkschaftsgelder in der Karibik. Die SPÖ hat in diesem Bereich schlicht­weg die Glaubwürdigkeit verloren!

Ich sage Ihnen: Es gibt ein Sorgenkind, ja! – Das ist der Wiener Arbeitsmarkt mit einem sozialistischen Bürgermeister. Jede dritte arbeitslose Frau kommt aus Wien. Unser Sorgenkind ist der ARBÖ, wo an die 700 MitarbeiterInnen auf die Straße gestellt wer­den könnten. Unser Sorgenkind sind die BAWAG, der ÖGB. Unser Sorgenkind ist die Misswirtschaft der SPÖ – mit einer Doppelmoral, wie sie weiter nicht geht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.26



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


14.26.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Österreich hat im internationalen Ver­gleich und innerhalb Europas, wie ich meine, eine sehr gute Position und ist gut aufge­stellt: Bei allen wesentlichen Kenndaten, Wirtschaftskennzahlen liegen wir im Spitzen­bereich, bei den Beschäftigungszahlen und auch, was die Arbeitslosenquote anlangt, liegen wir im internationalen, im europäischen Vergleich gut, ebenso was den Bereich Forschung und Entwicklung anlangt und Investitionen in die Infrastruktur.

Trotz dieses Vergleiches, geschätzte Damen und Herren, ist es und bleibt es eine Her­ausforderung dieser Bundesregierung, weiter dafür Sorge zu tragen, dass sich diese unsere Wirtschaftsdaten weiter verbessern, dass wir eine noch bessere Position ein­nehmen. – Dies ist letztlich das Ergebnis der effizienten Reformarbeit dieser Bundes­regierung.

Nun gibt es das nun mittlerweile allseits bekannte Wirtschaftsprogramm der SPÖ: Alf­red Gusenbauer mit seiner SPÖ tritt auf den Plan und bietet Lösungen an – Lösungen, in denen es darum geht, dass es in Europa an der Zeit ist zu teilen, eine Umverteilung über das Steuersystem vorzunehmen.

Geschätzte Damen und Herren, es geht dabei um eine Harmonisierung der Unter­nehmenssteuern mit Basis einheitlicher Bemessungsgrundlage, um eine einheitliche Wirtschaftspolitik. Wir möchten sicherlich eines nicht: ein europäisches Pendant zum sowjetischen Fünfjahresplan. Wir wollen keine Planwirtschaft in Europa, wir sagen entschieden nein dazu!

Es gibt zwei Gründe, nämlich einmal: Es soll und muss, um erfolgreich zu sein – so wie es diese Bundesregierung macht –, nationalstaatliche Gestaltungsmöglichkeiten ge­ben. Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir den Anforderungen gerecht werden, indem es Pakete für Wachstum und Beschäftigung gegeben hat. Diese Bun­desregierung hat die größte Steuerreform in der Zweiten Republik umgesetzt.

Und, geschätzte Damen und Herren – das ist der zweite Grund –, wir wollen nicht, dass nationalstaatliche Regierungen die Möglichkeit haben, ihre Untätigkeit, ihr Unver­mögen, ihren Stillstand nach Brüssel abzuschieben, darauf zu verweisen, dass das die Vorgaben aus Brüssel wären.

Die Wirtschaftskompetenz der SPÖ spiegelt sich natürlich auch wider – von der „Kon­sum“-Pleite angefangen bis zum ÖGB/BAWAG-Skandal mit AK-Beteiligung, zumin­dest, wenn ich die Aufsichtsratstätigkeit des AK-Präsidenten Tumpel nehme. Sonst war es natürlich immer so, dass gerade dieser Bereich – der ÖGB, die Arbeiterkammer – als Vorfeld-Organisationen der Sozialdemokraten betrachtet wurden, heute wird Kin­desweglegung begangen.

Heute wird Kindesweglegung begangen: Wir haben es heute vom Kollegen Maier ge­hört, gestern von Cap, von Puswald, von Wittmann, von Matznetter und schuld ist, wie wir hören konnten, Bundesminister Grasser. Das heißt, hier findet eine Vertauschung von Opfer- und Täterrolle statt.

