Stenographisches Protokoll

65. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 16. Juni 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

65. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                      Mittwoch, 16. Juni 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 16. Juni 2004: 12.00 – 13.58 Uhr

*****

Tagesordnung

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergänzung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung

*****

Inhalt

Nationalrat

Abschiedsansprache des Zweiten Präsidenten Dr. Heinz Fischer ........................ 31

Worte des Präsidenten Dr. Andreas Khol anlässlich des Ausscheidens des Zweiten Präsidenten Dr. Heinz Fischer ............................................................................................................................ 35

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 25

Aktuelle Stunde (16.)

Thema: „Sport fördert die Gesundheit – Prävention statt Therapie“ ................... 7

Redner:

Barbara Rosenkranz ...................................................................................................... 7

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ........................................................................... 9

Ingrid Turkovic-Wendl ................................................................................................. 12

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 14

Elmar Lichtenegger ..................................................................................................... 15

Dieter Brosz .................................................................................................................. 16

Herta Mikesch ............................................................................................................... 18


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 2

Beate Schasching ........................................................................................................ 19

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 21

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 22

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 24

Verhandlungen

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (473 d.B.): Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergänzung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung (523 d.B.) ...... 25

Redner:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 26

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 27

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 28

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 29

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................... 31

Eingebracht wurden

Volksbegehren ............................................................................................................. 24

550: Pensions-Volksbegehren

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 24

196: Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung von ge­fährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN)

513: Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen

514: Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft samt Anlagen und Erklärung

515: Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von ATHENA

516: Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz und das Energieabgaben­vergütungsgesetz geändert werden

517: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Slowakischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammen­arbeit

518: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Straf­sachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung

519: Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über Ansprüche eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Beschädigung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 3

betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivilpersonals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisenbewälti­gungsoperation der Europäischen Union

546: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsge­setz geändert werden

547: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

548: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz, das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 geändert werden

549: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Ge­meinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile anderer­seits samt Anhängen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll

Bericht ........................................................................................................................... 25

III-84: Bericht betreffend Umweltförderungen des Bundes 2003 sowie die Finanz­vorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsge­setzes erwachsenden Belastungen; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbandsklagerecht (411/A) (E)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Wild­tier-Auffangstation in Österreich (412/A) (E)

Werner Amon, MBA, Mares Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Akademien-Studiengesetz 1999 geändert wird (413/A)

Anfragen der Abgeordneten

Heidrun Walther, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sicherung der Lebensfähig­keit von Kürbisbäuerinnen und Kürbisbauern (1866/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rechnungs­hofes betreffend Nachvollziehbarkeit der Gegengeschäftsangebote im Zuge der Nach­folgebeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen (1867/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Kasernenschließungen und -nutzungen im Bundesland Salzburg (1868/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Meeresfrüchte – Rückstände – Kontrollen – Risikobewer­tung in Österreich?“ (1869/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Staatskommissäre III“ (1870/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 4

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend den Ärzte-Abbau im AKH (1871/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend den Ärzte-Abbau im AKH (1872/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 5

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Meeresfrüchte – Zollkontrollen – Rückstände“ (1873/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Anzeigen bzw. Strafverfahren gegen aggressive Fußballfans und -rowdys“ (1874/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Nahrungsergänzungsmittel (NEM), die als Dopingmittel zu qualifizieren sind – Behör­den und Kontrolle“ (1875/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Veterinärjahresbericht 2003 – Schlachttier- und Fleisch­untersuchungen“ (1876/J)

Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Postbusprivatisierung (1877/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bun­desbediensteten-Sozialplangesetz“ (1878/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1879/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1880/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1881/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1882/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1883/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1884/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1885/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Bundesbediensteten-Sozial­plangesetz“ (1886/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1887/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1888/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Bundesbediensteten-Sozialplangesetz“ (1889/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen (1626/AB zu 1660/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (1627/AB zu 1661/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (1628/AB zu 1649/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (1629/AB zu 1647/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Nikolaus Prinz, Kolleginnen und Kollegen (1630/AB zu 1670/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1631/AB zu 1654/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1632/AB zu 1648/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kollegin­nen und Kollegen (1633/AB zu 1652/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1634/AB zu 1650/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (1635/AB zu 1653/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1636/AB zu 1655/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1637/AB zu 1662/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1638/AB zu 1663/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1639/AB zu 1651/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (1640/AB zu 1744/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (1641/AB zu 1656/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (1642/AB zu 1657/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (1643/AB zu 1659/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (765/AB zu 734/J) (2. Zu 765/AB zu 734/J)



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 12 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 65. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 12 Uhr, einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 64. Sitzung vom 4. Juni ist in der Parlamentsdirektion auf­gelegen. Es ist ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Lichtenber­ger, Kopf, Haubner, Verzetnitsch und Csörgits.

Aktuelle Stunde

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Sport fördert die Gesundheit – Prävention statt Therapie“

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Rosenkranz. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass in der Aktuellen Stunde die Erstrednerin zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten hat. – Bitte.

 


12.02

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sport und Gesundheit: Gesund, leistungsstark, lebensfroh, selbstbewusst, erfolgsorientiert, jugendlich bis ins hohe Alter – das ist ein Leitbild, das heute mehr denn je unsere Ge­sellschaft prägt.

Dagegen gibt es alarmierende Meldungen über Übergewicht schon im Kindesalter, Osteoporose bei Rekruten, die Einsteiger in die Nikotinsucht werden immer jünger, der Drogenkonsum nimmt zu. – Das ist auch Realität.

Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch, den wir alle hegen, und der Wirklichkeit ist größer, als es möglicherweise in früheren Zeiten der Fall war. Die Diskrepanz zwischen dem, was heute möglich wäre, und dem, was tatsächlich ist, ist so groß, wie sie nicht sein müsste, denn wir leben in einem Zeitalter, in dem es der Wohlstand – die gesunde Ernährung, die Vermeidung von Kinderarbeit – möglich macht, so wie es noch nie möglich war, über breite Schichten hinweg ein gesundes Aufwachsen zu garantieren und ein gesundes Leben zu führen. Wir tun das aber eigentlich nicht wirklich. Wir kom­men diesem Idealbild nicht wirklich nach.

Wir stehen alle auch unter dem Eindruck der ständig steigenden Gesundheitskosten. Damit komme ich nun zur Notwendigkeit zu versuchen, einen gesunden Lebensstil zu fördern. Wir wissen, dass das Gesundheitssystem an einem Punkt angelangt ist, an dem es nicht mehr möglich ist, auch nur einen Euro, auch nur einen Cent nicht zielge­richtet zu investieren.

Wir wissen auch, dass wir in den nächsten Jahren nicht nur vor der Herausforderung stehen, das Bestehende aufrechtzuerhalten, sondern dass wir mit weiteren Kosten rechnen müssen, mit Kosten, die sich daraus ergeben, dass erfreulicherweise die Lebenserwartung stark gestiegen ist, mit Kosten, die sich daraus ergeben, dass der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 8

Fortschritt der Medizin eine bessere Behandlung ermöglicht und dass die medizinisch-technische Entwicklung auch teurere Behandlungsmethoden und Behandlungsmög­lichkeiten für jedes Lebensalter zulässt.

Das kostet Geld. Wir wissen, dass wir dieses Geld aufbringen müssen – einerseits durch Einsparung aller Potentiale, andererseits durch ein Durchdenken, wie man zur Vermeidung von Krankheitsfällen kommen kann –, denn – und das sei all jenen gesagt, die sich vor einer Gesundheitsreform drücken wollen – wenn nichts passiert, dann wird es zu einer Absenkung des Niveaus der öffentlichen Medizin kommen und damit erst recht zur Klassenmedizin, die wir vermeiden wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was die möglichen Einsparungen betrifft – abgesehen von den notwendigen Struktur­reformen, von Zusammenlegungen, von der Beseitigung von Privilegien, die natürlich auch im Gesundheitsbetrieb noch vermehrt zu finden sind –, ist ganz deutlich zu sagen, das ist einwandfrei belegbar und gut durch Studien fundiert: Es gibt einen ganz starken ökonomischen Zusammenhang zwischen Sport als Mittel eines gesunden Lebensstils und als Mittel der Prävention und Einsparung von Kosten.

Wir wissen, dass schon, Sportunfälle saldiert gegen den Nutzen, den der Sport in der Vermeidung von frühzeitigem Tod, von frühzeitiger Krankheit bewirkt, dieser Nutzen bei 263 Millionen € liegt. Wenn man noch bedenkt, was möglich wäre, könnte man die Bevölkerung im Gesamten zu einem gesünderen, das heißt aktiveren, bewegungsin­tensiveren Lebensstil bringen, dann ließe sich da auch noch ganz schön etwas sparen.

Wenn es gelingt, die Hälfte all jener, die kaum Sport betreiben, in jene Gruppe zu brin­gen, die mäßig Sport betreiben, und wenn man die mäßig Sport Treibenden zur Hälfte in die Gruppe der Hochaktiven bringen kann, dann sind noch einmal 836 Millionen € drinnen. Das ist etwas, was man am Vorabend einer notwendigen Gesundheitsreform auf jeden Fall als absolut schlagendes Argument bedenken muss.

Gesundheit, unmittelbar damit verbunden Sport und Bewegung, als Förderung eines Lebensstils, der zu mehr Wohlbehagen, zu größerer Leistungsfähigkeit, damit natürlich auch zu Erfolgserlebnissen und zu Selbstbewusstsein führt, ist die andere Seite. Selbstverständlich hat das nicht nur einen ökonomischen Aspekt, sondern ganz im Ge­genteil: Es ist eine sehr humane Forderung, jeden in den Zustand zu versetzen, in dem es ihm möglich ist, seine Talente, seine Kräfte voll zu entfalten und sich nicht durch – zum Teil auch durch eigenes Fehlverhalten verursachte – Krankheitsfälle behindern zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Erziehung zu einem gesunden Lebensstil ist natürlich etwas, was schon im Klein­kindalter anfangen muss. Wir wissen, es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die be­legen, dass die kleinen Kinder übergewichtig sind. Eltern, die ihre Kinder in der Schule haben, werden auch immer wieder mit Klagen der Lehrer konfrontiert, wie schwierig es mittlerweile im Turnunterricht geworden ist, dass ein so genannter Purzelbaum ge­macht wird. Das stellt bereits ein abenteuerliches Unternehmen dar, vor allem für Stadtkinder. Beweglichkeit, Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft, all dies wird ab jenem Zeitpunkt, zu dem Kinder in den Kindergarten eintreten, in keiner Weise trainiert.

Es ist ganz wichtig, das auch einmal festzuhalten. Es ist klinisch nachweisbar, dass die Entwicklung der körperlichen, der motorischen Fähigkeiten einen außerordentlich günstigen Einfluss auf die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten hat. Wenn wir unsere Kinder klug machen wollen, dann müssen wir sie auch fit machen. Das ist etwas, was im Kindergarten selbstverständlich werden muss – überhaupt in einer Zeit, in der sich die Möglichkeiten für Kinder in der Stadt – aber auch auf dem Land ist es mittlerweile so –, sich frei zu entfalten, in der Natur selbstständig ihre Bewegungsmög­lichkeiten zu nutzen, sehr reduziert haben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 9

Was Sport und Jugendliche angeht, bin ich sozusagen vom Saulus zum Paulus gewor­den. Ich habe – ich muss es ehrlich gestehen – dem Sport nie viel Bedeutung beige­messen. Seit ich aber selber Kinder in allen Lebensaltern habe und bemerken konnte, welch ungeheuer positive Auswirkung Sport auf die Persönlichkeit gerade von Jugend­lichen hat, bin ich wirklich kuriert und nun ein großer Anhänger einer Sportförderung gerade bei Jugendlichen.

Zwei meiner Kinder, die Leistungssportler sind, werde ich sicher nie vom Rauchen ab­halten müssen, denn sie würden nie und nimmer eine Zigarette rauchen und damit ihre Leistungsfähigkeit irgendwie beeinträchtigen. Ich denke auch daran, wie gut sich Sport auf das Lernen von sozialen Regeln auswirkt. Wer in einer Mannschaft spielt, muss akzeptieren, dass er nicht immer der Star sein kann, dass er den persönlichen Erfolg, der sich schon abzeichnet, zurückstellt, um den Erfolg des Gesamten zu ermöglichen. Es ist auch für das soziale Verhalten ein großer Vorteil, sich im sportlichen Rahmen zu üben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wer einmal einen guten Anfang genommen hat, wird Sport auch im späteren Alter kaum vermissen wollen. Nicht umsonst sind gerade Menschen, die in sehr fordernden Berufen stehen, sehr oft Läufer. Jeder von uns kennt die wohltuende Wirkung eines Spaziergangs, bevor man schlafen geht, wenn der Adrenalinspiegel hoch angestiegen ist. Auch dies ist klinisch nachweisbar: Der Zusammenhang zwischen einem ausge­glichenen Transmitterhaushalt und Bewegung ist evident. Nicht umsonst gibt es mittler­weile im Falle von Depressionen so genannte Lauftherapien, die sich einwandfrei als wirkungsvoll erweisen.

Im Alter ist es die Erhaltung der motorischen Fähigkeiten. Diese sind eine Vorausset­zung für die Selbstständigkeit, für die Sicherheit, für ein gesundes und zufriedenes Alter – ohne jeden Zweifel. Auch da sind enorme Einsparungen im öffentlichen Ge­sundheitswesen möglich.

Herrn Staatssekretär Karl Schweitzer ist zu gratulieren, dass er es sich zum Ziel gesetzt hat, da wirklich einen Paradigmenwechsel, einen Wechsel in der Grundhaltung durchzuführen, denn erstens ist das ökonomisch sinnvoll und zweitens für das Wohlbe­finden der gesamten Bevölkerung von großer Bedeutung.

