681/AB XXIII. GP
Eingelangt am 20.06.2007
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
Bundesministerium für
Unterricht, Kunst und Kultur
Frau Geschäftszahl: BMUKK-10.000/0073-III/4a/2007
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Wien, 19. Juni 2007
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 773/J-NR/2007 betreffend Kondomaktion am Wiener Gymnasium Hegelgasse 12, die die Abg. Dieter Brosz, Freundinnen und Freunde am 3. Mai 2007 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 bis 3:
Für den Besuch von Politikerinnen und Politikern an Schulen bestehen keine besonderen Bestimmungen im Schulrecht; dies gilt für alle Arten von öffentlichen Schulen. Ausgehend von den Aufgaben des Schulleiters zur Leitung der Schule und dessen „Hausrecht“ liegt unter Bedachtnahme auf die Aufgaben der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) und die Anforderungen betreffend Werbung für schulfremde Zwecke (§ 46 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes) die Entscheidung über den Zutritt sog. „schulfremder Personen“ in das Schulgebäude grundsätzlich in seinem gebundenen Ermessen (§ 56 des Schulunterrichtsgesetzes). In diesem Sinne bestehen auch keine expliziten gesetzlichen Bestimmungen über Antrags- und folgende Bewilligungspflichten für Schulbesuche durch Schulbehörden des Bundes, wenngleich betont werden muss, dass aus den vorstehend und nachfolgend genannten Gründen alle Schulbehörden des Bundes entsprechend ihrer Zuständigkeiten zur Unterbindung von Schulbesuchen im Aufsichtswege berufen sind, sodass insofern von einem Zustimmungserfordernis für Schulbesuche im weitesten Sinne gesprochen werden kann.
In diesem Sinne sind die von Politikerinnen und Politikern geplanten Schulbesuche – wie alle anderen auch – der Schulleitung sowie den Schulbehörden zeitgerecht und unter Angabe des Zweckes anzukündigen. Ihre Durchführung hängt von der Zustimmung der Schulleitung bzw. der Schulbehörde ab. Die Mitteilung einer Politikerin bzw. eines Politikers an die Schulbehörde, einen Schulbesuch zu beabsichtigen, ist jedenfalls kein bloßer Akt der Höflichkeit, der der reinen Kenntnisnahme dient, zumal die Schule keine Bühne für unkontrollierte politische Darstellung ist. Die Einschränkungen für politisches Werben an Schulen ergeben sich aus dem im Zusammenhang mit dem Indoktrinationsverbot des Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu lesenden § 46 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes.
Außerhalb des Anwendungsbereiches des erwähnten Indoktrinationsverbotes ist die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur als das für das Schulwesen zuständige oberste Organ entsprechend Art. 81a Abs. 5 B-VG berechtigt, ohne Zustimmung Schulbesuche zur Information oder zur Feststellung der Qualität des Unterrichts abzustatten.
Zu Frage 4:
Gesonderte schulrechtliche Regelungen für die Begleitung von Medienvertreterinnen bzw. Medienvertretern bestehen nicht; auf die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 3 wird hingewiesen. Die beabsichtigte Mitnahme von Medienvertreterinnen bzw. Medienvertretern zu Schulbesuchen ist ein derart wesentlicher Aspekt des Besuches, dass die Schulleitungen bzw. die Schulbehörden jedenfalls davon zu informieren sind. Sie haben die Möglichkeit, auch die Mitnahme von Vertreterinnen und Vertretern der Medien abzulehnen. Vor allem dann, wenn zu befürchten ist, dass ein Besuch (auch) parteipolitisch motiviert ist.
Zu Frage 5:
Das Urheberrechtsgesetz kennt das Recht am eigenen Bild (§ 78). Danach ist das Veröffentlichen von Fotos, die die berechtigten Interessen der Abgebildeten verletzten, ohne deren Einwilligung nicht gestattet. Von einer Verletzung berechtigter Interessen ist wohl schon dann auszugehen, wenn Bilder ein politisches Naheverhältnis signalisieren, das entweder nicht besteht oder dessen Öffentlichmachen die Abgebildete bzw. der Abgebildete nicht wünscht. Da es sich hier um ein Persönlichkeitsrecht handelt, ist ein besonders sensibler Umgang geboten.
Stoßen sich Eltern bzw. Erziehungsberechtigte vor allem daran, dass ihre Kinder auf den Bildern mit Kondomen zu sehen sind, könnte die nicht autorisierte Veröffentlichung deren Recht auf einen Unterricht verletzten, der ihre weltanschaulichen und philosophischen Positionen zumindest zur Kenntnis nimmt. Damit wäre neuerlich das Indoktrinationsverbot des schon erwähnten 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention berührt. Zwar braucht der schulische Unterricht gesellschaftlich strittige Themen keineswegs auszusparen, doch müssen Schulen dennoch darauf achten, dass sie bei der öffentlichen Thematisierung Kinder nicht in einer Weise auftreten lassen, die der Haltung ihrer Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zu diesen Fragen widerspricht.