Offensichtlich hat auch der ÖGB eine Anleihe in Deutschland – man blickt ja oft über die Grenzen und schaut woanders hin, wo es angeblich noch besser ist – genommen, zumindest wenn man die Berichte der Medien verfolgt. In diesen wird berichtet, dass die Gewerkschaftsholding BGAG nun ja verkauft wurde. Es ging darum, dass diese Gewerkschaftsholding letztlich dafür Sorge tragen musste, die Allgemeine Hypothe­kenBank Rheinboden, die völlig marod war, an den Mann zu bringen. Dazu waren ent-


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sprechende Mittel – ich nehme an, eben auch jene Beiträge der Gewerkschaftsmitglie­der – erforderlich. Es gab eine frische Kreditaufnahme über 2,5 Milliarden €, um die Pleite abzuwenden, weitere 2,4 Milliarden € hat die Gewerkschaft in Deutschland zuge­schossen.

Geschätzte Damen und Herren, ein weiterer Beweis für die „Wirtschaftskompetenz“ der SPÖ ist einer heutigen APA-Meldung zu entnehmen. Da geht es um die so genannte Sauna-Affäre, um Geschäftsbeziehungen von Ex-Politikern und rund um den Wiener Kriminalisten Ernst Geiger. Geschäftsbeziehungen zum FKK-Sauna-Geschäftsführer unterhielt der frühere Innenminister Mag. Karl Schlögl genauso wie Andreas Stari­bacher, der jetzt erst, am 10. März, offensichtlich seine Beteiligung an der Firma über diese Privatstiftung aufgegeben hat, genauso wie Ex-Staatssekretär Peter Wittmann, der momentan leider nicht im Saal ist. (Ah-Rufe bei der ÖVP.)

Und dann stellen sich Vertreter der Sozialdemokratie hier an dieses Rednerpult und sprechen über die Arbeitsbedingungen von Frauen. Wenn das, geschätzte Damen und Herren der Sozialdemokratie, Ihre Art ist, Qualitätsarbeitsplätze in Österreich zu schaf­fen, dann, denke ich (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist der Gipfel!), schlägt das dem Fass den Boden aus! Ich gehe nicht davon aus, dass Sie in Ihrer praktischen oder privaten Tätigkeit damit versuchen, die Frauenarbeitsquote zu steigern.

Geschätzte Damen und Herren! Der Europäische Rat hat vergangene Woche klare Be­schlüsse zum Vorrang für Beschäftigung und Wachstum gefasst. Ich erlaube mir, nach­dem der Antrag der Abgeordneten Amon, Hofmann, Kolleginnen und Kollegen bereits verteilt wurde, diesen Entschließungsantrag kurz in seinen wesentlichen Punkten zu erläutern.

Darin unterstützt der Nationalrat die Gipfelergebnisse, die auch in Österreich konse­quent einer Umsetzung zugeführt werden sollen. Es geht um zehn Millionen neue Ar­beitsplätze, die innerhalb der EU bis zum Jahr 2010 geschaffen werden sollen. Es geht um Beschäftigungs- und Ausbildungsgarantien für die Jugend. Ein Schwerpunkt betrifft mittelständische kleine und mittlere Unternehmen. Es geht weiters um Forschungsini­tiativen und es geht auch darum, den erfolgreichen Weg betreffend erneuerbare Ener­gie und Energiesparen fortzusetzen, sowie um die Einbindung der Sozialpartner auf der europäischen Ebene.

Geschätzte Damen und Herren! Diese Bundesregierung ist als Reformregierung ange­treten. Wir haben für dieses Land Gutes getan und wir werden das auch in Zukunft so halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläu­terte Entschließungsantrag der Abgeordneten Amon, Dipl.-Ing. Hofmann wurde schrift­lich überreicht und ist genügend unterstützt. Er steht daher mit in Verhandlung. Im Hin­blick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsord­nung vervielfältigen und verteilen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Vorrang für Beschäftigung und Wachstum – Klare Beschlüsse beim Europäischen Rat 23. und 24. März 2006


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eingebracht in der Nationalratssitzung am 30. März 2006 im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 2 „Neue Impulse für die Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der EU und in Österreich“

Der österreichische Vorsitz hat sich vorgenommen, konkrete Lösungen anzubieten und die Mitgliedstaaten zu ermutigen, Selbstverpflichtungen anzunehmen, damit wir die ge­meinsamen Ziele zur Steigerung von Wachstum und Beschäftigung erreichen können. Europa wird letztlich an der Realisierung unserer Ziele gemessen.