Es muss uns gelingen, auch da die Prävention in den Vordergrund zu stellen. Das ist jetzt nicht so: 11 Prozent des BIP verschlingen die Krankheitskosten, und nur ein Pro­zent dieser Kosten entfallen auf Prävention. Das ist etwas, was ganz bestimmt eine andere Relation erfahren muss! Und daher deponiere ich hier, dass es unumgänglich sein wird, im Zuge der Gesundheitsreform zu einem Wechsel zu kommen, eben zu einem Wechsel von einem Krankheits- zu einem Gesundheitssystem. Ein Schlüssel dazu liegt darin, den Sport für jedes Lebensalter und in allen Bevölkerungsschichten zu fördern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zum Thema der Aktuellen Stunde gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer zu Wort. Gleiche Redezeit: 10 Mi­nuten. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


12.11

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen vor den Budgetverhandlungen für die nächsten beiden Jahre; der immer schlechter werdende durchschnittliche Gesundheits­zustand der österreichischen Bevölkerung wird beklagt – und beides steht in einem direkten Zusammenhang. Deshalb bin ich etwas verwundert darüber, dass ein Teil dieses Hauses diese Diskussion nicht wirklich mit Interesse verfolgt. Ich bitte Sie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 10

jedenfalls alle höflich darum, diese Diskussion mit mehr Interesse zu verfolgen (Abg. Schieder: Da spricht der Lehrer!), denn schlussendlich geht es da um 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Sie brauchen uns nicht zu belehren!)

11 Prozent des BIP, meine Damen und Herren, werden in Österreich für ein Krank­heitssystem ausgegeben, das in Wirklichkeit längst reformiert gehört. Dieses Krank­heitssystem verursacht Kosten, verursacht Ausgaben – Geld also, das in dieses Krank­heitssystem gesteckt wird, das wir anderswo dringend brauchen. Und es gibt Möglich­keiten, massive Teile dieser 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes einzusparen.

Herr Kollege Schieder, Sie sind ja ohnehin auf dem besten Weg, denn Sie haben erkannt, dass die Richtung, die Sie vorher eingeschlagen haben – verzeihen Sie mir, wenn ich Sie als Beispiel nehme! –, nicht ganz die richtige war. Jetzt, Herr Kollege Schieder, sind Sie jedenfalls in die richtige Richtung unterwegs, wissen Sie doch (Abg. Schieder: Aber glücklicherweise ohne Ihre Hilfe!), dass Probleme wie Herz-Kreislauf­erkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates enorme Kosten verursa­chen. Wie gesagt: in Summe 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Besonders bemerkenswert ist, dass wir zumindest bis jetzt in den meisten Fällen taten­los zugesehen haben, wenn wir feststellen mussten, dass Österreichs Kinder einen immer beklagenswerteren Gesundheitszustand aufweisen. Immer mehr Fettleibigkeit beispielsweise, bis zu 6 Prozent Adipositas-Anfällige gibt es bereits bei den Jugend­lichen, und es wird zu wenig dagegen getan. 9,1 Prozent der österreichischen Bevölke­rung sind mehr als übergewichtig, haben einen BMI von über 30!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen vor der Situation, dass die Kosten für die Finanzierung des Gesundheitssystems explodieren, und die Reformansätze nach dem alten Muster die falschen sind und von den Menschen auch nicht mehr zur Kenntnis genommen werden. Wenn es einmal mehr von einigen heißt: Wir müssen die Leistungen kürzen und im Gegenzug die Beiträge erhöhen!, so wird das von den Men­schen nicht mehr goutiert und nicht ernst genommen. Und deshalb sollten wir ernsthaft darüber diskutieren, was die Alternative ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese alten Muster sind jedenfalls nicht zielführend, sondern das ist lediglich ein Her­umdoktern am Krankheitssystem. Die Menschen erwarten, dass wir aus diesem Krank­heitssystem ein Gesundheitssystem machen. Deshalb stimme ich überein mit den Ausführungen von Kollegin Rosenkranz, die sagte, dass es da eines Paradigmenwech­sels bedürfe, weil das alte System wegen Unfinanzierbarkeit zusammenbrechen wird. (Ruf bei der SPÖ: Sie hätten vier Jahre Zeit gehabt!)

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, hätten 30 Jahre lang Zeit gehabt, da etwas zu machen, haben dieses System jedoch in die falsche Richtung ent­wickelt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Gaál.)

Bewegung und Sport, Kollege Gaál, ist ein Teil der Lösung. Und das haben bereits viele für sich im persönlichen Bereich erkannt, und ich freue mich darüber. – Kollege Cap nickt jetzt zustimmend.

Viele haben das für sich persönlich bereits als Teil der Lösung erkannt, aber 60 Pro­zent der österreichischen Bevölkerung sind dafür noch zu motivieren, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung tun fast nichts oder gar nichts in diese Richtung. Dieses Potential muss sozusagen gezielt erschlos­sen werden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 11

Eine völlig neue Studie des IHS unter Professor Felderer belegt – das ist wichtig auch für alle, die an den Budgets arbeiten, meine sehr geehrten Damen und Herren –, dass bis zu 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – in Zahlen ausgedrückt: 3,6 Milliar­den € – pro Jahr erschließbar sind, wenn wir den Sport als Dienstleister im Gesund­heitssystem wirksam werden lassen.

Regelmäßige Bewegung senkt das Krankheitsrisiko um rund 60 Prozent. Und wir machen dazu ein Angebot: wir vom Sport, vom organisierten Sport – und da sind alle eingeschlossen. Das ist es, was mich freut: Es machen alle mit! Der organisierte Sport – egal, ob ASKÖ, ob ASVÖ, ob Union, alle machen mit, machen ein Angebot unter dem Titel „Fit für Österreich“. Wir wollen gemeinsam mit dem organisierten Sport ganz Österreich bewegen: im Interesse aller, die die Kosten im Krankheitssystem reduzieren und das Wohlbefinden der österreichischen Bevölkerung im Schnitt auf ein höheres Niveau bringen wollen.

Das ist eine wirklich lohnende Aufgabe für den organisierten Sport; die Dachverbände haben das erkannt, und ich bin ihnen deshalb auch sehr dankbar dafür, dass sie diese Aufgabe gerne mit uns gemeinsam erfüllen.

Wir haben dieses Projekt in vier Bereiche gegliedert und wollen all diese vier Bereiche wissenschaftlich begleiten, um noch mehr aktuelle Daten zu bekommen. Vergleiche wollen wir auch anstellen mit jenen Bereichen, in denen nichts getan wird, um eben noch eindrucksvoller auf das gegebene Einsparungspotential hinzuweisen.

Zu diesem Projekt im Detail, wobei ich hoffe, dass Sie dieses zumindest ansatzweise ohnehin bereits kennen gelernt haben: Wir beginnen bei den Jüngsten im Kindergarten und wollen dort durch zusätzliche Bewegungsangebote vermehrt die Grundlage für lebenslanges Bewegen legen, weil lebenslanges Bewegen einfach mehr Wohlbefinden bedeutet, weil lebenslanges Bewegen auch zu einer Reduktion der Kosten beitragen wird. Bereits in den Kindergärten soll altersgemäß, soll kindgemäß ein Bewegungs­angebot gemacht werden, wodurch die Kinder zu mehr Bewegung animiert werden sol­len. Das gelingt auch, und ich darf darauf verweisen, dass wir bereits in einigen Bun­desländern dieses Modell umgesetzt haben, so beispielsweise im Burgenland, wo wir dank der Unterstützung des burgenländischen Landeshauptmannes bereits vier sol­cher Projekte laufen haben. Weiters konnten wir das in Vorarlberg, in Tirol und in Salz­burg mit den Dachverbänden umsetzen, und überall dort, wo das umgesetzt wurde, gab es überwältigende Zustimmung hiefür. 95 Prozent aller Kinder nehmen an diesem Projekt teil; auch die Eltern sind voll begeistert. Da gibt es keine Gegner, und daher hoffe ich, auch Sie alle hier im Hohen Hause werden das in Hinkunft unterstützen.

Nun gleich zum zweiten Bereich, zu jenem der Schule. Es geht dabei darum, den orga­nisierten Sport, die Vereine in den Bereich der freiwilligen Nachmittagsbetreuung mit einzubeziehen, im Bereich der freiwilligen Nachmittagsbetreuung zusätzliche Bewe­gungseinheiten anzubieten, um unsere Jugendlichen zu vermehrter Bewegung zu animieren.

Sehr oft wird ja das Verhalten unserer Jugendlichen beklagt, jedoch: Über den Sport ist da garantiert einiges an positiver Entwicklung zu erzielen. Ich werde mich jedenfalls sehr dafür einsetzen und mich darum bemühen, dass zumindest im Rahmen der frei­willigen Nachmittagsbetreuung eine tägliche Bewegungseinheit gegeben ist. Unsere Jugendlichen brauchen Bewegung – und Österreichs Gesundheitssystem wird uns das danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Positive an dem ist, dass nicht nur, wenn wir alle Jugendlichen zur Bewegung bringen, der Breitensport eine Aufwertung erfährt, sondern damit wird es sicherlich auch für den Spitzensport zu einigen positiven Effekten kommen, weil so auch Talente in vermehrtem Maße gefunden werden können. – Ich freue mich auch, dass Steffi Graf


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 12

jetzt unserer Diskussion beiwohnt, ist sie doch mit mir in völliger Übereinstimmung, dass es notwendig ist, Talente für den Spitzensport auch über die Schule zu bekom­men, andererseits aber den Grundstein für lebenslanges Bewegen zu legen. (Zwi­schenruf des Abg. Parnigoni.)

Kollege Parnigoni, ich habe mir Ihre Reden so oft angehört und mich nicht dazu ge­äußert, daher nur: Lassen Sie mich reden, denn bei diesem Thema geht es um etwas sehr Vernünftiges! Da stimmen wohl die meisten mit mir überein. Wenn Sie es nicht tun, Kollege Parnigoni, so sagen Sie das halt nachher in einer Wortmeldung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir kommen zu einem Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt und wo das größte Einsparungspotenzial zu finden ist: zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge. Hier ist ein enormes Einsparpotenzial vorhanden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und wir sollten das ernst nehmen. Das betriebliche Umfeld ist für die Gesund­heitsförderprogramme besonders attraktiv, weil bei geringen Kosten enorme Sparpo­tenziale erschlossen werden können, weil vom Bewegungsangebot in den Betrieben, das wieder mit den Dachverbänden gemacht wird, sowohl Betriebe als auch Arbeitneh­mer profitieren.

Und wenn alle davon profitieren, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann sollten wir auch alle hinter diesem Projekt stehen – genauso wie hinter dem vierten Teil des Projektes: dem Bewegungsangebot für unsere Senioren.

Es ist seit einigen Tagen ein Mobilitätsbus quer durch Österreich unterwegs. Wir wollen den älteren Menschen in Österreich zeigen, wie sie über gezielte Bewegung einen sicheren Lebensabend verbringen können, wie sie einen Lebensabend auf höherem Niveau, was die Lebensqualität angeht, verbringen können. Dieser Mobilitätsbus wird, wo immer er bisher war, von der älteren Generation sehr begrüßt, weil die Menschen wissen, dass sie über Bewegung zu einem höheren Ausmaß an Lebensqualität kom­men, weil sie wissen, dass sie damit auch auf viele Dienstleistungen des Krankheits­systems verzichten können, weil sie selbst etwas tun, um gesund zu bleiben. Und darum geht es! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Möglichkeit, wie wir vom Krank­heitssystem zum Gesundheitssystem kommen, wie wir von den von Ihnen allen so be­klagten „kranken Kassen“, die nicht mehr finanzierbar sind, zu den gesunden Kassen kommen. – Ich hoffe auf die Unterstützung aller hier im Parlament vertretenen Par­teien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.22

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. Ich mache darauf aufmerksam, dass nach § 97a der Geschäftsordnung in dieser Debatte niemand länger als 5 Minu­ten sprechen kann. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

 


12.22

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär für Sportangelegenheiten! Meine werten Kollegen hier im Hohen Haus! Sie können sich vorstellen, dass dieses Thema gerade mir ganz besonders am Herzen liegt, und zwar nicht deshalb, weil ich jetzt jeden „gesund durch Sport“ machen will, sondern weil ich Ihnen ganz einfach etwas sagen will. – Und ich freue mich ganz besonders darüber, dass auf der Galerie so viele junge Menschen sitzen, die ich ganz besonders herzlich begrüßen darf – und natürlich ein Gruß auch an


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 13

Steffi Graf, die für unsere Jugend sicher auch ein riesengroßes Vorbild ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Nun zu dem, was ich Ihnen eigentlich sagen will. – Ich habe mir in meinem jetzt schon länger dauernden Leben oft überlegt: Was ist denn eigentlich ausschlaggebend gewe­sen dafür, dass ich so gehandelt habe, wie ich es getan habe, mich so benommen habe oder solche Ideen entwickelt habe? Und da kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen: Es war der Sport. Zufällig auf das Eis gelaufen – und daraus hat sich ein Leben entwickelt, das früh Richtungen bekommen hat. Ich habe lernen müssen, mich zu überwinden. Ich habe lernen müssen, mich zu entscheiden. Ich musste mich bewäh­ren vor der Öffentlichkeit und das eine oder das andere Mal auch etwas trauen, was vielleicht ein anderer 10-Jähriger, 15-Jähriger noch nicht entscheiden muss.

À la longue ist das kein Schreck für ein Kind oder für einen Jugendlichen, sondern ein Vorsprung und ein großes Potenzial an früh erlerntem und erfülltem Selbstvertrauen. All das hilft dann bei weiterer Berufswahl und was auch immer auf einen zukommt.

