4505/AB XXIII. GP

Eingelangt am 29.07.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0137-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4610/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Änderung der EU-Pauschalreise-Richtlinie“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

In den vergangenen beiden Jahren ist die Pauschalreise-Richtlinie auf EU-Ebene in zweierlei Hinsicht thematisiert worden: Zum einen hat die Europäische Kommission im Jahr 2006 im Rahmen der Überarbeitung des Verbraucherrechts-Acquis unter anderem auch ein Diskussionspapier zur Pauschalreise-Richtlinie an die Mitgliedstaaten verteilt und diese zur Stellungnahme aufgefordert. Im Jahr 2007 hat die Kommission ein weiteres Arbeitspapier zur Pauschalreise-Richtlinie verfasst, das die Grundlage für eine öffentliche Konsultation bildete. Anhand der Ergebnisse der Konsultation wollte die Kommission nach ihren damaligen Ausführungen „prüfen, ob die Richtlinie einer Überarbeitung bedarf“. Die Kommission hat die Ergebnisse dieser Konsultation in einem Dokument zusammengefasst und auf ihrer Website veröffentlicht, aber daraus – zumindest offiziell – noch keine Schlüsse für ein weiteres Vorgehen bei einer allfälligen Überarbeitung der Richtlinie gezogen.

Zu 2:

Die Kommission will sich zunächst im Rahmen der Arbeiten am Verbraucherrechts-Acquis der Ausarbeitung eines Vorschlags für eine „Rahmen-Richtlinie“ (ein „horizontales Instrument“, das bestimmte Querschnittsmaterien des Verbraucherrechts, wie z.B. gemeinsame Definitionen, Bestimmungen über Informationserfordernisse und die Ausgestaltung des Widerrufs- und Rücktrittsrechts, regeln soll) widmen. Erst nach der Vorlage dieses Vorschlags (die für den Herbst dieses Jahres angekündigt wurde) sollen allfällige vertikale Überarbeitungen der einzelnen Verbraucherschutzrichtlinien überlegt werden. Die Änderung der Pauschalreise-Richtlinie scheint derzeit keine Priorität zu haben.

Zu 3:

Das Bundesministerium für Justiz verfügt selbst über keine Daten oder Studien in Zusammenhang mit der Anwendung der Pauschalreise-Richtlinie in den Mitgliedstaaten. Insofern kann zu den Ergebnissen, zu denen die Studie von „Civic Consulting“ gelangt, keine Stellungnahme abgegeben werden.

Was die in der Studie gezogenen, in der Begründung der vorliegenden Anfrage wiedergegebenen Schlussfolgerungen betrifft, kann aber Folgendes gesagt werden:

Wenn in der Studie empfohlen wird, die Richtlinie hinsichtlich der Pflichten der Reiseveranstalter – vor allem in Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen – „klarer und unmissverständlicher“ zu fassen, so ist eine solche Anregung mit einer gewissen Skepsis zu betrachten: Die derzeitige Pauschalreise-Richtlinie beruht – wie alle zum damaligen Zeitpunkt erlassenen Richtlinien im Verbraucherschutzbereich – auf dem Prinzip der Mindestharmonisierung. Gerade im Bereich des Schadenersatzes blieb damit Vieles der jeweiligen nationalen Umsetzung überlassen, sodass dabei in ausreichender Weise auf die jeweiligen nationalen Rechtssysteme (die in ihrer Ausgestaltung massive Unterschiede aufweisen) Rücksicht genommen werden konnte. Die österreichischen Umsetzungsregelungen haben sich in der Praxis gut bewährt.

Die Einführung spezifischer, voll harmonisierter Regelungen im Bereich des Schadenersatzes in der Pauschalreise-Richtlinie würde sich (auch aufgrund der Vorbildwirkung, die damit für andere Richtlinien zwangsläufig verbunden wäre) nicht nur schon in den Verhandlungen äußerst schwierig gestalten; selbst wenn ein Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten gefunden werden könnte, würde er nicht nur einen massiven Eingriff in die jeweilige nationale Systematik darstellen und einen kaum zu rechtfertigenden Fremdkörper in den nationalen schadenersatzrechtlichen Regelungen bilden, sondern in vielen Fällen wohl auch eine Verschlechterung der Situation des Verbrauchers mit sich bringen.