Zum ersten Mal haben auf Einladung des österreichischen Vorsitzes die europäischen Sozialpartner und der Präsident der Europäischen Zentralbank am Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs teilgenommen. Das europäische Sozialmodell, die Ein­bindung der Sozialpartner ist ein wichtiges Thema in Europa geworden.

Als wichtige in den Schlussfolgerungen verabschiedete Punkte sind die Maßnahmen zur Steigerung von Wachstum und Beschäftigung zu nennen. Bis zum Jahr 2010 sollen pro Jahr 2 Millionen neue Jobs geschaffen werden. Ebenso ist es ein zentrales Anlie­gen, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken, sowie die Arbeitssituation junger Menschen zu verbessern. So wurde beschlossen, den Anteil der Schulabbrecher auf 10% zu ver­ringern. Zudem soll jedem arbeitslosen Schulabgänger bis Ende 2007 innerhalb von sechs Monaten eine Arbeitsstelle, eine Lehrstelle, eine Weiterbildung oder eine andere berufsvorbereitende Maßnahme angeboten werden. Bis 2010 sollen diese sechs Mo­nate auf vier verkürzt werden.

Ein Schwerpunkt der Schlussfolgerungen liegt in den klaren Zielen im Bereich For­schung und Technologieentwicklung. So wurde das gemeinsame Gesamtziel, eine For­schungsquote von 3% unter der Berücksichtigung der verschiedenen Ausgangspositio­nen der Mitgliedstaaten bis 2010 zu erreichen, festgeschrieben. Damit mehr und bes­sere Ressourcen zur Verfügung stehen, sollen die Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Mittel verstärkt in Forschung und Entwicklung fließen lassen. Ebenso sollen Maßnah­men des privaten Sektors im Bereich Forschung und Entwicklung durch eine bessere Mischung der Förderinstrumente unterstützt werden. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich unter anderem auch zu einer zügigen Annahme des 7. Forschungsrahmenpro­gramms, zur Errichtung des Europäischen Forschungsrates sowie  zur verstärkten För­derung der Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Ebenso wird die Errichtung eines europäischen Technologieinstituts unterstützt.

Zur Förderung und Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe hat der Europäische Rat unter anderem bis 2007 die Verankerung des „one-stop-shop“- Prinzips beschlos­sen. Ebenso soll angestrebt werden, dass bis Ende 2007 überall in der EU ein Unter­nehmen innerhalb einer Woche gegründet werden kann.

Im Mittelpunkt der Gespräche stand auch eine gemeinsame Energiepolitik, die nun in den Schlussfolgerungen festgeschrieben wurde. So sollen unter anderem der grenz­überschreitende Energieaustausch auf 10% der installierten Produktionskapazität der Mitgliedstaaten erhöht werden. Der Anteil der erneuerbaren Energie soll entsprechend einer Analyse der Europäischen Kommission auf 15% sowie der Anteil der Biotreib­stoffe auf 8% bis 2015 erhöht werden. Die Energieeinsparung ist in diesem Zusam­menhang das wichtigste Thema. Innerhalb von 15 Jahren sollen 20% an Energie ein­gespart werden, diese Zielsetzung ist ein weit reichender Beschluss. Gerade die Ener­giepolitik ist ein Musterbeispiel dafür, dass alle Institutionen zusammenarbeiten müs­sen, damit etwas Neues entwickelt werden kann.

Schließlich wurde der Vorschlag des Europäischen Parlaments zur Dienstleistungs­richtlinie von den Staats- und Regierungschefs gemeinsam unterstützt.


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144. Sitzung / Seite 75

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt die zukunftsorientierten und richtungweisenden Ergebnisse des Europäischen Rates vom 23. und 24. März 2006 und ersucht die Bundesregierung,

