Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger

zum Bericht 342 der Beilagen betreffend die Regierungsvorlage (291 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird

Novelle bringt neuerlich Aushöhlung des Tierschutzrechts

 

Die Regierungsparteien haben zur Regierungsvorlage knapp vor der Ausschuss-Sitzung einen umfangreichen Abänderungsantrag eingebracht. Der Inhalt dieses Abänderungsantrages Eßl und Keck findet in der Abweichenden Stellungnahme ebenfalls Berücksichtigung.

 

1. Qualzuchtverbot durch unbestimmte Begriffe verwässert

Regierungsvorlage[1]: Das Verbot gilt nur für „starke“ Schmerzen, Leiden oder Schäden. Namhafte ExpertInnen haben sich nachdrücklich für den Entfall des Begriffes „stark“ ausgesprochen. Das Erfordernis der „starken“ Beeinträchtigung widerspricht zudem sowohl den Anforderungen des Europäischen Heimtierübereinkommens als auch den Vorgaben der Richtlinie 98/58/EG über  den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, wonach alle Zuchtmethoden, die den Tieren „Leiden oder Schäden“ zufügen können, verboten sind (und nicht nur die „starken“). Die aufgezählten klinischen Symptome müssten mit der Formulierung „oder diesen vergleichbare“ ergänzt werden, um den exemplarischen Charakter der Aufzählung klarzustellen.

 

Abänderungsantrag der Abg. Eßl und Keck: Obwohl der auf Schmerzen, Leiden und Schäden bezogene Begriff „stark“ gestrichen wurde, entspricht die Bestimmung nicht den Anforderungen an ein wirksames Qualzuchtverbot, da nunmehr neu die Verursachung „schwerer Auswirkungen auf die Gesundheit“ oder eine „wesentliche“ Beeinträchtigung der physiologischen Lebensläufe erforderlich ist. Die Qualifizierung des Tatbestandes wurde somit nur durch andere unbestimmte Begriffe ersetzt und auf ein neu eingeführtes Tatbestandselement verlagert.

 

Die 10-jährige Übergangsfrist für das Qualzuchtverbot[2]  bewirkt, dass ein bestehendes Tierquälereiverbot bis 2018 hinausgezögert und Qualzuchten für diesen Zeitraum legalisiert werden.

 

2. Hunde: Kupierverbot unvollziehbar gemacht

Der „Kupiertourismus“ bzw. die illegale Vornahme verbotener Eingriffe im Inland zeigen, dass das geltende Kupierverbot ohne gleichzeitiges Halteverbot für kupierte Tiere nicht vollziehbar ist. Aus diesem Grund hatte der Begutachtungsentwurf ein Verbot der ständigen Haltung rechtswidrig kupierter Hunde enthalten. Das nunmehr vorgesehene Ausstellungsverbot ist in keiner Weise geeignet, ein Halteverbot zu ersetzen. Die Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass ein Halteverbot durchaus umsetzbar ist, daher wäre das im Begutachtungsentwurf vorgesehene Halteverbot in jedem Fall beizubehalten gewesen.

 

Im Abänderungsantrag Eßl und Keck wurde zwar hinzugefügt, dass das wissentliche Verbringen von in Österreich geborenen Hunden ins Ausland zum Zwecke des Kupierens verboten ist. In Ermangelung von Grenzkontrollen darf jedoch die Vollziehbarkeit dieses Verbotes mehr als bezweifelt werden.

 

3. „Fachstelle für tiergerechte Haltung und Tierschutz“ ersetzt kein verpflichtendes behördliches Zulassungsverfahren

Laut Abänderungsantrag Eßl und Keck soll eine „Fachstelle für tiergerechte Haltung und Tierschutz“ eingerichtet werden, die als zentrale Stelle berechtigt ist, Bewertungen von serienmäßig hergestellten Aufstallungssystemen und neuartigen technischen Ausrüstungen für Tierhaltungssysteme vorzunehmen sowie Gutachten zu erstellen, die als Nachweis der Tiergerechtheit dienen. Diese Stelle ist auch berechtigt, das Tierschutz-Kennzeichen zu vergeben und das Bundeswappen zu führen.

 

Das Ausstellen einer „Bestätigung“ von dieser Behörde stellt eine Abschwächung des derzeit im TSchG vorgesehenen behördlichen Zulassungs- und Zertifizierungsverfahrens dar. Insbesondere wird auch die Ermächtigung zur Verwendung eines „Tierschutz-Kennzeichens“ für Aufstallungssysteme, Ausrüstungen und dgl. abgelehnt, wenn diese lediglich die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen erfüllen. Eine solche Kennzeichnung ist nämlich geeignet, KonsumentInnen einen besonders hohen, über die Mindestanforderungen hinausgehenden Tierschutzstandard vorzutäuschen.

