1190/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.09.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0078-Pr 1/2007

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1146/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Vereinbarkeit parteipolitischer Aktivitäten mit dem Richteramt“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 10:

Das politische Engagement eines Richters erfordert wie alle Fragen der Balance und des Zusammenspiels der Staatsgewalten einen besonders sensiblen Umgang. Der Gesetzgeber hat dazu die nachstehenden Grundsätze festgelegt:

Art. 7 Abs. 4 B-VG gewährleistet den öffentlich Bediensteten – somit auch Richtern – die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte. Auch für sie gilt das Grundrecht der Vereinsfreiheit. Das zuvor geltende Berufsausübungsverbot für öffentlich Bedienstete, die ein Nationalrats-, Bundesrats- oder Landtagsmandat innehaben, ist durch das Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1983, BGBl. Nr. 611, aufgehoben worden.

Nach Art. 59a B-VG, der gemäß Art. 95 Abs. 4 B-VG auch für Bewerber um ein Landtagsmandat gilt, ist dem öffentlich Bediensteten und damit auch dem Richter, der sich um ein Mandat im Nationalrat bewirbt, zunächst die für die Bewerbung um das Mandat erforderliche freie Zeit zu gewähren. In der Folge ist er auf seinen Antrag in dem zur Ausübung seines Mandates erforderlichen Ausmaß dienstfrei oder außer Dienst zu stellen. Auf einfachgesetzlicher Ebene wurde diese Verfassungsbestimmung in § 79 RDG so umgesetzt, dass die §§ 17 bis 19 BDG 1979 auf Richter mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass anstelle der Bestimmungen über die Verfügung im § 17 Abs. 4 BDG 1979 § 82 RDG [unfreiwillige Versetzung durch das Dienstgericht] anzuwenden ist und bei Anwendung des § 17 Abs. 5 BDG 1979 als Dienstbehörde das in § 82 RDG angeführte Dienstgericht tätig wird. Verboten ist dem Richter lediglich, einer ausländischen, politische Zwecke verfolgenden Gesellschaft anzugehören (§ 57 Abs. 3 RDG).

Gemäß § 6a Unvereinbarkeitsgesetz haben die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, dies unter Angabe ihres Tätigkeitsbereiches innerhalb eines Monats nach erfolgtem Eintritt in diesen Vertretungskörper, wenn das Dienstverhältnis nach erfolgter Wahl begründet wurde, innerhalb eines Monats dem Präsidenten des Vertretungskörpers anzuzeigen. Über die Zulässigkeit der weiteren Ausübung einer solchen Tätigkeit entscheidet der Unvereinbarkeitsausschuss - im Falle der Mitglieder der Landtage der zuständige Ausschuss der Landtage - mit einfacher Stimmenmehrheit. Richtern, Staatsanwälten, Beamten im Exekutivdienst (Wachebeamten) sowie im übrigen öffentlichen Sicherheitsdienst, Beamten im militärischen Dienst und Bediensteten im Finanz- oder Bodenschätzungsdienst ist die weitere Ausübung ihrer dienstlichen Aufgaben untersagt, es sei denn, der Ausschuss beschließt im Einzelfall, dass die weitere Ausübung zulässig ist, weil ungeachtet der Mitgliedschaft im Vertretungskörper auf Grund der im Einzelfall obliegenden Aufgaben eine objektive und unbeeinflusste Amtsführung gewährleistet ist. Sonstigen öffentlich Bediensteten ist die Ausübung einer Tätigkeit untersagt, wenn dies der Ausschuss beschließt, weil eine objektive und unbeeinflusste Amtsführung nicht gewährleistet ist.

Der Gesetzgeber unterscheidet also zwischen der Phase der Bewerbung um ein politisches Mandat, wofür die erforderliche freie Zeit zu gewähren ist, und der Phase der Mandatsausübung, in der die Vereinbarkeit der Ausübung der dienstlichen Aufgaben mit dem erhaltenen Mandat zu prüfen ist. Diese Prüfungskompetenz hat der Gesetzgeber durch die (Verfassungs-)Bestimmung des § 6a Abs. 2 Unvereinbarkeitsgesetz im Sinne der Gewaltenteilung exklusiv den hiezu berufenen Ausschüssen der Vertretungskörper vorbehalten – eine Kompetenz der Dienstbehörde besteht insoweit nicht.

Indem der Gesetzgeber die Regelungen über die Gewährung der erforderlichen freien Zeit für die Bewerbung um ein politisches Mandat auch für Richter anwendbar macht, darüber hinaus aber eine solche Bewerbung grundsätzlich an keine weiteren dienstrechtlichen Konsequenzen knüpft, erklärt er eine solche Bewerbung einschließlich des damit typischerweise verbundenen politischen Engagements in Ausübung des allgemeinen und gleichen passiven Wahlrechts für zulässig und nimmt die daraus resultierenden Konsequenzen für den Richterstand im Allgemeinen in Kauf.

Angesichts dieser (Verfassungs-)Rechtslage ist das politische Engagement eines Richters per se nicht als Verletzung von Dienst- und Standespflichten anzusehen. Davon unberührt bleibt, dass von Richtern dienstlich und außerdienstlich ein Verhalten erwartet wird, das ihrer Stellung im Rechtsstaat, ihren Amtspflichten und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Unabhängigkeit Rechnung trägt. Das verlangt Zurückhaltung in öffentlichen Äußerungen, wenngleich freilich auch Richtern das Recht auf freie Meinungsäußerung und Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Diskurs zusteht. Die Abwägung dieser Interessen ist äußerst schwierig.

Davon zu unterscheiden ist die Situation im konkreten Verfahren: Soweit hier aus irgendwelchen in der Person des Richters gelegenen Umständen dessen Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen ist, steht das Instrumentarium der Ablehnung dieses Richters wegen (des Anscheins von) Befangenheit bzw. der Befangenheitserklärung durch den Richter selbst uneingeschränkt zur Verfügung. Die Entscheidung darüber obliegt dann den unabhängigen Gerichten.

. August 2007

(Dr. Maria Berger)