Beschäftigung und Wachstum weiterhin Priorität einzuräumen, für die konsequente Umsetzung der beschlossenen Ziele einzutreten, um in Europa jährlich 2 Millionen und bis 2010 insgesamt 10 Mio. Arbeitsplätze zu schaffen und um die Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsgarantie für Jugendliche so rasch als möglich umzusetzen, und – auch wenn Österreich schon jetzt hinsichtlich Beschäftigung auch der Jugend einen Spitzen­platz in Europa einnimmt – die konsequente Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik fortzuführen;

der Förderung des sozialen Zusammenhalts, insbesondere im Bereich der Vereinbar­keit von Beruf und Familie, der Solidarität zwischen den Generationen, der Förderung der Gesundheit, Chancengleichheit und des lebenslangen Lernens so wie bisher einen sehr hohen Stellenwert zukommen zu lassen;

die nunmehr auch auf europäischer Ebene gelungene Verankerung des Schwerpunk­tes für Kleine und Mittlere Unternehmen zur vollen Entfaltung des Wachstums-, Be­schäftigungs-, Innovations- und Exportpotenzials dieser Unternehmen auch in Öster­reich entschlossen zu nützen und die investitionsfördernde und arbeitsplatzsichernde bzw. -schaffende Politik sowie den mit der Steuerreform eingeschlagenen Weg einer Vereinfachung des Steuersystems und steuerlichen Entlastung mit dem Ziel der Ab­senkung der Abgabenquote bis 2010 auf unter 40 Prozent konsequent fortzusetzen;

das gemeinsame Ziel, eine Forschungsquote von 3% bis 2010 zu erreichen, aktiv und durch innerstaatliche Maßnahmen zu unterstützen;

in der Energiepolitik weiterhin die zukunftsorientierte österreichische Position, die auf Energieeinsparung und auf erneuerbare Energieträger setzt, zu vertreten und die ös­terreichischen Anti-Atompolitik konsequent weiterzuverfolgen;

die verstärkte Einbindung der Sozialpartner in die politischen Entscheidungsprozesse, auf europäischer Ebene weiter zu entwickeln.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Ich erteile es ihr.

 


14.35.05

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hofmann, es gibt wirklich nichts, was es nicht gibt – auch bei den neuen Impulsen für die Beschäftigungs- und Wachstums­politik. Aber auch da ist genau aufzupassen. Es zeigt sich im Rahmen des gemeinsa­men Binnenmarktes sehr genau, dass es auch neue Impulse von Sozialdumping und Wettbewerbsverzerrung gibt.

Warum sage ich das? – Ein Beispiel aus meiner Region, aus dem Innviertel bezie­hungsweise aus dem grenznahen Bayern. Das ist nicht etwas, was ich jetzt erfinde, sondern die „Oberösterreichischen Nachrichten“ titelten am 3. März sehr groß: „Die Bayern bedrohen unsere Jobs durch Gratisarbeit“.


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Was ist passiert, geschätzte Kolleginnen und Kollegen? Worauf ist aufzupassen? – Für den Bau der Umfahrung Altheim hat ein deutsches Bauunternehmen die Ausschrei­bung gewonnen. Im Nachhinein ist man draufgekommen, dass die Arbeitnehmer der deutschen Baufirma zwölf Stunden im Monat zum Wohle der Firma zu arbeiten haben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn das so weitergeht, was ist dann los? – Sozialdumping droht; es spielt sich alles auf dem Rücken der Arbeitnehmer ab, es spielt sich alles auf dem Rücken der österreichischen Unternehmen ab, die da nicht mitkommen, die da nicht mitwollen und auch nicht mitsollen.

Ich würde Sie wirklich bitten, Herr Bundesminister, dass zur Dienstleistungsrichtlinie, die jetzt endlich im Parlament durch ist, umgehend und rasch hier im Haus ein Umset­zungsgesetz beschlossen wird. Die Lissabon-Prozesse zu beleben, also dieses Gerüst zu befüllen, das ist Aufgabe der nationalen Staaten!

Und genau dieser Auswuchs, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, der sich wirklich im Sozialdumpingbereich abspielt, gehört durch ein Umsetzungsgesetz entsprechend verhindert. Es hat mittlerweile eine Besprechung zwischen Österreich und Bayern statt­gefunden. Im benachbarten Bayern ist es bereits üblich, dass die Unternehmen aus den offiziellen Tarifmodellen aussteigen, die betroffenen Arbeitnehmer willigen ein – no na, lieber ein paar Stunden gratis arbeiten als den Arbeitsplatz zu verlieren. Und mit niedrigeren Kosten im Rücken stechen die Bayern dann unsere Unternehmen aus und unsere Arbeitnehmer haben das mitzutragen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht das Europa, das wir uns für unsere Arbeitnehmer wünschen. Das ist nicht das Europa, das wir uns für unsere Unterneh­men wünschen. Wir wollen ein Europa, das im Gleichklang Wettbewerb, soziale Si­cherheit und Beschäftigungsmöglichkeiten schafft. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Mag. Kogler. Ich erteile es ihm.