Was die angeregte Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie in Hinblick auf Buchungsmöglichkeiten über das Internet und neu entwickelte Vertriebsschienen wie bestimmte Internetportale und „dynamic packaging“ betrifft, so besteht sicherlich großes Diskussionspotential. Dabei sollte aber bei der Hinterfragung der bestehenden Definitionen und des bestehenden Anwendungsbereichs der eigentliche Charakter der Pauschalreise – nämlich Schutzgewährung für den Verbraucher in jenen Fällen, in denen er sich in die Hand eines Reiseveranstalters begibt – nicht aus den Augen verloren werden.

Zunächst wird in jedem Fall abzuwarten sein, wie die Kommission die Schlussfolgerungen der Studie beurteilt, welche Schlüsse sie daraus zieht und wie sie weiter vorgeht.

Zu 4 bis 6:

Zu dem im Jahr 2006 im Rahmen der Arbeiten am Verbraucherschutz-Acquis verteilten Diskussionspapier hat das Bundesministerium für Justiz unter Beiziehung von Vertretern der Verbraucher- und der Wirtschaftsseite eine koordinierte Stellungnahme Österreichs ausgearbeitet und an die Kommission übermittelt. Diese lautete wie folgt: 

„Sachlicher Anwendungsbereich:

Österreich sieht durchaus einen gewissen Bedarf, die bestehenden Definitionen im Hinblick auf die technischen Entwicklungen der letzten Jahre zu hinterfragen und zu überarbeiten. Dabei soll jedoch der eigentliche Charakter der Pauschalreise, der darin zu sehen ist, dass sich der Verbraucher in hohem Ausmaß in die Obhut des Reiseveranstalters begibt, nicht aus den Augen verloren werden. Wie dabei vorgegangen werden soll, wird noch näher zu diskutieren sein.

Die österreichischen Verbrauchervertreter befürworten eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs im Hinblick auf die Zunahme von Buchungen über das Internet, insbesondere aber auch im Hinblick auf das Auftreten von Reiseportalen, die Links zu anderen Unternehmen zur Verfügung stellen und auf diese Weise ermöglichen, dass sich der Kunde selbst nach seinen eigenen Vorstellungen eine Reise zusammenstellt; solche Reiseportale, die sich zumeist als bloße Reisevermittler gerierten, seien tatsächlich als Vertriebsschienen und damit als Reiseveranstalter anzusehen. Eine Klarstellung bzw. eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie sei insoweit erforderlich. Von Verbraucherseite wird daneben auch eine Ausdehnung bestimmter Regelungen der Richtlinie (Eintrittsrecht einer Ersatzperson auch bei Beförderungs- und Beherbergungsverträgen, Insolvenzabsicherungspflicht auch bei Luftbeförderungsverträgen) gefordert.

Die Vertreter der Wirtschaft betonen hingegen in diesem Zusammenhang, dass vom eigentlichen Begriff der Pauschalreise nicht abgegangen werden solle. Reisen, die für den konkreten Fall nach individuellen Kundenwünschen zusammengestellt würden, seien eben gerade nicht als Pauschalreisen anzusehen. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch, dass Verbraucher sich heutzutage infolge der technischen Möglichkeiten weit leichter Zugang zu Informationen beschaffen könnten und ihren Vertragspartnern nicht mehr in einem derart hohen Maß ausgeliefert seien wie früher. Im Fall einer Zusammenstellung von Einzelleistungen auf Wunsch des Kunden könne jedenfalls dann keine Pauschalreise angenommen werden, wenn die Vermittlerstellung klar erkennbar sei und die Reiseleistungen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung bloß vermittelt würden.

