590/AB XXIII. GP

Eingelangt am 25.05.2007
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga Barbara PRAMMER

Parlament

1017 Wien     

           

 

 

 

GZ: BMI-LR2220/0210-II/1/b/2007

 

Wien, am          Mai 2007

 

 

Die Abgeordneten Maga Petra BAYR und GenossInnen haben am 30.03.2007 unter der Zahl 619/J an mich eine parlamentarische Anfrage betreffend „medizinische Betreuung von in Hungerstreik befindlichen Schubhäftlingen“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1bis 3:

Die in der Anfrage zitierten Darstellungen entsprechen nicht den Tatsachen.

 

Zu diesem Thema wird bemerkt, dass grundsätzlich alle Angehaltenen ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme ärztlich (präventivmedizinische Aufnahmeuntersuchung) auf ihre Haftfähigkeit zu untersuchen (siehe hiezu § 7 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Anhaltung von Menschen durch die Sicherheitsbehörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, AnhO, i.d.F. BGBl. II Nr. 439/2005) sind, d.h. die Haftfähigkeit ist conditio sine qua non für die Anhaltung eines Menschen in einem Polizeianhaltezentrum.

Die ärztliche Betreuung in Polizeianhaltezentren ist sicherzustellen und ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass alle Behörden hier ihr Möglichstes tun, um alle menschenrechtlichen Vorgaben zu erfüllen.  Polizeianhaltezentren – je nach Größe – verfügen über einen od. mehrere Allgemeinmediziner, die in unterschiedlichem Zeitausmaß für die kurative Tätigkeit im Zusammenhang mit Angehaltenen tätig sind.

 

Wochentags ist im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel zwischen 07.00 und 13.00 Uhr sowie 14.00 und 17.00 Uhr und im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände zwischen 07.00 und 14.00 Uhr sowie 17.00 und 20.00 Uhr ein Amtsarzt in der Ordination (allgemeinmedizinische Sprechstunde) verpflichtend anwesend. Am Wochenende (bzw. an Feiertagen) erfolgen die Visiten in beiden Polizeianhaltezentren zwischen 08.00 und 13.00 Uhr durch den amtsärztlichen Journaldienst der BPD Wien. Darüber hinaus können die Anstaltsärzte auch außerhalb ihrer Dienstzeit für akute vollzugsmedizinische Probleme in Anspruch genommen werden.

 

Zur medizinischen Versorgung der Schubhäftlingen in den beiden Polizeianhaltezentren in Wien ist auszuführen, dass täglich in den Häusern ein Amtsarzt von 07.00 – 20.00 Uhr im Dienst ist. Für die Nachtzeiten ist jederzeit der Nachtdienst versehende Amtsarzt verfügbar. Die medizinische Basisversorgung ist nach dem Modell einer Hausarztordination strukturiert. Angehaltene haben daher jederzeit die Möglichkeit, eine medizinische Versorgung zu erhalten.

 

Die Tätigkeiten der AmtsärtzInnen in den Polizeianhaltezentren sind in den Richtlinien für den polizeiärztlichen Dienst (vgl. Pkt. 1.10 und 1.11. d. Erl., Zl. BMI-OA1300/0011-II/1/b/2006 v. 20.02.2006) normiert.

 

Der Vorwurf, wonach angehaltenen Menschen eine ärztliche Konsultation verweigert wurde, wird zurückgewiesen. Die in der Anfrage angesprochenen angeblichen Vorkommnisse können ohne konkrete Hinweise nicht verifiziert werden. Lediglich die Schilderung eines Falles scheint zuordenbar. Der Angehaltene gab damals an, massive Darmblutungen zu haben und wollte in ein Spital überwiesen werden. Laut vorliegender amtsärztlicher Befunde habe der Angehaltene angegeben, einige Tropfen Blut im Stuhl bemerkt zu haben. Es wurde vom Amtsarzt daraufhin eine entsprechende Untersuchung in die Wege geleitet.

 

Alle medizinischen Maßnahmen und Vorgaben - auch solche, die durch externe Ärzte vorgenommen werden - werden in Krankenakten bzw.  im Krankenblatt des Häftlings exakt dokumentiert.

 

PolizeiärztInnen sind schon aufgrund ihrer dienstlichen Stellung verpflichtet, in dem ihnen von der Behörde zugeordneten Aufgabenbereich die entsprechenden ärztlichen Tätigkeiten wahrzunehmen. Sie haben aufgrund ihrer eingegangenen Dienstverpflichtung bei den Sicherheitsbehörden ihre Tätigkeit  in dem Ausmaß, in dem die ÄrztInnen aufgrund des Erkenntnis-, Wissens- und Erfahrungsstandes dazu in der Lage sind, auszuüben. Eine Verweigerung einer medizinischen Betreuung durch einen im PAZ tätigen Amtsarzt ist nicht möglich und würde entsprechend strenge  straf- bzw. disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

 

Zur Verdeutlichung der medizinischen Betreuung insbesondere an Wochenenden wird mitgeteilt, dass beispielsweise am Wochenende vom 31.03.2007, 07.00 Uhr bis 02.04.2007, 07.00 Uhr insgesamt 347 medizinische Untersuchungen vorgenommen worden sind

 

Bezüglich der Betreuung von Hungerstreikenden ist die medizinische Behandlung bzw. Vorgangsweise gem. Erlass des BMI genau geregelt (u.a. Erarbeitung der Parameter in Konsilien mit dem Menschenrechtsbeirat). So ist ab der Meldung eines Hungerstreiks täglich eine klinische Untersuchung mit Dokumentation aller vorgegebenen Parameter verpflichtend. Diese Untersuchungen werden natürlich auch an Samstag, Sonn- und Feiertagen durchgeführt. Auch Laboruntersuchungen (kompl. Blutbild) werden im Bedarfsfall angeordnet. Bei entsprechenden psychischen Auffälligkeiten (bzw. Drogenersatztherapie etc.) ist es überdies möglich, einen Facharzt für Psychiatrie aufzusuchen.

 

Zum Vorwurf der mangelhaften Untersuchung von Hungerstreikenden durch den amtsärztlichen Dienst ist auch festzuhalten, dass es trotz objektiver Aufklärung und Hinweise auf gesundheitliche Konsequenzen bezüglich der Notwendigkeit von Untersuchungen zu zahlreichen Verweigerungen (z.B. von Laboruntersuchungen)  durch die Angehaltenen selbst kommt. Auf die Freiwilligkeit (Recht auf körperliche Integrität) der durchgeführten Untersuchungen wird hingewiesen.  

 

Zu den Fragen 4 und 5:

Der Bericht des Menschenrechtsbeirates „Gesundheitsvorsorge in Schubhaft“ (anlässlich des Todes von Yankuba C. im PAZ Linz) wird sehr ernst genommen. Relevante Empfehlungen wurden und werden zum Anlass umfassender Betrachtungen genommen. Eine laufende Arbeitsgruppe unter Leitung des Chefarztes des BM.I, befasst sich derzeit mit einer Grundlagenevaluierung (Zuständigkeiten, Dienstaufsicht etc.), neuen innovativen Ansätzen und human indizierten Strategien in Bezug auf die Optimierung der medizinischen Betreuung Angehaltener. Dabei sollen die Qualitätskriterien und Leitlinien weiter spezifiziert werden. Der Menschenrechtsbeirat ist hierbei ständig eingebunden.

 

Auf die Dienstaufsicht betreffend den amtärztlichen Dienst wird besonderes Augenmerk gelegt und alle polizeiärztlichen Dienste werden einer chefärztlichen Qualitätskontrolle unterzogen.