 


14.38.20

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Debatte um die Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der EU ist ja phasenwei­se wieder auf die Sauna und die BAWAG reduziert worden. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir dürfen uns natürlich nicht wundern, wenn insgesamt keine tatsächlich tragfähigere Übereinstimmung über zunächst einmal nur relevante Fragestellungen, geschweige denn über die Antworten, was EU-Wirtschaftspolitik betrifft, gefunden wird.– So wird das nicht weiterführend sein. (Beifall bei den Grünen.)

Ich muss Sie aber auf etwas aufmerksam machen, weil das ja aktuell ist. Der Herr Bun­deskanzler hat heute, wie ich dem Fernsehen entnehmen konnte, anlässlich seiner routinemäßigen Ministerrats-PK, was die BAWAG betrifft, verkündet – da sind wir uns offensichtlich wirklich einig, alle vier Fraktionen –, dass endlich auch einmal Nach­schau zu halten ist – von mir aus Stichwort „BAWAG“ –, was eigentlich in diesem Land die Wirtschaftsprüfer, in diesem Falle die Bankenprüfer tun. Da ist wieder einmal die rühmliche KPMG zu nennen (Abg. Dr. Fekter: Ja!), die, von der EStAG angefangen – das ist Ihnen ohnehin vertraut, ja danke –, überall dabei ist, wo es nur schief geht.

Das wundert mich nicht: wenn Sie sich anschauen, wie zum Beispiel in der Steiermark eine Sparkasse nach der anderen unter Preis „verklopft“ wird, zum Nutzen des Herrn Treichl am Schluss – es bleibt also ohnehin alles in Österreich, nur wird dort einer wirt­schaftsschwachen Region tresorweise das Geld unter dem Hintern davongetragen. Es


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144. Sitzung / Seite 77

ist immer die KPMG dabei. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das wäre ein interessanter Vorgang, wenn diese Dinge geprüft werden, da gebe ich dem Kanzler Recht.

Noch interessanter ist – weil es da um staatliche Verantwortung geht –, was diese Ban­kenkommissare eigentlich tun, wenn der Tag lang ist; da hat es viele Tage gegeben. Und was ist eigentlich mit der Bankenaufsicht, der nunmehrigen Finanzmarktaufsicht, die damals noch direkt der Verantwortung des Finanzministers unterstanden ist – jetzt gibt es ja eine andere Konstruktion –? Das ist wirklich eine lohnenswerte Frage.

Sollte Herr Vizekanzler Gorbach noch einmal auf die Idee kommen, einen Untersu­chungsausschuss in dieser Sache zu verlangen, dann wird er vermutlich draufkom­men, dass weniger in der BAWAG herumzustieren ist – denn dort gibt es keine Bun­desvollziehung –, dass aber sehr wohl im Hinblick darauf herumzustieren ist, was eigentlich im Finanzministerium und in der beauftragten Notenbank vorgegangen ist, wo ja Testate vorgelegen sind, die tatsächlich schon im Jahr 2001 darauf schließen lie­ßen, dass es da vorn und hinten nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.

Also danke schön für das Stichwort „BAWAG“! Ich konnte es mir jetzt nicht verkneifen, die Redezeit auch dafür zu verwenden. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt zur europäischen Frage: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Opfer unserer eigenen statistischen Spielereien werden, so ähnlich wie Opfer der eigenen Propagan­da – so etwas kommt ja auch öfters vor. Frau Kollegin Steibl, wenn es so ist, wie es jetzt in dieser Statistik geführt wird, dann wäre es ja super! Stichwort Frauenbeschäfti­gung: Würden aus den vielen Zehn-Stunden-Beschäftigungsverhältnissen oder Fünf-Stunden-Beschäftigungsverhältnissen Drei- oder Zwei-Stunden-Beschäftigungsverhält­nisse werden, dann würden diese auch noch in der Beschäftigtenstatistik auftauchen, und dann wären es gleich noch mehr. Also ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ja, stimmt!)