Transparenzgebot und Informationspflichten:

Im Hinblick auf die zunehmende Vornahme von Buchungen über das Internet wird erhöhtes Augenmerk auf die Einhaltung von Informationspflichten und das Transparenzgebot zu legen sein. Im Besonderen könnten in für den Verbraucher nicht eindeutig klar zuordenbaren Bereichen Unternehmer verpflichtet werden, ausdrücklich darauf hinzuweisen, ob Leistungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen oder nicht.

Insolvenzabsicherung:

Eine Überarbeitung des Art. 7 der Richtlinie erscheint im Hinblick auf die unterschiedlichen Systeme, die sich in den einzelnen Mitgliedstaaten herausgebildet haben, wünschenswert. Gerade bei grenzüberschreitenden Geschäften kann es immer wieder zu Problemen kommen. Nicht klargestellt wird in der Richtlinie, welcher Mitgliedstaat für die Sicherstellung der vorgeschriebenen Insolvenzabsicherung verantwortlich ist. Österreich befürwortet in diesem Zusammenhang die Festschreibung des Herkunftslandprinzips in Art. 7. Zur Klarstellung sei der folgende Sachverhalt kurz dargestellt:

Eine österreichische Maturaklasse kaufte per Internet bei einem deutschen Reiseveranstalter eine Reise nach England. Die Firma wurde insolvent; da keine Insolvenzabsicherung nach Art. 7 existierte, waren die Anzahlungen auf den Reisepreis verloren. In der Richtlinie ist nun nicht geregelt, welcher Mitgliedstaat in solchen grenzüberschreitenden Fällen das Bestehen der Absicherung sicherzustellen hat. In Deutschland ist die Absicherung bei grenzüberschreitendem Kontext nur insoweit vorgeschrieben, als nach den Regeln des Kollisionsrechts deutsches Recht zur Anwendung gelangt. Aus Großbritannien hingegen (die Firma war angeblich britischer Veranstalter mit selbständigem Verkaufsbüro in Deutschland) kam die Erstinformation, dass dort nur für den britischen Markt vorgesorgt werde.

Eine Möglichkeit, die Problematik der Sicherungserfordernisse zu entschärfen, könnte nach den österreichischen Erfahrungen darin gefunden werden, hohe Anzahlungen, die der Verbraucher bereits lange vor dem Reiseantritt zu leisten hat, zu vermeiden. Zu denken wäre dabei beispielsweise an Regelungen, die verbieten, dass ein bestimmter Prozentsatz des Reisepreises vor einem bestimmten Zeitpunkt vor Reiseantritt gezahlt wird.

Rechtsdurchsetzung:

Die Praxis zeigt, dass die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher, die sich großen Reiseveranstaltern gegenüber sehen, oftmals schwierig ist. Insofern wäre die Einrichtung von Schlichtungsstellen – auch im Hinblick darauf, dass dies eine Entlastung der Gerichte bedeuten würde – zu befürworten.

Über die Frage, ob eine Solidar-Erfüllungshaftung eines Vermittlers, der Verträge mit ausländischen Reiseveranstaltern vermittelt, eingeführt werden sollte, wird noch zu diskutieren sein. Die Vertreter der Wirtschaft haben in diesem Zusammenhang damit argumentiert, dass der Vermittler keinerlei Einfluss auf die Vertragserfüllung durch den Veranstalter nehmen kann. In der Praxis zeigt sich, dass Vermittler oft selbst kaum Informationen über ausländische Veranstalter besitzen. In diesem Zusammenhang könnte die Einrichtung eines länderübergreifenden Veranstalterregisters überlegt werden.“

Zu dem im Jahr 2007 versendeten Arbeitspapier hat das Bundesministerium für Justiz keine Stellungnahme abgegeben, zumal es sich um eine öffentliche Konsultation handelt, mit der insbesondere die Interessenvertreter angesprochen werden.

Eine konkretere Positionierung wird dann vorgenommen werden können, wenn die Kommission bekanntgibt, welchen Weg sie mit der Pauschalreise-Richtlinie weiter einschlagen will, und konkrete Vorschläge für eine Neuregelung vorlegt.

. Juli 2008

 

(Dr. Maria Berger)