In den Ausführungen meiner Vorredner hat es geheißen: Wenn man bewegen könnte, oder: Wenn ein größerer Teil unserer Bevölkerung zu bewegen wäre. – Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass 60 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Sport betreiben und 40 Prozent einmal pro Woche eine Stunde Bewegung machen. Das ist nicht sehr viel. Wir haben aber – und davon profitiert das Ansehen Österreichs im Aus­land – eine ganze Menge Vorzeigesportler. Die haben entdeckt, was Sport bedeuten kann, nämlich: nicht nur Geld verdienen – das kommt heute auch dazu; das war zu meiner Zeit nicht der Fall, da war es der purste Amateurismus; sechs Holztellerchen für einen Europameister-Titel; das bietet zumindest die Möglichkeit, ein Leben lang auf Holz zu klopfen, aber mehr ist es nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber was kommt noch dazu beim Sport? – Es ist ganz einfach auch die Lust, die Lust, sich zu bewegen, und die Lust, den eigenen Körper kennen zu lernen: Wann kann ich wie viel machen? Wie viel kann ich mir zutrauen beim Training? Muss ich heute weni­ger tun? Wie bin ich drauf? Wie bin ich in Form?

Wenn Sie als junger Mensch diese Möglichkeiten einmal kennen lernen, dann werden Sie das ein Leben lang nicht verlieren, auch wenn Sie zwischendurch einmal gerne faul sein wollen; auch ich bin das oft sehr gerne. Aber: In Form sein, das ist etwas, was wir weitertragen können. Und ich sage das auch als Seniorensprecherin, ich spreche die Jugend an und sage: Bauen Sie Ihren Körper auf, Ihre Muskelmasse! Und wenn Sie zwischendurch pausieren, dann sind Sie immer wieder dort, wo Sie schon etwas haben. Das ist wie mit einem Sparbuch. Ein Sparbuch mit Geld ist fein, aber ein Spar­buch des Körpers in der Form, dass Ihre Muskeln funktionieren, ist mindestens so viel wert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin daher auch froh, eine Initiative unserer Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat empfehlen zu können. Sie hat beim Sport auch den Humor hineingenommen mit dem „iSch“. Da geht es um die Überwindung des „inneren Schweinehundes“. Ich ap­pelliere an alle hier, es sich zu überlegen, sich nicht zu quälen, aber sich einen wenig zu plagen, um das, was der Sport wirklich beinhaltet und was ich faszinierend finde, vielleicht als etwas Wunderbares für sich selbst – das erste Mal oder schon wieder – zu entdecken.

Abschließend hätte ich noch einen ganz großen Wunsch. Wir sitzen hier 14 Stunden im Plenum, und ich finde, dass das zu lang ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der SPÖ.) Wenn es mir gelänge, zu erreichen, dass wir zwischen­durch einmal Bewegung machen – und nicht nur geistig; das tun wir ja ununterbrochen, sondern auch mit unserem Körper –, würde es mich freuen, und ich bin auf die Vor­schläge aller hier Versammelten wirklich gespannt. Wenn uns das gelänge, wären wir


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 14

ein Vorbild für unsere Jugend und auch für unsere ältere Generation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.27

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.28

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das Thema ist ein durchaus ernst zu nehmendes, und ich berufe mich hier auch auf eine Studie, die vom Sozial­ministerium und von der BSO in Auftrag gegeben wurde. Daraus geht hervor, dass die Kosten aus Sportunfällen oder anderen Unfällen, die während der Sportausübung pas­sieren, wesentlich geringer sind als der Nutzen, der dem Gesundheitswesen dadurch entsteht, dass weniger Leute früh sterben, dass es weniger Herzerkrankungen gibt, dass es weniger Rauchererkrankungen gibt. Diese Studie belegt, dass man für alle Unfallkosten in etwa 4,2 Milliarden Schilling ausgibt, aber der Nutzen, der durch Sport entsteht, bei etwa 7,8 Milliarden Schilling liegt.

Wir sind uns daher darüber einig – und auch meine Vorredner haben das hier zum Ausdruck gebracht –, dass Sport in der Gesundheitsprävention eine sehr maßgeb­liche Rolle spielen kann und dass jeder Schilling, der in den Sport gesteckt wird, ins­besondere in den Breitensport, im Verhältnis 1 : 2 zu sehen ist, also 2 S im Bereich des Gesundheitswesens erspart.

Wenn ich mir diese kurze Formel vor Augen führe, muss ich sagen: Es wundert mich schon, dass es nicht gelungen ist, die Sportförderung zu erhöhen, dass die letzte namhafte gesetzliche oder regelmäßige Sportförderung in der Zeit der letzten großen Koalition stattgefunden hat, dass die Beträge praktisch eingefroren sind und es den Vertretern des Sports nicht gelingt, einen Termin beim Bundeskanzler als zuständigem Sportminister oder einen Termin beim Finanzminister zu bekommen, um jetzt, da die Budgets verhandelt werden, auch über eine Erhöhung der Sportförderung sprechen zu können.

Die BSO hat sich seit 20. Jänner bemüht, einen Termin beim Bundeskanzler zu be­kommen, der als zuständiger Sportminister dafür verantwortlich ist, durchaus auch mit Unterstützung des Herrn Staatsekretärs, aber auch er hat es nicht zustande gebracht, dass der Bundeskanzler es bis heute – und wir schreiben jetzt Mitte Juni! – der Mühe wert gefunden hat, die Vertreter des Sports zu empfangen. Er hat einen Termin, der für gestern vereinbart war, mit einer fadenscheinigen Ausrede abgesagt, nämlich mit der Ausrede, er müsse sich auf den Gipfel am Freitag vorbereiten. – Dass dieser Gipfel stattfindet, das weiß er seit mehr als einem Jahr, und dass er sich auf diesen Gipfel vorbereiten muss, weiß er auch seit einem Jahr. Trotzdem hat er für Dienstag den Termin festgesetzt, aber es nicht der Mühe wert gefunden, diesen Termin, der ein hal­bes Jahr vorbereitet wurde, auch wahrzunehmen. (Abg. Mag. Molterer: Der sport­lichste Bundeskanzler, den die Republik je hatte!)

Es genügt eben nicht, nur Auszeichnungen zu vergeben, die medial sehr wirksam sind, es genügt auch nicht, sich mit Spitzensportlern zu zeigen, um in die Zeitungen zu kommen, und es genügt auch nicht, sich mit Spitzensportlern im Fernsehen zu zeigen, sondern man muss als zuständiger Sportminister auch dafür eintreten, dass die Mittel erhöht werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist bis heute nicht gelungen. All diese kleinen Maßnahmen sind sehr wirkungsvoll, und ich bin da völlig d’accord mit dem Staatssekretär, aber der zuständige Sportminis­ter torpediert die Erhöhung des Budgets und kümmert sich nicht um den Sport und um


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 15

sportpolitische Entscheidungen. (Abg. Mag. Molterer: Der sportlichste Bundeskanzler der Zweiten Republik!)

Nur noch eine Anmerkung zum Schluss: Es haben alle hier gesagt, die tägliche Bewe­gungsstunde in den Schulen wäre das Ziel. Ja, liebe KollegInnen von den Regierungs­parteien, warum kürzen Sie dann die Sportstunden gerade heuer, wo wir noch dazu das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport haben?! Sie haben mit Ihren schul­politischen Maßnahmen dazu beigetragen, dass die Stunden im Sportbereich massiv gekürzt wurden (Beifall bei der SPÖ – Abg. Dr. Brinek: Aber nein!), und dann stellen Sie sich her und wollen hier Ihre sportpolitischen Maßnahmen verkaufen und sagen, dass Sie für mehr Bewegung eintreten!

Gerade in den Schulen wäre es wichtig, die Kinder zum Sport zu führen, um sie letzt­endlich dafür zu gewinnen, dass sie lebenslang beim Sport bleiben. Sie aber gehen den verkehrten Weg: Sie kürzen die Sportstunden in den Schulen, Sie kürzen die Mittel für die Sportausbildung an den Sportausbildungsinstituten. Das ist der falsche Weg!

Sie von den Koalitionsparteien können sich nicht da herstellen und sagen, Sport sei wichtig als Gesundheitsprävention. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit Ihren Taten! Sie kürzen nämlich gleichzeitig die Schulstunden im Sport und die Ausbildungskosten für die Sportlehrer und Trainer. – Ihre Worte und Ihre Taten passen nicht zusammen – so wie vieles in Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. Ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.33

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Zur Schulstunden-Debatte möchte ich schon sagen, dass die Schu­len im Rahmen der Schulautonomie selbst entscheiden können, wo sie kürzen wollen, und da eben auch Turnstunden gekürzt werden. Herr Dr. Wittmann, Sie können in Ihrem Bereich sehr wohl dahin gehend Einfluss nehmen, dass das nicht passiert, statt hier, wenn wir die Möglichkeit haben, eine Sportdebatte zu führen, über den Termin des Herrn Staatssekretärs zu reden. Das hilft uns nicht besonders viel weiter.

Es ist nicht in meinem Sinne, dass Turnstunden gekürzt werden, und wir bieten da ver­nünftige Alternativen an. Das ist das Einzige, was wir tun können. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Sie tun nichts dagegen!)

Der Sport – das ist heute schon oft angesprochen worden – stellt eine wichtige Präven­tionsmaßnahme in der Gesundheitspolitik dar. Es gibt eine Studie von den österreichi­schen Sozialversicherungen – sie ist zwar schon etwas älter, aber noch gültig –, da hat man Kinder aus Deutschland, 13-jährige Schüler, gefragt, welche Assoziationen sie zum Stichwort Gesundheit haben. 80 Prozent der Kinder haben gesagt: Krankheit, krank, Krankenhaus, Arzt oder Arznei. 20 Prozent der 13-jährigen Schüler haben gesagt: Sport und Ernährung.

In einem anderen Land, einem nicht europäischen Land, wo die Kinder die Möglichkeit haben, sich noch mehr in der Natur zu entfalten, weniger an Krankenhäuser gewöhnt sind, haben 95 Prozent der Kinder mit der Gesundheit Begriffe assoziiert, die in Rich­tung Ernährung, Körper, gesund, körperlich, Umwelt, wichtig, Leute, stark gehen, und nur 5 Prozent haben als Assoziationen Krankheit genannt.

Wie ist das bei uns? – Man lebt sein Leben und hat dann irgendwann einmal das eine oder andere Wehwehchen. Was macht man? – Der übliche Weg ist, dass man Anzei­chen von Krankheit verspürt, eventuell Symptome erkennt, und wenn man nichts dage­gen tut, kommt es – das ist die krasseste Auswirkung – zu chronischen Erkrankungen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 16

Wir leben ein Behandlungsmodell, aber wir wollen mit der Prävention versuchen, bei den Menschen ein entsprechendes Bewusstsein dafür zu schaffen, den eigenen Kör­per zu kennen, sein wertvollstes Kapital.

Und da muss ich Frau Wendl widersprechen: Das ist nicht zu vergleichen mit einem Konto, mit Geld, das man auf der Bank hat. Der Körper hat wesentlich mehr Wert als jedes Konto auf der Bank, denn wenn das „Konto Körper“ leer ist, wird auf dem Bank­konto irgendwann auch kein Geld mehr sein.

Ich glaube, das Wichtigste ist, das entsprechende Bewusstsein zu erzeugen, dem Einzelnen zu vermitteln, wie man mit seinem Körper umgeht, wie man gesünder lebt. Wenn wir das erreichen, sind wir einen großen Schritt weiter. Der Idealzustand wäre natürlich, wenn wirklich alle den Sport als Prävention sehen würden.

Warum läuft diese Diskussion um Sport als Prävention aber immer so nebenher? Man sagt immer, Sport sei wichtig, aber es wird nie so darüber diskutiert, wie beispielsweise über irgendwelche Budgetfragen, die sicher auch wichtig sind. Prävention ist meines Erachtens etwas wenig Greifbares. Dazu vielleicht ein Vergleich.

Fast jeder von uns hat ein Auto und weiß, er muss einmal im Jahr zum Service, er muss Öl nachfüllen, er muss die Reifen wechseln. Wenn er das nicht tut, wird das Auto irgendwann einmal stehen bleiben, und die Reparatur kostet wesentlich mehr, als wenn man es rechtzeitig reparieren hätte lassen. Das versteht jeder von uns. – Aber dass man das für seinen Körper auch tun muss, das haben bis jetzt die wenigsten ver­standen. Es ist zwar viel weniger spektakulär, denn wenn man krank ist, geht man zum Arzt, bekommt Medikamente – und plötzlich ist man wieder gesund! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Cap ist ein Marathonläufer. Er wird im Winter wahrscheinlich weniger oft verkühlt sein (Abg. Dr. Cap nickt zustimmend), weil er einfach von seiner körperlichen Leis­tungsfähigkeit her besser ist als so mancher andere; er weiß das ganz genau.

Dieses Bewusstsein muss man erst einmal schaffen, glaube ich. Das ist wichtig, und da wollen wir hin. Das muss man den Leuten klar machen, denn Prävention ist we­sentlich einfacher, als eine chronische Krankheit zu heilen. Wir tun uns schwer, auch unsere besten Ärzte, diese chronischen Krankheiten einzudämmen, zu behandeln, zu verhindern, und wir stehen dann vor dem Problem, dass diese Menschen eine gerin­gere Lebensqualität haben und leiden müssen. Und wir haben ein Krankheitssystem mit Ärzten und Krankenhäusern, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, diese kranken Menschen zu heilen.

Ich glaube, das ist ein Punkt, wo wir ansetzen müssen – und Gott sei Dank haben wir einen Staatssekretär, der sich darum bemüht, dieses Bewusstsein zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brosz. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


12.39

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Sport fördert die Gesundheit. Das ist in der Regel so, aber natürlich kommt es im Sport auch häufig zu Verletzungen. Im Prinzip aber ist es unbestritten, dass Sport und Bewegung insbesondere das Gesundheitssystem positiv beeinflussen können.

Ich glaube aber, dass man, wenn man im Parlament über Sport diskutiert, schon auch die Frage stellen sollte – abseits von Bekenntnissen und schönen Worten –, was eigentlich die Politik in diesem Bereich beitragen kann und welche Maßnahmen gesetzt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 17

werden können, damit sich das, was Sie beklagen, zu Recht beklagen, dass 60 Pro­zent der Menschen mit Sport, mit Bewegung relativ wenig zu tun haben, ändert.