Was stimmt? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Geringfügig Beschäftigte sind nicht in der Statistik!) Wie weit gehen die? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Geringfügig Be­schäftigte – also 333 € pro Monat – sind nicht in der Statistik!) Ja, aber nach der EU-Statistik – also geringfügig Beschäftigte werden nicht erfasst; ich glaube, Sie rekurrie­ren auf die hier noch bessere österreichische Lage. Aber meines Wissens ist es auf EU-Ebene so, dass man schon mit über einer Stunde in der Statistik geführt wird, und da sieht man ja, wo das hinführt. (Abg. Öllinger: Jawohl! Genau!)

Wir müssen also aufpassen – ich nehme ja niemanden aus –, dass wir nicht selbst auf irgendeinem Statistik-Schrotthaufen oben Platz nehmen und uns dann bei unseren Analysen wundern, wenn wir dauernd hinunterrutschen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt noch einmal zu den Zusammenhängen auf der EU-Ebene: Wenn man darüber nachdenkt, was dieser so genannte Lissabon-Prozess – „Strategie“ halte ich da begriff­lich für wesentlich übertrieben – auslösen könnte, dann kommt man immer wieder zu dem Befund, dass hier, entweder absichtlich oder vielleicht unabsichtlich, etwas nicht zusammenstimmt. In der ersten Phase hatten wir eine wunderbare Wunschliste von Zielen. Das hat aber überhaupt niemanden dazu gebracht, dass man adäquate Maß­nahmen dazu bündeln wollte. Jedenfalls war das mein Eindruck und auch unsere Kri­tik.

In der zweiten Phase war es mit den Maßnahmenbündelungen zugegebenermaßen eine Spur besser, auch Kriterien sind erfunden worden – aber haltet ein, das Ganze hat eine deutliche Schlagseite bekommen! Es wird ausschließlich auf die nationalen Kompetenzen rekurriert, was ja in bestimmten Dingen nicht falsch ist. Gerade im Mikro­bereich, im Bereich von Fragestellungen zur Regulierung oder Deregulierung – jetzt Wurscht, von welcher ideologischen Seite –, gehört das sicher auch dorthin. Aber dort,


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144. Sitzung / Seite 78

wo Makromaßnahmen notwendig sind, ist natürlich die Union als Ganzes immer mehr gefordert. Dort geschieht jedoch gar nichts!

Nein, man gibt sich selbst unter dem Stichwort „Lissabon-Prozess“ einen Freibrief in die Hand, dass endlich alle nationalen Regierungen tätig werden sollen, und wir müs­sen hier bei uns anfangen. Das ist in bestimmten Bereichen auch richtig, nur führt es dazu, dass man sich selbst leichter in diese falsche Vorstellung flüchten kann, dass Makropolitik auch in kleineren offenen Volkswirtschaften – gerade so wie Österreich – effizient betrieben werden könnte. Das geht aber nicht! Dies steht sogar in jedem Lehr­buch, es wird aber diese Einsicht über den ganzen Lissabon-Nebel, der da dauernd verbreitet wird, ausgehöhlt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt frage ich mich das ein zweites Mal, und schön langsam komme ich wirklich zu dieser Antwort: Das kann ja nur mehr Absicht sein! Denn es sind grundsätzlich intelli­gente Leute am Werk, möchte man unterstellen, daher wird es wohl eher absichtlich so sein, und da geht die Sache nicht zusammen.

Schauen Sie, Sie bringen in diesem ganze Lissabon-Ding kein Fleisch ans Skelett! Jetzt klappern Sie mit diesem Ding herum und wundern sich, warum der Jubel von der Galerie ausbleibt. Mich wundert das nicht. Es ist letztlich auch wenig anschaulich, und in Wirklichkeit wissen die Leute wahrscheinlich besser, als wir glauben, worum es ge­hen würde.

Wenn Makropolitik gefragt ist, dann doch dort, wo die EU gemeinsam investieren könnte! Etwa in eine andere Energiepolitik: Es hilft ja nichts, wenn wir „15 Prozent im Jahr 2015“ schreiben. Ja, das klingt irgendwie zusammen, das reimt sich sozusagen zahlenmäßig, aber es gibt keinen Maßnahmenkatalog! Dieser wird auch etwas kosten müssen, und dafür wird auf EU-Ebene eine andere Budgetpolitik als die jetzige betrie­ben werden müssen. Dies alles bleibt aus – vermutlich absichtlich.