 

Auch der Grund für die ausnahmsweise Zulässigkeit für „nicht erlaubte“ – und damit verbotene – „Einrichtungen und Anlagen“ während des Prüfverfahrens ist nicht erkennbar, da es geradezu denkunmöglich ist, Einrichtungen und Anlagen, die von vornherein und damit offensichtlich tierschutzrechtswidrig sind, einer Überprüfung im Hinblick auf ihre Tierschutzrechtskonformität zu unterziehen.

 

4. Kaninchen müssen noch lange in Käfigen bleiben

Zu den arttypischen Bedürfnissen von Kaninchen zählen: Rennen, „Haken schlagen“, Graben, Liegen in ausgestreckter Haltung, Aufrichten auf die Hinterläufe, Nagen, Sozialkontakt und Möglichkeit zur Distanz (Konfliktvermeidung). Die Käfighaltung von Kaninchen wird daher von der Mehrheit der KonsumentInnen ebenso abgelehnt wie die Käfighaltung von Legehennen. Sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch praktische Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass sich die Haltung von Kaninchen in Buchten (mit oder ohne Auslauf) für die kommerzielle Kaninchenhaltung sowohl in der Zucht als auch in der Mast eignet.

 

Im Abänderungsantrag Eßl und Keck wird die Haltung von Fleischkaninchen in „Käfiganlagen“ (ob mit diesem Begriff auch Einzelkäfige erfasst sind, ist unklar) zwar ab 1. Jänner 2012 verboten. Das große und in hohem Ausmaß tierschutzrelevante Segment der Rassekaninchenhalter wird jedoch durch diese Bestimmung nicht erfasst. Unklar bleibt ferner, ob auch Zuchthaltungen oder nur Mästereien unter diese Regelung fallen. Des weiteren ist nicht ersichtlich, an welchem Maßstab die „verbesserten“ Buchten zu beurteilen sind, da das geltende Tierschutzrecht keine Anforderungen an Buchtensysteme festlegt. In der Verordnungsermächtigung gem. § 24 Abs. 1 Z 1 wären nicht nur Anforderungen an erhöhte Flachen, Nestkammern und Bodenbeschaffenheit, sondern an das Gesamtplatzangebot sowie an alle Strukturelemente festzulegen gewesen. Auch wird die Haltung von Kaninchen zur Pelzgewinnung nicht unter Verbot gestellt.

 

Nach der nunmehr vorgesehenen Regelung wird Kaninchenmastanlagen, die bis zum 31.12.2007 errichtet wurden, eine Übergangsfrist bis 1.1.2020 eingeräumt, sodass Gitterkäfige bis zu diesem Zeitpunkt in Betrieb bleiben dürfen. Die Länge dieser Übergangsfrist ist im Hinblick auf das Ausmaß der Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere in diesem Haltungssystem als unangemessen zu betrachten.

 

5. Hunde und Katzen dürfen wieder in Zoofachgeschäften gehalten werden, obwohl dort keine artgerechte Haltung möglich ist

Die Regelung, dass junge Hunde und Katzen in Hinkunft wieder in Zoofachgeschäften gehalten werden können (mit behördlicher Bewilligung und unter der Voraussetzung, dass ein Betreuungsvertrag mit einem Tierarzt besteht), löst das Problem des illegalen Welpenhandels nicht. Dieser Handel ist nicht auf das Ausstellungs- und Halteverbot in Zoofachhandlungen zurückzuführen, sondern auf den Entfall der Grenzkontrollen und den Internet-Handel. Dies zeigen Erfahrungen aus Deutschland, wo trotz der Zulässigkeit des Haltens von Hunden und Katzen im Zoofachhandel eine Zunahme des illegalen Hundehandels zu verzeichnen ist.

 

6. Verordnungsermächtigung soll Unterschreitung der Mindestanforderungen für die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere ermöglichen![3]

Durch eine VO-Ermächtigung wird die Möglichkeit zur Unterschreitung der in der 1. Tierhaltungsverordnung festgelegten Mindestanforderungen bis zu 10 Prozent geschaffen, sofern der Tierschutzrat einer solchen Änderung zustimmt. Unter dem Aspekt der künftigen Zusammensetzung dieses Gremiums (der Tierschutzrat wurde bereits bei der letzten TSchG-Novelle zahnlos gemacht) stellt die Zustimmung des Tierschutzrates kein Hindernis für eine systematische Aushöhlung des Nutztierschutzes dar. Es ist mit den demokratischen Grundsätzen der Gesetzgebung unvereinbar, einen solch schwerwiegenden Eingriff in die Substanz der Tierschutzgesetzgebung auf diese Art durchzusetzen!