Ein kurzer Rückblick auf die letzten paar Monate beziehungsweise Jahre: Als diese Regierung wieder angelobt wurde, ist das Sportministerium aufgelöst worden. Da hat es damals in der Sportszene einen großen Aufschrei gegeben. Die Begründung, die es dafür gegeben hat, war unter anderem: Sport soll Chefsache werden.

Jetzt sitzt Karl Schweitzer hinter mir, das finde ich sehr positiv, die „Chefsache“ war allerdings nicht auf ihn, sondern auf Wolfgang Schüssel bezogen. Da muss ich schon feststellen, das, was man von Wolfgang Schüssel zum Thema Sport hört und sieht, ist sehr wenig. Mir ist er einmal sehr groß aufgefallen, nämlich bei der Siegerehrung in Spielberg beim letzten Österreich-Grand Prix voriges Jahr. Da hat man schon ge­glaubt, er hat den Grand Prix gewonnen und nicht Michael Schumacher. Sonst hat man relativ wenig von Wolfgang Schüssel im Bereich Sport gesehen. Das ist ein Punkt, der zu ändern wäre. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann hast du, Karl Schweitzer, die Aktion „Fit für Österreich“ erwähnt, eine sehr positive Aktion. Ihr habt auch uns, die Oppositionsparteien, dazu eingeladen, an dieser Eröffnung, an diesem Test gemeinsam mit den Regierungsmitgliedern teilzunehmen. Wie wir beide wissen, war das dann eine etwas merkwürdige Situation, weil fast die gesamte Regierung angemeldet war, aber zu dieser Eröffnungsaktion dann letztlich drei FPÖ-Minister und ich gekommen sind. Die ÖVP-Minister sind nicht gekommen, weil es die Konkurrenz mit dem „Schweinehund“ von der Frau Rauch-Kallat gab, und diese sind lieber zu der „Schweinehund“-Präsentation gegangen als zur Präsentation der Aktion „Fit für Österreich“. Also hier die Parteipolitik etwas zurückzuschrauben, und zwar auch in der Regierung, wäre der nächste Punkt, der positiv dazu beitragen könnte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In aller Kürze zu den Stundenkürzungen. Es ist ein bisschen billig, zu sagen, die Schu­len seien schuld. Wir alle wissen, wie der Druck zustande gekommen ist: Stunden wur­den gekürzt, und natürlich hat es auch den Sport getroffen. Man kann es jetzt wertfrei betrachten: Es gibt heuer weniger Sportstunden als in den letzten Jahren, und das ist angesichts deiner Bemühungen sicher ein Misserfolg, den man hier feststellen muss.

Ich finde diese Bekenntnisse positiv, die Frage ist nur: Wie kann man denn etwas be­wirken, oder wie kann man einen Trend zu mehr Bewegung fördern und unterstützen? Man kann sehen, dass auch Sporterfolge, die von Österreichern erzielt werden, eine Auswirkung auf die Nachfrage haben. Ich als jemand, der aus dem Tennis kommt, kann mich gut erinnern, welchen Boom das ausgelöst hat, als Mitte der neunziger Jahre Thomas Muster auf einmal Nummer 1 der Weltrangliste war. Da haben wir auf einmal jeden zweiten Jugendlichen auf dem Tennisplatz gehabt. Wenn man sich jetzt rückblickend anschaut, was passiert ist, dann wird man feststellen, dass Tennis in Österreich komplett versandet ist, dass die Strukturen nicht gepasst haben.

Die Frage ist: Was hat dazu geführt? Unter anderem hat auch dazu geführt, dass es damals eine sehr breite Berichterstattung in den Medien, insbesondere im ORF, gege­ben hat. Tennis ist wirklich gepusht worden! Und wenn man es sich heute anschaut, dann sieht man, Tennis hat offenbar nicht so wirklich funktioniert. Das ist übrigens auch ein Wirtschaftsfaktor, der problematisch ist: Im Umfeld von Wien sind die Tennishallen wie die Schwammerl aus dem Boden gesprossen – mittlerweile sind sie vom Zusper­ren bedroht. Abgesehen davon, dass dort teilweise „Wüsten“ entstehen, sind auch viele Arbeitsplätze verloren gegangen, weil es nicht gelungen ist, diesen Boom mitzu­nehmen.

Jetzt gibt es neue Sportarten, die ebenfalls boomen. Ich denke insbesondere an Tisch­tennis – Werner Schlager war im Vorjahr Weltmeister – und an Schwimmen, das jetzt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 18

ganz massiv boomt. Vor allem was das Schwimmen betrifft, wird man angesichts der Nachwuchssituation sehen, dass diese Sportart auch in den nächsten Jahren mit Sicherheit im Mittelpunkt stehen wird. Ich sehe im ORF jedoch nichts davon. Ich sehe keine Schwimmübertragungen. Da gibt es Europameister, die kommen, und man kann sich die Bewerbe mit Glück auf TW1 anschauen, aber nicht im ORF. Da gibt es auch andere Verantwortungen, um so etwas zu fördern.

Aber der Boom geht ja weiter. Der Trend zu den Thermen ist ja ganz erfreulich, aber gehen Sie einmal mit zwei Kindern in Baden in die Römertherme, und zahlen Sie den Eintritt – da glauben Sie, Sie können den Startblock mitnehmen, weil Sie ihn gekauft haben, geschweige denn dass Sie dort schwimmen gehen! Das heißt, wenn es darum geht, hier die nötige Infrastruktur zu schaffen, dann sind das auch Maßnahmen, die der Sport setzen muss. Es ist wunderschön, wenn eine Therme nach der anderen aus dem Erdboden schießt, aber wenn es sich die Leute nicht leisten können, zumindest schwimmen zu gehen, dann haben wir ein anderes Problem. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Sinne finde ich die Maßnahmen, die vom Sportstaatssekretariat gesetzt wer­den, durchaus positiv. Ich glaube nur, man müsste über die Sonntagsreden, Parla­mentsreden hinauskommen und die angekündigten Maßnahmen, die von der Politik gesetzt werden können, auch tatsächlich umsetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.44

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mikesch. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


12.44

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sport lässt die Herzen aller Österreicher höher schlagen – aber leider allzu oft nur vor den Fernsehgeräten oder auf den Tribünen. 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher betreiben leider keinen regelmäßi­gen Sport und lassen sich damit sehr viele positive Erlebnisse entgehen, positive Er­lebnisse, die sich 1 : 1 auf den Gesundheitszustand auswirken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist durch unzählige Studien belegt, sport­liche Aktivitäten verlängern zwar nicht das Leben, erhöhen aber sehr wohl die Lebens­qualität jedes Einzelnen. Sport ist aber auch Balsam für die Seele, und zwar nicht nur wenn österreichische Skifahrer unsere deutschen oder Schweizer Nachbarn um Sekunden abhängen, sondern die Depressionsrate sinkt bei aktiven Menschen um 30 bis 40 Prozent.

Sport ist aber auch eine Frage der Eigenverantwortung. Jede Person ist für sich selbst, für seine Gesundheit und seine Fitness selbst verantwortlich. Die Bundesregierung, im Speziellen das Gesundheitsministerium, betreibt dazu aktive Bewusstseinsbildung. Die Aktion „iSch“ von Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ist eine Initiative, um den eige­nen inneren Schweinehund zu überwinden, eine ganzheitliche Aktion, die von der ge­sunden Ernährung über betriebliche Gesundheitsvorsorge bis hin zur Begeisterung für Bewegung und Sport reicht.

Weiters weise ich aber auch auf die Initiative „Fit is a Hit“ der österreichischen Sport­union hin. Dabei werden Trainer für neue, attraktive Bewegungsangebote wie zum Bei­spiel Nordic Walking geschult. Bis Mai wurden bereits 450 Personen zu professionellen Trainern ausgebildet. Mit dieser Aktion bietet die Sportunion ein attraktives Neuange­bot. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 19

Meine Damen und Herren von der Opposition! Hören Sie mit Ihren Horrormeldungen bezüglich der Turnstunden auf! Die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ aus 2003 zeigt auf, dass Österreich hinsichtlich des Anteils von Bewegung und Sport am Gesamtunterricht in der Altersgruppe der 9- bis 11-Jährigen auf dem hervorragenden zweiten Platz innerhalb der OECD-Staaten liegt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Witt­mann: Das sind alte Zahlen! Das ist heuer anders!)

In der Altersgruppe der 12- bis 14-Jährigen liegt Österreich zusammen mit Frankreich sogar auf Platz eins.

Die 12- bis 14-Jährigen haben in Österreich mehr als doppelt so viel Sportunterricht wie in Irland und um ein Drittel mehr als in Finnland. Damit liegt Österreich im europäi­schen Spitzenfeld. (Abg. Dr. Wittmann: Heuer ist das anders!)

Aber eines muss festgehalten werden: Diese Bundesregierung bekennt sich im Sport zur Eigenverantwortung und zum Vereinssport. Eines wollen wir nicht: dass Schülerin­nen und Schüler den ganzen Tag von früh bis spät in den Schulen sitzen und keine Zeit mehr für Aktivitäten in den Vereinen haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.) Das ist vielleicht Ihr ideologischer Ansatz, meine Damen und Herren von der SPÖ, unserer ist es sicherlich nicht!

Unsere Bundesregierung ist nämlich stolz auf das flächendeckende Vereinsnetz in Ös­terreich. Ich bedanke mich heute sehr herzlich bei den 200 000 ehrenamtlichen Funk­tionären, die Jahr für Jahr mit großem persönlichem Engagement in ihren Vereinen tätig sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sehen, meine Damen und Herren, seitens der öffentlichen Hand werden sehr viele Möglichkeiten geboten. Nutzen Sie diese für sich selbst, für Ihren gesunden und aktiven Körper! Ein für mich sehr positives Beispiel ist der kerngesunde Altpräsident des Rudervereins Niederösterreich, der mit seinen 90 Jahren heute noch regelmäßig seinen geliebten Rudersport ausübt. Es ist nie zu spät, mit sportlicher Betätigung zu beginnen. Es liegt an Ihnen, bei Sport nicht an Schweiß und körperliche Anstrengung zu denken, sondern in sich die Sehnsucht zu wecken, fit und gesund zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.49

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Leider, liebe Kollegin Mikesch, die Zahlen, die Sie verwendet haben, sind alte Zahlen. Leider ist der Zustand der österrei­chischen Sportlerinnen und Sportler, vor allem der Kinder und Jugendlichen, nicht so gut, wie Sie es uns weismachen wollen, und das ist sehr, sehr schade.

Die heutige Aktuelle Stunde sieht ja einen Zusammenhang zwischen Gesundheit und sportlicher Aktivität, und dieser ist nicht von der Hand zu weisen. Ich frage mich, ob das wirklich der Grund für diese Aktuelle Stunde war oder ob vielleicht das Motiv dafür war, endlich an die mehr als 3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher das Wort zu richten, die sich bereits in Vereinen organisiert haben, oder ob man vielleicht die Gelegenheit nutzen wollte, einmal hier anzusprechen, dass wir kurz vor Olympischen Spielen stehen.

Wir freuen uns über jeden Athleten und jede Athletin, die in Athen antreten werden, und sind sehr froh über jede österreichische Teilnehmerin und jeden österreichischen Teilnehmer, gratulieren allen, die sich schon qualifiziert haben, und wünschen denen, die die Qualifikation noch vor sich haben, alles, alles Gute. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 20

Wir werden uns über jede Medaille freuen, und sicherlich wird sich wieder der eine oder andere Politiker neben einer Sportlerin/einem Sportler, der eine Medaille errungen hat, „sonnen“. Und das soll er auch tun – wenn er die Grundlagen dafür schafft und die Unterstützung dafür leistet, dass es zum Gewinn solcher Medaillen überhaupt kommen kann.

Ich erlaube mir daher, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass ausnahmslos alle ös­terreichischen OlympiateilnehmerInnen aus dem organisierten Vereinssport kommen, dass mehr als 90 Prozent dieser Vereine ehrenamtlich geführt werden und dass die verantwortlichen FunktionärInnen auch bei erfolgreicher Teilnahme eines ihrer Schütz­linge mit ziemlicher Sicherheit nicht im Rampenlicht stehen werden.

Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass dem Parlament bis zur Stunde nicht einmal ein Bundes-Sportförderungsgesetz für das nächste Jahr vorliegt, wie bereits ausgeführt wurde. Das ist beschämend und empörend! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Erfolge unserer SommersportlerInnen werden sich aber nur wiederholen lassen, wenn dem Sport seitens der österreichischen Regierung rechtzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Hier erinnere ich auch daran, dass Erfolge wie die unserer Schwimmer, Ruderer oder Leichtathleten nur möglich sind, wenn man deren Verbände in die Lage versetzt, lang­fristig zu planen. Um einen Ausdauerspitzensportler hervorzubringen, benötigt man sie­ben Jahre Vorlaufzeit. – Wie soll das gehen, geschätzte Damen und Herren, wenn man von einem Jahr aufs andere wieder um eine Bundessportförderung zittern muss?! Da ist langfristige Planung nicht möglich, und das ist schade für den österreichischen Sport. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erlaube mir aber auch, darauf hinzuweisen, dass wir bei den Förderungen in den olympischen Sportarten bereits jetzt deutlich hinter vergleichbare Länder zurückge­fallen sind. Nicht zuletzt deshalb erringen wir mehr als 80 Prozent unserer Welt- und Europameistertitel in nichtolympischen Sportarten.