Für die Verkehrspolitik gilt das Gleiche. Da hilft es dann auch nichts, wenn Kanzler Schüssel – ich komme zu Ihrem Vergnügen jetzt ohnehin zum Ende – sich hinstellt und, laut nachdenkend, verdienstvolle Dinge von sich gibt, nämlich ein Besteuerung vielleicht auf dem Sektor des Flugbenzins oder des Schiffsverkehrs, um die Eigenmittel zu stärken – das hat wieder andere gute Gründe, warum das vernünftig zu sein scheint –, Tobin Tax dasselbe.

Es gibt ja nicht einmal glaubwürdige Initiativen von Österreich in diesem Zusammen­hang, und das macht den Abschluss in dem Punkt tatsächlich traurig. Wir haben ent­sprechende Anträge hier im Haus vorliegen, diese werden in Vier-Parteien-Versuchen irgendwie besprochen, mehr ist das nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wissen Sie, was da wieder herauskommt? Das Ganze hat überhaupt nur dann einen Sinn – so wird es jetzt von der ÖVP formuliert und, anders als von Schüssel, über Nacht angekün­digt –, wenn es auf dem ganzen Globus angegangen wird.

Das wäre zwar schön und wünschenswert, aber da könnten wir gleich auf einen inter­planetarischen Zusammenhang warten! Denn auf die USA brauchen wir da in den nächsten paar Jahren nicht zu warten; jedenfalls wird Kanzler Schüssel den Präsiden­ten Bush in den verbleibenden drei Monaten seiner Präsidentschaft kaum davon über­zeugen. Und genauso wenig überzeugend sind Sie mit Ihren Ankündigungen! (Beifall bei den Grünen.)

14.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordne­ter Dr. Wittmann. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 



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144. Sitzung / Seite 79

14.46.43

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe schon mit Erstaunen auf diese Sache gewartet. Dass sie von der FPÖ kommt (Abg. Dr. Mitterlehner: Da kann man ja gespannt sein ...!), muss wahrscheinlich daran liegen, dass dort solche Sachen beheimatet sind – wenn man an Kabas denkt. (Abg. Lentsch: Uns kann nichts mehr überraschen!)

Sie haben in Ihrer Rede behauptet, Herr Abgeordneter Hofmann, dass ich und ein ehe­maliger Innenminister in die „Sauna-Affäre“ involviert wären. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ich halte fest: Ich bin nicht involviert! Ich bin weder ge­schäftlich damit in Zusammenhang zu bringen, weil es keine geschäftlichen Kontakte in dieser Affäre gegeben hat (Abg. Dr. Fekter: ... in der Sauna?), noch bin ich privat in­volviert (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie waren gar nicht dort?), und ich bin auch nicht privat in Kontakt mit dem Geschäftsführer.

Tatsache ist, dass er Geschäftsführer einer Gesellschaft war, die Karl Schlögl und mir gehörte, bis November 2003, wir uns im November 2003 von ihm getrennt haben und er danach aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Seitdem habe ich weder ge­schäftlichen noch privaten Kontakt mit diesem Herrn gehabt, daher ist dieser Vorwurf völlig aus der Luft gegriffen. (Abg. Murauer: Sind Sie Mitbesitzer oder nicht?) – Nein, bin ich nicht. (Abg. Murauer: Nicht Mitbesitzer?) Nein!

Ich halte das für ehrenrührig, was Sie da machen. Ich halte es wirklich für im äußersten Fall anmaßend, denn wegen dieses Zeitungsartikels, zu dem ich nicht einmal gefragt wurde, sind meine beiden Töchter, zwölf und fünfzehn Jahre alt, heute in der Schule angepöbelt worden. Ich halte diese ganze Vorgangsweise der Zeitungen (Zwischenruf der Abg. Rossmann) für eine ehrenrührige und ehrabschneiderische Vorgangsweise (Abg. Scheibner: So geht es uns dauernd!), und ich ersuche Sie, auch im Zeichen der Fairness: Nicht persönliche Untergriffe auf dieser Ebene in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz.)

14.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Übergangsfris­ten am Arbeitsmarkt und flankierendes Maßnahmenpaket.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Amon, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorrang für Be­schäftigung und Wachstum – Klare Beschlüsse beim Europäischen Rat am 23. und 24. März 2006.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen. (E 177.)

14.49.50Einlauf

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 816/A bis 819/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4101/J bis 4109/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 26. April 2006, 10 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.


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144. Sitzung / Seite 80

14.50.16Schluss der Sitzung: 14.50 Uhr

 

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