Zu Fragen 6 und 7:
Der Stadtschulrat für Wien (das Pressereferat) wurde etwa 45 Minuten vor Beginn der Veranstaltung durch die Schulleitung informiert. Nach nochmaligem, dringendem Ersuchen um Zustimmung durch eine Mitarbeiterin der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend (etwa 30 Minuten vor Beginn der Veranstaltung) und deren Versicherung, dass die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend diese Veranstaltung auch bereits mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur besprochen hätte, wurde seitens des Pressereferates des Stadtschulrates für Wien dieser Termin nicht untersagt.
Zu Frage 8:
Der beabsichtigte Schulbesuch wurde einige Wochen vor dem Termin in einem Gespräch zwischen den beiden Ministern erwähnt.
Zu Fragen 9 bis 11:
Nein. Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 6 und 7.
Zu Frage 12:
Der die Anfrage betreffende Schulbesuch hätte, so ein entsprechendes Ersuchen bei der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur eingelangt wäre, auch von ihr aus den in der Beantwortung der Fragen 1 bis 3 genannten Gründen unterbunden bzw. genehmigt werden können. Ein derartiger Besuch kann aber auch vom Stadtschulrat oder von der Schulleitung unterbunden oder gestattet werden. Langt ein Ansuchen zum Besuch einer Schule bei den genannten Schulbehörden bzw. der Schule selbst ein, liegt es an ihnen zu entscheiden, ob eine höhere Stelle informiert oder um Entscheidung gebeten werden soll.
Zu Frage 13:
Die Begleitung durch Fotografinnen bzw. Fotografen wurde gegenüber der Schulleitung erwähnt.
Zu Frage 14:
Seitens der Schulleitung wurden keine Auflagen erteilt.
Zu Frage 15:
Die Stelle, bei der um Erlaubnis zum Besuch einer Schule angesucht wurde, entscheidet auch über die näheren Umstände des Besuchs. Dazu gehört auch die Frage, ob Medienvertreterinnen bzw. Medienvertreter am Schulbesuch teilnehmen. Im Hinblick auf den gesamten Besuch muss sichergestellt sein, dass das Thema, unter dem das Ereignis steht, nicht zum Transportmittel für eine parteipolitisch motivierte Selbstdarstellung wird. Ausgehend von der Neutralitätspflicht des Staates darf eine Schule, die sich in das Licht der Öffentlichkeit begibt, keine Handlungen dulden, die als einseitiges Bevorzugen einer bestimmten politischen, religiösen oder sonstigen weltanschaulichen Ausrichtung gedeutet werden können.
Zu Frage 16:
Für die Information der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten und die Einholung der Erlaubnis ist die/der den Besuch von Seiten der Schule Vorbereitende (Schulleiterin/Schulleiter bzw. eine beauftragte Lehrkraft) verantwortlich. Gemäß § 56 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes ist die Schulleiterin bzw. der Schulleiter verpflichtet ua. für die Einhaltung der Rechtsvorschriften an der Schule Sorge zu tragen. Neben schulrechtlichen Bestimmungen sind darunter all jene rechtlichen Regelungen zu subsumieren, die in einem konkreten Fall für die Schule von Relevanz sind. In Bezug auf die vorliegende Anfrage ist das auch § 78 des Urheberrechtsgesetzes.
Zu Fragen 17 und 20:
Ich ersuche um Verständnis, dass eine entsprechende Verwendungszusage nur für das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur einschließlich der nachgeordneten Dienststellen abgegeben werden kann. Im Übrigen kann die Nichtverwendung der Fotos in „Publikationen von (anderen) Ministerien“ nur durch die Auftraggeberin bzw. den Auftraggeber wirksam unterbunden werden.
Eine Befugnis
zur Erteilung von Direktiven an andere Ressorts zur Einhaltung der mit dem Bildnisschutz
verbundenen rechtlichen Regelungen sowie allgemein zur Beachtung von (schul-)
rechtlichen Vorschriften steht nicht in der Ingerenz des Bundesministeriums
für Unterricht, Kunst und Kultur.
Zu Frage 18:
Da das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur erst durch die Veröffentlichungen der Fotos auf den Sachverhalt aufmerksam wurde, waren entsprechende Schritte nicht mehr zweckmäßig.
Zu Frage 19:
Im Rahmen eines Elternabends der betroffenen Klasse am 18. April 2007 hat sich der Schulleiter für die unzureichende Information der Eltern bzw. der Erziehungsberechtigten entschuldigt. Die Entschuldigung wurde von den betroffenen Eltern bzw. Erziehungsberechtigten angenommen.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.