Ich hoffe daher, dass Herr Finanzminister Grasser, der die ehrenamtliche Vereinstätig­keit, wie wir alle wissen, ohnehin sehr schätzt – ich erinnere nur an seinen Verein „New Economy“ und seine Homepage; da weiß er, wie praktisch vielleicht Vereine sein könn­ten –, auch dafür sorgt, dass dem organisierten Vereinssport die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zukünftig auch den Ehrenamtlichen die unterstüt­zende Basis zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der wissenschaftliche Nachweis des Einsparungspotentials in unserem Gesundheits­system durch Breitensport-Aktivitäten ist längst erbracht. Es steht außer Streit, dass gezielte Sportausübung eine deutliche Entlastung des österreichischen Krankenver­sicherungswesens bringen kann. Es ist daher nicht einzusehen, warum seitens der Regierung nicht endlich in geeigneter Form darauf reagiert wird. Und der Weg der Turnstundenkürzungen – und dafür sind nun einmal Sie von den Regierungsparteien verantwortlich! – ist mit Sicherheit nicht der Weg in die richtige, sondern der Weg in die falsche Richtung. Die damit verbundenen Kosten für die Volksgesundheit, die wir dadurch provozieren, sind Ihnen zuzuschreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der allgemeine Befund ist leider schlecht. Der Gesundheitszustand der 10- bis 14-Jäh­rigen im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates, wie nachgewiesen wurde, ist schlecht, ist Besorgnis erregend. Die „Klug und Fit“-Studie hat es bewiesen. Bundes­ministerin Gehrer hat als Reaktion Turnstunden gekürzt.

Die Ergebnisse der Musterung – ich bin Mitglied des Landesverteidigungsausschus­ses – zeigen ein ähnlich Besorgnis erregendes Bild: ein beängstigendes Ausmaß an


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 21

Übergewichtigkeit und Schwächen im Bewegungs- und Stützapparat. (Präsident Dr. Fi­scher gibt das Glockenzeichen.)

Daher fordere ich Herrn Bundeskanzler Schüssel auf – es ist nämlich seine Verant­wortung, es ist die Generalkompetenz des Sportministers in der Regierung –, und zwar hier von höchster Stelle, diese Probleme ernst zu nehmen, die finanzielle Absicherung des organisierten Vereinssportes langfristig zu gewährleisten und dafür zu sorgen ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin, gleiches Recht für alle!

 


Abgeordnete Beate Schasching (fortsetzend): Letzter Satz, Herr Präsident: Ich for­dere Sie auf, Herr Bundeskanzler, Frau Bundesministerin Gehrer dazu zu motivieren, Turnstundenkürzungen rückgängig zu machen, sowie die Frau Gesundheitsministerin dazu zu motivieren, eine langfristige Sicherung des Gesundheitssystems zu verwirk­lichen und mit der Gesundheitsreform nicht auch noch alle Beteiligten vor den Kopf zu stoßen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.55

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. Eine halbe Minute Gutschrift?

 


12.55

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Okay, danke, Herr Präsident! – Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Sport fördert die Gesundheit. Ich glaube, das ist in allen Fraktio­nen und auch in der Bevölkerung unbestritten. Die Gesundheit wird in unserer Gesell­schaft eindeutig als Höchstwert angesehen, die Vorstellungen allerdings darüber, was Gesundheit ist, sind nicht einheitlich.

Das Verhalten in der Sportausübung ist ebenfalls äußerst unterschiedlich. Und wenn wir jetzt differenzieren zwischen Spitzensport, Breitensport und Freizeitsport, so muss ich eines sagen: Durch die Aktion „Fit für Österreich – Sport als Dienstleister im öster­reichischen Gesundheitssystem“ ist eines gelungen: eine Spange zu bilden vom Klein­kind mit der Talenteförderung über das Schulkind mit der schulischen Sportausbildung bis zur älteren Generation. Es wird also die gesamte Bevölkerung damit erfasst. Auf der einen Seite werden die Talente der Kids gefördert, wird der spielerische Zugang zum Sport forciert, auf der anderen Seite gibt es für jeden Einzelnen eine Früherken­nung, um herauszufinden, ob gewisse Störungen im Bewegungsapparat vorliegen.

Zusätzlich zum Turnunterricht in der Schule wird die Zusammenarbeit mit den Sport­verbänden und Sportvereinen forciert. Diese Einrichtungen werden hier optimal genutzt. „Fit für die Schule“, „Fit for Business“– das ist ebenfalls etwas, womit die Leis­tungsfähigkeit des Einzelnen und damit verbunden sein Selbstbewusstsein gestärkt und eine Verbesserung des Arbeitsklimas in den Betrieben, die Senkung der Zahl der Krankenstände und in weiterer Folge eine langfristige Senkung der Arbeitskosten erreicht werden. Für die Generation der über 50-Jährigen gibt es eine Sensibilisierung dahin gehend, dass man ihr vor Augen führt, dass man durch Bewegung fitter im Alter, viel gesünder ist und man auch mit einer höheren Lebenserwartung rechnen kann.

Die Prävention ist in diesem Fall besonders wichtig und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen. Wesentlichen Einfluss haben natürlich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Bildung und das Ver­kehrswesen, die Umweltqualität, die Arbeitsbedingungen und der persönliche Lebens­stil. Auf den kommt es besonders an! Mit der Prävention werden eine Erhöhung der Lebensqualität, eine Verbesserung des Gesundheitsstatus in allen Altersklassen und die Mobilität bis ins hohe Alter forciert.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 22

Die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung des Breiten- und Freizeitsports wird ebenfalls in Österreich aufgestellt. Auf der einen Seite, der Kostenseite, stehen Aus­gaben für Sportverletzungen und Unfälle, die mit 302 Millionen € im Jahr statistisch zu Buche stehen. Die Hauptverantwortlichen für diesen Kostenanfall sind der berufliche Produktionsausfall und Invalidität wie auch die Krankenstände. Dem gegenüber steht die Nutzenseite, auf der die Einsparungseffekte auf Grund dieser Sportaktivitäten zum Ausdruck gebracht werden: Sie betragen in Österreich rund 566 Millionen €. Damit ergibt sich ein Saldo von zirka 263 Millionen €, der durch Präventivmaßnahmen er­reicht wird. Hauptverantwortlich für diesen Kosteneinsparungseffekt sind Reduktionen im Bereich beruflicher Produktionsausfall durch Tod und bei den Behandlungskosten.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, damit ist eindeutig erwiesen, dass durch die Sportausübung die Kosten im Gesundheitswesen wesentlich gesenkt und nicht er­höht werden.

Ich komme schon zu meinem Schlusssatz: In einer zeitgerechten Vorsorgemaßnahme liegt ein enormes Einsparungspotential zugunsten des gesamten Gesundheitsberei­ches. Und regelmäßige körperliche Aktivitäten durch Bewegung und Sport verlängern das Leben, machen es lebenswerter, halten fit und machen mobil bis ins hohe Alter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.00

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Schweitzer hat ein paar positive Aktionen erwähnt, wie zum Beispiel die Aktion „Fit für Österreich“, aber er hat auch gesagt, dass er sich dafür einsetzen will, im Rahmen der freiwilligen Nach­mittagsbetreuung in Zusammenarbeit mit den Sportvereinen mehr Sport in die Schulen zu bringen.

Herr Staatssekretär, ich sehe es eher als ein Armutszeugnis an, dass Sie es innerhalb der Regierung nicht geschafft haben, die Kürzung der Turnstunden im regulären Unter­richt zu verhindern. (Beifall bei den Grünen.)

Bei Freiwilligkeit gehen doch die hin, die ohnehin gern Sport betreiben, aber es geht doch darum, jene zu motivieren und zu überzeugen, die das nicht so gerne tun und die vielleicht den inneren Schweinehund erst überwinden müssen. Dazu bräuchte es aber ein Mehr an Turnstunden im regulären Unterricht.

Herr Staatssekretär, ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Was tun Sie, was tut diese Bundesregierung, um diese Jugendlichen und Kinder zu motivieren und zu über­zeugen, dass sie verschiedene Sportarten ausüben sollten, und welches Angebot ma­chen Sie ihnen?

Ich bringe in diesem Zusammenhang ein Beispiel: Mein Neffe, der in Hartberg in die Schule geht, würde sehr gerne schwimmen gehen, weil er Probleme mit dem Rücken hat. (Abg. Dr. Brinek: Kann er eh!) Er kann schon ins Schwimmbad gehen, aber in einen Schwimmverein, wo er trainieren lernt, wo er regelmäßig hingehen kann, kann er nicht, denn es gibt dort weder einen Sportverein noch einen Schwimmverein und es gibt auch von der Schule kein derartiges Angebot. (Abg. Dr. Brinek: Da kann er die Schule nicht verantwortlich machen!)

Ich denke, es wäre sehr wohl notwendig, jungen Leuten, die das gerne machen wollen, die auch trainieren wollen und nicht nur hin und wieder ein paar Längen schwimmen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 23

wollen, Möglichkeiten dazu anzubieten – gerade in einer Zeit, in der wir österreichische EuropameisterInnen im Schwimmen haben, die hoffentlich bei der Olympiade auch sehr gut abschneiden werden. Ich wünsche ihnen übrigens von hier aus alles Gute, und zwar auch den anderen österreichischen TeilnehmerInnen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP.)

Da haben wir jetzt ein paar ganz tolle Leute, und die sind Vorbilder, und die muss man doch auch dazu nutzen, die Jungen zu motivieren. Aber wie will man das machen, wenn es in ganz Österreich zum Trainieren, nämlich dann, wenn es wirklich auch um Wettbewerb geht, ganze 3,2 Hallenbäder gibt, die 50-Meter-Becken haben. Die 3,2 sind folgende: zwei in Wien, eines in Linz und zwei Bahnen in einem Schwimmbecken in Salzburg mit 50 Metern Länge.

Ich frage mich, wo die Sportler für Weltmeisterschaften und Europameisterschaften trainieren sollen, wenn sie keine 50-Meter-Becken zur Verfügung haben. Nur im Freien und nur im Sommer? Das geht nicht! Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die 50-Meter-Strecke eine ist, an die man sich gewöhnen muss, denn da ist das Ende sehr weit weg. Bei den 25-Meter-Becken ist das viel leichter, da macht man die Wende und schwimmt wieder zurück.

Daher, Herr Staatssekretär: Der Neubau von Hallenbädern mit 50-Meter-Bahnen wäre gerade jetzt die Möglichkeit, die sich aus den Erfolgen der österreichischen Schwim­merInnen ergibt. Diese Erfolge könnte man zum Anlass nehmen, in die Infrastruktur zu investieren. Aber diesbezüglich habe ich von Ihrer Seite, Herr Staatssekretär, leider nichts gehört.

Diese Förderstruktur bedeutet natürlich mehr Ausgaben, bedeutet, dass auch mehr Geld für TrainerInnen da sein muss. Wenn die Trainer der Spitzensportler zirka 7 000 € im Jahr verdienen, dann ist das einfach zu wenig. Da gehört investiert, meine Damen und Herren, denn sonst werden wir die Menschen – auch die jungen Leute – nicht dazu gewinnen können, sich wirklich für den Sport zu interessieren und begeistert beim Sport mitzumachen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde lautet „Sport fördert die Gesundheit“, und ich möchte in diesem Zusammenhang auch einen Aspekt einbringen, bei dem es sich nicht nur um Sport in Österreich dreht, und dabei möchte ich über die Grenzen schauen, nämlich dorthin, wo es um die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen und Männern geht, die die Sportbekleidung und die Sportschuhe herstellen, die wir und unsere SpitzensportlerInnen und die Kinder anhaben, wenn sie sporteln und wenn sie trainieren. Die Herstellung der Sportbekleidung und der Sportschuhe findet nämlich sehr oft unter Verletzung fundamentalster Arbeitsrechte statt.

Jetzt werden Sie sich fragen: Was hat das denn mit Gesundheit zu tun? Aber wenn jemand 12 bis 14 Stunden pro Tag arbeiten muss, und zwar ohne Pause und unter Einsetzung von toxischen Substanzen – bei der Herstellung von Sportschuhen und so weiter werden Dinge verwendet, die man besser nicht einatmen sollte –, und wenn es keine Überprüfung dieser Zustände gibt, was derzeit noch der Fall ist, dann ist das sehr wohl gesundheitsschädigend.

Ich denke, in einer Debatte, die unter dem Titel „Sport fördert die Gesundheit“ läuft, muss man sich auch dafür interessieren, was woanders passiert. (Beifall bei den Grü­nen.) Es gibt derzeit eine Kampagne, die heißt „Play fair at the Olympics“, und da möchte ich Sie, Herr Staatssekretär Schweitzer, auffordern, dass Sie diese Kampagne gerade jetzt vor der Olympiade auch öffentlich unterstützen, dass Sie sich auch öffent­lich dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen jener Menschen, die die Sportbeklei­dung, die wir gerne anhaben, wenn wir Sport betreiben, produzieren, auch wirklich so


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 24

sind, dass wir mit einem guten Gewissen diese Sportbekleidung tragen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor und sind auch nicht vorgesehen. Daher schließe ich die Aktuelle Stunde.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung darf ich auf ein Schriftstück verweisen, das im Sinne des § 23 Abs. 4 im Hause verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1866/J bis 1872/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1626/AB bis 1643/AB.

2. Ergänzung zur Anfragebeantwortung: 2. Zu 765/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz und das Energieabgabenvergütungs­gesetz geändert werden (516 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (546 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (547 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz, das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz über den zwischenstaat­lichen Luftverkehr 1997 geändert werden (548 d.B.).

4. Volksbegehren:

Pensions-Volksbegehren (550 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz zum Schutz vor gefährlichen Produkten (Produktsicherheitsge­setz 2004 – PSG 2004) (512 d.B.);

Außenpolitischer Ausschuss:

Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungs­zeugnissen und Konformitätsnachweisen (513 d.B.),

Beschluss der im Rat der Europäischen Union vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten betreffend die Vorrechte und Immunitäten von ATHENA (515 d.B.),

Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über An­sprüche eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat wegen Beschädigung von in seinem Eigentum stehenden, von ihm genutzten oder betriebenen Sachen oder wegen Körperverletzung oder Tod von Mitgliedern des Militär- oder Zivilpersonals seiner Einsatzkräfte im Rahmen einer Krisenbewältigungsoperation der Europäischen Union (519 d.B.),


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 25

Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Anhän­gen, Schlussakte und Berichtigungsprotokoll (549 d.B.);

Justizausschuss:

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (518 d.B.);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Land­wirtschaft samt Anlagen und Erklärung (514 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN) (196 d.B.);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Slowakischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (517 d.B.).

