3105/AB XXIII. GP

Eingelangt am 06.03.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0006-Pr 1/2008

 

An die

 

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3286/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Banken: Verkauf von (nicht) ‚notleidenden Krediten’“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Ich bitte vorweg um Verständnis dafür, dass einige der in der Schriftlichen Anfrage angesprochenen Problembereiche mangels oberstgerichtlicher Judikatur nicht abschließend beurteilt werden können. Auch kann ich mit meinen Ausführungen der Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte in keiner Weise vorgreifen.


Zu 1, 2, 5 und 9:

Nach österreichischem Recht können grundsätzlich sowohl der Kreditgeber als auch der Kreditnehmer ihre gesamte Vertragsposition übertragen. Eine solche Vertragsübernahme bedarf allerdings der Zustimmung aller Beteiligten. Sie berührt die Identität des Schuldverhältnisses nicht, sodass die Sicherheiten weiter haften. Haben Dritte die Sicherheit bestellt, ist nach § 1407 Abs. 2 ABGB allerdings deren Zustimmung erforderlich.

Ob aus einem Kreditverhältnis einzelne Rechte abgetreten werden können, ist in der Rechtswissenschaft strittig. Nach einer Auffassung sind Ansprüche aus Kreditverträgen wegen der höchstpersönlichen Natur des Vertragsverhältnisses und des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer nicht abtretbar. Vermehrt wird aber sowohl die Abtretung des Auszahlungsanspruchs durch den Kreditnehmer als auch des Rückforderungsanspruchs des Kreditgebers als zulässig beurteilt. Der Zustimmung oder auch nur der Verständigung des Schuldners bedarf es in dem Fall einer solchen Zession nicht, weil durch die Abtretung die Schuld inhaltlich nicht verändert wird und keine Verschlechterung der Stellung des Schuldners eintreten darf (§ 1394 ABGB).

Ohne besondere Vereinbarung gehen bei einer Zession grundsätzlich auch Pfandrechte und Bürgschaften auf den neuen Gläubiger über. Für die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Abtretung verbücherter Forderungen ist nach der Rechtsprechung aber die Übertragung im Grundbuch erforderlich (OGH 24.7.1996, 8 Ob 2042/96v).

Die dargestellte Rechtslage gilt sowohl für vom Kreditnehmer ordnungsgemäß bediente Kredite als auch für solche Kredite, bei denen der Schuldner mit der Erfüllung seiner Pflichten bereits in Verzug geraten ist. Sie gilt grundsätzlich auch für das Konsumentengeschäft. Hier ist allerdings § 6 Abs. 2 Z 2 KSchG zu beachten: Demnach ist eine Vertragsklausel, nach der dem Unternehmer das Recht eingeräumt wird, seine Pflichten oder den gesamten Vertrag mit schuldbefreiender Wirkung einem im Vertrag nicht genannten Dritten zu überbinden, nur dann wirksam, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden ist.

Was die in der Anfrage angesprochenen Problemfälle in Deutschland angeht, so scheinen doch grundlegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Schuld- und Sachenrecht zu bestehen. Das gilt namentlich für die abstrakte „Grundschuld“, die das österreichische Recht nicht kennt.

Zu 3, 4, 6 und 7:

Das Bundesministerium für Justiz verfügt über kein Datenmaterial oder Statistiken über Verkäufe von („notleidenden“) Krediten oder Kreditforderungen. Auch kann nach den vorhandenen Verfahrensdaten nicht gesagt werden, ob eine in Exekution gezogene Forderung im Vorfeld von einer Bank an ein anderes Kreditinstitut oder einen „Investor“ abgetreten wurde oder nicht.

Zu 8:

Soweit der angesprochene „Kauf von Kreditforderungen“ nur als Forderungsabtretung und nicht auch als Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag zu verstehen ist, bedarf es der Zustimmung des Liegenschaftseigentümers auch für die Übertragung der Hypothek nicht und zwar unabhängig davon, ob der Liegenschaftseigentümer selbst Schuldner der gesicherten Forderung ist oder er seine Liegenschaft als Sicherheit einer anderen Person zur Verfügung gestellt hat.

Zu 10 und 11:

Eine gesicherte höchstrichterliche Judikatur zu der Frage, ob und inwieweit es bei banküblichen Forderungsabtretungen – insbesondere Refinanzierungen – einer Entbindung vom Bankgeheimnis bedarf, besteht – soweit ersichtlich – nicht. In der Lehre dürfte überwiegend die Auffassung vertreten werden, dass bei banküblichen Forderungsabtretungen von vornherein eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses anzunehmen ist. Keine Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht nach § 38 Abs. 2 Z 5 BWG jedenfalls dann, wenn der Kunde der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich und schriftlich zustimmt.

Zu 12 und 13:

Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage in Österreich sehe ich keinen unmittelbaren legistischen Handlungsbedarf. Die Frage, ob der Bereich der Abtretung von Kreditforderungen einer Regulierung bedarf, muss allerdings bei der anstehenden Umsetzung der neuen Richtlinie über Verbraucherkreditverträge im Auge behalten werden.


Zu 14:

Auf die schon erwähnte Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z 2 KSchG sei verwiesen. Demnach ist eine Klausel, nach der dem Unternehmer das Recht eingeräumt wird, seine Pflichten oder den gesamten Vertrag mit schuldbefreiender Wirkung einem Dritten zu überbinden, der im Vertrag nicht namentlich genannt ist, relativ nichtig, wenn sie nicht im Einzelnen ausgehandelt worden ist. § 6 Abs. 2 Z 2 KSchG beschränkt allerdings grundsätzlich nicht die Befugnis des Unternehmers, seine Rechte aus dem Vertragsverhältnis (und damit auch seine Forderung auf Rückzahlung) an einen Dritten abzutreten.

§ 1396a ABGB regelt die Verbindlichkeit von Zessionsverboten für unternehmerische Geldforderungen.  Die Bestimmung kann sich daher mit den Regelungen des  § 6 KSchG (und hier insbesondere dessen § 6 Abs. 2 Z 2) für das Verbrauchergeschäft nicht überschneiden.

Zu 15:

Zunächst sei auf die Ausführungen zu Frage 10 verwiesen. Im Übrigen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich rechtliche Aussagen und Folgerungen eines anderen Ressortleiters nicht kommentiere.

Zu 16:

Angesichts der nicht vergleichbaren rechtlichen Ausgangslage erscheint es mir fraglich, ob die vom deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen zu der deutschen Rechtslage angestellten Überlegungen auch für die Situation in Österreich gültig sind.

Zu 17:

Ich ersuche um Verständnis, wenn ich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Forderungsverkäufen und deren Bedeutung für die Finanzmärkte nicht beurteile. Nach allen mir zur Verfügung stehenden Informationen dürften die in der Anfrage angesprochenen „Finanzmarktturbulenzen“ auf verfehlte Geschäftspolitiken und        -praktiken bei der Vergabe von Kreditforderungen und bei deren Verwertung auf den Kapitalmärkten zurückzuführen sein, dies unter Missachtung der legitimen Interessen der Verbraucher. Es ist im gegenwärtigen Stadium gewiss noch zu früh, die notwendigen Lehren aus den angesprochenen Vorkommnissen zu ziehen. Ganz allgemein halte ich aber dafür, dass angemessene und ausgewogene Regelungen zum Schutz der Verbraucher und namentlich der Kreditnehmer auch ganz eminente volkswirtschaftliche Bedeutung haben. Dieser Gesichtspunkt wird bei der bald anstehenden Umsetzung der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge besonders zu berücksichtigen sein.

 

. März 2008

 

(Dr. Maria Berger)