 

7. Grüne Abänderungsanträge:

Die Grünen haben im Gesundheitsausschuss 5 Abänderungsanträge eingebracht, die sinngemäß folgende Forderungen enthielten:

 

1.     Qualzucht-Verbot vollziehbar machen: Das Erfordernis der „starken“ Schmerzen muss entfallen

 

2.     Schluss mit dem Kupiertourismus: Ausstellungs- und Halteverbot von kupierten Hunden.

 

3.     Keine Haltung von jungen Hunden und Katzen in Zoohandlungen, stattdessen Verstärkung der Kontrollen des illegalen Handels.

 

4.     Genereller Ausstieg aus der Käfighaltung von Kaninchen (Übergangsfrist Ende 2010)

 

5.     Keine Aushöhlung der Mindeststandards bei Nutztieren per Verordnung.

Tierschutz-Bericht gaukelt heile Welt vor

Auf der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses stand auch der erste Tierschutzbericht seit Bestehen des Tierschutzgesetzes. Dieser Bericht ist im Wesentlichen eine „Schönfärberei“, die zahlreichen Tierschutzprobleme werden unter den Teppich gekehrt - er hält einem Vergleich mit dem deutschen Tierschutzbericht, der die Lage des Tierschutzes problemorientiert darstellt, in keiner Weise stand.

 

Tierschutzbericht

Realität

Titelbild: Die Tiere sind auf der Weide

Die übergroße Mehrheit der Nutztiere vegetiert zusammengepfercht auf Vollspaltenböden ohne Einstreu dahin.

Einleitung: „Tierschutz ist Emotion“

Moderner Tierschutz basiert auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf Emotionen.

S. 11 man beruft sich auf den 4-Parteienkonsens

Der 4-Parteien-Konsens gilt nicht mehr: schon bei der letzten Tierschutzgesetz-Novelle wurden die Oppositionsparteien übergangen. Der Tierschutzrat wurde umbesetzt und mundtot gemacht.

Darstellung tierschutzrechtlicher Mindestanforderungen beschönigend

Negative Aspekte werden nicht erwähnt; z.B. werden die langen Übergangsfristen (oft erst 2020) verschwiegen .

Qualvolle Eingriffe an Nutztieren werden nicht thematisiert

Schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung: Zerstören der Hornanlage durch Ausbrennen bei Kälbern bis zu zwei Wochen, Kastration und Kupieren des Schwanzes bei Ferkeln bis zum 7. Lebenstag, Kürzen der Schnäbel bei Hühnern, die weniger als 10 Tage alt sind.....

Ausbildung von Kontrollorganen (S. 28)

Es gibt bis heute keinen solchen Lehrgang; der Novellierungsentwurf zur TSch-KontrollV bringt eine völlige Aufweichung.

Nicht erwähnt: wissenschaftliche Evaluierung des Schächtens, Tierschutz im Verfassungsrang

Einstimmige Entschließungsanträge betr. wissenschaftliche Evaluierung des Schächtens und verfassungsrechtliche Verankerung des Tierschutzes blieben bisher unberücksichtigt.

Nicht erwähnt: Schwächung des Tierschutzrates

Der Tierschutzrat wurde in entscheidende Vorhaben nicht einbezogen und bei der letzten Gesetzesnovelle (Sommer 2007) demontiert.

Studienergebnisse Kälberenthornung bleiben unberücksichtigt (S. 62)

Die Studie zum Enthornen von Kälbern empfiehlt, Kälber unabhängig vom Alter zu sedieren und zu betäuben!

Fördervertrag Österreichischer Bergrettungsdienst  S. 62

Hat nichts mit Tierschutz zu tun.

Selbstevaluierung Tierschutz im Tiergesundheitsdienst S. 62

Keine Fördermaßnahme §2 TSchG, da es sich keineswegs um Grundlagen für „besonders tiergerechte Haltungssysteme handelt“, sondern um Mindestanforderungen.

 

Die Grünen haben daher dem Tierschutzbericht nicht zugestimmt und lehnen die Tierschutzgesetznovelle in der derzeit vorliegenden Fassung ab.



[1] Sh. Pkt. 3 Regierungsvorlage 291 d.B.Sh.

[2] sh. Pkt. 22, Absatz 3 Regierungsvorlage

[3] Pkt. 20 RV