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuss:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft betreffend Umweltförderungen des Bundes 2003 sowie die Finanzvorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsgesetzes erwachsenden Belastungen (III-84 d.B.).

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben nur einen Punkt auf der Tagesordnung, und wir haben in der Präsidialsitzung Konsens erzielt, dass von jeder Fraktion eine Wort­meldung mit nicht über fünf Minuten vorgesehen ist.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat das Haus dem zugestimmt und wir gehen so vor.

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (473 d.B.): Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergänzung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung (523 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum einzigen Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte, Herr Kollege.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 26

13.06

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich beginne meine Rede heute mit der Bitte um Milde. Das habe ich noch nie gemacht. Ich werde nämlich – entgegen den üblichen parlamentarischen Pflichten – nicht zum Tagesordnungspunkt betreffend das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergän­zung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung reden – damit habe ich auch den Titel dieses Tagesordnungspunktes pflichtgemäß erwähnt –, sondern ich möchte, sehr geehrter Herr Präsident Dr. Fischer, diese Gele­genheit nützen, um Sie als einen Parlamentarier und als einen langjährigen Präsiden­ten dieses Hohen Hauses seitens des Klubs der Österreichischen Volkspartei zu würdi­gen, weil wir wissen, dass dies die letzte Nationalratssitzung ist, an der Sie als Abge­ordneter dieses Hauses teilnehmen und die Sie als Zweiter Präsident dieses Hauses präsidieren.

Immer wieder gibt es in der Geschichte des Parlaments und des Parlamentarismus Persönlichkeiten, die in besonderer Weise dieses Hohe Haus, dieses Parlament prä­gen – prägen nach innen und nach außen. Das ist – und das muss man auch sagen dürfen – leider nicht immer nur positiv der Fall gewesen, wenn ich zum Beispiel an die letzte Sondersitzung hier in diesem Hohen Hause denke.

Aber Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident Dr. Fischer, ist ins positive Stammbuch zu schreiben, dass Sie eine jener Persönlichkeiten sind, die das Image des Hohen Hau­ses, die das Parlament nach innen und nach außen positiv geprägt haben. Dafür sagen wir danke, meine Damen und Herren! (Lebhafter allgemeiner Beifall.)

Herr Präsident Dr. Fischer, Sie gehören diesem Hohen Haus seit dem Jahre 1971 an – mit dreijähriger Unterbrechung –, Sie sind 30 Jahre lang Parlamentarier. Sie sind zwölf Jahre lang Erster Präsident dieses Hohen Hauses gewesen und seit dem Jahre 2002 Zweiter Präsident.

Sie, Herr Präsident Fischer, haben in diesem Hohen Haus viel erlebt, etwa die SPÖ-Alleinregierung, die SPÖ/FPÖ-Regierung, eine SPÖ/ÖVP-Regierung und auch eine ÖVP/FPÖ-Regierung.

Sie, Herr Präsident, haben die parlamentarische Breite nicht nur erlebt (Abg. Öllinger: Nicht ganz!), sondern – ich kann das so sagen – auch gestaltet. Sie sind ein Vollblut-Parlamentarier. Ich denke, dass Sie genau aus dieser vollen Überzeugung des Demo­kraten, des Vollblut-Parlamentariers, dieses positive Image, dieses prägende positive Bild dieses Hohen Hauses, des österreichischen Parlaments gezeichnet haben.

Sie sind jemand, Herr Präsident Dr. Fischer, dem die Würde dieses Hohen Hauses ein besonderes Anliegen ist. Ich denke, dass Sie nicht nur durch Ihre Persönlichkeit die Würde dieses Hohen Hauses repräsentieren, sondern auch in Ihrer Vorsitzführung die Würde dieses Hauses in jeder Phase mit jeder Faser verteidigt haben. (Allgemeiner Beifall.)

Sie, Herr Dr. Fischer, haben als Präsident des Hohen Hauses insbesondere ein blei­bendes Verdienst: die Öffnung des Parlaments, die Transparenz des Parlaments, das Öffnen des Hauses für die Bürgerinnen und Bürger und damit auch für das Erlebbar­machen des Parlaments.

Sie, Herr Präsident Fischer, sind durchaus ein politischer Präsident – ein politischer Präsident, den ich auch bei vielen Regierungsverhandlungen erlebt habe –, aber Sie sind in dieser Funktion als politischer Präsident stets bemüht gewesen, eine objektive Vorsitzführung in diesem Hohen Hause sicherzustellen, obwohl – das ist auch keine


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 27

Überraschung – es darüber auch manchmal unterschiedliche Beurteilungen gegeben hat; das gehört einfach dazu.

Ich möchte mich seitens des Klubs der Österreichischen Volkspartei für diese Ihre Arbeit, Herr Dr. Fischer, für unsere Republik Österreich hier im Parlament sehr, sehr herzlich bedanken!

Ich möchte namens des Klubs der Österreichischen Volkspartei Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident Dr. Fischer, die besten Wünsche für Ihr neues Amt mitgeben, das Sie in wenigen Wochen, nach der Angelobung auch hier im Hause in der Bundesversamm­lung, antreten werden!

Ihr Erfolg als Bundespräsident aller Österreicherinnen und Österreicher ist der Erfolg unserer Republik Österreich. In diesem Sinne, Herr Präsident Dr. Fischer, alles Gute für die Zukunft! (Lebhafter allgemeiner Beifall.)

13.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Gusen­bauer. – Bitte.

 


13.13

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Satz zum gegenständlichen Abkommen: Ich halte das Abkommen für sinnvoll, weil es die Möglichkeit Österreichs erhöht, flexibel die Mittel für Forschung, Technologie und Entwicklung zu vermehren und einzusetzen, und daher ist es sinnvoll, diesem Abkommen die Zustimmung zu geben. – Das zum Ersten.

Zum Zweiten möchte ich mich der Praxis des Kollegen Molterer anschließen und die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt dem Anlass widmen, dass Heinz Fischer heute aus dem Parlament ausscheiden wird.

Ich kann vielem oder allem, was Herr Kollege Molterer gesagt hat, zustimmen, weil es in der Tat so ist, dass mit Heinz Fischer heute jemand das Parlament verlässt, der in vielen Funktionen hier tätig war. Heinz Fischer hat ja hier nicht als Abgeordneter begonnen, sondern als Klubsekretär, er hat jene ganz wesentliche, akademisch quali­fizierte Arbeit geleistet, die das Leben der Parlamentarier nicht nur unterstützt und begleitet, sondern die eine Tätigkeit ist, ohne die heute der Parlamentarismus nicht mehr denkbar wäre.

Dr. Fischer war darüber hinaus ein sehr pointierter Klubvorsitzender der sozialdemo­kratischen Parlamentsfraktion und ist dann letztendlich ein Parlamentspräsident gewor­den, der, glaube ich, die Zustimmung aller hier im Hohen Haus vertretenen Parteien gefunden hat. Das war ein langer Weg, ein Weg mit unterschiedlichsten Tätigkeiten, und man kann, glaube ich, sagen, dass Heinz Fischer auf Grund der Unterschiedlich­keit seiner Tätigkeiten im Parlament zu so etwas wie einem Inbegriff des Parlaments und des Parlamentariers und des Parlamentarismus geworden ist.

Ganz wesentlich war mit Sicherheit seine Bestrebung, das Parlament zu öffnen, und zwar nicht nur gegenüber der interessierten Öffentlichkeit, die am „Tag der offenen Tür“ oder bei Plenardebatten in einem sehr, sehr starken Ausmaß an den parlamenta­rischen Beratungen Anteil nimmt, sondern auch, was sehr wichtig ist, für Kunst und Kultur. Es haben hier im Parlament auch sehr viele verschiedene Darstellungen, Auf­führungen, Ausstellungen stattgefunden und finden nach wie vor statt.

Ich möchte aber auch dazusagen, dass Heinz Fischer mit vielen anderen dazu bei­getragen hat, dass das Parlament heute ein ganz anderes Parlament ist, als es vor 20 Jahren gewesen ist. Viele können sich heute nicht mehr vorstellen, ihre Arbeit ohne


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 28

parlamentarische Mitarbeiter und ohne all die technologischen Möglichkeiten, die für die Abgeordneten geschaffen wurden, zu verrichten. Damit geschah unter der Präsi­dentschaft von Heinz Fischer, würde ich sagen, ein ganz großer Sprung nach vorne in der Qualität der Parlamentsarbeit.

Auch die Mitwirkung des Parlaments am Österreichischen Versöhnungsfonds und an dem, was da geleistet wurde, soll man in die lange Liste der Errungenschaften seiner Zeit stellen, weil sie, glaube ich, auch zeigt, dass das österreichische Parlament heute ein Arbeitsparlament ist, wo es für die Abgeordneten möglich ist, zu arbeiten, und das dazu beiträgt, dass das österreichische Parlament eine bedeutend höhere Wertschät­zung bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes genießt, als das manchmal angenommen wird. All das ist natürlich im Verein mit all den anderen, die mitgewirkt haben, mit der Tätigkeit Heinz Fischers als Parlamentspräsident verbunden und verknüpft. (Allgemeiner Beifall.)

Dr. Heinz Fischer wird auf Basis des Wahlergebnisses vom 25. April dieses Jahres in wenigen Tagen als österreichischer Bundespräsident angelobt werden, und er ist damit der erste Bundespräsident seit langer, langer Zeit, der, bevor er Bundespräsident wur­de, parlamentarische Praxis und Erfahrung gehabt hat. Ich glaube, dass das eine ganz wichtige Erfahrung ist, weil ich daraus ableite, dass sich die Kontakte zwischen dem österreichischen Parlament und dem neu gewählten österreichischen Staatsoberhaupt in Zukunft sehr gut und konstruktiv entfalten werden. Auch wenn seine Rolle und Posi­tion in Zukunft eine neue sein wird, so glaube ich doch, dass sein Herz weiterhin für das österreichische Parlament schlagen wird.

Lieber Heinz Fischer, alles Gute für die Zukunft im neuen Amt! Glück auf und toi, toi! (Allgemeiner Beifall.)

13.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als Nächster Herr Kollege Scheib­ner. – Bitte.

 


13.18

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Das gegenständliche Abkommen ist wirklich eine sehr sinnvolle Angelegenheit, ein wichtiger Tagesordnungspunkt, und ich freue mich ganz besonders, dass wir hier aus einer sehr sachlichen Diskussion einen Konsens über dieses Abkommen herstellen können.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident Fischer wechselt sozusagen das Haus. Der Titel bleibt der gleiche, allerdings kommt statt des Wortes „Parlament“ das Wort „Bund“ davor, somit wechselt er zum höchsten Amte im Staate, und zwar nach einer sehr, sehr langen politischen und auch sehr langen parlamentarischen Karriere.

Seit dem Jahre 1990, also seit Heinz Fischer Parlamentspräsident ist, bin auch ich als Abgeordneter hier im Hause, und als solcher konnte ich seine Amtsführung hier verfol­gen – was ich manchmal kritisch und manchmal durchaus auch mit Anerkennung tat.

Wenn man der Meinung ist, dass man schon sehr lange in diesem Geschäft ist, und sich dann das Curriculum des Präsidenten Fischer ansieht, dann weiß man eigentlich erst, was eine lange, erfahrungsreiche politische Karriere ist.

Präsident Heinz Fischer ist 1971 Mitglied dieses Hohen Hauses geworden – da war ich gerade acht Jahre alt – und hat hier eine ganze Reihe von Funktionen innegehabt und sie auch immer politisch ausgefüllt. Bei politischen Funktionen gibt es natürlich auch politische Konflikte, und auch die hat es immer wieder gegeben – wahrscheinlich auch in den eigenen Reihen, sicherlich auch mit den anderen Fraktionen und mit den ande­ren Parteien.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 29

Auch das Verhältnis zu unserer Fraktion war nicht immer friktionsfrei. Ich kann mich noch an sehr intensive Debatten und Auseinandersetzungen, auch Geschäftsord­nungsdebatten, erinnern, die Präsident Fischer mit meinen Vorgängern als Klubvorsit­zende geführt hat – bis hin zu einem Punkt, wo wir heute noch anderer Meinung sind: die Entscheidung, einem Teil unserer Fraktion 1993 den Status eines eigenen Klubs zu geben.

Aber ich glaube, auch das ist Geschichte, und ich kann hier sagen, dass auch wir als freiheitliche Fraktion das Werk Heinz Fischers als Präsident anerkennen. Er hat dieses Haus geöffnet, und er hat immer versucht, seine Funktion als Präsident – vor allem hier im Hohen Haus – von seiner Funktion als stellvertretender Parteivorsitzender der Sozi­aldemokratischen Partei zu trennen. Er war Parlamentarier und ist es auch bis heute noch, und ich gehe davon aus, dass ein bisschen von diesem Bewusstsein als Parla­mentarier auch in seine neue Funktion mitgenommen werden kann.

Er hat diese Funktion als Parlamentspräsident auch in ihrer Außenwirkung verstan­den – in ihrer Außenwirkung gegenüber der österreichischen Bevölkerung, aber auch in ihrer Außenwirkung gegenüber der Vertretung Österreichs im Ausland. Ich glaube, auch das ist von ganz besonderer Bedeutung: dass man versucht, die jeweiligen offi­ziellen Funktionen auch dazu zu nützen, das Bild, das Ansehen Österreichs im Aus­land zu stärken. Und das, glaube ich, wird auch eine Hauptaufgabe in seiner neuen Funktion sein. Es ist ja Gott sei Dank gelungen, in diesem Wahlkampf, aus dem Heinz Fischer als Sieger, als Gewinner hervorgegangen ist, weder das Amt noch die Person zu schädigen; das war ja bei Bundespräsidentenwahlen auch nicht immer der Fall.

