157/AB XXIII. GP

Eingelangt am 08.02.2007
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BM für Wirtschaft und Arbeit

Anfragebeantwortung

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                                                           Wien, am 6. Februar 2007

 

                                                                                                                           Geschäftszahl:

                                                                                            BMWA-10.101/0164-IK/1a/2006

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 158/J betreffend Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen EU und AKP-Staaten, welche die Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen am 12. Dezember 2006 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu den Punkten 1 bis 4 der Anfrage:

 

Im Hinblick auf das Auslaufen des WTO-Waivers für das Cotonou-Abkommen ist es Österreich ein Anliegen, die Handelspräferenzen der EU für die AKP-Staaten in Form von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) möglichst rechtzeitig auf eine WTO-konforme Basis zu stellen, um (wirtschaftliche) Nachteile für diese Staaten hintan zu halten. Dabei sollen die Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft, die Stabilisierung von Wirtschaft und Verwaltung, der Ausbau der Kapazitäten und der Infrastruktur, die intraregionale Integration und dabei die entsprechende entwicklungspolitische Dimension, also nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung, besondere Berücksichtigung finden. Diese österreichische Schwerpunktsetzung deckt sich mit den Verhandlungszielen und dem Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission und ist innerhalb der EU-Mitgliedstaaten unumstritten.

 

 

Antwort zu den Punkten 5 bis 9 der Anfrage:

 

Vorrangige und auch festgeschriebene Ziele der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sind die Förderung der nachhaltigen Entwicklung der AKP-Staaten und die Armutsbekämpfung. Diese Abkommen wurden daher bereits vorweg als entwicklungspolitisches Instrument konzipiert. Weder von der Europäischen Kommission noch von den EU-Mitgliedstaaten sind dieser Zielformulierung bisher Hemmnisse in den Weg gelegt worden, und es ist auch nicht zu erwarten, dass diese politische Zielvorgabe in den laufenden Verhandlungen in Zweifel gezogen wird.

 

Eine Abstimmung mit anderen entwicklungspolitischen Instrumenten, insbesondere mit dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) als wichtigstes Hilfsinstrument der Gemeinschaft im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP-Staaten, ist gegeben und wird mit zunehmendem Verhandlungsfortschritt noch weiter intensiviert werden. Die EEF-Mittel dienen der Finanzierung der Begleitmaßnahmen zu den EPAs. Auch bei anderen entwicklungspolitischen Instrumenten, wie etwa der erst kürzlich beschlossenen "Aid for Trade"-Initiative, ist der Aspekt der Kongruenz berücksichtigt.

 

Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang sollen auch die bereits bestehenden Marktzugangspräferenzen der EU für die am wenigsten entwickelten unter den AKP-Staaten (LDC-AKP-Staaten) bleiben: Die Everything but Arms (EBA)-Initiative, die unter dem Allgemeines Präferenzsystem (APS) eingerichtet ist, ist als handelsspezifisches Entwicklungshilfeinstrumentarium zu sehen, das den LDC-AKP-Staaten einen zollfreien Zugang zum EU-Markt für alle Waren außer Waffen bietet. Derzeit sind nur knapp über 4 % der EU-Gesamtimporte aus den AKP-Staaten einer Verzollung unterworfen, und diese Präferenzen sollen durch die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen erhalten oder ausgebaut werden.

 

 

Antwort zu den Punkten 10 und 11 der Anfrage:

 

Die Prinzipien der Asymmetrie und der differenzierten Behandlung zugunsten der AKP-Staaten sind im Verhandlungsmandat der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen verankert. Es sind auch weitere Elemente, die nicht auf lineare Gegenseitigkeit abstellen, in diesem Mandat enthalten: So sind etwa Übergangszeiten, die über die 10-Jahresfrist hinausgehen können, nicht ausgeschlossen. Nach diesen Prinzipien der differenzierten Behandlung werden die Verhandlungen auch geführt, um sicher zustellen, dass auf die legitimen Bedürfnisse der AKP-Staaten entsprechend Rücksicht genommen wird und WTO-Konformität gewahrt bleibt.