Deshalb, glaube ich, können wir der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Heinz Fischer ein Bundespräsident für alle Österreicherinnen und Österreicher sein wird, der dyna­misch, aktiv seine Rolle im Inland, aber vor allem auch im Ausland erfüllen wird. Das Amt des Bundespräsidenten ist ja oft in Diskussion – ob es notwendig ist, ob man das benötigt –: Nun, was vielleicht die Aufgabe im Inneren betrifft, so kann man immer darüber diskutieren, aber im Hinblick auf die Aufgabe als Vertreter der Republik Öster­reich im Ausland, um als solcher auch kontinuierlich mit den Amtskollegen in den ver­schiedenen Ländern positive Kontakte zu pflegen, ist diese Funktion, diese Position unersetzbar.

In diesem Sinne, Herr Präsident Fischer, noch einmal auch namens der freiheitlichen Fraktion meinen Dank und meine Anerkennung für jahrzehntelange Tätigkeit als Parla­mentarier, für ein Jahrzehnt als Erster Parlamentspräsident und alles Gute im Sinne Österreichs in Ihrer neuen Funktion als unabhängiger, als dynamischer, aktiver Bun­despräsident! (Allgemeiner Beifall.)

13.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. – Bitte.

 


13.23

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja kein Abschied, den wir heute feiern, sondern Heinz Fischer wech­selt ja „nur“ – unter Anführungszeichen – in die Hofburg. Deswegen brauchen wir auch nicht zu sehr in Wehmut zu verfallen: Heinz Fischer bleibt uns erhalten.

Den Worten meiner Vorredner kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen: Erstens, dass wir dem Tagesordnungspunkt 1 zustimmen, und zweitens, was die Verdienste von Heinz Fischer vor allem als Nationalratspräsident betrifft.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 30

Ich habe ihn ja schon etwas früher kennen gelernt – wenn ich mich nicht irre, muss das Ihr erstes Jahr als Abgeordneter gewesen sein, Herr Präsident, 1971. Da waren Sie an der Universität Innsbruck, um für die kommenden Firnbergschen Reformen der Univer­sitätsstruktur zu werben, und mit Ihnen war ein junger Beamter, der später Sektions­chef wurde. Mir ist damals aufgefallen – ich erinnere mich daran gut; ich war nicht acht Jahre, ich muss Mitte, Ende 20 gewesen sein –: der Beamte, der ganz sachlich und direkt vorgetragen hat, was jetzt kommen soll – und Heinz Fischer, der Politiker. Er hat sich in der Diskussion sozusagen den Rücken freigehalten für allfällige Änderungen, Modifikationen, die noch vorzunehmen sind. Das hat mich sehr beeindruckt.

Unsere nächste Begegnung war Anfang beziehungsweise Mitte der achtziger Jahre. Damals war Heinz Fischer Wissenschaftsminister, und da gab es so ein kleines For­schungsprojekt: „Die wirtschaftlichen Perspektiven der österreichischen Rüstungs­industrie“ (Heiterkeit bei den Grünen), bearbeitet von einem selbständigen, jungen Re­chercheur – sagen wir –, Peter Pilz, und ich hatte das Vergnügen, Projektleiter zu sein. Warum Heinz Fischer dieses Projekt genehmigt hat – dies zu ergründen bleibt der historischen Forschung noch vorbehalten. (Allgemeine Heiterkeit.) Jedenfalls war das für mich sehr interessant: Es gab jede Menge Interventionen von SPÖ-Seite, dieses Projekt fallen zu lassen – ich habe damals jede Woche irgendeinen Anruf in meinem harmlosen Büro in der Liechtenstein-Straße bekommen –, es gab auch Interventionen von der ÖVP, aber weniger, und die FPÖ war sowieso dagegen – Frischenschlager war damals Verteidigungsminister und wollte von dieser Studie von Haus aus nichts wissen. Ich habe damals viel gelernt – Heinz Fischer war das wahrscheinlich nicht neu.

Und dann habe ich mit meinem Klub der Grünen Heinz Fischer als Präsident des Na­tionalrates erlebt, und in dieser Zeit haben wir grosso modo, im Großen und Ganzen, positive – sehr, sehr positive – Erfahrungen mit Heinz Fischer gemacht: als einem unparteiischen, fairen Leiter dieses Hauses, als einem hervorragenden Kenner der Ge­schäftsordnung – nicht immer zum eigenen Vergnügen –, als Kenner aller Präzedenz­fälle, die jetzt gerade passen – und die anderen, die vielleicht auch passen würden, sind einem gerade entgangen –, als einem taktvollen Mahner, würde ich sagen, hier bei unseren Sitzungen.

Ich verstehe durchaus, dass dieses Amt oft schwierig ist, nicht wahr? Man will ja nicht zu oberlehrerhaft sein, muss aber doch für Ruhe und Ordnung sorgen. – Ich glaube, im Großen und Ganzen hat Heinz Fischer das sehr gut gemacht. Und er hat auch außer­halb der eigentlichen Sitzungen, zum Beispiel bei den – inzwischen jährlichen – Ge­denksitzungen zu den Opfern des Nationalsozialismus die richtigen Worte gefunden.

Vielleicht noch Folgendes: Heinz Fischer hat es mit den Grünen nicht immer ganz leicht gehabt. Meine Vorredner haben mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr er auf die so genannte Würde dieses Hauses bedacht ist. Und ich kann mich dunkel erinnern, dass es einmal einen Staatsempfang für ein Königshaus, wenn ich nicht irre, gab, und es ergab sich unglücklicherweise, dass die Hälfte des grünen Klubs gerade in der Säulenhalle neue Skater ausprobierte. – Das kann nicht ganz einfach gewesen sein.

Es wird in unserem Klub auch gerne erzählt, dass Madeleine Petrovic einmal mit einer Tierschutzorganisation bei Heinz Fischer – dem Protokoll nach immerhin dem zweiten Mann des Staates – im Büro war und einem der Hunde – Hunde waren auch mit – dort ein kleines Missgeschick passiert ist. (Abg. Dr. Khol: Das war eine Biberratte!) – Also ich verspreche, dass wir nicht planen und vorhaben, in der Hofburg ähnliche Ereignisse zu duplizieren!

Herr Präsident Fischer! Auch von der grünen Fraktion – Sie brauchen das ja nicht, aber ich sage es trotzdem – Dank und Anerkennung für diese vielen Jahre Ihrer Präsident­schaft! Sie gehen uns nicht verloren. Ich hoffe auf ein gutes Wiedersehen in der Hof-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 31

burg und dass Sie auch dort Ihr Amt so unzeremoniell, aber mit der gleichen Effizienz wie hier in diesem Haus führen! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir stimmen ab über den Antrag des Finanzausschusses – der gute Chancen hat, einstimmig angenommen zu werden – in 473 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Einstimmige Beschlussfassung dieser Vorlage.

Abschiedsansprache des Zweiten Präsidenten

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe das in dieser Form wirklich nicht erwartet – lieber Kollege Molterer, lieber Kollege Scheib­ner, lieber Kollege Van der Bellen, lieber Kollege Gusenbauer, Sie haben das heute in einer Art und Weise zum Ausdruck gebracht, die ich mir wirklich merken werde und die mir unvergesslich sein wird –, dass Sie mir eine solche Anerkennung aussprechen und eine solche Freude machen! Da werde ich mich sehr, sehr anstrengen, das zu recht­fertigen und Ihnen auch Verbundenheit und Dankbarkeit entgegenzubringen: durch Arbeit, durch Kontakte, durch gemeinsame Bemühungen.

Es ist wahr: Ich habe am vergangenen Freitag zu Mittag am Schreibtisch eine Ver­zichtserklärung für mein Mandat im Nationalrat liegen gehabt, und ich habe schon ein paar Sekunden gezögert, bis ich meinen Kugelschreiber genommen habe und diese Verzichtserklärung – die mit dem Ende der heutigen Sitzung, dieser Sitzung, datiert ist und daher in wenigen Minuten wirksam werden wird – unterschrieben habe, weil mir durch den Kopf gegangen ist, dass es doch mein berufliches, politisches und persön­liches Leben war, das ich zu einem sehr großen Teil in diesem Hause verbracht habe. Ich habe mir fest vorgenommen, mich in einer würdigen und ordentlichen Form von Ihnen allen zu verabschieden, und ich bin dankbar, dass mir das Präsidium, die Präsi­dialkonferenz durch diese Gestaltung der Sitzung die Gelegenheit gegeben hat, das auch zu tun.

Und ich tue es eben nicht ohne eine gewisse Bewegung, weil ich mich an den 2. Jänner 1962, an dem ich hier im Haus zu arbeiten begonnen habe – da waren Sie, Kollege Scheibner, noch gar nicht auf der Welt, das war noch ein Jahr vor Ihrem Geburtsdatum –, noch gut erinnern kann. Es waren die letzten Wochen der Amtszeit von Leopold Figl als Parlamentspräsident. – Ich habe jetzt nicht die Zeit, Ihnen meine Eindrücke von damals zu schildern, auch nicht die damaligen Arbeitsbedingungen der Parlamentarier. Im SPÖ-Klub hat es neben dem Klubobmann und dem Klubsekretär zwei Damen, einen Bürodiener und einen Chauffeur gegeben. Das war das ganze Personal, das dieser Fraktion damals zur Verfügung gestanden ist.

Ich tue es auf der anderen Seite aber in dem Bewusstsein – so wie Sie jetzt zuletzt gesagt haben –, dass es ja kein Abschied in den Ruhestand ist, sondern dass ich eine neue Aufgabe übernehmen werde. Und ich freue mich auf diese Aufgabe außerordent­lich, nicht zuletzt, weil sie mir weiterhin Gelegenheit zu Kontakten mit dem Parlament geben wird.

Und dann, nach einigen Jahren als Klubsekretär – der naturgemäß mit anderen Klub­sekretären, von denen einer hier auf der Regierungsbank sitzt, Kontakt hatte und etwas später auch gemeinsam Fußball gespielt hat –, bin ich am 4. November 1971 angelobt worden, in diesem Saal, in dem damals auf SPÖ-Seite noch Kreisky und Firn-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 32

berg angelobt wurden, auf ÖVP-Seite Karl Schleinzer und Rudolf Sallinger und viele andere und auf freiheitlicher Seite Gustav Zeillinger und Dr. Broesigke. Es wird Sie vielleicht interessieren, dass damals bei der Wahl des Präsidenten Anton Benya mit 164 Stimmen gewählt wurde. Vier Stimmen sind auf andere Abgeordnete entfallen, und der Rest auf 182 – denn es haben 182 mitgestimmt – war ungültig. Dann ist die Wahl des Zweiten Präsidenten auf der Tagesordnung gestanden. Es hatte damals die SPÖ eine absolute Mehrheit. Der Kandidat für das Amt des Zweiten Präsidenten war Alfred Maleta, und er hat 165 Stimmen bekommen. Fünf Stimmen sind auf andere Kandida­ten entfallen, und es waren um zwei weniger ungültig als beim Amt des Präsidenten.

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt sagen darf und sagen soll, aber am Abend dieses Tages beim Empfang beim Bundespräsidenten hat dann ein führender Funktionär der SPÖ-Fraktion zu mir gesagt: Na, da hat der Herr Klubsekretär nicht ordentlich aufge­passt, dass der Zweite Präsident eine Stimme mehr hat als der Erste Präsident! (Hei­terkeit des Abg. Dr. Khol.) – Ich habe mir das ewig gemerkt, obwohl ich glaube, dass damit die Einflussmöglichkeiten des Klubsekretärs ein bisschen überschätzt wurden.

Seit meiner Angelobung im Jahre 1971 – ich habe mir das ausrechnen lassen – habe ich an 1 331 Plenarsitzungen des Nationalrates teilgenommen. (Allgemeiner Beifall.) Es hat in diesem Zeitraum 844 Damen und Herren gegeben, die als Mitglieder des Ho­hen Hauses tätig waren, ich habe also gewissermaßen 844 Parlamentarier kommen und gehen gesehen.

1975 bin ich zum Geschäftsführenden Klubobmann gewählt worden, damals als Visa­vis von Stephan Koren und später von Alois Mock. Und selbst wenn ich die Zeit als Wissenschaftsminister abzähle, habe ich seither an etwas mehr als 820 Präsidialsit­zungen teilgenommen.

Sie können mir glauben, dass man in einer so langen Zeit den österreichischen Parla­mentarismus ziemlich genau kennen lernt, dass man Höhepunkte und Tiefpunkte erlebt, Stärken und Schwächen beobachtet, dass man auf vieles stolz ist, manchmal etwas lieber aus den Annalen des Parlamentarismus streichen würde, aber insgesamt zum begeisterten und überzeugten Parlamentarier wird. Dabei ist mir durchaus be­wusst – und ich will mich nicht in eine Euphorie hineinsteigern –, dass weder unser Parlamentarismus noch unsere Demokratie fehlerlos ist, weil es den fehlerlosen Parla­mentarismus ebenso wenig gibt wie fehlerlose Menschen oder fehlerlose Politik oder fehlerlose Parteien.

Aber eines glaube ich mit Bestimmtheit sagen zu können, nämlich dass sich der öster­reichische Parlamentarismus im Vergleich mit anderen europäischen Parlamenten nicht nur nicht verstecken muss, sondern durchaus sehen lassen kann. Und darauf bin ich stolz, das ist wichtig, und das möchte ich heute betonen. Und ich möchte hinzu­fügen, dass in diesem Haus nach allem, was ich beobachten kann, wirklich ernsthafte, engagierte und über weiteste Strecken sachliche Arbeit geleistet wird, und ich bitte die österreichische Öffentlichkeit, mir das zu glauben und mich als Zeugen dafür, für diese engagierte Arbeit der Damen und Herren im Parlament, zu akzeptieren. (Allgemeiner Beifall.)