 

 

Antwort zu den Punkten 12 und 13 der Anfrage:

 

Viele AKP-Staaten haben die Notwendigkeit von Strukturreformen und Effizienzsteigerungen im Landwirtschaftssektor erkannt und mit Landreformen und Produktionsdiversifikation bereits Initiativen gesetzt, um ihren Landwirtschaftssektor an das wirtschaftliche Umfeld und den Bedarf anzupassen. Diesen Reformnotwendigkeiten wird in flexibler Weise, wie im Verhandlungsmandat für die EPA-Verhandlungen vorgesehen, Rechnung getragen werden. Für den Bereich Zucker und Bananen sind im EEF Mittel vorgesehen. Darüber hinaus bieten Schutz- und Ausnahmeklauseln Möglichkeiten, WTO-konforme Maßnahmen zu ergreifen.

 

 

Antwort zu den Punkten 14 und 15 und 18 der Anfrage:

 

Die Auswirkungen verminderter Zolleinnahmen in den AKP-Staaten werden davon abhängen, in welchem Ausmaß es einem betroffenen Staat gelingt, seine Budget und Steuerpolitik auf eine nachhaltige und tragfähige Basis zu stellen. Im 10. EEF ist explizit die finanzielle Unterstützung der AKP-Staaten bei diesem Reformprozess vorgesehen.

 

Dass durch eine Liberalisierung des Welthandels erhebliche globale Wohlfahrtseffekte erzielt werden können, zeigen verschiedene Studien deutlich, darunter insbesondere jene der Weltbank, sowie zahlreiche weitere empirische Untersuchungen.

So würde etwa nach einer schwedischen Studie, die eher vorsichtig hinsichtlich der potenziellen Wohlfahrtsgewinne ist, eine weitere Liberalisierung des Handels (Industrie, Dienstleistungen und Landwirtschaft) im Rahmen der Doha-Runde einen geschätzten globalen realen Einkommenszuwachs von 0,2-0,7 % (70-230 Mrd. USD) pro Jahr bewirken. Der niedrigere Wert ergibt sich in einem Doha-Szenario mit geringerer, der höhere mit einer sehr weitgehenden Liberalisierung. Alle betrachteten Regionen würden ein höheres Wachstum aufweisen, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß: Die Entwicklungsländer, einschließlich LDCs, sind in den berechneten Szenarien die Gewinner. Dabei ist ihr Anteil umso größer, je weiterreichender die Liberalisierung ist. Ein weiterer Effekt ist, dass sich der Handel zwischen den Entwicklungsländern intensiviert. Die insgesamt positiven Effekte für die LDCs ergeben sich trotz der Beschränkung ihrer Wohlfahrtsgewinne, etwa durch Präferenzerosionen. Dabei trägt Trade Facilitation am meisten zu den Gewinnen der Entwicklungsländer bei.

 

Um die Chancen aus einer Handelsliberalisierung wahrzunehmen, andererseits aber auch mögliche negative Effekte abzufedern und eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen, sind jedoch auch begleitende spezielle Maßnahmen nötig. Die Konzeption der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als entwicklungspolitisches Instrument zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung der AKP-Staaten und zur Armutsbekämpfung ist, neben anderen, in der Antwort zu den Fragen 5 bis 9 genannten Initiativen der Europäischen Kommission, in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung.

 

 

Antwort zu den Punkten 16 und 17 der Anfrage:

 

Dazu ist auf die vorangegangen Ausführungen zu verweisen.

 

 

Antwort zu den Punkten 19 bis 21 der Anfrage:

 

Die traditionelle Partnerschaft zwischen den AKP und EU-Staaten geht in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, wurde laufend erweitert und den aktuellen Entwicklungen angepasst. Die EPAs sind ein weiterer Schritt in Richtung einer Verbesserung der vertraglichen Grundlagen dieser traditionell engen Beziehung. Dabei stellen WTO-konforme Liberalisierungsmaßnahmen, die die Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft fördern sollen, nur einen Aspekt dieser über Jahrzehnte gewachsenen und umfassenden Beziehungen dar. Es können daher weder die EPA-Verhandlungen einen Ersatz für die WTO-Verhandlungen noch umgekehrt darstellen. Die beiden Verhandlungsfora sind vielmehr komplementäre Prozesse, die einander ergänzen, aber nicht ersetzen.

 

Der Ausbau des internationalen Handelssystems wurde vom "Monterrey Consensus", dem Ergebnis einer UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey/ Mexico im Jahr 2002, als wichtiger Beitrag für eine erfolgreiche Entwicklungsstrategie betrachtet.

 

Regionale Abkommen gemäß WTO-Prinzipien - zwischen Entwicklungs- und Industrieländern ("Nord-Süd"), aber insbesondere auch zwischen Entwicklungsländern ("Süd-Süd") - werden als geeignete Instrumente angesehen, das internationale Handelssystem zu verbessern. Laut dem ehemaligen Handelskommissar der EU und nunmehrigen Generaldirektor der WTO, Pascal Lamy, sollte dabei sichergestellt werden, dass Übereinkommen zwischen Regionen zur "Nord-Süd" - Kooperation einen echten Fortschritt in Richtung regionaler Integration bedeuten. Die neue EUPolitik gegenüber den AKP-Staaten, wie sie in den EPAs zum Ausdruck kommt, kann in dieser Hinsicht als "Süd-Süd-Nord" – Ansatz bezeichnet werden. Dieser Ansatz kann die Vorteile der "Nord-Süd"-Variante (Marktzutritt, regionale Konvergenz, Technologietransfer, usw.) mit jenen der "Süd-Süd"-Variante (z.B. Förderung des Wachstums lokaler Märkte und damit Stimulierung der Produktion und Produktivität regionaler Produzenten) verbinden. Auch in diesem Sinne sollte die Ersetzung der alten Lomé-Präferenzen durch die geplanten neuen Abkommen für die AKP-Staaten von Vorteil sein. Sie stellt somit eine für diese Länder wichtige und WTO-konforme Ergänzung zu einer allgemeinen Handelsliberalisierung im Rahmen der WTO dar.

Transparenz in den Verhandlungen ist ein wesentlicher Aspekt für einen erfolgreichen Verhandlungsablauf. Die laufende Berichterstattung der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments spielen dabei eine wichtige Rolle.

 

 

Antwort zu den Punkten 22 und 23 der Anfrage:

 

Nach der Suspendierung der Doha-Runde im Juli 2006 erfolgte im November 2006 zwar die Wiederaufnahme der Verhandlungen, die jedoch vorsichtig als "soft resumption" - zwischen "stiller" Diplomatie und voller Verhandlungstätigkeit angesiedelt - bezeichnet wurde.

 

Die Differenzen der WTO-Mitgliedstaaten zu den drei Kernproblemen, die zum Stillstand der Verhandlungen im Juli 2006 geführt hatten, konnten bis zum Ende des Jahres 2006 allerdings noch nicht gelöst werden. Dies betrifft insbesondere den Umfang des Zollabbaus und das Ausmaß des Abbaus handelsverzerrender Stützungsmaßnahmen beim Handel mit Landwirtschaftsprodukten sowie die Höhe des zu vereinbarenden Zollabbaus beim Handel mit Industrieprodukten. Die Lösung dieser drei Kernbereiche bleibt auch weiterhin der Angelpunkt für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde.

 

Für das Frühjahr 2007 gibt es ein kurzes Zeitfenster für die Doha-Verhandlungen, das von der Frist für das Auslaufen der Sonderermächtigung des US-Präsidenten für den Abschluss von Handelsabkommen, der "Trade Promotion Authority", bestimmt wird. Ob dieses Zeitfenster genutzt werden kann, wird nicht zuletzt von den Überlegungen der USA zur 2007 fälligen Erneuerung ihrer Landwirtschaftsgesetzgebung ("Farm Bill") abhängen.


Antwort zu Punkt 24 der Anfrage:

 

Die Perspektiven für einen rechtzeitigen Abschluss der Verhandlungen stehen bei einigen der Regionalverhandlungen recht gut. Dies gilt insbesondere für die Karibik. Für diejenigen Gruppierungen, mit denen sich die Verhandlungen noch in einem frühen Stadium befinden, ist zu hoffen, dass diese im Laufe dieses Jahres noch an Dynamik gewinnen werden, um einen Abschluss bis Ende 2007 zu ermöglichen.