Zum Unterschied von der Ersten Republik, die uns in den Untergang geführt hat, wie wir alle wissen, haben wir in der Zweiten Republik den Weg in die demokratische Nor­malität gefunden – das ist ein Ausdruck, der kürzlich in einem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und mir gefallen ist –: demokratische Normalität, die bedeutet, dass über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg und über alle Gegensätze hinweg ge­meinsame Arbeit uns verbindet – in der gemeinsamen Absicht, uns von diesem Weg der demokratischen Normalität niemals und unter keinen Umständen abbringen zu las­sen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 33

Dabei ist der in der Demokratie unverzichtbare Pluralismus der Meinungen und Kon­zeptionen zugleich Ursache für das demokratische Dilemma beziehungsweise demo­kratische Paradoxon, wonach die Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Positi­on natürlich mit der Überzeugung verbunden ist, dass demnach die entgegengesetzten Positionen nicht richtig sein können, dass sie falsch sind, dass sie vielleicht sogar schädlich sind. Und daraus ergeben sich nun einmal Gegensätze und Spannungen.

Das Besondere an der Demokratie ist aber, dass sie Instrumente dafür kennt, wie man diese Gegensätze einigermaßen fair und vor allem nach allgemein anerkannten Spiel­regeln austragen kann. Die Kunst der Demokratie – und ich glaube, dass man da durchaus den Begriff „politisches Kunstwerk“ verwenden kann – besteht eben darin, Gegensätze so auszutragen, dass man den vielschichtigen Ausdruck von der „poli­tischen Kultur“ mit Recht verwenden darf.

Ersparen Sie mir in dieser Stunde die Antwort auf die Frage nach Höhepunkten und Tiefpunkten in der Erinnerung an das parlamentarische Geschehen der letzten 40 be­ziehungsweise der letzten 32 Jahre! Es hat wirkliche Sternstunden gegeben: berüh­rende Momente, große Debatten, Beschlüsse mit weit reichenden Auswirkungen; aber auch Fehlleistungen, Entgleisungen, stürmische Auseinandersetzungen. Wenn ich Ihnen jetzt genau zugehört habe, dann würde ich meinen, dass mich meine Erinnerung nicht täuscht, dass wir letztlich fast immer ein Wort oder eine Vorgangsweise gefunden haben, um so etwas wieder zu bereinigen. Das ist eine gute Praxis! Ich bin davon überzeugt, Sie werden das auch in Zukunft beibehalten.

Vielleicht sollten wir aber auch prüfen, ob wir nicht über den Tag hinaus nach tiefer liegenden Wurzeln für so manche Konfrontation und für so manchen Zusammenstoß forschen sollten, zum Beispiel durch verstärkte gemeinsame Anstrengungen für eine wissenschaftsgestützte Aufarbeitung der sensibelsten Phasen unserer Geschichte. Die gemeinsame Veranstaltung über den 12. Februar im heurigen Jahr war ein guter Be­ginn, der meines Erachtens nach Fortsetzung ruft. Ich möchte mir erlauben, in meiner neuen Funktion auf dieses Thema in geeigneter Weise vielleicht zurückzukommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei der vier Fraktionen dieses Hauses haben Erfahrungen sowohl als Regierungspartei als auch als Oppositionspartei. Bei den Grünen, die erst in den achtziger Jahren im Parlament Fuß gefasst haben, steht eine Regierungsbeteiligung noch nicht in den Geschichtsbüchern, aber auch das kann ja eines Tages noch Realität werden. Die Schlussfolgerung daraus lautet, dass wir im Wissen, dass wir sowohl auf der Regierungsbank als auch auf der Oppositionsbank sitzen können, letztlich doch gut beraten sind, den Regierungen in diesem Land, die ja auf einem demokratischen Wahlergebnis fußend arbeiten, zuzubilligen, auf ihre Art das Beste für Österreich zu versuchen; und in gleicher Weise sollten wir der Opposition, wie immer sie sich zusammensetzt, zubilligen, auch dann eine für die Demokratie unverzichtbare Aufgabe zu erfüllen, wenn sie – im Inland oder im Ausland – Vorstellun­gen vertritt, die von der Regierungspolitik abweichen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit und auch im Lichte allerjüngster Erfahrungen die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass wir als Politiker und als Parlamentarier der europäischen Agenda offensichtlich noch mehr Aufmerksamkeit – mit vereinten Kräf­ten – widmen müssen als bisher. (Lebhafter allgemeiner Beifall.)

Wenn es eine bestimmte Gruppe von Politikern und Mandataren gegeben hat, die fast ununterbrochen in europäischen Angelegenheiten unterwegs waren, andere aber die­sem Bereich vielleicht weniger Aufmerksamkeit gewidmet haben, dann brauchen wir eine entsprechende Vernetzung des österreichischen Diskurses mit dem Diskurs über europäische Themen, denn diese beiden Bereiche haben sehr viel miteinander zu tun und können gar nicht mehr getrennt werden!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 34

Ich bin auch davon überzeugt, dass es falsch ist, zu glauben, dass wir uns zwischen der Vertretung österreichischer und jener europäischer Interessen in scharf abgegrenz­ter Weise entscheiden müssen. Da Österreich ein integraler Bestandteil Europas ist, müssen wir nämlich österreichisch und europäisch denken und handeln. Und es muss uns gelingen, diese beiden Ebenen möglichst nahe aneinander heranzuführen! (Allge­meiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss kommend möchte ich mich noch einmal bedanken, zunächst bei den Fraktionsvorsitzenden für diese unglaublich ehrenden Worte. Herrn Kollegen Van der Bellen muss ich bei irgendeiner Gelegenheit sagen, dass das keine Hunde waren, sondern Nutrias, die Frau Dr. Petrovic in mein Büro gebracht hat. (Allgemeine Heiterkeit.)

Außerdem kann ich Ihre Frage beantworten – Sie haben gemeint, Sie wissen nicht, wieso Dr. Fischer als Wissenschaftsminister diesen Akt über die Studie zur Rüstungs­konversion unterschrieben hat. Wissen Sie, wie das war? – Als ich am Tage meiner Angelobung als Wissenschaftsminister in das Büro gekommen bin, hat mir Frau Bun­desministerin Hertha Firnberg in ihrer strengen, aber charmanten Art die Agenden als neuer Minister übergeben, hat mir die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorgestellt, hat mir den leeren Schreibtisch gezeigt und gesagt: Ich habe alles erledigt, ich habe dir alles unterschrieben, nur einen Akt habe ich liegen lassen (allgemeine Heiterkeit), das ist der über das Projekt von Professor Van der Bellen; am besten, du unterschreibst ihn gleich! – Und ich habe ihn am ersten Tag meiner Amtszeit unterschrieben. (Neuerliche Heiterkeit sowie Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und dieser Akt hat mich noch einige Zeit beschäftigt (allgemeine Heiterkeit), aber nicht so sehr, weil der Antragsteller Van der Bellen geheißen hat, sondern weil sein Mitarbei­ter Peter Pilz geheißen hat. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Das ist die volle und ganze Wahrheit! Ich hoffe, diesen einen Punkt aufgeklärt zu haben.

Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses, von denen ich viele, natürlich nicht alle – weil das die Arbeit nicht erlauben würde – hier im Sitzungssaal begrüße. Ich habe heute mit der Personalvertretung vereinbart, dass ich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne im Herbst zu einer Jause in die Hofburg ein­laden werde.

Ich bedanke mich bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz für die gute, wichtige, faire, nicht immer reibungslose, aber letztlich unserer gemeinsamen Sache dienende Zusammenarbeit. Ich möchte jenem Mitglied des Nationalrates, das am Beginn der kommenden Sitzung in das Präsidium gewählt wird, den allerbesten Erfolg und viel Freude mit dieser schönen Aufgabe wünschen.

Ich bedanke mich natürlich auch bei den Wählerinnen und Wählern, die mir seit 1971 bei insgesamt zehn Nationalratswahlen die Chance und die Möglichkeit gegeben ha­ben, als Mitglied dieses Hauses tätig zu sein.

Und ich bedanke mich ganz besonders herzlich bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, die ich als Kolleginnen und Kollegen kennen und schätzen gelernt habe und die mir heute, ich sagte es schon, eine besondere Freude gemacht haben.

Ich möchte Ihnen versichern, dass Sie am 8. Juli gemeinsam mit den Mitgliedern des Bundesrates in der Bundesversammlung – wie das schon angedeutet wurde – einen Bundespräsidenten angeloben werden, der sehr um die Aufrechterhaltung eines guten und vertrauensvollen Kontaktes zum österreichischen Parlament, zum Nationalrat und natürlich auch zum Bundesrat, bemüht sein wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 35

Ich freue mich daher auf ein Wiedersehen am 8. Juli und bin überzeugt davon, dass wir unserer Heimat, der Republik Österreich, und einem friedlichen und demokratischen Europa gemeinsam nach besten Kräften und mit vollem Einsatz dienen werden.

Leben Sie wohl! – Ich danke Ihnen herzlich! (Die Abgeordneten aller vier Fraktionen spenden stehend lebhaften, lang anhaltenden Beifall. – Erster Präsident Dr. Khol, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn, die vier Klubvorsitzenden – die Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Dr. Van der Bellen und Dr. Cap –, Bundeskanzler Dr. Schüs­sel, Vizekanzler Gorbach, Abg. Dr. Fasslabend sowie Parlamentsdirektor Dr. Posch reichen Präsident Dr. Fischer die Hand.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol (den Vorsitz übernehmend): Bevor ich die Sitzung schlie­ße und zusehen werde, wie der Homo Parlamentarius Heinz Fischer wahrscheinlich dort hinausschreitet, möchte ich nach der allgemeinen Wertschätzung, die Ihnen, Herr Präsident Dr. Heinz Fischer, ausgesprochen wurde, auch namens der Präsidialkonfe­renz, die wir alle gebildet haben, einige wenige Worte sagen.

Über 40 Jahre Ihres Lebens, seit 1962, waren Sie ein Diener der Republik hier im Par­lament und auch ein Symbol dafür, dass in dieser Republik jeder alles werden kann: begonnen als Klubsekretär – heute würde man sagen Klubdirektor –, dann Abgeordne­ter, Klubobmann, Minister, Nationalratspräsident und demnächst Bundespräsident. Sie haben in allen Funktionen Ihr Bestes gegeben, haben die Republik geprägt. Sie haben nicht nur den Nationalrat geprägt, Sie haben auch die Republik geprägt! Das kann man heute sagen.

Große Sachkunde, großer Arbeitseinsatz – denn ohne Fleiß gibt es keinen Preis – und eine starke Person, die in der Lage war, von festen Ufern aus – denn Ihr festes Ufer, Herr Präsident, ist und bleibt die Sozialdemokratie – immer Brücken zu bauen! Des­wegen wurde Ihnen von mir in der Präsidialkonferenz einmal scherzhaft der Spitzname „Salomon“ gegeben, denn das weiß die Öffentlichkeit nicht:

Dass dieses Haus so funktioniert, wie es funktioniert, und dass bei uns die Abgeordne­ten nicht aufgehetzt aufeinander losgehen, sondern dass hier ein ordentlicher Diskurs geführt wird, auch in Zeiten vor Wahlen, hängt damit zusammen, dass in der Präsidial­konferenz Konsens zwischen den verschiedensten legitimen Auffassungen erzielt wird – denn jeder will glänzen und jeder will seine Ansicht durchsetzen. In einer so schwierigen Konstellation dann auch noch als Sozialdemokrat bei einer neuen Regie­rung aus ÖVP und FPÖ hier Präsident und Vorsitzender zu sein und in all diesen Jah­ren immer im Konsens und ohne Kritik der Regierungsparteien oder der Oppositions­parteien zu agieren – das ist eine außerordentliche Leistung, Herr Präsident!

Sie haben auch das Haus aus einem elfenbeinernen Turm herausgeholt und zu einer Begegnungsstätte gemacht. Das Parlament ist heute eines der großen Veranstaltungs­zentren der Republik. Bücher werden vorgestellt, Bilder ausgestellt, es gibt Diskus­sionen – eine Begegnungsstätte tagaus, tagein. Diese Öffnung ist untrennbar mit Ihrem Namen verbunden. Auch dass wir nächstes Jahr das von Theophil Hansen, dem Erbauer dieses Hauses, errichtete Palais Epstein für historische und parlamentarische Zwecke widmen können, wird immer mit Ihrem Namen verbunden sein, Herr Präsident.

Mit großer Anerkennung möchte ich feststellen, dass es Ihnen immer gelungen ist, Ihre Position als stellvertretender Parteivorsitzender der traditionsreichen Sozialdemokratie, trotz mancher Kritik – und auch ich habe dazu gehört –, aber im Großen und Ganzen, „grosso modo“ hat jemand gesagt, mit einer völlig unabhängigen, unparteiischen, mo­deraten Vorsitzführung zu verbinden. Das wurde heute von allen Fraktionen gewürdigt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
65. Sitzung / Seite 36

Ich bedanke mich namens des Nationalrates bei Ihnen, Herr Präsident. Wir wissen, dass wir jetzt einen der Unsrigen auf der anderen Seite des Volksgartens haben wer­den. Ich glaube, nach Renner – er war auch im Präsidium – sind Sie der Erste, der von hier aus in die Hofburg übersiedelt.

Wir alle wünschen Ihnen viel Glück, viel Erfolg! Wir sind überzeugt davon, dass die Arbeit für unsere Republik Österreich mit großem Erfolg weitergehen wird.

Es lebe die Republik Österreich! – Vielen Dank, Heinz Fischer! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Jetzt wird es wesentlich prosaischer.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in dieser immer noch lau­fenden Sitzung die Selbständigen Anträge 411/A bis 413/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1873/J bis 1889/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für jetzt, 13.58 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 13.58 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien