Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka
Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten (129/GO)

 

Ergebnisse des Untersuchungsausschusses

betreffend Amtsführung im Bundesministerium für Inneres und weiteren Bundesministerien

I.  ALLGEMEINES

 

Ablauf, Inhalt und Themenerstellung des - gegen die ÖVP beschlossenen - Untersuchungsausschusses haben die ÖVP in ihrer Überzeugung bestätigt, dass es nie primär um Aufklärung, sondern nur um eine politische Begleitstrategie zum „negative campaining“ der SPÖ während der letzten Legislaturperiode gegangen ist und um die Anschwärzung der ÖVP und ihrer langjährigen Regierungskompetenz, besonders im Bereich des BMI!.

 

Neben den ursächlichen Haidinger-Vorwürfen wurden von SPÖ/FPÖ/BZÖ/Grüne alle angeblichen Skandale und Skandälchen zusammengemischt, die in den letzten 10 Jahren geschehen sein sollen. Viel zu viele unterschiedliche Vorwürfe an die unterschiedlichsten Adressaten wurden hier hineingepackt, sodass dem Untersuchungsausschuss ein klares Aufklärungsziel abhanden gekommen ist: Es bleibt bei unserer Bewertung. Es ist ein „Kraut und Rüben-Untersuchungsausschuss“ entstanden, dem es nicht gelungen ist, die insgesamt 32 Themenkomplexe in einer praktikablen und rechtsstaatlich vertretbaren Vorgangsweise aufzuarbeiten!

 

Von den ursprünglich in Aussicht genommenen 31 Beweisthemen wurden nicht einmal 8 abschließend erledigt. Insgesamt wurden 47 Auskunftspersonen befragt – ursprünglich war laut Beweisbeschluss die Ladung von 267 Auskunftspersonen in Aussicht genommen.

 

Es war auch unsinnig, dass dabei (Zitat Antrag): „sämtliche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten“ geprüft werden sollten. Hier ist es zu einer unsäglichen Vermischung von politischer Verantwortung und strafrechtlicher Aufarbeitung gekommen, die ein sinnvolles Ergebnis verhindert hat.

 

Diese Vermischung muss daher künftig klar verhindert werden: Die Verantwortlichkeit für allfällige strafrechtliche Tatbestände kann und soll durch die staatlichen Organe wie Polizeibehörden, Staatsanwaltschaft und Gerichte festgestellt werden. Die politische Verantwortung für Missstände und Fehlentwicklungen soll durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss festgestellt werden!

 

Bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geht es nämlich nicht um Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit nach objektiven gerichtlichen Kriterien und Maßstäben, sondern dort wird mit der Mehrheit des Ausschusses abgestimmt, wie die politische Bewertung zu den einzelnen Sachverhalten und Vorwürfen aussieht! Entscheidend für jede Partei ist dabei, ob sie daraus parteipolitischen Nutzen ziehen kann.

 

Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielsetzung muss strafrechtliche Aufarbeitung klar getrennt werden von politischer Verantwortung!

 

 

Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch überschießende Aktenanforderungen

Besonders auffallend waren bei diesem Untersuchungsausschuss das überbordende Beweisthema sowie die alle Grenzen sprengenden Beweisbeschlüsse betreffend die Vorlage von Akten der Ministerien. Bedingt durch diese Beweisbeschlüsse und die Bereitwilligkeit einzelner Ressorts, insbesondere des Verteidigungs- und des Justizministeriums,  die Akten ohne vorhergehende Prüfung hinsichtlich Persönlichkeitsrechten und Datenschutz vorzulegen, wurde vielfach in einer Art und Weise in Rechte von Privatpersonen eingegriffen, die durch Artikel 53 B-VG nicht mehr zu rechtfertigen ist.

 

Die auffälligsten Verletzungen von Persönlichkeitsrechten sind etwa in folgenden Bereichen festzustellen:

 

►    Anforderung des gesamten Kampusch-Aktes, obwohl Gegenstand der Untersuchung bloß die Frage der Ermittlungspannen (Polizeihundeführer) und deren Vertuschung ist.

 

►    Hinweis auf angebliche Pornovideos (diese werden im Gerichtsakt zwar erwähnt, ihre Existenz wird aber widerlegt)
Hinweise auf das Sexualverhalten Priklopils (vgl. Österreich vom 18.4.2008) ergeben sich ebenfalls aus dem Akt (in der Strafanzeige gg. Priklopil) Interessant ist hingegen, dass Protokollierungen über die Sicherstellung mancher Gegenstände aus dem „Verlies“  „geschwärzt“ wurden. Aus offenbar den gleichen Erwägungen, dass nämlich sensible Daten nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten, wurde auch die Aussage der N. Kampusch nicht vorgelegt.

 

►    Anforderung aller Zogaj und Zeqaj-Strafakten, obwohl es nur um die Frage geht, wie Verurteilungen aus dem EKIS an die Öffentlichkeit gelangt sind.

 

►    Anforderung des gesamten Briefbomben-Aktes sowie der Ebergassing-Akten, obwohl es nur um die Frage missbräuchlicher Informationspolitik geht.

 

►    Anforderung aller Visa-Akten, obwohl Unzukömmlichkeiten nur an den Botschaften Budapest, Belgrad, Bukarest, Kiew und Lagos bekannt worden sind. (Die Anforderung wurde erst später eingeschränkt).
Ferner geht es um Fragen der Dienst- und Fachaufsicht, weshalb die einzelnen Visa-Akten unerheblich sind.

 

Überschießend ist die Aktenvorlage, durch die für die Untersuchung irrelevante Tatsachen bekannt wurden, die dem Persönlichkeits-, Grundrechts- und Datenschutz unterliegen, etwa in folgenden Bereichen:

 

►    Behandlung von später als unbeteiligt erkannten Personen als Verdächtige im Fall Kampusch (samt allen Personaldaten und Strafregisterauskünften), einschließlich Telefonüberwachung und Rufnummernrückerfassungen; ferner Zulassungsdaten aller Zulassungsbesitzer von weißen Kastenwägen;

 

►    Unbeteiligte wurden wegen sexueller Abartigkeiten überprüft und vernommen (Fotos von Frauen auf FKK-Gelände) samt Name, Adresse etc.;

 

►    Mitbeschuldigte von betroffenen Personen (Alban Zogaj) samt Personendaten, Vorstrafen, etc., Liebesbriefe von Mittätern;

 

►    Mitbeschuldigte von Zogajs und Zeqais im Strafverfahren samt allen Personaldaten, Vorstrafen und Auszügen aus Obsorgeakten;

 

►    Personaldetails in Bewerbungsunterlagen; Gesundheitsdaten, Hobbies, ressortspezifische Zusatzqualifikationen (sportliche Fitness), familiäre Verhältnisse insbes. Spitzensportler im BMLV;

 

►    Gesundheitsdaten und medizinische Gutachten betreffend Helmut Elsner in Verfahren auf Grund von Grundrechtsbeschwerden;

 

►    Personaldaten aller Beschäftigten/Tänzerinnen in der Golden-Times Sauna auf Grund fremdenpolizeilicher Behandlungen (Name samt „Künstlername“);

 

►    Vorlage des Testaments eines Beteiligten (samt Gründen für eine Enterbung!).

 

Das alles hatte mit dem politischen Untersuchungsauftrag wenig bis nichts zu tun, war völlig überschießend und überzogen und hat niemandem bei der Aufklärung geholfen – aber es hat einem möglichen Missbrauch Tür und Tor geöffnet! Und es ist zu befürchten, dass noch in den nächsten Monaten so manches Detail aus den U-Ausschuss-Akten in den Medien auftaucht!

 

 

Persönlichkeitsrechte und Datenschutz stärken

 

Die ÖVP-Fraktion hat sich im U-Ausschuss für die Persönlichkeitsrechte von Einzelpersonen eingesetzt und versucht, durch Rechtsgutachten das voyeuristische Verhalten der Mehrheit des Untersuchungsausschusses einzudämmen.

 

Denn für einen U-Ausschuss gibt es eine ganz klare Bewertung: Ein U-Ausschuss ist ein politisch/parlamentarisches Gremium, deshalb lassen sich „die Mitglieder des Untersuchungsausschusses natürlich auch von (partei)politischen Interessen und Zielen leiten. Der Untersuchungsausschuss ist daher seinem Wesen nach als unabhängige Rechtschutzinstanz ungeeignet“ - So das Zitat von Dr Gottfried Strasser, Generalprokurator i.R.und Verfahrensanwalt – und das hat ja auch die Praxis im U-Ausschuss gezeigt.

 

Die Rechtsansicht, dass einem Untersuchungsausschuss alle angeforderten Akten, ohne Rücksicht auf die Weitergabe von sensiblen, personenbezogenen Daten, vorgelegt werden müssen, entspricht deshalb weiter nicht unserer Meinung - aber auch nicht der Meinung maßgeblicher Rechtsexperten. Die Verantwortung für die Geheimhaltung sensibler Daten muss auch in der politischen Verantwortung des Ministers und nicht nur in der Anonymität des Untersuchungsausschusses liegen. Den Minister trifft letztlich auch die verfassungsmäßige Ministerverantwortlichkeit für sein Verhalten.

 

In Ergänzung zum Gutachten von Univ.Prof. Dr. Janko[1] und Univ.Prof. Dr. Raschauer [2] ist ferner auf die im Minderheitsbericht der ÖVP-Fraktion im Eurofighter-Untersuchungsausschuss enthaltenen Gutachten

►    des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 21. 11. 2006 und

►    des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 27. 4. 2007

zu verweisen.

 

Dies betrifft u.a. auch die Frage, inwieweit der Dienstgeber in Mailkonten von Mitarbeitern eingreifen und diese Mailkonten im Auftrag des Untersuchungsausschusses durchsuchen darf.

 

Dieses Thema war, insbesondere was die Mails im Bereich des Bundesministeriums für Inneres angeht, Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen.  Bedauerlicherweise haben es die Mehrheitsfraktionen abgelehnt, zu diesem Thema Experten einzuladen oder Gutachten bzw. eine Stellungnahme der unabhängigen Datenschutzkommission einzuholen, wie dies von der ÖVP gefordert wurde..

 

Fest steht jedenfalls, dass – auch auf Grund interner Regelungen des BMI der Dienstgeber, wie auch im privatwirtschaftlichen Bereich – nur mit Zustimmung des Bediensteten Zugriff auf dessen persönliches Mailkonto hat. Nach einem Erlass des BMI ist das Lesen von E-Mails in den Namenspostfächern der Bediensteten rechtswidrig, da die Namenspostfächer aller Ressortangehörigen auch privat genutzt werden dürfen und dies eine unerlaubte Online-Durchsuchung im privaten Rahmen darstellen würde.. Anders stellt sich die Situation nur hinsichtlich der Organisationspostfächer dar. Diese Ansicht teilt auch Bundeskanzler Gusenbauer, der in der Anfragebeantwortung 4532/AB zu 4607/J ausführt[3].

„Für jene Bereiche, in denen die private Nutzung der dienstlichen Namenspostfächer erlaubt ist, besteht derzeit keine gesetzliche Grundlage, die den öffentlichen Dienstgeber dazu berechtigt, Einblick in die Postfächer von Bediensteten zu nehmen.“ Ebenso bestätigt Gusenbauer, dass es keinen Rechtsgrundlage für eine Durchsuchung von Namenspostfächern nach gewissen Schlagwörtern sowie für eine generelle Offenlegungspflicht des öffentlich Bediensteten in Bezug auf seinen Mailverkehr gibt.

Auch das vom Innenministerium in Auftrag gegebene Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer stellt fest, dass es auch beim Schreibtisch eines Beamten eine Privatsphäre gibt, die zu schützen ist. Außerdem seien alle E-Mails, welche rechtlich für die Arbeit in der Behörde von Bedeutung sind, ohnedies zu verakten und schon bei den sonstigen Aktenanforderungen enthalten gewesen.

 

SPÖ, FPÖ und Grüne haben mit ihrer Ausschussmehrheit am 27. Mai 2008 beschlossen, dass der gesamte interne E-Mailverkehr des BMI nach rund 30 Schlüsselwörtern durchsucht und dem Ausschuss vorgelegt werden soll. Somit haben sie die zuständigen Behörden zu einer rechtswidrigen Vorgangsweise aufgefordert, die gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte wie das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Achtung der Privatsphäre sowie den Datenschutz verstößt. Letztlich ist dieser Antrag aber nicht umgesetzt und wirksam geworden. Das wiegt umso schwerer, als bei bisherigen Untersuchungsausschüssen immer wieder sensible und vertrauliche Daten  an die Öffentlichkeit gelangt sind, weil ihre Vertraulichkeit aufgrund der parteipolitischen Zielsetzungen der Ausschussmitglieder nicht gewährleistet war.

 

Diskussionen gab es u.a. auch zur Frage, inwieweit Willensbildungen im Kabinett des Bundesministers der Geschäftsführung der Bundesregierung zugerechnet werden dürfen. Diesbezüglich wäre auf das Gutachten von Univ.Prof. Dr. B. Rauschauer[4] zu verweisen, der festhält, dass parteipolitische Aktivitäten des Bundesministers bzw. seines Kabinetts nicht zur Geschäftsführung der Bundesregierung zählen.

 

SPÖ und FPÖ machen Fichtenbauer zum Vorsitzenden

Da die ÖVP den Untersuchungsausschuss und den Untersuchungsauftrag als nicht gerechtfertigt ansieht, hat sie nicht nur gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt, sondern ist auch bei der Wahl des Vorsitzenden aus dem Untersuchungsausschuss ausgezogen. Somit haben alleine SPÖ und FPÖ den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gewählt. Dies, obwohl sich die SPÖ erst in letzter Zeit in zwei Parteitagsbeschlüssen gegen die Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgesprochen hat und SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer noch am 09.09.2006 in der Presse gemeint hat: „Wir werden uns nicht mit Leuten verbünden, die die Verfassung zum Witz machen und andere Menschen mit Bussen und Lokomotiven aus unserem Land schaffen wollen. Das tun wir nicht!“ Damit kommt einmal mehr das wahre Gesicht der SPÖ als ideologische Umfaller-Partei zum Vorschein.

 

Rechtsstreit um Aktenanforderungen

 

Die ÖVP vertritt als einzige Fraktion im Untersuchungsausschuss die gesetzlich vorgeschriebene Geheimhaltung von sensiblen Daten aufgrund § 1 Datenschutzgesetz und Artikel 8 EMRK. Dem entgegen haben bereits Landesverteidigungsminister Darabos und Justizministerin Berger Unmengen an Personalakten übermittelt, ohne auf die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Rücksicht zu nehmen. Dabei handelt es sich um Postenausschreibungen und Postenbesetzungen in allen Bereichen quer durch die Bank, ohne auf die Relevanz für den Untersuchungsausschuss und ohne auf die rechtswidrige Übermittlung von schützenswerten, hoch sensiblen persönlichen Daten Rücksicht zu nehmen. So werden auch alle möglichen Akten von Leistungssportlern im Bundesheer oder Fragen zu Mutterschutz und Karenzierung übermittelt.

 

Mit dem zwischen Bundesminister Platter und Frau Präsidentin Prammer erzielten Konsens werden derartige sensible Daten bei der Übermittlung von Personalakten aus dem BMI ausgenommen. Ein Beispiel dafür, dass derartige sensible Daten, die dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden, nicht vertraulich bleiben, ist die am 17.04.2008 in Gratiszeitung „Heute“ erfolgte Veröffentlichung intimer Details aus den Kampusch-Akten.

 

Mehrheit im Untersuchungsausschuss desavouiert den Verfahrensanwalt

Gleich bei der ersten Zeugenbefragung desavouierte die rot-grün-orange Mehrheit den Verfahrensanwalt und ließ eine Frage zu, zu der der Verfahrensanwalt erklärt hat, dass diese vom Beweisthema nicht umfasst sei. Damit hat die Mehrheit erstmalig in einem Untersuchungsausschuss und dies gleich bei der ersten Befragung (am 22.04.2008, ca. 13.00 Uhr) in diesem Untersuchungsausschuss den Verfahrensanwalt desavouiert. Auch in weiteren Fällen ist die Mehrheit des Ausschusses den Stellungnahmen des Verfahrensanwaltes nicht gefolgt und hat mehrheitlich gegen dessen Rechtsmeinung entschieden.

 

Hohe Kosten durch den Kraut- und Rübenausschuss verursacht

 

Das Innenministerium hat mitgeteilt, dass bis Ende Juni dem Parlament alleine vom Innenministerium mehr als 1.000 Aktenordner übermittelt, ca. 490.000 Kopien angefertigt und bislang ca. 1.250 Bedienstetentage geleistet wurden. Somit sind alleine dem Innenministerium aufgrund des Untersuchungsausschusses mehr als 300.000 Euro Kosten entstanden.

 

Nach der Statistik der Parlamentsdirektion mit Stand vom 12. September 2008 wurden an Akten bislang 2.283 Tranchen geliefert, insgesamt wurden bislang 494.848 Seiten an Akten eingescannt. Dazu kommt, dass in 58 Fällen den Beweismittelanforderungen des Untersuchungsausschusses von den Ministerien zwar entsprochen wurde, die Akten jedoch als „geheim“ eingestuft übermittelt wurden und somit keine Kopien erlaubt wurden. Dies betrifft insgesamt 838 von den gesamt gelieferten 2.283 Tranchen. Dies bedeutet allerdings, dass sich diese „geheimen Tranchen“ auch nicht in der von der Parlamentsdirektion angegebenen Menge an gescannten Seiten finden.

 

Was den Aufwand der Parlamentsdirektion anlangt, kann auf die Anfragebeantwortung der Parlamentspräsidentin (42/ABPR zu 43/JPR) verwiesen werden. Einen Teil des Sachaufwandes machen insbesondere die Budgetmittel für alle fünf parlamentarischen Klubs in der Höhe von monatlich insgesamt 50.000,-- Euro aus. Dieser Betrag wurde den Klubs zur Anstellung von Experten und den erhöhten Administrativ- und Materialaufwand für den Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt.  Für den Zeitraum März bis September 2008 macht dies 350.000,-- Euro aus.

 

Vom BMLV wurden dem Untersuchungsausschuss bislang 567 Ordner übermittelt. Die Arbeit im BMLV dauerte ca. 2 Wochen, das Ausdrucken der Akten allein verlangte 2-3 Tage.

 

Der Untersuchungsausschuss ist seit seiner Konstituierung insgesamt 22 Mal zusammengetreten und verhandelte insgesamt mehr als 120 Stunden. Insgesamt wurden 47 Auskunftspersonen befragt – ursprünglich war laut Beweisbeschluss die Ladung von 267 Auskunftspersonen in Aussicht genommen. Von den ursprünglich in Aussicht genommenen 31 Beweisthemen wurden nicht einmal 8 abschließend erledigt. Der Umfang der Protokolle beträgt in etwa 1.800 Seiten.

 

Dieser Aufwand steht in keinem Verhältnis zu den Ergebnissen, die der Untersuchungsausschuss bislang gebracht hat.


II.  DIE ERGEBNISSE IM EINZELNEN

1.  HAIDINGER

 

Gerade im Hinblick auf die Rolle des ehemaligen Leiters des Bundeskriminalamtes, der durch seine Anschuldigungen und Veröffentlichungen Anlass des Untersuchungsausschusses war, erscheint es auch unumgänglich, sein Verhalten einer näheren Beleuchtung zu unterziehen.

 

Zu hinterfragen sind auch die Umstände, die dazu führten, warum Haidinger plötzlich den Weg in die Öffentlichkeit suchte und Vorwürfe erhob, die sich in der Folge nicht verifizieren ließen.

 

Haidinger hatte bereits im Jahr 2005 erfahren, dass nicht beabsichtigt war, seinen auf fünf Jahre befristeten Vertrag zu verlängern. Ab diesem Zeitpunkt trug er – nach seiner Meinung – belastendes Material zusammen, das er unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachbesetzung seines Postens durch General Franz Lang Anfang Februar 2008 in die Öffentlichkeit brachte. Haidinger konnte, wie die unabhängige Bestellungskommission in ihrem Gutachten feststellte,  trotz fachlicher Kompetenz wegen Defiziten im Bereich der Menschenführung für eine Führungsrolle nicht weiter in Betracht gezogen werden.

 

Gründe für die Nichtverlängerung von Haidinger als Direktor des Bundeskriminalamtes waren stichhaltig

 

Über die Gründe für die Nichtverlängerung des Ex-BKA-Chefs Herwig Haidinger hat der Personalchef des Innenministeriums Franz Einzinger nur in der nicht medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses am 25. Juni 2008 gesprochen. Wie die APA in einer Aussendung vom 25. Juni 2008 darstellte (APA 0384), seien die Gründe laut dem Sektionschef nicht fachlicher Natur gewesen. Einzinger habe statt dessen von gravierenden Defiziten bei der sozialen bzw. menschlichen Kompetenz erzählt. Keine Glanz- aber auch keine Fehlleistungen habe Haidinger in seiner Tätigkeit erbracht, soll Einzinger den Abgeordneten erläutert haben. Im Laufe der Jahre habe der Ex-BKA-Direktor sich aber zu negativ entwickelt. Unter anderem habe er Meinungen nicht zur Kenntnis genommen oder Ex-Innenministerin Liese Prokop in einem Mail der Unehrlichkeit bezichtigt (Zitat aus der APA 0384 vom 25. Juni 2008).

 

Bereits am 29. April 2008 meinte der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Dr. Buxbaum im Untersuchungsausschuss, dass, „um es vornehm auszudrücken“, Haidingers Führungsverhalten „schwierig“ war. „Ich weiß nur, dass die Mitarbeiter es mit ihm nicht immer leicht gehabt haben, vorsichtig ausgedrückt.“

 

Aus dem Mailverkehr Haidingers ergibt sich, bestätigt durch die Aussagen mehrerer Auskunftspersonen der Eindruck, dass Haidinger im Umgang mit seinen Mitarbeitern nicht bereit war, seine Positionen zu ändern, selbst wenn klar wurde, dass sein Standpunkt  durch die Tatsachen nicht weiter vertretbar erschien. Dies führte etwa dazu, dass Mails von Haidinger von seinen Mitarbeitern schlussendlich nicht mehr beantwortet wurden. Dies wird insbesondere durch die Aussage seines Stellvertreters, Mag. Zwettler, bestätigt.

 

Haidinger äußerte seine Vorwürfe nicht am Dienstweg, sondern erst nach seiner Nichtweiterbestellung

 

Aus der Befragung von Sektionschef Einzinger am 25. Juni 2008 ergab sich, dass es anlässlich der von Haidinger wegen seiner Nichtverlängerung als Direktor des Bundeskriminalamtes angerufenen Wiederbestellungskommission keine einzige Meldung von Haidinger über Mängel im Ressortapparat gegeben hat. Erst nach Abschluss der Wiederbestellungskommission hat Haidinger in mehreren Mails – so unter anderem am 29. Juni 2007 – Behauptungen über Unregelmäßigkeiten aufgestellt, welche er allerdings nicht an seinen direkten Vorgesetzten Generaldirektor Dr. Erik Buxbaum gemeldet hatte. Diese Vorwürfe betrafen auch länger zurückliegende Begebenheiten (z.B. aus dem Jahr 2006), welchen Haidinger allerdings auch früher nicht auf dem Dienstweg nachgegangen war.

 

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Buxbaum stellte bei seiner Befragung am 22.04.2008 um ca. 16.00 Uhr klar, dass Herwig Haidinger all seine Vorwürfe aus dem Jahr 2006 nie auf dienstlichem Wege an ihn herangetragen hat. Buxbaum betonte, dass es die Dienstpflicht Haidingers gewesen wäre, etwaige Missstände oder Unkorrektheiten zu melden bzw. auszuräumen.

 

Damit hat Haidinger eindeutig den Dienstweg nicht eingehalten, sondern nur alle möglichen Vorwürfe gesammelt, um diese dann nach seiner Nichtweiterbestellung zum Leiter des Bundeskriminalamtes gegen die politische Spitze des Innenministeriums verwenden zu können.

 

Die Vorgangsweise Haidingers, dass er es selbst beim Verdacht auf Dienstverletzungen unterließ, die zuständigen Stellen zu befassen, führte auch dazu, dass von der Marent-Sonderkommission die Einleitung von Strafverfahren gegen Haidinger wegen Amtsmissbrauchs angeregt wurde, weil er, sofern seine Vorwürfe stimmten, pflichtwidrig Straf- bzw. Disziplinaranzeigen unterlassen hatte.

 

Haidinger brachte seine Mails gezielt in die Öffentlichkeit, wobei auffiel, dass ihn selbst belastende Mails naturgemäß zurückhaltend behandelt wurden. So hat er beispielsweise E-Mails an die SOKO Vorarlberg und die OStA Wien übermittelt, nicht aber an die Clearingstelle des BMI bzw. den Untersuchungsausschuss. Diese Mails umfassen schwerwiegende Vorwürfe:

         So bezeichnet Dr. Haidinger im Zusammenhang mit der Abschaffung des Postens des stellvertretenden Generaldirektors die Aussagen von Frau BM Prokop und von Gen. Franz Lang am 7. März 2007 als „unehrlich, manipulativ und hölzern“. In der Folge wird auch „insbesondere der Bereich II-B-1 der Rechtswidrigkeit, der Manipulation und des Versagens im Management“ beschuldigt. Als er bereits wenige Stunden später von KC Mag. Philipp Ita aufgefordert wurde, diese Anschuldigungen schriftlich darzulegen, erklärt er, dass er derzeit im Krankenstand sei und ihm die nötigen Unterlagen für eine ausführliche Darstellung fehlten. In den darauffolgenden Wochen und Monaten listet er einige Vorfälle, wie etwa „Eine Rechtsgrundlage, aber unterschiedlicher Vollzug in den Ländern“, „ Dissens zwischen der PD und dem LPK in Oberösterreich“, „ Aussetzung des Einsatztrainings in Wien“, „Unterschiedliche Sichtweisen zur Fachaufsicht in Wien“ und „Vogelgrippe“ auf, die seiner Meinung nach die erhobenen Anschuldigungen rechtfertigen sollen.

 

Diese Angelegenheiten finden sich weder in der Sachverhaltsmitteilung an das BIA vom November 2007 noch in der Sachverhaltsmitteilung an die OStA Ende Jänner 2008.

 

In den Akten der SOKO Vorarlberg befindet sich ein E-Mail von Dr. Herwig Haidinger an Mag. Philipp Ita vom 14. August 2005, in dem Haidinger Ita vertraulich auf einige Gerüchte aufmerksam macht. Allerdings leitet er diese und einige weitere Vorwürfe erst am 6. November 2007, folglich erst zu einem Zeitpunkt zu dem klar war, dass er als Direktor des Bundeskriminalamtes nicht weiterbestellt wird, an das BIA weiter. Am 31. Jänner 2008 leitet er diese Vorwürfe in einer Sachverhaltmitteilung an die OStA Wien weiter.

 

Besonders auffallend ist, dass teilweise E-Mails, die Dr. Haidinger belasten, dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt wurden, sehr wohl aber in den Akten der SOKO Vorarlberg oder der OStA Wien geführt werden.  So hat Dr. Haidinger dem Untersuchungsausschuss einen E-Mailverkehr zwischen ihm und Mag. Erich Zwettler im Juli 2007 nicht vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass Haidinger Antworten von Mitarbeitern nicht zur Kenntnis nahm und trotz gegenteiliger Sachverhalte auf seinem Standpunkt beharrte.

 

Dem Untersuchungsausschuss liegt das bereits in der Kronenzeitung veröffentlichte  E-Mail von 27. Februar 2004 12:04 an Mathias Vogl und cc an Wolfgang Gattringer, Franz Zankl, Oskar Gallop, Andreas Pilsl, nur durch den Aktenbestand der Soko Vorarlberg vor; er selbst hatte es weder dem Ausschuss noch der Clearingstelle des BMI vorgelegt.

 

Dieses Mail schließt Dr. Haidinger mit den Worten:

         „Noch etwas Mathias: Versuche nicht, mich auf dem Gebiet von Information und Desinformation zu schlagen. Das kannst du nicht so gut wie ich.“

 

Gleichermaßen hat Dr. Haidinger dem Ausschuss die E-Mails im Zusammenhang mit dem Aktenvermerk von Dr. Andrea Raninger aus 2004 vorenthalten.  Aus diesem vom BMI vorgelegten Aktenvermerk geht hervor, dass  der Abg. Pilz ohne ersichtliche Rechtsgrundlage vom Bundeskriminalamt Informationen verlangt hat:

 

         „Aktenvermerk Andrea Raninger

 

         Betreff: Anwälte Bürstmayr und Lorenz

         Hier: telefonisch Anfrage des Abg z NR Dr. Pilz

 

         Der Abg z NR Dr. Pilz (bzw. seinem Sekretariat), hat erstmalig am 2.11.04, nachmittags in der Direktion des .BK angerufen und wollte ohne Angabe von näheren Details, den Herrn Direktor des .BK sprechen. Es wurde ihm vom ho. Sekretariat mitgeteilt, dass dieser ich auf Dienstreise befindet. Der nächste Anruf von Dr. Pilz (bzw. seinem Sekretariat) erfolgte am 3.11.04. Es wurde um dringenden Rückruf (Dr. Herwig Haidinger oder Stellvertretung gebeten).

         Am 3.11.04 11h20 habe ich in Vertretung von Dr. Herwig Haidinger (nach vorheriger Rücksprache mit KBM, Mjr Gallop) Dr. Pilz rückgerufen.

         Er teilte mit, dass er in der Sache Bürstmayr/Lorenz im Anschluss an den Budgetausschuss ein kurzes Gespräch mit Dr. Herwig Haidinger geführt hat und dieser ihm ein persönliches Gespräch über den Sachverhalt versprochen hätte.

         Ich bin auf seinen Wunsch, in das .BK zu kommen und in ho. Unterlagen Einsicht zu nehmen nicht weiter eingegangen und habe ihm angeboten, mir seine diesbezüglichen Fragen telefonisch anzuhören und soweit möglich zu beantworten.

         Von Dr. Pilz wurde daraufhin die Frage gestellt, woher das .BK Informationen über die Anwälte Bürstmayr und Lorenz hatte.

         Im Fall Bürstmayr wurde auf Informationen der NÖ- Sicherheitsbehörden hingewiesen, welche als Grenzlagebilder an das .BK regelmäßig übermittelt werden. Ausgehend von diesem Berichten ist das BK in seinem Zuständigkeitsbereich tätig geworden und hat als Ergebnis eine Sachverhaltsdarstellung an die StA übermittelt.

         Ebenso wurde, ausgehend von einem Zeitungsartikel, im Fall Lorenz gehandelt. Dies entspräche der gängigen Praxis.

         Von Dr. Pilz, wurde daraufhin nachgefragt, warum das KBM in beiden Fällen verständigt wurde, obwohl es sich doch nach unserer Darstellung um Routinefälle handelt.

         Ich habe geantwortet, dass ich mit den beiden Fällen nicht hinreichend vertraut bin und ich mich erst entsprechend informieren müsste. Insbesondere müsse ich zu dieser Frage mit dem Direktor und dem zuständigen Abteilungsleiter (Mag. Zwettler , derzeit im Urlaub) Rücksprache halten.

         Allgemein kann ich jedoch sagen, dass die Information des KBM über bestimmte Sachverhalte im Ermessen des zuständigen Leiters der Organisationseinheit aus den unterschiedlichsten Gründen erfolgen können und keineswegs zwingend ein entsprechender Auftrag des KBM vorausgehen muss.

         Dr. Pilz konkretisierte seine Fragen weiter dahingehend, dass er wissen möchte

                ● Wann in beiden Fällen das KBM das erste Mal verständigt wurde

                ●Ob in beiden Fällen konkrete Aufträge vom KBM ergangen sind

         Nach Ansicht von Dr. Pilz wären diese Fragen leicht in kurzer Zeit zu beantworten, da diese Fakten eindeutig aus den ho. Akten hervorgehen sollten.

         Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich diese Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten kann und ich hierzu erst entsprechende Informationen einholen muss. Nach Vereinbarung eines neuerlichen telefonischen Gesprächstermins am nächsten Tag hat sich Dr. Pilz mit dieser Aussage zufrieden gegeben.

         Am 4.11.04 10h30, fand ein weiteres Telefongespräch mit Dr. Pilz statt. Von meiner Seite wurde Dr. Pilz mitgeteilt, dass sehr ähnliche Fragestellungen wie die im gestrigen Telefonat von ihm vorgebrachten auch Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage sind. Das .BK wäre bemüht alle Fragen möglichst rasch zu beantworten. Mit Hinweis auf eine konsistente Beantwortung wurde Dr. Pilz von mir ersucht seine Fragen ebenfalls schriftlich zu formulieren.

         Dr. Pilz antwortete, dass er mit dieser Vorgangsweise in keiner Weise einverstanden ist und er nicht 2 Monate auf die Beantwortung seiner Fragen warten wird.

         Er plane für die nächste Woche eine Pressekonferenz und hätte genug Material um die „ missbräuchliche Vorgangsweise“ nach zuwiesen. Außerdem, so Dr. Pilz bekäme er sowieso alle Informationen die er wolle und sei nicht auf jene von mir angewiesen. Das .BK würde durch die Nichtbeantwortung seiner Fragen nur Schwierigkeiten bekommen.

         Ich antwortete Dr. Pilz, dass aus meiner Sicht das .BK vor allem dann Schwierigkeiten bekäme, wenn ich ihm jetzt telefonisch eine nicht hinreichend geprüfte Antwort gäbe.

         Dr. Pilz bestand weiter auf eine rasche Beantwortung seiner Fragen und verwies neuerlich auf eine angebliche Zusage von Dr. Haidinger. Er erwarte, dass Dr. Haidinger ihn nach seiner Rückkehr am 5.11.04 telefonisch zu kontaktieren.

 

         Im Anschluss an dieses zweite Telefongespräch wurde auftragsgemäß Mag. Webinger sofort kontaktiert und über den Gesprächsverlauf informiert.

 

         Wien, 4.11.04

         Dr. Andrea Raninger“

 

Das Zusammenspiel des früheren Bundeskriminalamtsdirektors mit dem Grünen Abgeordneten Peter Pilz geht offensichtlich schon auf das Jahr 2004 zurück. Denn, wie in dem obenstehenden Aktenvermerk aus dem Jahr 2004 detailliert festgehalten wird, hat Pilz Informationen eingefordert, die ihm der ehemalige BKA-Chef angeblich zugesagt haben soll. Für den Fall der Nichtbefolgung des Ersuchens hat er einerseits mit Schwierigkeiten gedroht, andrerseits aber auch gemeint, dass er die Informationen auch anderweitig bekommen würde.

 

Haidingers Vorwürfe vom Untersuchungsausschuss entkräftet

 

Bei den Befragungen am 29. April 2008 konnte keiner der von Haidinger erhobenen Vorwürfe betreffend Bekanntgabe der Geldflüsse zwischen BAWAG und SPÖ, betreffend Weitergabe der BAWAG-Ermittlungsergebnisse an die Medien oder betreffend Vorablieferung von Akten des Banken-Untersuchungsausschusses an den ÖVP-Klub bestätigt werden. Der frühere Kabinettschef des BMI, Mag. Philipp Ita, stellte klar, dass die Zuständigkeiten für den Fall BAWAG bei der Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit gelegen waren. Ita und der frühere Pressesprecher von Ministerin Prokop, Johannes Rauch, wiesen Haidingers Vorwürfe entschieden zurück.

 

Auch Haidinger selbst entkräftete bei seiner Befragung am 13. Mai 2008 unter Wahrheitspflicht seine eigenen Vorwürfe. Er sagte aus, dass er nie eine Weisung bezüglich der BAWAG-Ermittlungen erhalten habe. Es habe nicht einmal einen Wunsch oder ein Anliegen gegeben, in eine bestimmte Richtung zu ermitteln oder etwas nicht zu ermitteln. Im Grunde habe es nur das Ersuchen von Ministerin Prokop gegeben, das Bundeskriminalamt solle ihrem Kabinett über den Stand der Ermittlungen berichten. Solche Berichte sind ein üblicher Vorgang und dienen lediglich der Information der Vorgesetzten. Genauso dokumentieren die zahllosen von Haidinger vorgelegten E-Mails den ganz normalen Alltag des Dienstbetriebes in einem Ministerium und lassen keine Anzeichen eines Amtsmissbrauchs erkenne.

 

Auch die Vorabübermittlung von Akten betreffend den Banken-Untersuchungsaus­schuss habe er nicht verlangt, teilte Ita mit, sondern er habe an Haidinger nur die Frage gestellt, ob das Innenministerium die Akten direkt an die Parlamentsfraktionen zu liefern habe, da er noch nie einen derartigen Untersuchungsausschuss zu betreuen hatte. Bei seiner neuerlichen Einvernahme am 29. April 2008 hat auch der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Erik Buxbaum festgestellt, dass er selbst dem BKA und somit Haidinger den Auftrag gab, die BAWAG-Akten zu übermitteln. Dies war daher nicht Sache des Kabinetts der Innenministerin.

 

Wie der Untersuchungsausschuss ergeben hat, sind die Auslandsermittlungen im Fall BAWAG in Frankreich und Liechtenstein, nicht auf Grund von Weisungen aus dem Kabinett erfolgt, sondern auf Grund entsprechender Rechtshilfeersuchen des Straflandesgerichtes Wien.

 

Dass die Vorwürfe von Herwig Haidinger bis Anfang Juli 2008 im Untersuchungsausschuss gänzlich aufgearbeitet wurden, allerdings keine „smoking gun“ gefunden werden konnte, musste sogar der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Dr. Fichtenbauer in einem Interview für die Tageszeitung „Die Presse“ am 3. Juli 2008 zugestehen.

 

Adamovich-Bericht widerlegt Haidinger den zentralen Vorwurf der Vertuschung

 

Ex-BKA-Chef Herwig Haidinger hat im Innenausschuss des Nationalrates am 5. Februar 2008 mit dem zentralen Vorwurf der Vertuschung im Fall Kampusch den Stein für den Untersuchungsausschuss ins Rollen gebracht. So sei wegen der bevorstehenden Nationalratswahl durch eine Weisung der Ressortleitung eine Evaluierung des Falles verhindert worden.

 

Der Kampusch-Bericht der Evaluierungskommission unter der Leitung des früheren VfGH-Präsidenten Adamovich kommt allerdings zu folgendem Ergebnis: „Die Anregung von Dr. Haidinger zu einer Evaluierung der Polizeiarbeit in der Sache Kampusch ist von der Ressortleitung nie ausdrücklich abgelehnt worden, es ging ausschließlich um die Wahl des Zeitpunktes sowie um das durchführende Organ. Es besteht kein Grund für die Annahme, dass in rechtswidriger Weise Fehler bei der Polizeiarbeit unterdrückt werden sollten.“ Der Kampusch-Bericht kommt weiters zu dem Ergebnis, dass zwar einige Ermittlungsfehler vorgelegen seien, aber „der Fehler ist zu einem Zeitpunkt gemacht worden, zu dem ein anderer Bundesminister für Inneres im Amt war (Anmerkung: SPÖ-Minister Schlögl) als unmittelbar vor der Nationalratswahl 2006. Eine Vertuschung von Seiten der Ressortleitung, wenn sie überhaupt vorlag, konnte daher keinen parteipolitischen Charakter haben.“

 

Für allfällige Pannen und Ermittlungsfehler im Zeitraum zwischen 1998 und 2000 trägt also ausschließlich der damalige SPÖ-Innenminister die politische Verantwortung.

 

Sonderkommission Vorarlberg kann Haidingers Vorwürfe nicht bestätigen

Der Leiter der Sonderkommission zur Innenministeriumsaffäre Elmar Marent verwies bei seiner Anhörung im Untersuchungsausschuss am 25. Juni 2008 auf divergierende Aussagen von Ex-BKA-Chef Haidinger. Aufgrund der widersprüchlichen Äußerungen müsse daher der Tatverdacht der Verleumdung bzw. der falschen Zeugenaussage durch die Staatsanwaltschaft überprüft werden. Ermittlungen gegen den ehemaligen Kabinettchef des Innenministeriums Philipp Ita sollten hingegen eingestellt werden. So sollten auch keine rechtlichen Schritte gegen die Ex-Kabinettsmitarbeiter der ehemaligen Innenministerin Bernhard Treibenreif und Andreas Pilsl gesetzt werden (Zitat aus APA 0588 vom 25.06.2008).

 

Haidinger vor Anklage, Kabinettsmitarbeiter vor Verfahrenseinstellung

 

Auch die Staatsanwaltschaft will gegen Ex-BKA-Chef Herwig Haidinger ein Strafverfahren einleiten. Dies hat Staatsanwalt Peter Gildemeister bei seiner nicht medienöffentlichen Anhörung im Untersuchungsausschuss zur Innenministeriumsaffäre am 25. Juni 2008 erklärt. Auch hier wird als Begründung auf die widersprüchlichen Aussagen Haidingers verwiesen (Zitat aus APA 0454 vom 25.06.2008).

 

Die Staatsanwaltschaft Wien hat einen Vorhabensbericht an das Justizministerium gerichtet, in dem sie unter anderem gegen Haidinger wegen des Vorwurfs der Falschaussage, der Verleumdung und des Amtsmissbrauchs die Anklageerhebung und gegen die Mitarbeiter des Kabinetts im BMI die Verfahrenseinstellung beantragt. Seit Monaten wird darüber im Ressort der SP-Ministerin Berger wegen der bevorstehenden Nationalratswahl nicht entschieden.

 

 

2. BAWAG

 

Leiter SOKO BAWAG bestätigt Zahlungen an SPÖ

 

Am 23. April 2008 hat in der Zeugenbefragung der Leiter der SOKO BAWAG, Dr. Salomon, bestätigt, dass es Geldflüsse zwischen BAWAG/ÖGB und SPÖ gegeben hat. Dabei handelt es sich um Zahlungen an die Bundes-SPÖ in der Höhe von 2 Mio. Schilling und an die Wiener Landes-SPÖ in Höhe von 500.000,-- Schilling. Dementsprechende Unterlagen sind im Rahmen einer Hausdurchsuchung auf dem Computer des ehemaligen ÖGB-Finanzreferenten Günther Weninger gefunden worden.

 

Staatsanwalt Krakow gab Anstoß für Ermittlungen betreffend Geldflüsse von der BAWAG an die SPÖ

 

Krakow hat sich aufgrund von einschlägigen Medienberichten bereits in einem Telefonat am 2. Juni 2006 bei SOKO-Leiter Salomon erkundigt, ob allfällige Geldflüsse von der BAWAG an die SPÖ bekannt seien. Erst auf diese Anfrage hin wurden von der SOKO-BAWAG diesbezügliche Ermittlungen geführt, die ergaben, dass es bei der BAWAG offensichtlich unbesicherte SPÖ-Kredite in Millionenhöhe gab. Über die weiteren diesbezüglichen Ermittlungen und den jeweiligen Sachstand wurde Krakow von SOKO-Leiter Salomon und dem SOKO-Mitarbeiter Folger jeweils informiert. Dies bestätigte Staatsanwalt Krakow in seiner Befragung. Krakow bestätigte weiters, dass es völlig korrekt und durchaus üblich sei, dass die SOKO-BAWAG und die Polizei aufgrund der Verdachtslage auch eigenständige Ermittlungen ohne Auftrag der Staatsanwaltschaft anstellen.

 

Dies konnte auch am 2. Juni bei seiner Befragung der Kriminalist Walter Folger bestätigen. Dieser bekräftigte, dass von Anfang an sein Einsatz in der Sonderkommission nur auf drei Monate befristet geplant gewesen sei und dass es nie einen Sonderauftrag (des Kabinetts) im Zusammenhang mit möglichen Geldflüssen zwischen BAWAG und SPÖ gegeben hat.

 

Staatsanwalt Krakow hat dem Untersuchungsausschuss auch bestätigt, dass er das Büro für Interne Angelegenheiten mit Erhebungen rund um eine 72.000 Euro-Zahlung von Wolfgang Flöttl an Ex-SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky betraut hatte, um die politisch brisante Causa aus dem Wahlkampf 2006 herauszuhalten (Aussage vom 26. Mai 2008). Krakow merkte im U-Ausschuss aber an: „Nur der Vollständigkeit halber muss ich auch dazu sagen, es hat sich natürlich durch den Keller-Aktenfund eine neue Situation ergeben, die gerade geprüft wird“ (Zitat APA 227 vom 09.06.2008).

 

Gerade diese Anmerkung Krakows wurde, wie sich aus einer Meldung im Standard vom 12. 9. 2008 ergibt,  in den letzten Tagen bestätigt. Danach gilt es den Verdacht zu klären, ob die BAWAG durch günstige Kredite und überhöhte Kaufpreise für Immobilien und Gesellschaften den ÖGB und die SPÖ finanziert hat und dadurch die Tatbestände von Steuerhinterziehung und Untreue verwirklicht wurden.

 

Dem Untersuchungsausschuss liegt auch ein Schreiben von BAWAG-GD Flöttl an Verzetnitsch vom 21.11.1989 vor, in dem es heißt:

 

„Fasst man die Vermögensübernahme, Nachlässe und Zuschüsse  durch die BAWAG im Interesse der Aktionäre seit 1972 zusammen, so hat die BAWAG 1,31 Milliarden Schilling an Kapital eingesetzt, wobei sich die Summe mit 310 Millionen auf die SPÖ, mit 232 Millionen auf den Konsum Österreich und 770 Millionen auf den ÖGB verteilt. Die aber seitens der BAWAG bis 1988 verkrafteten Ertragseinbußen belaufen sich auf 466 Millionen und bewirken in Hinkunft für die BAWAG einen jährlichen Ertragsverzicht von 80 Millionen.“

 

Der Kriminalfall BAWAG ist daher noch lange nicht abgeschlossen. Zur Verantwortung für drei Milliarden Euro Verlust im größten Wirtschaftsskandal der Zweiten Republik und zum Totalverlust der Bank an einen amerikanischen Finanzinvestor kommen jetzt auch weitere Untersuchungen über möglicherweise rechtswidrige SPÖ-Parteienfinanzierung durch die BAWAG. In den Medien wird daher schon von „BAWAG II“ gesprochen.

 

Staatsanwaltschaft hat alle Verfahren gegen früheren Finanzminister Grasser eingestellt

 

Bei seiner Befragung am 1. Juli 2008 hat Staatsanwalt Klackl bekanntgegeben, dass sämtliche Verfahren gegen den früheren Finanzminister Grasser, Mitglieder seines Kabinetts und Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht im Zusammenhang mit der BAWAG-Affäre eingestellt wurden. Dies betrifft unter anderem auch Sachverhaltsdarstellungen, die von der SPÖ gegen den ehemaligen Minister eingebracht wurden. Diese ganzen Verfahrenseinstellungen können jedoch nicht politisch motiviert sein, da sie bereits durchgehend unter der SPÖ-Justizministerin Maria Berger erfolgten. Somit steht fest, dass im Geschäftsbereich des Finanzministeriums im Zusammenhang mit dem BAWAG-Skandal weder Amtsmissbrauch begangen noch das Amtsgeheimnis verletzt wurde. Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht und Nationalbank hatten nur die sachliche Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Auge. Der Versuch, ihnen ein Fehlverhalten vorzuwerfen und sie gar für den BAWAG-Skandal verantwortlich zu machen , ist gescheitert.

 

Undichte Stellen bei Veröffentlichung der BAWAG- Anklageschrift, der Einvernahme-protokolle der SOKO Vorarlberg und des SOKO Vorarlberg Abschlussberichts liegt im Bereich der Justiz

 

Die Zeitschrift NEWS hat in der Ausgabe 40/06 den BAWAG-Anklageentwurf als Beilage veröffentlicht. Eine vergleichende Betrachtung des „NEWS“- Sonderdrucks mit dem von der OStA Wien korrigierten Anklageentwurf und der beim LG für Strafsachen Wien eingebrachten Anklage ergibt, dass die Zeitschrift „NEWS“ eine Anklageschrift zugemittelt wurde, die zuvor im BMJ bearbeitet worden war (vgl. Vermerk OStA 12.10 2006, Anträge der StA Wien an den UR vom 16.10.2006). Aus einem Vermerk im Antrags- und Verfügungsbogen vom 23.09.2006 geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels der Anklageentwurf in der korrigierten Fassung nur den staatsanwaltschaftlichen Organen bekannt war. Somit kann ausgeschlossen werden, dass der Anklageentwurf vom Bundesministerium für Inneres weitergegeben wurde.

 

Der Abschlussbericht der SOKO Vorarlberg erging am 16. April 2008 vom Leiter der SOKO Vorarlberg, Sicherheitsdirektor Dr. Elmar Marent, nur an das Justizministerium, nicht aber an das Innenministerium. In der NEWS Ausgabe 18/08 am 30. April findet sich eine Auflistung der einzelnen Faktenblätter des Abschlussberichts. Auch hier kann also ausgeschlossen werden, dass die undichte Stelle im Bereich des Innenministeriums gelegen ist.

 

Die in der NEWS – Ausgabe 09/09 abgedruckten Einvernahmeprotokolle von Dr. Herwig Haidinger und Dr. Doris Ita lagen ebenfalls lediglich der OStA Wien sowie der SOKO Vorarlberg vor. Die undichte Stelle muss somit auch in diesem Fall im Bereich der Justiz vermutet werden, da dem Bundesministerium für Inneres diese Unterlagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht zugänglich waren.

 

 

3. SONSTIGES

 

Kreutner hat die Aktenvorlage nicht behindert

 

Der Chef des Büros für Interne Angelegenheiten im Innenministerium, Martin Kreutner, wies bei seiner Befragung am 13. Mai 2008 den Vorwurf, die Übermittlung von Akten an den Untersuchungsausschuss behindert und Dokumente persönlich geschwärzt zu haben, zurück. Zu der umfassenden Aktenanforderung durch den Untersuchungsausschuss hat er lediglich seine Rechtsmeinung kundgetan, da diese Aktenanforderung in vielen Fällen zu unbestimmt war.

 

Es habe auch keine Ermittlungen gegen Politiker ohne Auftrag des Staatsanwalts gegeben. So waren auch die Ermittlungen in der Causa BAWAG Auftrag der Staatsanwaltschaft gewesen.

 

BIA hat klare Rechtsgrundlage

 

Die Unterstellungen wonach das BIA im rechtsfreien Raum und auf eigene Faust gehandelt hätte, wurde im Untersuchungsausschuss mehrfach widerlegt. Das BIA wurde auf Grundlage des Bundesministeriengesetzes (BMG) mit speziellen Aufgaben als eine Abteilung des Innenministeriums geschaffen wurde. Es wird gemäß klarer und eindeutiger gesetzlicher Regelungen u.a. in der Strafprozessordnung (StPO) und im Sicherheitspolizeigesetz (SPG), aber auch des Bundesministeriengesetzes (BMG) als Teil der obersten Sicherheitsbehörde "Bundesminister für Inneres" (BMI) tätig. Das BIA hat damit eine eindeutige und rechtlich klar fundierte Basis, unter den gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu arbeiten, wie etwa auch das Einsatzkommando COBRA (EKO COBRA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Auch sie sind Teil der Obersten Sicherheitsbehörde "Bundesminister für Inneres" und haben darüber hinaus keine eigene gesetzliche Grundlage. Für das BIA gelten die gleichen Rechtsvorschriften und damit auch der gleiche Rechtsschutz wie für die gesamte Polizei. Auch vor diesem Hintergrund kann von einer parteipolitischen Instrumentalisierung des BIA keine Rede sein.

 

Genauso unrichtig ist auch die Behauptung, dass die SOKOs zur Aufklärung von speziellen Kriminalfällen (z. B. SOKO BAWAG) keine ausreichende Rechtsgrundlage hätten. Sie arbeiten auf der Basis der Strafprozessordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes und handeln in allen Fällen im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft.

 

Eigenständiges Vorgehen der BIA im Auftrag des Staatsanwalts rechtlich gedeckt

 

Sektionschef Prugger teilte dem Untersuchungsausschuss bei seiner Befragung am 10. Juni 2008 mit, dass das BIA bei Aufträgen der Staatsanwaltschaft das „generelle Ok“ für Erhebungen gehabt hat. Diese Anordnung bestätigte auch der Chef des Büros für Interne Angelegenheiten Martin Kreutner bei seiner Befragung. Sektionschef Prugger merkte auch an, dass er die mit Erlass erfolgte Einrichtung des BIA auf der Grundlage der für den gesamten Sicherheitsbereich geltenden Rechtsgrundlagen für rechtlich in Ordnung befunden und die Vorgangsweise in der Zusammenarbeit mit der StA Wien als rechtlich gedeckt beurteilt hat.

 

EKIS-Abfragen im Fall Zogaj waren rechtskonform

 

Durch Befragung der Beamten, die EKIS-Abfragen in der Causa Zogaj durchführten, konnte eindeutig festgestellt werden, dass die Abfragen rechtskonform waren. Es gab auch keinen Hinwies darauf, dass das Ergebnis der Abfragen an Medien weitergegeben worden war. Dies war, wie sich herausstellt, auch gar nicht erforderlich, weil die strafrechtliche Verurteilung von Alban Zogaj in Oberösterreich allgemein bekannt war. Dieser Umstand, dass die Verurteilung, aber auch andere strafrechtliche Auffälligkeiten bekannt waren, wird auch durch die Einstellungsbegründung der StA Linz in einem Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs bzw. Verletzung des Amtsgeheimnisses bestätigt. Schließlich kann auch aus der Kulmination von Abfragen am und um den 1. Oktober 2007 keine gezielte Indiskretion abgeleitet werden, wenn man sich vor Augen hält, dass der Vater und die Söhne Zogaj Ende September abgeschoben wurden und Arigona Zogaj untergetaucht war und mit Selbstmord gedroht hatte. Natürlich war es somit notwendig, mehrfach EKIS-Daten über die Familie Zogaj in den Computern von Bundesasylamt, Bezirkshauptmannschaft oder den Polizeibehörden abzufragen. Diese Daten benötigte man ja für die laufende Arbeit der jeweiligen Dienststellen. Dass über auch der Innenminister als oberste Sicherheitsbehörde entsprechend informiert wurde, ist selbstverständlich.

 

Die Stellungnahme von Landeshauptmann Pühringer zur strafrechtlichen Verurteilung von Alban Zogaj erfolgte erst, nachdem die Medien dieses Faktum recherchiert und Pühringer damit konfrontiert hatten. Der damalige Innenminister Platter bestätigte die Verurteilung erst nachdem diese bereits in den Medien berichtet worden war.

 

Unabhängig davon, dass die Verurteilung des Alban Zogaj generell bekannt war, wurde die Frage, ob vom Betroffenen ausgehende, einseitige Darstellungen über konkrete Einzelfälle vom betroffenen Ressort unwidersprochen bleiben müssen, vom BMI vor den in der Pressekonferenz vom 7. Oktober 2007 gemachten Klarstellungen eingehend geprüft. Dabei kam das BMI zu folgendem Ergebnis:

 

         „Gemäß § 9 Abs.1 MedienG hat jede durch eine Tatsachenmitteilung, die in einem periodischen Medium verbreitet worden ist, nicht bloß allgemein betroffene natürliche Person (Behörde) Anspruch auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung in diesem Medium, es sei denn, dass die Gegendarstellung unwahr oder ihre Veröffentlichung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Abs. 2 des § 9 MedienG normiert, dass einer Gegendarstellung zugängliche Tatsachenmitteilungen Angaben sind, die ihrer Art nach einer Prüfung auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zugänglich sind und deren wesentliche Aussage nicht bloß in einer persönlichen Meinungsäußerung, einer Wertung oder einer Warnung vor dem zukünftigen Verhalten eines anderen besteht.

 

         Das Recht auf Gegendarstellung eröffnet dem von einer in einem periodischen Medium veröffentlichen Tatsachenmitteilung Betroffenen die Möglichkeit, alsbald mit einer eigenen berichtigenden oder ergänzenden Darstellung zu Wort zu kommen. Sie soll in Verwirklichung des Grundsatzes beiderseitigen Gehörs als Gegenrede zur Veröffentlichung wirken und so dem Mediumpublikum Aufklärung darüber bieten, inwieweit die entgegnete Tatsachenmitteilung unrichtig oder irreführend unvollständig war[5]

 

                Das MediumG stellt der natürlichen Person die juristische Person gegenüber und fügt dieser „Behörde“ – als Unterfall der juristischen Person – in Form eines Klammerausdruckes bei. Mit diesem Klammerausdruck soll klargestellt werden, dass auch öffentliche Dienststellen zur Entgegnung berechtigt sind.[6]

 

         Daraus folgt wohl unstrittig, dass auch der Bundesminister für Inneres, das Bundesministerium für Inneres, grundsätzlich einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gegendarstellung haben kann. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich aus dem Umstand, dass jemandem ein sogar gerichtlich durchsetzbares Recht zusteht, jedenfalls auch ableiten, dass ihm dieses Recht auch ohne Inanspruchannahme der für eine gerichtliche Durchsetzung notwendigen Formerfordernisse grundsätzlich zukommt. Einem Verkäufer steht es auch zu formlos den Kaufpreis zu verlangen ohne den Käufer vorher förmlich gemahnt zu haben und die Klage einzubringen. Auf der anderen Seite zahlt auch der Käufer in einem solchen Fall schuldbefreiend, wenn er nicht erst auf eine förmliche Mahnung oder den Gerichtsentscheid wartet. Insoweit wird man auch sagen können, dass das Rechtsinstitut der Gegendarstellung das grundsätzliche Recht schafft, auf die Darstellung eines Sachverhalts in einem periodischen Medium, auf eben diesem Wege – im Sinne einer vorweggenommenen Gegendarstellung (§ 11 Abs 1. Z 6 MedienG)- seine Sicht der Dinge darzustellen.“

 

Auch die Behörde hat daher im Interesse einer objektiven Berichterstattung das Recht zu einer Gegendarstellung nach Paragraf 9, Abs.1 Mediengesetz. Die Öffentlichkeit wurde zuvor durch die Medien teilweise sehr einseitig informiert; es gab Darstellungen, die im Widerspruch zur Wirklichkeit standen. Deshalb war eine Aufklärung der Öffentlichkeit notwendig, um den einseitigen Behauptungen entgegenzuwirken, die Berichte entsprechend zu korrigieren und die objektiven Fakten darzustellen, was mit der Pressekonferenz des BMI am 7.10.2007 erfolgte. Der am 17. Juli 2008 dazu befragte Sektionschef Dr. Vogl legte diese Motive auch sehr nachvollziehbar dar.

 

Zusammenfassend ist im Fall Zogaj keine Verletzung des Datenschutzes erkennbar, sondern es wurde die einseitige Darstellung der Situation und des Verfahrensverlaufs in der Öffentlichkeit richtig gestellt. Keiner versuchte, die Familie öffentlich zu beschädigen.


III. EMPFEHLUNGEN

 

Zusammenfassend kann, wie schon beim Eurofighter Untersuchungsausschuss  festgestellt werden, dass die Verfahrensordnung nicht ausreicht, um ein rechtlich einwandfreies Verfahren, in dem auch die individuellen Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz entsprechend gewahrt bleiben, zu gewährleisten. Zu verweisen wäre daher auf die Empfehlungen, die sowohl im Mehrheitsbericht sowie in dem von der ÖVP-Fraktion abgegebenen  Minderheitenbericht zum Abschluss des Eurofighter-Untersuchungs-ausschusses[7] enthalten sind. Auf Grund der Erkenntnisse dieses Untersuchungsausschusses wären folgende weitere Empfehlungen abzugeben:

 

1.      Im Interesse einer Objektivierung und stärkeren Entpolitisierung des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen empfiehlt sich, dass der Vorsitz im U-Ausschuss durch einen unabhängigen Richter geführt wird. Die Qualität der Ausschussarbeit kann dadurch gehoben werden, insbesondere durch eine sachlichere und zielorientiertere Befragung.

 

2.      Öffentlichkeit des Ausschusses: Wenig zielführend scheint der Vorschlag, dass in den U-Ausschüssen auch Fernseh- und Hörfunkaufnahmen, sowie Film- und Lichtbildaufnahmen zulässig sein sollen: Der ÖVP geht es dabei darum, dass in den Untersuchungsausschüssen ein entsprechender Persönlichkeitsschutz gewährleistet sein muss – vor allem für Zeugen und Auskunftspersonen.

         Die Verfahrensordnung ist dem gerichtlichen Verfahren nachgebildet und auch bei Gerichtsverhandlungen sind Fernseh-, Hörfunk- und Filmaufnahmen nicht erlaubt. Fernsehaufnahmen verstärken die Tendenz zur medialen Inszenierung des Untersuchungsausschusses und fördern die Tendenz zu einem Schauprozess. Darüber hinaus können sich auch Auskunftspersonen und Zeugen dadurch eingeschüchtert fühlen.

 

3.      Es soll eine Klarstellung des Umfangs der Aktenvorlage getroffen werden, wobei die rechtliche und politische Verantwortlichkeit des zuständigen Mitglieds der Bundesregierung zu beachten ist. Es könnte auch eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden, die angerufen wird, wenn durch die Vorlage von Akten der Datenschutz oder andere Grundrechte verletzt werden könnten.

 

4.      Die Rolle des Verfahrensanwaltes soll im Interesse des Rechtsschutzes von Auskunftspersonen gestärkt werden; der Verfahrensanwalt sollte darüber hinaus auch von einzelnen Abgeordneten zur Klärung von Rechts- und Verfahrensfragen angerufen werden können.

 

5.      Schaffung von Regelungen, die klarstellen, unter welchen Voraussetzungen Mails in persönlichen Mailkonten von Mitarbeitern der Ministerien dem Untersuchungsausschuss vorzulegen sind.

 

6.      Ferner erscheint eine bessere Abgrenzung von (partei-)politischer  Willensbildung und Geschäftsführung der Bundesregierung erforderlich, zumal in Kabinetten von Bundesministerien neben Verwaltungsakten auch parteipolitische Entscheidungen getroffen werden. Dies betrifft politische Vorgaben für die Regierungsarbeit wie etwa Schwerpunkte, Vorbereitung von Pressekonferenzen und politischen Veranstaltungen, etc. Nach dem Gutachten von Prof. Raschauer unterliegen diese politischen Aufgaben nicht zur Kontrollbefugnis des Parlaments. Eine Klärung dieses Zusammenhanges sei aber nötig.

 

7.      Berücksichtigt werden sollten die von Adamovich im Rahmen der Kampusch-Kommission abgegebene Empfehlung betreffend die Transparenz im Umgang mit Weisungen von Ministerkabinetten. Kabinettsmitglieder haben kein Weisungsrecht. Diese können nur im Auftrag des Bundesministers erteilt werden. Es ist daher im Einzelfall klar zu stellen, ob es sich  bei konkreten Aufträgen vom Kabinett an einen Beamten um eine Weisung des Ministers handelt oder nicht.

 

8.      Beweisanträge – insbesondere um Aktenvorlagen – sollten begründet werden, um der ersuchten Behörde die Möglichkeit zu einer vernünftigen Aktenauswahl zu geben. Damit soll verhindert werden, dass Akten angefordert werden, die dem Datenschutz oder dem Steuergeheimnis unterliegen, aber vom Untersuchungsausschuss zur Beweisführung gar nicht benötigt werden.


Anlage 1

RECHTSGUTACHTLICHE STELLUNGNAHME

 

zu Umfang und Schranken der Verpflichtung öffentlicher Ämter zur

Aktenvorlage an einen Untersuchungsausschuss des Nationalrates

 

                                                               von Univ.Prof. Dr. Andreas Janko

 

Aufgrund des Geschäftsordnungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Heinz-Christian Strache, Ing. Peter Westenthaler und Kolleginnen und Kollegen „betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten“ (129/GO 23. GP) hat der Nationalrat in seiner 49. Sitzung vom 3.3.2008 mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und BZÖ den Beschluss gefasst, einen aus 17 Mitgliedern (SPÖ 6 : ÖVP 6 : Grüne 2 : FPÖ 2 : BZÖ 1) bestehenden

Untersuchungsausschuss

einzusetzen [vgl dazu das vorläufige Sitzungsprotokoll, nachzulesen im Internet unter http://www.parlinkom.gv.at (unter „Parlamentarisches Geschehen“ / „Stenographische Protokolle“/ „Nationalrat“ / „Plenarsitzungen“)].

 

Unter der Überschrift „Gegenstand der Untersuchung“ wird dem Ausschuss im angeführten Beschluss zunächst recht pauschal die „Untersuchung aller Abläufe und Entscheidungen im Zusammenhang mit den Vorwürfen über die Amtsführung insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten insbesondere auch seit dem Jahr 2000 (hinsichtlich des Entführungsfalles ‚Kampusch‘ ab dem Zeitpunkt der Entführung)“ zur Aufgabe gemacht. Im Anschluss an diese generelle Umschreibung findet sich sodann – noch immer unter der Überschrift „Gegenstand der Untersuchung“ – eine rund 30 Punkte umfassende Aufzählung von Sachverhalten, die vom Ausschuss nach den Vorgaben des Nationalratsplenums „insbesondere“ zu behandeln sind.

 

Der „Untersuchungsauftrag“ des Ausschusses wird daraufhin wie folgt formuliert:

 

„Der Untersuchungsausschuss soll durch die Anwendung aller in der VO-UA vorgesehenen Instrumente zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in sämtliche Akten, Verträge, Vorverträge, und sonstige Unterlagen des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (bis 28.2.2007 Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten) sowie allfälliger anderer Bundesministerien und Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämtliche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten prüfen.“

 

Wie der Homepage des österreichischen Parlaments (http://www.parlinkom.gv.at; siehe unter „Parlamentarisches Geschehen“ / „Ausschüsse“ / „Nationalrat“ / „Untersuchungsausschüsse“/ „Amtsführung im Bundesministerium für Inneres und weiteren Bundesministerien“ / „Sitzungsüberblick“) zu entnehmen ist, fand die konstituierende Sitzung des besagten Untersuchungsausschusses am 7.3.2008 statt.

 

In seiner 3. Sitzung vom 2.4.2008 fasste der Ausschuss in der Folge einen „Beweisbeschluss“, in dem nicht nur – geordnet nach Untersuchungsthemen – die vom Ausschuss zu ladenden Auskunftspersonen aufgezählt werden, sondern dessen Anhang auch eine lange „Liste der Beweismittel“ enthält, in der (vor allem) von den Bundesministerien für Inneres, für Justiz, für Finanzen, für europäische und internationale Angelegenheiten sowie für Landesverteidigung die Beischaffung zahlreicher Dokumente zu verschiedenen Aspekten des Untersuchungsgegenstandes verlangt wird.

 

Der Gutachter wurde vor diesem Hintergrund seitens des ÖVP-Parlamentsklubs ersucht, zu Umfang und Schranken der Pflicht der angesprochenen Bundesministerien zur Befolgung des vom Ausschuss gestellten Vorlagebegehrens Stellung zu beziehen. In der gebotenen Kürze ist

hierzu Folgendes anzumerken:

 

I. Rechtsgrundlagen der Einsetzung und des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen

 

1. Gemäß Art 53 Abs 1 B-VG kann der (vom österreichischen Bundesvolk, zuletzt am 1.10.2006, direkt gewählte) Nationalrat – anders als der (von den Parlamenten der österreichischen Bundesländer entsprechend den Ergebnissen der jeweils letzten Landtagswahl beschickte) Bundesrat – durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen.

 

In Ermangelung diesbezüglicher Spezialvorschriften bedarf es für einen solchen Beschluss nach Art 31 leg cit der Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und der unbedingten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ist nach österreichischem Recht somit ein Recht der parlamentarischen Mehrheit und kein Minderheitenrecht.

 

2. Nähere Vorschriften über den Einsetzungsbeschluss enthält – gestützt auf die diesbezügliche Ermächtigung in Art 53 Abs 2 B-VG – § 33 Abs 1 und 2 Geschäftsordnungsgesetz 1975 [BG 4.7.1975 BGBl 410 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl I 2005/29]. Neben der Regelung von formalen Fragen betreffend die Antragstellung und die über einen solchen Antrag abzuführende Debatte wird darin unter anderem bestimmt, dass der Antrag (und somit in der Folge auch der Beschluss) „den Gegenstand der Untersuchung, den Untersuchungsauftrag sowie die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses“ zu enthalten hat (vgl Abs 1 Satz 2 leg cit).

 

3. Das Verfahren der Untersuchungsausschüsse selbst findet seine Regelung ebenfalls – gemäß der Verheißung des Art 53 Abs 2 B-VG – im Geschäftsordnungsgesetz 1975, und zwar seit In-Kraft-Treten der Novelle BGBl I 1997/131 vorrangig in der „Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA)“, die gemäß § 33 Abs 3 Satz 1 Geschäftsordnungsgesetz 1975 „als Anlage zu diesem Bundesgesetz einen Bestandteil desselben bildet“. Subsidiär kommen nach Satz 2 leg cit auf Untersuchungsausschüsse aber auch die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes für die Tätigkeit von Ausschüssen zur Anwendung. Ihre erste praktische Bewährungsprobe erlebte die – durch Empfehlungen des seinerzeitigen „Lucona“-Untersuchungsausschusses maßgeblich mitgestaltete – Verfahrensordnung im „Euroteam“- Untersuchungsausschuss der Jahre 2000 bis 2002, bevor sie zwischen Herbst 2006 und Frühsommer 2007 auch im „Eurofighter“- sowie im „Banken“-Untersuchungsausschuss zum Einsatz kam.

 

II. Beweisbeschlüsse und zulässige Beweismittel

 

4. Als eine der wesentlichen Neuerungen besagter Verfahrensordnung ist zunächst die Einführung von Beweisbeschlüssen „nach dem Muster des zivilgerichtlichen Verfahrens“ zu nennen (vgl den AB 871 BlgNR 20. GP 2). In diesen sind gemäß § 2 Abs 1 VO-UA die Tatsachen, über welche Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel genau zu bezeichnen.

 

5. Gemäß § 1 iVm § 2 Abs 3 VO-UA sind die soeben angesprochenen Beweisbeschlüsse – in Abkehr vom zivilprozessualen Vorbild [so ausdrücklich Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung3 (1999) 429 (Anm 6 zu § 2 VO-UA)] – verbindlich. Ihre nachträgliche Ergänzung und/oder Abänderung kommt nur nach Maßgabe des § 42 Abs 2 Geschäftsordnungsgesetz 1975 in Betracht, bedarf also mindestens derselben Stimmenzahl, mit welcher der ursprüngliche Beschluss gefasst wurde, bzw – sofern sich diese Stimmenzahl nicht mehr feststellen lässt – der Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder [vgl im gegebenen Zusammenhang allerdings auch Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung3, 430 (Anm 6 zu § 2 VO-UA), denen zufolge von der „Änderung eines Beweisbeschlusses“ dann nicht gesprochen werden kann, „wenn ein Antrag die Aufnahme weiterer Beweise zum Ziel hat“].

 

6. Vergleichbar den gerichtlichen Verfahrensordnungen verzichtet auch die Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse auf eine taxative Aufzählung der in Betracht kommenden Beweismittel, sondern lässt in ihrem § 2 Abs 2 Satz 1 expressis verbis alles zu, „was geeignet ist, der Untersuchung im Rahmen des Untersuchungsauftrages zu dienen“ (Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel). Wie die Gesetzesmaterialien hervorheben, werden sich Untersuchungsausschüsse de facto jedoch weitestgehend auf den Urkundenbeweis und die Vernehmung von Auskunftspersonen zu beschränken haben (vgl den AB 871 BlgNR 20. GP 3).

 

7. Einen ausdrücklichen Ausschluss verfügt § 2 Abs 2 Satz 2 VO-UA lediglich in Bezug auf „solche Beweismittel, die durch eine strafbare Handlung zustande gekommen sind oder die durch die Umgehung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen erlangt worden sind“. Nach Ansicht des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates wird im Zusammenhang mit diesem Beweisverwertungsverbot insbesondere an Informationen zu denken sein, die in Verletzung der §§ 118ff StGB [BG 23.1.1974 BGBl 60 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), zuletzt geändert durch BGBl I 2007/112] gewonnen worden sind (vgl den AB 871 BlgNR 20. GP 3). In diesen Bestimmungen finden sich unter anderem Strafdrohungen für die „Verletzung des Briefgeheimnisses“, den „Widerrechtlichen Zugriff auf ein Computersystem“, die „Verletzung des Telefongeheimnisses“, das „Missbräuchliche Abfangen von Daten“ sowie den „Mißbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten“.

 

8. Wenn die Gesetzesmaterialien – wie zuvor angeführt – vom „Urkundenbeweis“ als einer der beiden vorrangigen Säulen der Beweiserhebung durch Untersuchungsausschüsse sprechen, darf dies freilich nicht so verstanden werden, dass solche Ausschüsse Private (allenfalls auch unter Androhung von Zwangsmaßnahmen) zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichten könnten. Insbesondere fehlt in der Verfahrensordnung – im Gegensatz zum AVG [Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl 51 (Wv), zuletzt geändert durch BGBl I 2008/5], dessen § 19 Abs 2 alle zu seiner Anwendung berufenen Verwaltungsbehörden ermächtigt, in einer Ladung unter anderem die Mitnahme von Behelfen und Beweismitteln anzuordnen und diese Verfügung zwangsweise durchzusetzen [vgl dazu etwa Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz I (2004) § 19 Rz 18, 23] – jegliche Rechtsgrundlage für ein vergleichbares Verlangen von Untersuchungsausschüssen gegenüber Auskunftspersonen.

Wie der in der zitierten Passage des Ausschussberichtes dem Wort „Urkundenbeweis“ unmittelbar nachgestellte Klammerausdruck „(Vorlage von Akten)“ beweist, hatten die Gesetzesverfasser in diesem Zusammenhang scheinbar ausschließlich die in Art 53 Abs 3 B-VG verankerte und in § 25 Abs 2 VO-UA bekräftigte Pflicht aller „öffentlichen Ämter“ vor Augen, auf Verlangen „ihre Akten“ vorzulegen. Aus diesen Akten (= Urkunden) kann der Untersuchungsausschuss in der Folge für sein Untersuchungsthema relevante Informationen gewinnen.

 

III. Unwirksamkeit von Beweisbeschlüssen wegen Überschreitung des Untersuchungsauftrages

 

9. Werden „öffentliche Ämter“, zu denen zweifellos auch die Bundesministerien einschließlich der ihnen nachgeordneten Behörden und Dienststellen zu rechnen sind, per Beweisbeschluss eines Untersuchungsausschusses um die Vorlage bestimmter Akten ersucht, sind sie grundsätzlich verpflichtet, dieser Anforderung nachzukommen und dem Ausschuss die gewünschten Dokumente zu übermitteln. Allerdings herrscht im Schrifttum – trotz der nach dem Gesetzeswortlaut scheinbar unbeschränkten Kooperationspflicht der angesprochenen Stellen – Einigkeit darüber, dass der verbindlichen Wirkung eines Vorlageersuchens auch gewisse Grenzen gesetzt sind. So kann die Anforderung von Akten öffentlicher Ämter etwa deshalb rechtswidrig sein, weil sie den Kompetenzbereich des Untersuchungsausschusses überschreitet [so ausdrücklich etwa Mayer, Verfassungsrechtliche Probleme der Tätigkeit von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, in Mayer/Platzgummer/Brandstetter, Untersuchungsausschüsse und Rechtsstaat (1989) 1 (14f); Nödl, Parlamentarische Kontrolle (1995) 95; Platzgummer/Brandstetter, Bemerkungen zu den Beweiserhebungen durch den Untersuchungsausschuß des Nationalrats, in Mayer/Platzgummer/Brandstetter, Untersuchungsausschüsse und Rechtsstaat (1989) 25 (39); Widder, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse aus der Sicht des Bundes, in Schäffer/Dax/Lienbacher (Hrsg), Untersuchungsausschüsse (1995) 27 (59); ebenso jüngst auch wieder Strasser, Rechtsschutz im Verfahren vor den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in der Praxis, in Machacek/Matscher-FS (2008) 455 (456)].

 

10. Unter der Ägide der Verfahrensordnung aus 1997 wird der Wirkungskreis eines Untersuchungsausschusses vor allem durch den Untersuchungsauftrag bestimmt, der gemäß § 33 Abs 1 Geschäftsordnungsgesetz 1975 – wie schon unter Punkt 2. erwähnt – einen integrierenden Bestandteil des vom Nationalrat gefassten Einsetzungsbeschlusses bildet. Dass dieser Untersuchungsauftrag den verbindlichen Rahmen für die zu fassenden Beweisbeschlüsse absteckt, ergibt sich auch aus § 1 VO-UA, dem zufolge der Untersuchungsausschuss (nur) „die für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages gebotenen Beweise“ erhebt, sowie aus den Gesetzesmaterialien, die Beweisbeschlüsse, die durch diesen Grundsatzbeschluss des Nationalrates nicht gedeckt sind, expressis verbis für „unzulässig“ erklären (so der AB 871 BlgNR 20. GP 2).

 

11. Jede um Aktenvorlage ersuchte Stelle hat sich daher im Einzelfall (vor der Herausgabe von Unterlagen) ein Bild darüber zu machen, ob die angeforderten Akten ohnehin keinen Inhalt aufweisen, der den Untersuchungsauftrag des nachfragenden Ausschusses transzendiert. Stellt sie Gegenteiliges fest, löst der an sie ergangene Auftrag (im von der Themenüberschreitung betroffenen Ausmaß) keine Befolgungspflicht aus. In Ermangelung eines Fehlerkalküls für Rechtsakte des – der Staatsfunktion „Gesetzgebung“ zuzurechnenden – Untersuchungsausschusses zieht die Rechtswidrigkeit eines Beweisbeschlusses nämlich unweigerlich dessen absolute Nichtigkeit nach sich [vgl dazu ausführlich Mayer, Probleme 14f; Widder, Untersuchungsausschüsse 65f; ferner auch Kahl, Art 53 B-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (2005) Rz 13].

 

12. Trotz dieser scheinbar klaren und allgemein anerkannten Ausgangslage bleibt allerdings eine Kernfrage der praktischen Handhabung des Aktenvorlagerechts offen, nämlich jene nach dem für ein taugliches, dh rechtswirksames Vorlagebegehren erforderlichen Grad an inhaltlicher Nähe zwischen Beweisbeschluss und Untersuchungsauftrag und damit nach dem Prüfungsmaßstab der ersuchten Stelle.

 

13. Verdeutlichen lässt sich das hinter dieser Fragestellung stehende Problem an folgendem Beispiel: Ein Untersuchungsausschuss fordert einen Akt an, der dem ersten Anschei nach

Berührungspunkte mit dem von ihm untersuchten Thema aufweisen könnte oder – anders gewendet – von dem nicht von vornherein offensichtlich feststeht, dass er mit dem Untersuchungsauftrag nichts zu tun hat. Bei Durchsicht des Aktes gelangt die ersuchte Stelle jedoch zum Ergebnis, dass dieser entweder gar keine sachdienlichen Informationen in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand enthält oder für den Ausschuss nur einzelne Dokumente einschlägig sind. Muss in einem solchen Fall der gesamte Akt vorgelegt werden, um dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Bild von seinem Inhalt und der Relevanz einzelner Aktenbestandteile zu machen, oder obliegt es dem vorlagepflichtigen Amt, eine Vorselektion durchzuführen, dh die Übermittlung auf jene Dokumente zu beschränken, die – seiner sorgfältigen Einschätzung nach – tatsächlich den Untersuchungsauftrag betreffen und vom Ausschuss daher zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt werden?

 

14. Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der Funktion der Aktenvorlagepflicht im Kontext des parlamentarischen Untersuchungsrechts, also mit jener Rolle, die dieser Beweiserhebungsform im System des Art 53 B-VG und der zu seiner Durchführung erlassenen Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse zukommt.

 

15. Gerade wenn der Untersuchungsausschuss Akten von jenem Bundesministerium anfordert, dessen Geschäftsführung den Gegenstand der Untersuchung bildet, drängt sich dabei prima vista der Eindruck auf, dass das Ersuchen um Aktenvorlage als Kontrollinstrument gegenüber der vorlagepflichtigen Stelle konzipiert ist und damit ein investigatives Instrument im Dienste der Missstandsaufdeckung darstellt. Konsequenterweise neigt man unter der Prämisse dieses Zugangs dazu, den Umfang der Vorlagepflicht möglichst extensiv zu interpretieren, soll der Geprüfte doch nicht die Möglichkeit erhalten, durch Manipulation die Überprüfung zu unterlaufen. Der Verweis auf den (im Bereich der Rechnungshofkontrolle, aber auch im Zusammenhang mit der Pflicht zur Aktenvorlage an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) einhellig anerkannten Grundsatz, dass effektive Kontrolle ein grundsätzlich umfassendes Einsichtsrecht des Kontrollors in die Unterlagen des Kontrollierten erfordert (vgl etwa das Erkenntnis VfSlg 12.166/1989, dem zufolge es die Effizienz des Rechtsschutzes gebietet, den Gerichtshof „in die Lage zu versetzen, von sämtlichen bei der bel. Beh. vorhandenen, den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens betreffenden Unterlagen Kenntnis zu erhalten, um sich aufgrund eigener Anschauung selbst ein Bild von deren Relevanz für die von ihm zu treffende Entscheidung zu machen“), drängt sich geradezu auf.

 

16. Bei genauem Hinsehen ergeben sich an der vorstehend erwogenen Deutung der Aktenvorlagepflicht, die im „BMI“-Untersuchungsausschuss von den Mehrheitsfraktionen – auf Grundlage einer Stellungnahme des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments – vertreten wird, jedoch erhebliche Zweifel. Zu beachten ist nämlich, dass Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA nicht ausschließlich die von der Prüfung betroffenen Ministerien zur Aktenübermittlung verhalten, sondern alle öffentlichen Ämter, also auch jene, die vom Untersuchungsauftrag in keiner Weise berührt werden; ja im Zusammenhalt mit der – an den angeführten Stellen jeweils unmittelbar davor statuierten – Ermächtigung, Beweiserhebungsersuchen nicht nur an Verwaltungsbehörden, sondern auch an Organe der Rechtsprechung zu adressieren, werden sogar die weisungsfreien und daher nicht überprüfbaren Gerichte in die Vorlagepflicht mit einbezogen [so ausdrücklich etwa Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat- Geschäftsordnung3, 451 (Anm 2 zu § 25 VO-UA)], und selbst das Herantreten an Organe der Gesetzgebung, wie beispielsweise den (Bundes-) oder einen Landesrechnungshof oder an einen anderen Untersuchungsausschuss des Nationalrates oder eines Landtages scheint nicht ausgeschlossen [vgl dazu Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat- Geschäftsordnung3, 452 (Anm 4 zu § 25 VO-UA)]. Da es methodisch unzulässig wäre, die einschlägigen Rechtsnormen in Abhängigkeit vom jeweils in Anspruch genommenen öffentlichen Amt unterschiedlich zu interpretieren, führt kein Weg daran vorbei, die durch sie ermöglichte Aktenanforderung durchgehend, also auch bei Vorlageersuchen an ein geprüftes Ministerium, nicht als besonderes, zur Einvernahme von Auskunftspersonen hinzutretendes Ermittlungsinstrument des Untersuchungsausschusses im Dienste der Missstandsaufdeckung zu begreifen, sondern derartige Verlangen lediglich als Amtshilfebegehren zu deuten, die es dem Ausschuss ermöglichen sollen, an bereits vorhandenem Tatsachenwissen der öffentlichen Hand zu partizipieren und hierdurch seine sonst recht beschränkten Beweiserhebungsmöglichkeiten (insbesondere im Bereich der Urkundenbeschaffung) zumindest in gewissem Ausmaß zu kompensieren.

 

17. Diese Einschätzung, die auch im Schrifttum überwiegend geteilt wird [vgl dazu etwa Mayer, Probleme 13f; jüngst auch wieder Kahl, Art 53 B-VG Rz 17] kann mit systematischen und historischen Argumenten untermauert werden. Abgesehen vom Naheverhältnis der einschlägigen Bestimmungen zur Rechtsgrundlage für Beweiserhebungsersuchen, die in der Überschrift zu § 25 VO-UA ausdrücklich als Erscheinungsform der „Rechtshilfe“ apostrophiert werden, findet die hier vertretene Auslegung eine Bestätigung vor allem durch einen Vergleich des Art 53 Abs 3 B-VG mit seinem – weitgehend ähnlich formulierten – historischen Vorbild, dem ebenfalls als Amtshilfevorschrift eingestuften Art 34 Abs 2 der Weimarer Reichsverfassung. Von Interesse ist aber auch, dass der erst jüngst, nämlich am 11.4.2008 zur Begutachtung versendete Entwurf für eine DSG-Novelle 2008 [182/ME 23. GP; nachzulesen im Internet unter http://www.parlinkom.gv.at (unter „Parlamentarisches Geschehen“ / „Begutachtungsverfahren und Stellungnahmen“ / „Ministerialentwürfe“ / „Gesamtliste“)] den besagten Standpunkt insoweit stützt, als die darin vorgeschlagene Gleichstellung von Datenverwendungen, die in Erfüllung der Verpflichtung zur Unterstützung des Nationalrates bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art 53 B-VG erfolgen, mit Datenverwendungen im Rahmen der Leistung von Amtshilfe auf Seite 6 der Erläuterungen ausdrücklich mit dem „ähnlichen Wortlaut der Art. 22 und 53 Abs. 3 B-VG“ begründet wird. Das Bundeskanzleramt als einbringendes Ressort tendiert also offenbar ebenfalls zur Annahme des Amtshilfecharakters der Aktenvorlagepflicht an einen Untersuchungsausschuss.

 

18. Für die Auslegung des Umfangs der Aktenvorlagepflicht bleibt diese Standortbestimmung selbstverständlich nicht ohne Folgen. Sieht die Rechtsordnung im ersuchten öffentlichen Amt (auch wenn diese beiden Rollen ausnahmsweise zusammenfallen können) primär nicht den natürlichen Gegner des Untersuchungsausschusses, sondern dessen gleichberechtigten Unterstützer, der vor dem Hintergrund einer parallelen, ebenfalls auf die ordnungsgemäße Erledigung der Staatsaufgaben fokussierten Interessenlage nach Maßgabe des bei ihm bereits vorhandenen Wissens zum Gelingen der Ausschussarbeit beiträgt [zum Prinzip „Unterstützung zwischen Gleichgeordneten“ als Wesensmerkmal der Amtshilfe vgl etwa Wiederin, Art 22 B-VG, in Korinek/ Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (1999) Rz 17], spricht vorderhand nichts dagegen, wenn der Adressat des Ersuchens – auch bei der Behandlung von Beweisbeschlüssen in Bezug auf Akten, von denen nicht a priori ausgeschlossen werden kann, dass sie relevante Informationen enthalten – eine gewisse Vorselektion des angeforderten Materials vornimmt und vor der Übermittlung die nicht themeneinschlägigen Bestandteile aussortiert.

 

19. Macht die um Aktenvorlage ersuchte Stelle von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss sie dabei allerdings äußerst sorgsam und mit besonderer Bedachtnahme auf das Informationsbedürfnis des die Akten anfordernden Untersuchungsausschusses vorgehen. Wichtig ist dabei etwa, dass durch Manipulationen der angesprochenen Art die übermittelten Dokumente nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden und sich dadurch (oder auf sonstige Weise) für den Empfänger eine Änderung ihres objektiven Bedeutungsgehalts ergibt. Außerdem ist zu bedenken, dass sich ein Naheverhältnis bestimmter Aktenbestandteile zum Untersuchungsauftrag gegebenenfalls erst aus einer Gesamtschau mit anderen Ergebnissen des vom Ausschuss geführten Beweisverfahrens ergeben kann und sich daher nur jenem erschließen wird, der mit dem Ermittlungsstand des Ausschusses vertraut ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund bedarf wohl jede (wenn auch nur teilweise) Nichterfüllung eines Ausschussbegehrens einer aussagekräftigen Begründung, die für die Ausschussmitglieder nachvollziehbar ist und im Falle einer allfälligen Fehleinschätzung durch diese widerlegt werden kann. Überhaupt scheint der dadurch vorgezeichnete Weg wechselseitiger Konsultationen zwischen Untersuchungsausschuss und ersuchter Stelle – allenfalls auch unter Beiziehung unabhängiger Dritter, die über jeden Vertuschungsverdacht erhaben sind und bei auftretenden Konflikten durch Leistung „guter Dienste“ zur Lösungsfindung beitragen – ein durchaus gangbares Procedere, um in Grenzbereichen eine Feinabstimmung des tatsächlich vorzulegenden Aktenvolumens zu erreichen.

 

20. Dass die soeben postulierte Begründungspflicht in ganz besonderer Weise für jene Bundesministerien anzunehmen sein wird, deren Geschäftsführung den Gegenstand der Untersuchung des die Aktenübermittlung fordernden Ausschusses bildet, liegt auf der Hand. Um den (prima vista durchaus naheliegenden) Verdacht einer allfälligen Vertuschung möglichst zu entkräften bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen, sollte von ihren Repräsentanten (allerdings ohne schützenswerte Geheimhaltungsinteressen zu verletzen) möglichst exakt dargelegt werden, was sich im angeforderten Akt befindet und warum die nicht übermittelten Dokumente nach Ansicht des Ministeriums den Untersuchungsauftrag des Ausschusses nicht betreffen.

 

21. Als (Zwischen-)Ergebnis ist jedoch noch einmal dezidiert festzuhalten, dass es für die Wirksamkeit eines Vorlagebegehrens nicht ausreicht, dass sich im betreffenden Akt nach seiner Bezeichnung theoretisch Dokumente befinden könnten, die für das Untersuchungsthema relevante Informationen enthalten. Die Vorlagepflicht kommt aufgrund ihres Amtshilfecharakters vielmehr nur insoweit zum Tragen, als tatsächlich Berührungspunkte zum Untersuchungsauftrag bestehen. Ob dies der Fall ist, hat in Ermangelung einer Streitschlichtungsinstanz zunächst das um Aktenvorlage ersuchte öffentliche Amt zu beurteilen, im Konfliktfall jedoch mit dem (seine Bedürfnisse zunächst einmal autonom zu bestimmenden) Untersuchungsausschuss abzustimmen.

 

IV. Unwirksamkeit von Beweisbeschlüssen wegen (Teil-)Nichtigkeit des zugrunde liegenden Untersuchungsauftrages

 

22. Wegen fehlender Deckung durch den Untersuchungsauftrag rechtswidrig und daher (nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen) unwirksam kann ein Beweisbeschluss freilich auch dann sein, wenn (schon) der Einsetzungsbeschluss des Nationalrates selbst die Grenzen des (verfassungs-)rechtlich Erlaubten überschreitet, indem er beispielsweise den Untersuchungsausschuss mit einem Untersuchungsauftrag ausstattet, der in den einschlägigen (verfassungs-)gesetzlichen Normen keine Deckung findet.

 

23. Obgleich weder Art 53 Abs 1 B-VG noch § 33 Geschäftsordnungsgesetz 1975 in dieser Beziehung irgendwelche Einschränkungen enthalten, gehen Lehre und Praxis einhellig davon aus, dass diese Bestimmungen nicht isoliert, sondern im Zusammenhalt mit Art 52 B-VG zu betrachten sind, der den Nationalrat dazu beruft, „die Geschäftsführung der Bundesregierung“ zu überprüfen. Gegenstand der Untersuchung kann also nur das Verhalten der Bundesregierung und der einzelnen ressortzuständigen Bundesminister einschließlich der Ausübung (oder auch Nichtausübung) der ihnen zustehenden Ingerenzrechte gegenüber nachgeordneten (Verwaltungs-)Organen sein. Aktivitäten weisungsfreier Verwaltungsbehörden (oder gar der Gerichte) eignen sich hingegen (in Ermangelung entsprechender Einflussmöglichkeiten der zu kontrollierenden Regierungsmitglieder) ebenso wenig als Untersuchungsgegenstand wie das Verhalten von Bundesministern, das mit der Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben, dh mit der Besorgung von Agenden der Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung, in keinerlei Zusammenhang steht [vgl zu alldem etwa Kahl, Art 53 B-VG Rz 10 (mit weiteren Nachweisen)].

 

24. Abgesehen von dieser im Schrifttum ausdrücklich anerkannten inhaltlichen Grenze des parlamentarischen Untersuchungsrechts hat der Nationalrat bei Formulierung des Untersuchungsauftrages allerdings auch darauf Bedacht zu nehmen, dass es sich beim Einsetzungsbeschluss um einen Rechtsakt handelt, der die Zuständigkeit eines (ad hoc neu geschaffenen) Staatsorganes begründet. Angesichts der hoheitlichen Befugnisse, die Untersuchungsausschüssen – wie etwa das Recht zur Vorladung und Veranlassung der zwangsweisen Vorführung von Auskunftspersonen – nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen zustehen, bedarf ein solcher Akt (schon nach dem in Art 83 Abs 2 B-VG verankerten Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter) einer möglichst exakten Determinierung [in diesem Sinne etwa auch Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht4 (2007) 253 (Anm I.2. zu Art 53 B-VG)].

 

25. Unterstrichen wird dieses Erfordernis durch die Feststellung, dass jede Einrichtung eines Untersuchungsausschusses geradezu zwangsläufig die Übermittlung personenbezogener Daten an diesen Ausschuss nach sich zieht und damit zu Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000 [BG BGBl 1999/165 über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000), zuletzt geändert durch BGBl I 2008/2] sowie in das (in Österreich ebenfalls verfassungsgesetzlich gewährleistete) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK führt.

Dass die dem Untersuchungsausschuss zugänglich zu machenden Informationen gegebenenfalls – wie etwa im Zusammenhang mit der in dieser Arbeit zu erörternden Aktenvorlage bestimmter Bundesministerien – innerhalb der Gebietskörperschaft Bund und damit in der Verfügungsgewalt ein und desselben Rechtsträgers verbleiben, vermag am Eingriffscharakter solcher Datenübermittlungen nichts zu ändern. Wie sich aus den Begriffsbestimmungen des § 4 DSG 2000, und hier wiederum insbesondere aus der Definition der Begriffe „Auftraggeber“ und „Übermitteln von Daten“ in Z 4 und 12 leg cit, ergibt, gilt nämlich nicht nur jede natürliche und juristische Person, sondern bereits jedes Organ einer Gebietskörperschaft im Zusammenhang mit den gegenständlichen Schutzbestimmungen als eigenständiger Auftraggeber. Selbst die Weitergabe von Daten im Interorganverhältnis bewirkt daher eine grundrechtsrelevante Datenübermittlung.

Nach der Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte bedingen solche Grundrechtseingriffe, soweit sie aufgrund der in beiden genannten Verfassungsnormen enthaltenen, mit noch näher darzulegenden materiellen Schranken versehenen Eingriffsvorbehalte überhaupt zulässig sind, das Vorliegen einer in besonderer Weise inhaltlich bestimmten gesetzlichen Ermächtigung [vgl dazu etwa Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 (2008) § 22 Rz 33ff; Wiederin, Art 8 EMRK, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (2002) Rz 55], die Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VOUA mit ihrer pauschalen Anordnung der Aktenvorlagepflicht öffentlicher Ämter (und auch die allenfalls einschlägigen Übermittlungsermächtigungen im einfachgesetzlichen Teil des DSG 2000) allein definitiv nicht abzugeben vermögen. Um den Anforderungen der zuständigen Höchstgerichte zu entsprechen, muss dieses Manko durch eine besonders eingehende Spezifizierung des Untersuchungsauftrages beseitigt werden, die den zum Grundrechtsschutz berufenen Kontrollinstanzen eine exakte Bestimmung des Prüfungsthemas gestattet und damit sowohl eine Beurteilung des inneren Zusammenhanges zwischen abgefragten Informationen und Prüfungsziel als auch eine Bewertung des hinter einem Auskunftsbegehren stehenden Aufklärungsinteresses und dessen Abwägung mit dem Interesse an einer möglichst ungestörten Wahrung der geschützten Sphäre des betroffenen Grundrechtsträgers ermöglicht. Ohne eine solche Konkretisierung kann ein Einsetzungsbeschluss nicht als taugliche Grundlage für die Übermittlung geschützter Daten gewertet werden.

 

26. An diesem Befund vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Verpflichtung zur Aktenvorlage in Art 53 Abs 3 B-VG bundesverfassungsrechtlich verankert ist und damit im Stufenbau der Rechtsordnung denselben Rang einnimmt wie die beiden angeführten Grundrechte. Im Hinblick auf die völkerrechtliche Verortung der zentralen datenschutzrechtlichen Belange in Art 8 EMRK und die daraus resultierende Absicherung dieser Gewährleistungen durch das besondere Sanktionensystem der Menschenrechtskonvention, gipfelnd in der Möglichkeit einer Individualbeschwerde an den Straßburger Gerichtshof, steht der grundrechtliche Schutzbereich nämlich selbst dem Bundesverfassungsgesetzgeber nicht zur beliebigen Disposition.

 

27. Letzteres gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vom 24.10.1995, ABl Nr L 281 vom 23.11.1995, S 31) die Garantien des Art 8 EMRK grosso modo zu einem Bestandteil des unmittelbar anwendbaren sekundären Gemeinschaftsrechts erklärt, der – im Gegensatz zu den „herkömmlichen“ Gemeinschaftsgrundrechten – nicht nur „im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts“ zum Tragen kommt, sondern jeglichem innerstaatlichen Handeln Grenzen setzt [vgl dazu EuGH 20.5.2003, Rs C-465/00ua („Rechnungshof“)]. Entgegenstehendes nationales Recht – gleich welchen Ranges – wäre demnach vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts betroffen und daher von niemandem zu beachten.

 

28. In die Richtung eines Gebots zur möglichst exakten Definition von Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsauftrag weisen schließlich aber auch das verfassungsrechtliche Effizienzgebot, das aus den Bestimmungen über die Rechnungshofkontrolle abzuleiten ist (für den Bund vgl in diesem Zusammenhang insbesondere Art 126b Abs 5 B-VG) und grundsätzlich auch die Organe der Gesetzgebung bindet, sowie die praktische Handhabung des Untersuchungsrechts durch den Nationalrat in der Vergangenheit. Wie eine vergleichende Zusammenschau aller bisherigen Einsetzungsbeschlüsse zeigt [vgl dazu etwa die – nur „Euroteam“-, „Eurofighter“- und „Banken“- Untersuchungsausschuss (noch) nicht umfassende – Aufstellung bei Widder, Untersuchungsausschüsse 29ff], wurden Untersuchungsausschüsse nie als herkömmliches, alltägliches Mittel der parlamentarischen Kontrolle begriffen, sondern immer nur aufgrund einer konkreten, im öffentlichen Diskurs als besonders aufklärungsbedürftig qualifizierten Verdachtslage eingerichtet, die durch den Ausschuss verdichtet oder entkräftet werden sollte. Alle Untersuchungsausschüsse hatten daher auch nur einen ganz bestimmten Vorgang bzw einen relativ konkreten Ausschnitt aus der „Geschäftsführung der Bundesregierung“ iS des Art 52 Abs 1 B-VG zum Gegenstand.

Diese Praxis scheint rechtlich insoweit relevant, als sie zumindest der im Jahr 1997 verabschiedeten Neufassung der einschlägigen Bestimmungen im Geschäftsordnungsgesetz 1975 einschließlich der (im Zuge dieser Geschäftsordnungs-Novelle geschaffenen) Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse Pate stand. Da in Bezug auf die Abgrenzung des Prüfungsthemas bei der angesprochenen Novelle offenkundig keine

Änderung der maßgeblichen Rechtslage intendiert war, liegt es folglich – in sinngemäßer Anwendung der zur Auslegung von Verfassungsbegriffen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung verwendeten Versteinerungstheorie – nahe, die in § 33 Abs 1 Geschäftsordnungsgesetz 1975 und auch in der Verfahrensordnung vorkommenden Begriffe „Untersuchungsgegenstand“ und „Untersuchungsauftrag“ unter Bedachtnahme auf deren Ausformung in den vor In-Kraft-Treten der einschlägigen Bestimmungen ergangenen Einsetzungsbeschlüssen zu deuten.

 

29. Im Ergebnis ist der Nationalrat bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und der Umschreibung seines Prüfungsthemas somit in doppelter Weise gebunden: Neben der unter Punkt 23. erörterten inhaltlichen Beschränkung auf Angelegenheiten der „Geschäftsführung der Bundesregierung“ hat er auch klar und nachvollziehbar zu definieren, welcher konkrete Ausschnitt aus dem Ingerenzbereich eines oder mehrerer Mitglieder der Bundesregierung untersucht werden soll. Die bereits bei Fassung des Einsetzungsbeschlusses gegebene Verdachtslage, die eine nähere Aufklärung als im öffentlichen Interesse liegend erscheinen lässt, steckt dabei im Wesentlichen den Rahmen des Zulässigen ab.

 

30. Verkennt der Nationalrat diese soeben resümierten verfassungsimmanenten Schranken, belastet er hierdurch seinen Beschluss (soweit der Fehler reicht) mit absoluter Nichtigkeit [vgl dazu neuerlich Kahl, Art 53 B-VG Rz 12 (mit weiteren Nachweisen)]. Da der Einsetzungsbeschluss als sog „schlichter Parlamentsbeschluss“ (anders als die vom Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 B-VG überprüfbaren Gesetzesbeschlüsse) keinem Fehlerkalkül unterliegt, verhindert jeder Fehler (auch jede ergebnisrelevante Abweichung von den formalen Beschlusserfordernissen) in dem ihm entsprechenden Ausmaß die Zurechenbarkeit des Beschlusses zur Staatsgewalt und damit seine rechtliche Existenz.

 

31. Betrifft die unterlaufene Rechtswidrigkeit den Einsetzungsbeschluss zur Gänze, ist

dieser nicht in der Lage, die intendierte Ausschussgründung zu bewirken. Jede Zusammenkunft der laut Beschluss zu Ausschussmitgliedern erkorenen Abgeordneten müsste in einem solchen Fall mangels entsprechender Rechtsgrundlage als bloß informelles Treffen von Parlamentariern gedeutet werden, dem die Qualität einer Ausschuss-Sitzung fehlt, und natürlich wäre auch jede von einem solchen „Untersuchungsausschuss“ gesetzte Handlung, insbesondere auch jeder von ihm gefasste Beweisbeschluss und jedes darauf gestützte Vorlageersuchen, als Nichtakt einzustufen, der keinerlei Befolgungspflicht auslöst.

 

32. Führt der Fehler hingegen (etwa wegen bloß teilweise überschießender Umschreibung des Untersuchungsauftrages) lediglich zur Teilnichtigkeit des Einsetzungsbeschlusses, könnte der Untersuchungsausschuss zwar seine Arbeit aufnehmen und ab seiner Konstituierung wirksame Beweisbeschlüsse fassen. Soweit diese die Durchführung nicht ordnungsgemäß zustande gekommener (und daher unwirksamer) Teile des Untersuchungsauftrages bezwecken, wären sie jedoch selbst – und zwar aus dem oben unter Punkt 11. genannten Grund (Überschreitung des Ausschussthemas) – ebenfalls rechtswidrig, (teil-)nichtig und daher ohne Gesetzesverstoß ignorierbar.

 

V. Unwirksamkeit von Beweisbeschlüssen wegen der dadurch bedingten Eingriffe in verfassungsrechtliche Geheimhaltungsgebote

 

33. Aus Sicht der in der österreichischen Bundesverfassung an verschiedenen Orten enthaltenen Geheimhaltungsgebote ist vorweg anzumerken, dass (aus den vorstehend dargelegten Gründen) rechtswidrigen und damit unwirksamen Beweisbeschlüssen auf Aktenvorlage, deren Umsetzung – wie dies häufig der Fall sein wird – einen Eingriff in den Schutzbereich verfassungsgesetzlich gewährleisteter (Geheimhaltungs-)Rechte wie insbesondere jener nach § 1 Abs 1 DSG 2000 und Art 8 EMRK nach sich ziehen und/oder die Vorgaben des Art 20 Abs 3 B-VG über die Amtsverschwiegenheit verletzen würde, von den ersuchten Stellen (im Gegensatz zu den Ermessen indizierenden vorstehenden Aussagen) nicht nur nicht entsprochen werden muss, sondern dass es diesen durch die besagten Verfassungsbestimmungen sogar verboten ist, auf entsprechende Ausschussbegehren positiv zu reagieren [so jüngst explizit auch (der im „Eurofighter“- Untersuchungsausschuss mit der Funktion des Verfahrensanwalts betraute) Gottfried Strasser, wenn er vor dem Hintergrund der drohenden Verletzung von Grundrechten durch die aufgetragene Übersendung von Akten die „überkommene […] herrschende Auffassung“ verteidigt, dass „(auch) das ersuchte Organ zu entscheiden hat, in welchem Umfang eine Aktenvorlage zulässig ist; vgl Strasser, Machacek/Matscher- FS 463f]. Jede dennoch erfolgte Aktenübermittlung bewirkt nämlich in Ermangelung einer sie tragenden Rechtsgrundlage (die im einfachgesetzlichen Teil des DSG 2000 enthaltenen Ermächtigungen kommen bei fehlendem Konnex einer Unterlage zum Untersuchungsauftrag von vornherein nicht zum Tragen) unweigerlich eine Verfassungsverletzung, die hinsichtlich der genannten Grundrechte vom Träger der jeweiligen Berechtigung – etwa bei der Datenschutzkommission oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg – eingeklagt werden könnte und im Falle der Amtsverschwiegenheit disziplinarrechtliche Konsequenzen oder (bei Mitgliedern der Bundesregierung) eine Ministeranklage gemäß Art 142 B-VG rechtfertigen würde. Unter gewissen, hier nicht näher darzulegenden Voraussetzungen wäre außerdem die Verwirklichung des (strafgerichtlich ahndbaren) Tatbestands des Amtsmissbrauchs in Betracht zu ziehen.

 

34. Dass der Inhalt der „Beratungen“ des Untersuchungsausschusses, in deren Rahmen vorgelegte Akten und Aktenbestandteile vorwiegend zur Sprache kommen werden, nach § 24 Abs 1 VO-UA vertraulich ist und seine Mitglieder daher befürchten müssen, bei Preisgabe von Informationen, die sie im Zuge einer solchen Sitzung erhalten haben, gemäß § 310 Abs 2 StGB wegen „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von bis zu drei Jahren verurteilt zu werden, kann an diesem Befund ebenso wenig ändern wie das in § 24 Abs 3 VO-UA enthaltene Veröffentlichungsverbot für solche Akten und die diversen Vorkehrungen der Verfahrensordnung zur Sicherstellung der faktischen Einhaltung des gegenständlichen Verbotes.

Um dieses Ergebnis zu rechtfertigen, bedarf es weder eines Rekurses auf die notorische, als Argument für die Einschränkung einer (verfassungs-)rechtlichen Verpflichtung jedoch nicht verwertbare Tatsache, dass brisante Informationen in der Vergangenheit regelmäßig trotz aller präventiven Maßnahmen an die Öffentlichkeit gelangt sind, noch eines Hinweises auf die jedem Abgeordneten theoretisch zustehende Möglichkeit, vertrauliche (Ausschuss-)Inhalte im Umweg über die sachliche Immunität durch Wiedergabe in einer öffentlichen Parlamentssitzung ganz legal über den Kreis der zur Verschwiegenheit verpflichteten Geheimnisträger hinaus bekannt zu machen. Es genügt die Feststellung, dass alle angeführten Verfassungsbestimmungen diesem Aspekt keinerlei Bedeutung beimessen und daher völlig unabhängig von einer allfälligen Pflicht des Empfängers zur Verschwiegenheit ihre jeweilige, die Übermittlung von Daten beschränkende Wirkung entfalten. Diese darf nur im Rahmen einer hinreichend determinierten gesetzlichen Eingriffsermächtigung durchbrochen werden, an der es in den angesprochenen Fällen jedoch mangelt.

Sollte der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst des Parlaments in seiner jüngsten Stellungnahme, auf die sich die Mehrheitsfraktionen im „BMI“-Untersuchungsausschuss vorrangig beziehen, mit der Feststellung, dass die Wahrung von Persönlichkeitsrechten „während der Durchführung eines Untersuchungsausschusses – im Rahmen des ihm eingeräumten Untersuchungsgegenstandes – auf den Untersuchungsausschuss über[geht]“, diese Tatsache bestreiten wollen, setzt sich besagtes Papier mit einem durchgehend anerkannten Grundsatz des Datenschutzrechts und sonstiger Verschwiegenheitspflichten in Widerspruch [für den Bereich der Amtsverschwiegenheit vgl dazu etwa Wieser, Art 20/3 B-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (2001) Rz 39 (mit weiteren Nachweisen)].

 

35. Bisher nicht einhellig geklärt scheint allerdings die Frage, ob und inwieweit die zur Aktenvorlage aufgeforderten öffentlichen Ämter dem ersuchenden Untersuchungsausschuss die angesprochenen Geheimhaltungsgebote, dh die Amtsverschwiegenheit gemäß Art 20 Abs 3 B-VG, aber auch die Grundrechte auf Datenschutz sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens, selbst dann entgegenzuhalten berechtigt sind, wenn sich das Vorlagebegehren im Rahmen des (in jeder Hinsicht ordnungsgemäß beschlossenen) Untersuchungsauftrages hält.

 

36. Was die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit anlangt, treten in der Lehre etwa maßgebliche Stimmen dafür ein, dass Art 53 Abs 3 B-VG über die Verpflichtung zur Aktenvorlage (ebenso wie der diese Bestimmung bloß wiederholende § 25 Abs 2 VOUA) eine lex specialis zu Art 20 Abs 3 leg cit darstellt und das Geheimhaltungsgebot daher im Umfang eines rechtmäßigen Vorlageersuchens als aufgehoben gilt [in diesem Sinne etwa Czerny/Fischer, Kommentar zur Geschäftsordnung des Nationalrates2 (1982) 105f; Mayer, Bundes-Verfassungsrecht4, 254 (Anm II.3. zu Art 53 B-VG); derselbe, Probleme 22; Nödl, Kontrolle 120]. Der Oberste Gerichtshof hingegen ist in seiner bemerkenswerten, im Schrifttum jedoch weitgehend unreflektiert gebliebenen Entscheidung OGH 8.3.1991, 16 Os

46/90 (im Zusammenhang mit dem Vorlageersuchen eines Untersuchungsausschusses des Kärntner Landtages) offenbar vom genauen Gegenteil ausgegangen. Im Anschluss an die Feststellung, dass Art 60 Abs 2 Kärntner Landes-Verfassungsgesetz (in seiner – für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen – Stammfassung LGBl 1974/190) nicht nur für Behörden, Ämter und Dienststellen des Landes, sondern auch für die in Satz 2 leg cit genannten Gerichte und Verwaltungsbehörden des Bundes eine – vom Amtshilfegebot unabhängige – Pflicht zur Aktenvorlage festlegt und daher die diesbezüglichen Einwände des (um Übermittlung bestimmter Unterlagen ersuchten) Untersuchungsrichters und der im Rechtsmittelweg angerufenen Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt ins Leere gehen, führte der Oberste Gerichtshof in dieser Beziehung wörtlich Folgendes aus:

Im Rahmen der Sachentscheidung hat das Gericht – was auch die Ratskammer nicht verkennt – die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entsprechend zu berücksichtigen. Denn mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen verfassungsgesetzlichen Regelung und unter Bedachtnahme auf Art. 22 B-VG gilt die Verpflichtung des Art. 20 Abs. 3 B-VG auch für das gemäß Art. 60 Abs. 2 zweiter Satz Krnt L-VG ersuchte richterliche Organ, das demnach (auch im hier aktuellen Zusammenhang) zur Verschwiegenheit über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet ist, deren Geheimhaltung im Interesse (ua) der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der

Parteien gelegen ist. Dabei ist der Begriff „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ im Sinne der Tatbestände der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung bzw. des Strafrechtswesens (Art. 10 Abs. 2 MRK bzw. Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG) zu verstehen (vgl. AB 116 BlgNR 17. GP, 2), womit das öffentliche Interesse an der Sicherung des Strafverfahrens dem in Rede stehenden Geheimhaltungstatbestand unterfällt. Kollidiert – wie im vorliegenden Fall – die Verpflichtung des Gerichtes (der mit der gegenständlichen Strafsache befassten Richter) zur Verschwiegenheit über den Inhalt eines im Zuge einer Voruntersuchung eingeholten Sachverständigengutachtens, dessen Geheimhaltung ersichtlich im Interesse der Sicherung des Strafverfahrens geboten ist, mit der Pflicht zur Übermittlung des betreffenden Gerichtsaktes (bzw. Aktenstückes) an den darum ersuchenden Untersuchungssausschuss, so muss das ersuchte Organ das Interesse an der Geheimhaltung mit dem Interesse, dessentwegen das ersuchende Organ kraft Gesetzes zur Anforderung des Aktes (Aktenstücks) und damit zur Kenntnisnahme seines Inhalts berechtigt ist, entsprechend abwägen, wofür (sinngemäß) die Regelungen des § 58 Abs. 2 RDG bzw. des § 46 Abs. 2 BDG – unter entsprechender Berücksichtigung der besonderen Rolle parlamentarischer Untersuchungssausschüsse – herangezogen werden können. Die Ratskammer des Landesgerichtes Klagenfurt hat im Beschluß vom 17. April 1990 – anders als der Untersuchungsrichter in seinem Beschluß vom 6. März 1990 – eine Interessenabwägung im dargelegten Sinn nicht vorgenommen, sondern ihre Entscheidung insoweit ausschließlich auf das Interesse an der Geheimhaltung abgestellt, womit (gleichfalls) das Gesetz verletzt worden ist.

 

37. Die soeben zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes entfaltet für die gutachtensgegenständliche Frage, ob Mitglieder der Bundesregierung dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates um Aktenvorlage zu entsprechen haben, zwar keine unmittelbare Präjudizwirkung. Kommt ein Bundesminister einem an ihn ergangenen Auftrag zur Aktenvorlage nicht oder nicht zeitgerecht nach, hat über dessen Säumnis nämlich nicht die ordentliche Gerichtsbarkeit zu entscheiden, sondern – ungeachtet der (zumindest theoretischen) Möglichkeit eines Misstrauensvotums – der Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art 142 B-VG; Voraussetzung hierfür wäre nach Abs 2 lit b leg cit ein (Mehrheits-)Beschluss des Nationalrates auf Erhebung einer Ministeranklage wegen schuldhafter Gesetzesverletzung. Trotz dieses Faktums scheint eine Befassung des Obersten Gerichtshofes mit der gegenständlichen Causa jedoch keineswegs völlig ausgeschlossen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an den Fall, dass ein Mitglied der Bundesregierung einem Ausschussersuchen um Aktenvorlage Folge leistet, obwohl es in Bezug auf bestimmte Inhalte der übermittelten Unterlagen eigentlich zur Geheimhaltung verpflichtet wäre. Verschulden vorausgesetzt, hätte es jene (Privat-)Person, in deren Rechtssphäre durch diesen Geheimnisbruch mit Schadensfolge eingegriffen wird, in der Hand, gegen das betreffende Regierungsmitglied – je nachdem, ob die Aktenvorlage im konkreten Fall der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen ist – (zumindest) mit einer Amtshaftungsklage oder einer Schadenersatzklage nach allgemeinem Zivilrecht vorzugehen (in diesem Sinne etwa auch Wieser, Art 20/3 B-VG Rz 55). Im Rechtsmittelweg könnte ein solcher Rechtsstreit letztendlich auch den Obersten Gerichtshof erreichen.

 

38. Sollte sich ein entsprechendes Szenario auftun, spricht vieles dafür, dass der Oberste Gerichtshof das Spannungsverhältnis zwischen Art 20 Abs 3 B-VG auf der einen Seite und Art 53 Abs 3 leg cit und § 25 Abs 2 VO-UA auf der anderen Seite nach denselben Grundsätzen lösen würde wie in seiner zuvor zitierten, zum Kärntner Landesrecht ergangenen Entscheidung OGH 8.3.1991, 16 Os 46/90. Auf den ersten Blick könnte zwar erwogen werden, ob Art 53 Abs 3 B-VG nicht genau jene „ausdrückliche gegenteilige verfassungsgesetzliche Regelung“ darstellt, in deren Ermangelung sich das Höchstgericht im Kärntner Fall zur Anwendung des Art 20 Abs 3 leg cit entschloss. Im Hinblick darauf, dass die zuletzt genannte Bestimmung einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt enthält (arg „soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist“), der selbst den einfachen (Bundes- und Landes-)Gesetzgeber zu einer Lockerung der Amtsverschwiegenheit ermächtigt (vgl dazu statt vieler Wieser, Art 20/3 B-VG Rz 42f), kann jedoch die grundsätzlich höhere derogatorische Kraft von Bundesverfassungsrecht gegenüber dem – durch den Grundsatz der (bloß) relativen Verfassungsautonomie gemäß Art 99 Abs 1 B-VG inhaltlich beschränkten – Landesverfassungsrecht im gegebenen Zusammenhang keine Rolle spielen; auch der Oberste Gerichtshof spricht ja ausdrücklich nicht vom Fehlen einer gegenteiligen bundesverfassungsgesetzlichen Regelung, sondern verwendet den (Bundes- und Landesrecht gleichermaßen umfassenden) Oberbegriff „verfassungsgesetzlich“. Die Betonung ist in der zitierten Passage vielmehr auf den Begriff „ausdrücklich“ zu legen. Art 60 Abs 2 Kärntner Landes-Verfassungsgesetz in der Fassung LGBl 1974/ 190 erfüllte demzufolge zwar das Erfordernis einer „verfassungsgesetzlichen“ Regelung, die Höchstrichter vermochten ihr allerdings – im Verhältnis zum Verschwiegenheitsgebot des Art 20 Abs 3 B-VG – keinen „ausdrücklich gegenteiligen“ Inhalt zu entnehmen, der die Annahme einer völligen Verdrängung der zuletzt genannten Bestimmung gerechtfertigt hätte. Insofern ist es zweifellos von Relevanz, dass Art 53 Abs 3 B-VG (in den hier maßgeblichen Teilen) praktisch wortgleich formuliert ist wie der – der seinerzeitigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zugrunde liegende – Art 60 Abs 2 Kärntner Landes-Verfassungsgesetz in der Fassung LGBl 1974/190. Mangelte es Letzterem an einem „ausdrücklich gegenteiligen“ Inhalt, muss dasselbe konsequenterweise auch für Art 53 Abs 3 B-VG (und § 25 Abs 2 VOUA) gelten.

 

39. Bekräftigt wird die Einschätzung, dass auch der Oberste Gerichtshof entsprechende Parallelen ziehen würde, ferner dadurch, dass in der Entscheidung OGH 8.3.1991, 16 Os 46/90 die Verpflichtung des ersuchten Gerichtes zur Berücksichtigung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ausdrücklich „unter Bedachtnahme auf Art. 22 B-VG“ bejaht wurde.

Mit dieser Wendung wollten die Höchstrichter offenbar zu erkennen geben, dass ihrer Ansicht nach Art 60 Abs 2 Kärntner Landes-Verfassungsgesetz in der Fassung LGBl 1974/190 in einem engen Naheverhältnis zu der in besagter Bestimmung verankerten Pflicht der Bundes-, Landes- und Gemeindeorgane zur wechselseitigen Leistung von Amtshilfe steht. Angesichts des nahezu identischen Wortlauts würde vom Gerichtshof – in Übereinstimmung mit den oben unter Punkt 16. und 17. angestellten Überlegungen und dem (dort verwiesenen) überwiegenden Teil der Lehre – Gleiches wohl auch in Bezug auf Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA vertreten. Wenn von der jüngeren Lehre im alten Streit über das Verhältnis von Amtshilfe und Amtsverschwiegenheit eine „Konvergenzlösung“ in dem Sinn postuliert wird, dass keines der beiden Rechtsinstitute das jeweils andere schlechthin verdrängt, sondern vom ersuchten Organ im Einzelfall eine Abwägungsentscheidung unter umfassender Berücksichtigung aller beteiligten Interessen vorzunehmen ist [vgl dazu etwa Wiederin, Art 22 B-VG Rz 60 (mit weiteren Nachweisen)], verdient dies somit auch im Zusammenhang mit Vorlageersuchen eines Untersuchungsausschusses Beachtung.

 

40. Gegen die Übertragbarkeit der wesentlichen Determinanten der Entscheidung OGH 8.3.1991, 16 Os 46/90 auf das Verhältnis zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates kann auch nicht ins Treffen geführt werden, dass ersuchtes Organ im gegenständlichen Fall ein unabhängiges Gericht und keine (dem Nationalrat gegenüber rechtlich und politisch verantwortliche) Verwaltungsbehörde war. Diesbezüglichen Einwänden wäre der schon oben unter Punkt 16. erhobene Befund entgegenzuhalten, dass Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA hinsichtlich der Pflicht zur Aktenvorlage nicht zwischen verschiedenen Kategorien von öffentlichen Ämtern unterscheiden und auch Art 20 Abs 3 B-VG für Verwaltungsbehörden und Justiz(verwaltung) grundsätzlich gleichermaßen gilt.

 

41. Die einzige Besonderheit für Mitglieder der Bundesregierung besteht darin, dass für sie nicht von vornherein die Anwendbarkeit der in Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG enthaltenen Dispensregel ausgeschlossen werden kann. Diese sieht expressis verbis vor, dass die Amtsverschwiegenheit „für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper [gilt], wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt“. Die Auslegung der gegenständlichen Bestimmung ist im heimischen Schrifttum seit langem umstritten [vgl dazu Wieser, Art 20/3 B-VG Rz 53 (mit weiteren Nachweisen)]. Bedenkt man, dass die Mitglieder der Bundesregierung nach der geltenden (Verfassungs-)Rechtslage vom Bundespräsidenten ernannt werden, spricht der Wortlaut des Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG zwar eindeutig gegen deren Subsumtion unter den gegenständlichen Ausnahmetatbestand. Dass bei dessen Erlassung im Jahre 1925 die Bundesregierung noch vom Nationalrat gewählt wurde, ihre Mitglieder daher zweifellos zu den dadurch partiell von der Amtsverschwiegenheit befreiten Organen zu rechnen waren und nicht erkennbar ist, dass der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1929 durch die Änderung des Bestellungsmodus daran etwas ändern wollte, lässt jedoch auch für die Lehrmeinung Platz, dass in Bezug auf die Bundesregierung eine planwidrige Unvollständigkeit des Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG vorliegt, die es qua Analogie zu schließen gilt.

Die Praxis geht demgegenüber freilich bis heute – insbesondere im Zusammenhang mit der Handhabung des parlamentarischen Interpellationsrechts – völlig unbeirrt von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Nationalrat aus [vgl dazu etwa Kahl, Art 52 B-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (2005) Rz 39]. Im Hinblick darauf, dass gerade bei Normen der höchsten Rechtssetzungsautorität, dh bei Verfassungsgesetzen, dem Wortlaut nach herrschender Meinung besondere Beachtung gebührt und der Verfassungsgesetzgeber auch bei der grundlegenden Umgestaltung der Vorschriften über die Amtsverschwiegenheit im Jahre 1987 – trotz der ihm bekannten Haltung der Praxis – keinen Anlass für eine Korrektur des Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG gesehen hat, dürfte diese Haltung wohl auch die besseren Gründe für sich haben.

 

42. Am so gefundenen (Zwischen-)Ergebnis, dass der Oberste Gerichtshof im Falle seiner Befassung mit einem Streit um das Ausmaß der Aktenvorlagepflicht gemäß Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA voraussichtlich eine Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis des Untersuchungsausschusses auf der einen und dem (öffentlichen oder privaten) Geheimhaltungsinteresse auf der anderen Seite für erforderlich halten würde, vermag auch § 6 VO-UA nichts zu ändern, dem zufolge ein Untersuchungsausschuss selbst die Mitteilung der Dienstbehörde über die ihrer Meinung nach gegebene Notwendigkeit, Vertraulichkeit zu wahren, durch einen mit Zweidrittelmehrheit zu fassenden Beschluss überstimmen kann. Abgesehen davon, dass durch diese Bestimmung – vor allem auch im Zusammenhalt mit den Erläuterungen im Bericht des Geschäftsordnungsausschusses (vgl 871 BlgNR 20. GP 4) – ein für alle Mal klargestellt wurde, dass die (zur Beschlussfassung einer Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz 1975 gemäß Art 30 Abs 2 B-VG erforderliche) parlamentarische Zweidrittelmehrheit grundsätzlich vom Bestehen einer Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gegenüber Untersuchungsausschüssen ausgeht, gilt § 6 VO-UA seinem eindeutigen Wortlaut nach ausschließlich für die Einvernahme von Auskunftspersonen und nicht auch für die Beurteilung der Pflicht zur Aktenvorlage. Eine analoge Anwendung der gegenständlichen Dispensvorschrift scheint in Anbetracht des doch recht unterschiedlichen Sachverhaltes – die Ingerenzrechte von Untersuchungsausschüssen gegenüber den (grundsätzlich zum Erscheinen und auch zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichteten) Auskunftspersonen sind ganz allgemein deutlich stärker ausgeprägt als gegenüber anderen öffentlichen Stellen im Rahmen der diese treffenden Amtshilfeverpflichtung nach Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 VO-UA – nicht argumentierbar. Im Zusammenhang mit der Diskussion über die vom „BMI“- Untersuchungsausschuss gefassten Beweisbeschlüsse auf Aktenvorlage brächte sie außerdem schon deshalb nicht viel, weil § 6 VO-UA für den Fall eines Konfliktes zwischen Ausschuss und Dienstbehörde über die zu wahrende Vertraulichkeit einen Beschluss mit Zweidrittelmehrheit verlangt, die ohne die Stimmen der ÖVP-Fraktion nicht zu erreichen ist.

 

43. Hinzu kommt, dass eine Durchbrechung der Amtsverschwiegenheit von vornherein nicht auf § 6 VO-UA gestützt werden kann, wenn sich das Gebot zur Geheimhaltung gemäß Art 20 Abs 3 B-VG aus einem „überwiegenden Interesse der Parteien“  gibt. In diesem Bereich überschneidet sich die gegenständliche Verschwiegenheitspflicht nämlich mit den vergleichbaren Garantien der bereits mehrfach angesprochenen Grundrechte auf Datenschutz gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000 sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK, die § 6 VO-UA dem Untersuchungsausschuss (auch im Falle der Einvernahme eines öffentlich Bediensteten als Auskunftsperson) nicht zur Disposition stellt. Umso weniger lässt sich diese Bestimmung dann aber im Zusammenhang mit der Frage nach der Reichweite der Aktenvorlagepflicht argumentativ verwerten (vgl zu alldem auch Strasser, Machacek/Matscher- FS 465f).

 

44. Im Übrigen wird für die beiden genannten Grundrechte, die auch von der zuvor angezogenen Diskussion über die Auslegung von Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG nicht berührt werden, im Wesentlichen dasselbe gelten wie für die verfassungsrechtlich verankerte Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Geht der Oberste Gerichtshof davon aus, dass Letztere unter bestimmten Voraussetzungen selbst einem in jeder Hinsicht ordnungsgemäß gestellten Ersuchen auf Aktenvorlage entgegengehalten werden kann, ist dies vice versa auch für die Rechte nach § 1 Abs 1 DSG 2000 und Art 8 EMRK anzunehmen.

 

45. Was den datenschutzrechtlich relevanten Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens anlangt, ergibt sich dieser Befund schon aus einem Größenschluss aufgrund der besonderen Rechtsnatur dieses Geheimhaltungsanspruchs. Wie oben unter Punkt 26. und 27. dargelegt wurde, bildet Art 8 EMRK ja nicht nur einen fixen Bestandteil der österreichischen Bundesverfassung, sondern genießt auch völkerrechtlichen und – qua Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union – sogar gemeinschaftsrechtlichen Schutz. Eine Verdrängung seiner Garantien im Wege der Derogation, wie sie im Zusammenhang mit der Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG (im Gegensatz zum Obersten Gerichtshof) von Teilen der Lehre vertreten wird, kommt daher von vornherein nicht in Betracht. Selbst eine Verfassungsbestimmung, die Datenübermittlungen an einen Untersuchungsausschuss im Widerspruch zum materiellen Eingriffsvorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK anordnet, wäre vielmehr – wegen des (in der Judikatur bereits bestätigten) Anwendungsvorrangs der Daten schutzrichtlinie – innerstaatlich unbeachtlich und könnte (jedenfalls bei Missachtung dieses gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes) neben einem Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg auch Staatshaftungsklagen betroffener Grundrechtsträger sowie Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg rechtfertigen.

 

46. Dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit der effektiven Wahrnehmung staatlicher Kontrollaufgaben den angesprochenen Eingriffsvorbehalt in der Vergangenheit zum Teil durchaus extensiv interpretiert hat, steht der hier vertretenen Annahme, dass ein öffentliches Amt, das von einem Untersuchungsausschuss iS der Ausführungen in Abschnitt III. und IV. ordnungsgemäß um Aktenvorlage ersucht wird, selbst eine Überprüfung dieses Begehrens auf seine Vereinbarkeit mit den aufgezeigten datenschutzrechtlichen Schranken vornehmen darf bzw eine solche Prüfung vor der Erfüllung seines Auftrages zwecks Vermeidung einer Grundrechtsverletzung sogar vorzunehmen hat, bei genauem Hinsehen nicht entgegen. Es trifft zwar in der Tat zu, dass der Verfassungsgerichtshof bereits in einem (bis heute unwidersprochen gebliebenen) Erkenntnis aus dem Jahr 1976 den Rechnungshof für befugt erachtet hat, selbst in die – naturgemäß besonders sensible Daten enthaltenden – Personalakten des Landes Vorarlberg Einsicht zu nehmen, weil er sonst die ihm von der Verfassung auferlegte Pflicht zur Erstellung eines Gutachtens über die Effizienz der Landesgebarung nicht ordnungsgemäß erfüllen könnte, und Art 8 EMRK in diesem Zusammenhang nicht als Schranke betrachtet wurde (vgl dazu VfSlg 7944/ 1976, insbesondere Seite 415f); im Jahr 1998 hat der Gerichtshof diesen Ausspruch

ausdrücklich bekräftigt und auf das – 1976 noch nicht in Kraft befindliche – Grundrecht auf Datenschutz ausgedehnt (vgl VfSlg 15.130/1998). Das ist hier aber nicht der Punkt. Selbst wenn Art 8 Abs 2 EMRK (und damit auch der auf diese Ermächtigung Bezug nehmende § 1 Abs 2 DSG 2000) eine grundsätzlich unbeschränkte Aktenvorlagepflicht an den Untersuchungsausschuss tatsächlich decken sollten, müsste sie nach dem Konzept der grundrechtlichen Eingriffsvorbehalte nämlich von der nationalen Gesetzgebung ausdrücklich angeordnet sein; Art 8 Abs 2 EMRK bringt dies klar zum Ausdruck, wenn er Eingriffe einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens expressis verbis nur insoweit für statthaft erklärt, als sie „gesetzlich vorgesehen“ sind.

 

47. Ausschlaggebend für die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen im Zusammenhang mit der Aktenübermittlung an einen Untersuchungsausschuss ist somit nicht allein die Reichweite der im Grundrecht enthaltenen Eingriffsermächtigung, sondern was die nationale Gesetzgebung – in Gestalt von Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VOUA – daraus gemacht hat. Damit kommt aber neuerlich die bereits oben unter Punkt 16. und 17. getroffene und dort auch näher begründete Feststellung ins Spiel, dass es sich bei den beiden angeführten Bestimmungen ihrem Wesen nach um Amtshilferegelungen handelt und durch die darin verankerten Ersuchen um Aktenübermittlung keineswegs ein besonderes Kontrollinstrument des Untersuchungsausschusses gegenüber der vorlagepflichtigen Stelle installiert werden sollte. Wenn es für Amtshilferegelungen nach herrschender Meinung charakteristisch ist, dass nur ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Hilfeleistung entgegenstehende Verschwiegenheitspflichten durchbricht (siehe dazu oben unter Punkt 39.), muss dies folglich (ganz iS der zuvor erörterten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in seinem Kärntner Anlassfall) auch für die Verpflichtung zur Aktenvorlage an Untersuchungsausschüsse gelten. Dass die zuständige Gesetzgebung unter Umständen – durchaus grundrechtskonform – mehr anordnen könnte, tut nichts zur Sache. Ob der bereits unter Punkt 17. angesprochene Entwurf des Bundeskanzleramtes für eine DSG-Novelle 2008, durch den (unter anderem) Datenverwendungen in Erfüllung der Verpflichtung zur Unterstützung des Nationalrates bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolltätigkeit nach Art 53 B-VG generell für zulässig erklärt werden sollen, tatsächlich als Schritt in Richtung einer solchen Ausdehnung taugt, scheint übrigens unklar, da Art 53 Abs 3 B-VG selbst und damit der Umfang der Aktenvorlagepflicht durch eine solche Anordnung keine Änderung erfahren würde. Dies ist umso mehr auch deshalb anzunehmen, weil ein vollständiger Dispens von datenschutzrechtlichen Bindungen in der Beziehung zwischen Untersuchungsausschuss und ersuchter Stelle zumindest insoweit erheblichen verfassungs-, völker- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken begegnen würde, als das in Anspruch genommene öffentliche Amt und seine (im angeforderten Akt dokumentierte) Geschäftsführung nicht selbst den Gegenstand der Ausschussuntersuchung bildet. Sogar das relativ unbeschränkte Einsichtsrecht des Rechnungshofes stößt nach der zuvor referierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nämlich insoweit an verfassungsrechtliche Grenzen, als dieser Dokumente von nicht kontrollunterworfenen Rechtsträgern begehrt oder die von ich gewünschten Unterlagen Zeiträume betreffen, in denen – etwa infolge der Privatisierung einer vormals öffentlichen Unternehmung – keine Kompetenz des Rechnungshofes zur Gebarungsprüfung (mehr) bestand (vgl dazu insbesondere VfSlg 17.489/2005).

 

48. Für die von einem Untersuchungsausschuss mittels Aktenvorlagebegehrens in Anspruch genommene Stelle bedeuten die vorstehenden Überlegungen im Ergebnis, dass sie (jedenfalls auf Basis der nach wie vor geltenden Rechtslage) die vom Ausschuss gewünschten Unterlagen selbst bei Vorliegen eines hinreichenden Zusammenhanges mit dem vom Nationalrat unter Beachtung der ihm dabei gesetzten Grenzen beschlossenen Untersuchungsauftrag nicht ungeschaut übermitteln darf. Weisen die angeforderten Dokumente einen Inhalt auf, der im Hinblick auf bestehende Verschwiegenheitspflichten von Relevanz ist, dh im Falle seiner Eröffnung an die Ausschussmitglieder einen Bruch der Amtsverschwiegenheit oder eine Verletzung der in § 1 Abs 1 DSG 2000 und Art 8 EMRK garantierten Geheimhaltungsrechte bewirken könnte, bedarf es vor deren Übermittlung vielmehr einer Interessenabwägung, wie sie vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungsgründen zu seinem obzitierten Beschluss OGH 8.3.1991, 16 Os 46/90 vorgezeichnet wurde. Die ersuchte Stelle hat also – für jedes angeforderte Aktenstück gesondert – das (öffentliche oder private) Interesse an der Geheimhaltung der in den Akten enthaltenen Informationen „dem Interesse, dessentwegen das ersuchende Organ kraft Gesetzes zur Anforderung des Aktes (Aktenstücks) und damit zur Kenntnisnahme seines Inhalts berechtigt ist“, gegenüberzustellen und zu beurteilen, welcher Interessensphäre im konkreten Fall der Vorzug gebührt. Stellt sich aufgrund dieser Gesamtbetrachtung heraus, dass das Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Informationen jenes an der lückenlosen Information des Untersuchungsausschusses übersteigt, hat eine Übermittlung der betreffenden Akten bzw Aktenbestandteile (bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Informationsweitergabe) zu unterbleiben.

 

49. In die Bewertung der gegenbeteiligten Interessen mit einzubeziehen sind dabei auf der einen Seite etwa das öffentliche Interesse an der Erfüllung des parlamentarischen Untersuchungsauftrages sowie die Bedeutung der angeforderten Unterlagen für eine effektive Wahrnehmung der vom Ausschuss zu erfüllenden Kontrollaufgabe. Auf der anderen Seite wird insbesondere dem aus einem Geheimnisbruch (und seinen Folgen) möglicherweise resultierenden Schaden für das Gemeinwesen und/oder den betroffenen privaten Geheimnisträger sowie der Sensibilität der Information Beachtung zu schenken sein. Aber auch der Frage, inwieweit der Empfänger selbst Verschwiegenheitspflichten unterliegt und welche Vorkehrungen von ihm getroffen werden (müssen), um eine unzulässige Weiterverbreitung der zu übermittelnden Inhalte zu verhindern, kann im Zuge der Abwägung angemessene Beachtung geschenkt werden.

 

50. Steht das Vorlageersuchen im Zusammenhang mit einem hinreichend präzise formulierten und ausschließlich die „Geschäftsführung der Bundesregierung“ iS von Art 52 Abs 1 B-VG betreffenden Untersuchungsauftrag und ist daher nicht ohnehin schon aufgrund der in Abschnitt III. und IV. angestellten Überlegungen unwirksam, wird freilich – und insoweit relativieren sich allfällige demokratietheoretische Bedenken gegen die vorstehend postulierte Lösung – prinzipiell von einem Überhang des Übermittlungsinteresses auszugehen sein. Das Zurückhalten von Dokumenten wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen trotz ordnungsgemäßen Vorlagebegehrens scheint nur in Ausnahmesituationen vorstellbar. Bei der Amtsverschwiegenheit ist etwa an den vom Obersten Gerichtshof judizierten Fall der Gefährdung eines laufenden Verfahrens, aber auch an Aspekte der nationalen Sicherheit zu denken, die der Befolgung einer ordnungsgemäßen Aktenanforderung entgegenstehen können. Bei den Geheimhaltungsgrundrechten wird wohl von vornherein in der Regel bloß der Eingriff in „sensible“ respektive „besonders schutzwürdige“ Daten iS des § 4 Z 2 DSG 2000, deren Verwendung gemäß § 1 Abs 2 leg cit von der Gesetzgebung „nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen“ und unter gleichzeitiger Festlegung von „angemessene[n] Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen“ vorgesehen werden darf, als Begründung für die partielle Nichterfüllung eines Vorlagebegehrens in Betracht zu ziehen sein, und auch dies nur nach sorgsamer Abwägung mit dem Interesse an einer effizienten Ausübung des parlamentarischen Untersuchungsrechts.

 

51. Selbst in dem danach verbleibenden engen Rahmen ist freilich zu hinterfragen, ob von der um Aktenvorlage ersuchten Stelle wegen der Sensibilität darin enthaltener Informationen tatsächlich ganze Dokumente zurückgehalten werden dürfen oder ob dem legitimen Interesse am Schutz personenbezogener Daten nicht schon durch Anonymisierungen im (ansonsten unverändert übermittelten) Aktenstück ausreichend entsprochen werden kann. Derartige „Schwärzungen“ dürfen natürlich den Bedeutungsgehalt des Dokuments nicht verändern und werden immer dann ausgeschlossen sein, wenn gerade der Bezug zu einer bestimmten Person für die Erfüllung des Untersuchungsauftrages unabdingbar ist.

 

52. Dass im Übrigen jedes Abweichen vom Vorlageersuchen des Untersuchungsausschusses nachvollziehbar begründet werden sollte, um eine Störung des in Amtshilfesachen immer besonders bedeutsamen Vertrauensverhältnisses zwischen den beteiligten Organen zu vermeiden, und es sich gegebenenfalls auch als erforderlich erweisen kann, längere Konsultationen zu führen, um die gegenseitigen Standpunkte abzuklären und einander anzunähern, liegt auf der Hand. Die oben unter Punkt 19. und 20. (aus Anlass der Behandlung von Meinungsverschiedenheiten über die Relevanz von Dokumenten für den Untersuchungsauftrag) angestellten Überlegungen sind auf die soeben erörterte Konfliktsituation übertragbar.

 

VI. Unwirksamkeit von Beweisbeschlüssen wegen der Anforderung von nicht aktenförmig aufbereiteten Unterlagen

 

53. Rechtswidrig und in Ermangelung eines Fehlerkalküls (teil-)nichtig könnte die Anforderung von Akten durch einen Untersuchungsausschuss schließlich auch noch deshalb sein, weil sie in formeller Hinsicht die von Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VOUA gezogenen Grenzen überschreitet. Es stellt sich also die im Schrifttum bislang – soweit ersichtlich – noch nicht einmal im Ansatz diskutierte Frage, ob der in den genannten Bestimmungen verwendete, auf die vorlagepflichtigen „öffentlichen Ämter“ bezogene Begriff „ihre Akten“ tatsächlich alle Unterlagen umfasst, die sich (mehr oder weniger zufällig) im Gebäude des um Aktenübermittlung ersuchten Amtes befinden, oder ob es in dieser Beziehung einer näheren Abgrenzung und Einschränkung des vorlagepflichtigen Materials bedarf.

 

54. Zunächst ist in dieser Hinsicht jedenfalls davon auszugehen, dass nicht alle Unterlagen, auf welche die Amtsleitung im Rahmen des von ihr auszuübenden Hausrechts Zugriff hat, notwendigerweise auch amtliche Dokumente sind, auf die allein sich die Vorlagepflicht nach dem einschlägigen Gesetzeswortlaut beziehen kann. Insbesondere im unmittelbaren Einflussbereich der jeweiligen politischen Funktionäre und ihrer Büros finden sich – neben rein privaten Schriftstücken, auf die schon aus grundrechtlicher Sicht ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht gegriffen werden darf – regelmäßig Schriftstücke, die vorwiegend die politische Arbeit des Funktionärs und nicht die Wahrnehmung seiner Kompetenzen als staatliches Organ betreffen. Aber auch sonst sind in den öffentlichen Ämtern de facto in durchaus beachtlichem Umfang Unterlagen vorhanden, die zwar durchaus einen Zusammenhang mit der Wahrnehmung von genuinen Staatsaufgaben aufweisen, von der eigentlichen Erledigung jedoch so weit entfernt sind, dass sie eher der Sphäre des/r jeweiligen Mitarbeiters/in zuzurechnen sind als jener der betreffenden Dienststelle. All diese Unterlagen als amtliche Dokumente zu begreifen, die im Falle einer entsprechenden Anforderung an einen Untersuchungsausschuss zu übermitteln sind, fällt schon begrifflich schwer.

 

55. Ein interessantes Indiz dafür, dass die gerade angesprochene Notwendigkeit einer Trennung von amtlicher und nichtamtlicher Sphäre in Bezug auf die in öffentlichen Dienststellen vorhandenen Unterlagen auch von der Gesetzgebung akzeptiert wird, ergibt sich aus dem Bundesarchivgesetz [BG BGBl I 1999/162 über die Sicherung, Aufbewahrung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz)]. Nach diesen Vorschriften kann das sog „Schriftgut“ des Bundes, welches gemäß § 25 Abs 2 DMSG [BG BGBl 1923/533 betreffend den Schutz von Denkmalen wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung (Denkmalschutzgesetz – DMSG), zuletzt geändert durch BGBl I 2008/2] „schriftlich geführte oder auf elektronischen Informationsträgern gespeicherte Aufzeichnungen aller Art“ umfasst, grundsätzlich als „Archivgut“ archivierungspflichtig sein. § 2 Z 2 Bundesarchivgesetz nimmt aus dem Begriff des Schriftgutes jedoch „persönliche Unterlagen wie beispielsweise Aufzeichnungen und Notizen“ aus. Offenkundig liegt dieser Anordnung die Überlegung zugrunde, dass solche Unterlagen nicht der amtlichen, sondern der nichtamtlichen Sphäre, dh jener des jeweiligen Verfassers, zugehören und daher den Staat und seine Archive nichts angehen. Dieser Gedanke scheint verallgemeinerungsfähig und kann auch für die Beurteilung des Umfangs der Aktenvorlagepflicht an einen Untersuchungsausschuss dienstbar gemacht werden.

 

56. Unabhängig von dieser jedenfalls gebotenen Sphärentrennung lassen sich freilich gute Argumente dafür finden, die in Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA verankerte Vorlagepflicht überhaupt von vornherein auf Akten im formellen Sinne zu beschränken. Immerhin sprechen die genannten Bestimmungen ausdrücklich von den „Akten“ der „öffentlichen Ämter“, was prima vista eine Gleichsetzung mit dem in der Rechtssprache auch an anderer Stelle – etwa im Zusammenhang mit dem Recht auf Akteneinsicht in den Verfahrensgesetzen, mit der Pflicht von Gerichten und Verwaltungsbehörden zur Aktenvorlage bei den Höchstgerichten oder mit den Rahmenbedingungen für die amtsinterne Aufgabenerledigung – ausschließlich technisch verwendeten Aktenbegriff indiziert. Auch die explizite Betrauung der „Ämter“ (und nicht der politischen Funktionäre) mit der Wahrnehmung der gegenständlichen Aufgabe könnte eventuell als Hinweis auf eine solche Beschränkung gewertet werden, manifestiert sich das amtliche Geschehen doch traditionell in den tatsächlich vorhandenen Aktenstücken.

 

57. Der – solchen Überlegungen vorderhand zuwiderlaufende – Gedanke einer möglichst umfassenden, dh nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern grundsätzlich auch sonstige Unterlagen beinhaltenden Übermittlungspflicht hat seinen Ursprung augenscheinlich in der Deutung der Befugnis zur Aktenanforderung als besonderes Kontrollinstrument des Untersuchungsausschusses gegenüber der vorlagepflichtigen Stelle, vergleichbar den Einschaurechten des Bundes- und der diversen Landesrechnungshöfe, die im Dienste der Volksvertretung die Gebarung öffentlicher Dienststellen und bestimmter selbständiger Rechtsträger im Einflussbereich der Gebietskörperschaften zu überprüfen haben. Wie bereits oben unter Punkt 16. und 17. dargetan wurde, ist dieser Zugang jedoch bei näherer Analyse nicht haltbar. Der weitläufige Adressatenkreis von Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA, der auch öffentliche Ämter umfasst, deren Geschäftsführung nicht unter den Prüfungsauftrag des ersuchenden Ausschusses fällt oder – wie dies etwa bei den Gerichten, den Rechnungshöfen oder anderen Organen der Gesetzgebung der Fall ist – von Verfassungs wegen von vornherein gar nicht zum Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung gemacht werden darf, aber auch die historische Genese des Art 53 Abs 3 B-VG sowie der systematische Zusammenhang mit der (sowohl in Art 53 Abs 3 B-VG als auch in § 25 VO-UA) unmittelbar vor der Aktenvorlagepflicht verankerten, in der Verfahrensordnung ausdrücklich als Erscheinungsform der „Rechtshilfe“ bezeichneten Befugnis von Untersuchungsausschüssen, Beweiserhebungen durch die Gerichte und alle anderen Behörden in Auftrag zu geben, beweisen vielmehr, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Ausschusskompetenz in Wahrheit um eine Erscheinungsform der Amtshilfe handelt.

 

58. Nimmt man diese strukturelle Überlegung zur Kenntnis, verstärkt freilich gerade die Gegenüberstellung der Aktenvorlagepflicht mit jener zur Durchführung von Beweiserhebungen im Rechtshilfeweg den Verdacht, dass der Begriff „ihre Akten“ in Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA tatsächlich im technischen Sinne und damit tendenziell enger auszulegen sein dürfte, als dies in der parlamentarischen Praxis derzeit offenbar angenommen wird. Soll die ersuchte Stelle aktiv tätig werden, dh aus Anlass der laufenden parlamentarischen Überprüfung besondere Ermittlungen anstellen, muss der Untersuchungsausschuss eben explizit ein Ersuchen um Beweiserhebungen beschließen. Die Aktenvorlage scheint dagegen e contrario als eher passiver Vorgang konzipiert. Ähnlich wie im Zusammenhang mit der in Art 20 Abs 4 B-VG verankerten Auskunftspflicht ist offenbar bloß daran gedacht, dass die Adressaten eines Vorlagebegehrens den Untersuchungsausschuss an jenen Informationen teilhaben lassen, die bei ihnen aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit ohnehin bereits angefallen sind und ohne besonderen Aufwand verfügbar gemacht werden können. Dass diese Voraussetzungen grundsätzlich nur auf den Inhalt „echter“ Akten zutreffen, die sich in kanzleiförmiger Behandlung befinden, dh registriert, nach Themen geordnet und prinzipiell an einem gemeinsamen Ort gesammelt sind, liegt auf der Hand.

 

59. Bekräftigt wird dieser eher restriktive Standpunkt nicht nur durch Überlegungen zum – alle Staatsorgane bindenden – verfassungsrechtlichen Effizienzgebot, sondern auch durch einen Rekurs auf (gerade im Zusammenhang mit dem politischen Gremium „Untersuchungsausschuss“ nicht zu vernachlässigende) rechtsstaatliche Erfordernisse. Auszugehen ist dabei wiederum von den bereits angesprochenen Ausschussersuchen um Beweiserhebungen im Rechtshilfeweg. Bei deren Erfüllung sind die in Anspruch genommenen Gerichte und sonstigen Behörden nach nunmehr eindeutiger Rechtslage nicht dazu berechtigt, die ihnen sonst (dh in ihrem herkömmlichen, durch andere Materiengesetze bestimmten Tätigkeitsbereich) zustehenden Befugnisse in Anspruch zu nehmen. § 25 Abs 1 Satz 2 VO-UA ordnet vielmehr – in Übereinstimmung mit der bei seinem In-Kraft-Treten maßgeblichen Rechtsprechung zu dieser seinerzeit strittigen Frage – explizit an, dass sie (ausschließlich) „die vorstehenden Bestimmungen“, also jene über die Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss selbst, anzuwenden haben. Damit bleibt es aber im Wesentlichen bei der Möglichkeit, Auskunftspersonen und Sachverständige vorzuladen und einzuvernehmen; eine zwangsweise Beschaffung von Urkunden kommt nicht in Betracht. Würde man Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA nun so verstehen, dass sie öffentliche Ämter nicht nur zur Herausgabe ihrer Akten im technischen Sinne verpflichten, sondern diese auch sonstige Unterlagen aus ihrem Hausrecht unterliegenden Räumlichkeiten zusammenzutragen und zu übermitteln haben, käme es unweigerlich zu einer Umgehung der soeben dargelegten Schranke. Alle auf das Auffinden solcher Dokumente abzielenden Ermittlungsschritte „im eigenen Haus“ wären überhaupt im rechtsfreien Raum, dh ohne die aus rechtsstaatlicher Sicht unabdingbare Deckung durch ein hinreichend determiniertes Gesetz zu vollziehen. Den einschlägigen Vorschriften einen derartigen Inhalt zu unterstellen, scheint – noch dazu im Hinblick darauf, dass dies ohne grammatikalische Notwendigkeit zu geschehen hätte, denn der Wortlaut von Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA weist ja ohnehin in die Richtung eines formellen Aktenbegriffes – unvertretbar.

 

60. Beschränkt man die Vorlagepflicht der öffentlichen Ämter hingegen auf jene Geschäftsstücke, die eine aktenförmige Behandlung erfahren haben, lassen sich Bedenken rechtsstaatlicher Natur weitgehend vermeiden. Das Vorhandensein eines Dokuments im Akt bietet nämlich – auch durch die damit verbundene Transparenz, etwa in Form der Einräumung des Rechts auf Akteneinsicht in allen Verfahrensordnungen – zumindest prinzipiell die Gewähr dafür, dass darin enthaltene Informationen in Übereinstimmung mit den jeweils maßgeblichen Ermittlungsvorschriften und unter der Kontrolle der jeweils zuständigen Rechtsschutzinstanzen erhoben wurden. Seine Übermittlung an den Untersuchungsausschuss erweitert damit zwar den Kreis jener staatlichen Organe, denen die betreffenden Fakten zugänglich gemacht werden; es ist aber – so weit als möglich – sichergestellt, dass keine Informationen an den Ausschuss gelangen, die sich überhaupt nicht in staatlichen Händen befinden dürften.

 

61. In der Bindung der Vorlagepflicht an den formellen Aktenbegriff manifestiert sich damit aber in gewisser Weise auch die Subsidiarität des parlamentarischen Untersuchungsrechts gegenüber Verfahren von Gerichten und Verwaltungsbehörden mit ähnlichem Themenbezug. Untersuchungsausschüsse selbst können Beweise nur in einem sehr eingeschränkten Rahmen aufnehmen oder erheben lassen; über den Zeugenund Sachverständigenbeweis kommen sie de facto nicht hinaus. Hat jedoch in Bezug auf das Prüfungsthema des Ausschusses schon ein anderes Verfahren stattgefunden, in dem die zuständige Behörde oder das zuständige Gericht über weitergehende Ermittlungsrechte verfügt und von diesen auch Gebrauch gemacht hat, ist der Ausschuss berechtigt, an den dabei gewonnenen Ergebnissen durch Einsicht in das aktenförmige Substrat dieses Verfahrens zu partizipieren, und wird dadurch in die Lage versetzt, einen allfälligen „politischen Überhang“ zu erörtern. Dass während eines noch laufenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens dem Vorlagebegehren eines Untersuchungsausschusses (unter dem Titel „Amtsverschwiegenheit“) die drohende Gefährdung dieses Verfahrens entgegengehalten werden kann, wurde bereits in Abschnitt V. umfassend dargetan.

 

62. Als letztes (Zwischen-)Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Untersuchungsausschüsse von öffentlichen Ämtern gemäß Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA – bei sonstiger (Teil-) Nichtigkeit ihres diesbezüglichen Beweisbeschlusses – lediglich die Vorlage „echter“ Akten und ihrer Bestandteile verlangen dürfen; sonstige Unterlagen brauchen nach diesen Bestimmungen – auch wenn sie im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag des Ausschusses stehen – grundsätzlich nicht vorgelegt zu werden. Ihre Aufbereitung und Herausgabe kann allenfalls im Umweg über die Androhung eines Misstrauensvotums gegen den ressortzuständigen Bundesminister erzwungen werden, wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass dieser hierdurch nicht von seiner Pflicht zur Einhaltung bestehender Geheimhaltungsvorschriften entbunden wird.

 

VII. Konsequenzen für den „BMI“-Untersuchungsausschuss und seinen Beweisbeschluss vom 2.4.2008

 

63. Vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse sprechen in der Tat gewichtige Argumente für die Annahme, dass der Beweisbeschluss des im März 2008 eingesetzten „BMI“-Untersuchungsausschusses vom 2.4.2008 den einschlägigen (verfassungs-) gesetzlichen Vorgaben nur zum Teil entspricht und von den darin mit einem Ersuchen um Aktenvorlage konfrontierten Bundesministerien für Inneres, für Justiz, für Finanzen, für europäische und internationale Angelegenheiten sowie für Landesverteidigung daher – in Ermangelung eines Fehlerkalküls – auch nur in diesem Rahmen befolgt zu werden braucht.

 

64. Zunächst ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass bereits die Umschreibung des Untersuchungsgegenstandes und der darauf Bezug nehmende Untersuchungsauftrag im Einsetzungsbeschluss des Nationalrates vom 3.3.2008 durch eine Breite gekennzeichnet sind, die den in Abschnitt III. postulierten Determinierungserfordernissen signifikant zuwiderläuft. Nimmt man den Wortlaut dieses Beschlusses ernst, hat der Untersuchungsausschuss nach dem Einleitungsabsatz des Untersuchungsgegenstandes ja nicht „nur“ jene rund 30 etwas konkreter formulierten Verdachtsfälle zu prüfen, die im Anschluss daran aufgezählt und als „insbesondere zu behandelnde Punkte“ bezeichnet werden, sondern „alle Abläufe und Entscheidungen im Zusammenhang mit den Vorwürfen über die Amtsführung insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten insbesondere auch seit dem Jahr 2000 (hinsichtlich des Entführungsfalles ‚Kampusch‘ ab dem Zeitpunkt der Entführung)“. Da aus dem Beschlusstext nicht mit hinreichender Genauigkeit herausgelesen werden kann, was mit „den Vorwürfen über die Amtsführung“ gemeint ist und welche einschränkende Wirkung sich daraus ergeben soll, bildet nach der zitierten Formulierung theoretisch die gesamte Geschäftsführung der genannten Bundesministerien das Prüfungsthema, und dies – wie sich aus der Wendung „insbesondere auch seit dem Jahr 2000“ ergibt – an sich ohne zeitliche Einschränkung. Dass das parlamentarische Kontrollinstrument „Untersuchungsausschuss“ für solche unspezifizierte Themenstellungen nicht geschaffen wurde, liegt auf der Hand.

 

65. In verfassungskonformer Interpretation – nicht zuletzt auch der Wortfolge „im Zusammenhang mit den Vorwürfen“ – wird daher als erster Konkretisierungsschritt die nach dem Wortlaut bloß demonstrative Auflistung der „insbesondere zu behandelnden Punkte“ dahingehend einschränkend zu lesen sein, dass sich Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses vorderhand nur auf die ausdrücklich angesprochenen Themen beziehen sollten. Freilich beseitigt dies den Vorwurf einer Missachtung des Bestimmtheitsgebotes insoweit nur zum Teil, als einzelne der rund 30 genannten Punkte selbst wiederum geradezu epische Breite aufweisen. Im Besonderen (aber keineswegs ausschließlich) gilt dies für die Wendung „Aufklärung, ob es im Bereich des Vergabewesens zu unzulässigen Interventionen aus dem KBM gekommen ist“. Auch hier scheint – wiederum unter Hinweis auf die im Einleitungsabsatz enthaltene Wortfolge „im Zusammenhang mit den Vorwürfen“ eine restriktive Interpretation in der Weise geboten, dass die in der Beschlussbegründung genannten Verdachtsfälle – dh insbesondere die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Umbau der Gedenkstätte Mauthausen – den Untersuchungsauftrag konkretisieren und daher auf Basis der gegebenen Beschlusslage (zumindest vorläufig) nur auf diesen Vergabevorgang bezogene Aktenvorlagebegehren gestellt werden dürfen.

 

66. Darüber hinaus bedarf es keiner näheren Erörterung, dass die im Beweisbeschluss vom 2.4.2008 enthaltene „Liste der Beweismittel“ neben themenbezogenen Dokumenten in großem Stil auch Unterlagen abfragt, von denen von vornherein feststeht, dass sie der Untersuchungsausschuss zur Beantwortung der ihm aufgegebenen Fragen nicht benötigen wird. Beispielsweise (aber wieder keineswegs ausschließlich) gilt dieser Befund für die Anforderung des gesamten BAWAG-Ermittlungsaktes und sämtlicher Tagebücher der Staatsanwaltschaften aller Verfahren, die im Zusammenhang mit der BAWAG stehen, sowie für das Ersuchen um Vorlage aller Ebergassing- Akten und des gesamten Briefbombenaktes trotz der Beschränkung des Untersuchungsauftrages auf einzelne Teilaspekte der angesprochenen Fälle. Offensichtlich ist der Untersuchungsausschuss bei der Fassung des gegenständlichen Beweisbeschlusses davon ausgegangen, dass ihm Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA ein besonderes Kontrollmittel gegenüber den vorlagepflichtigen Stellen an die Hand geben und ihm – vergleichbar dem Rechnungshof in Angelegenheiten der Gebarungskontrolle – gestatten, sich Einsicht in alle Unterlagen der zu prüfenden Bundesministerien zu verschaffen, um selbst deren Relevanz für sein Prüfungsthema beurteilen zu können und investigativ nach für ihn verwertbaren Spuren zu suchen. Wie an mehreren Stellen der vorliegenden Arbeit dargelegt wurde (siehe insbesondere oben Punkt 16. bis 19.), unterstellt dieser interpretative Zugang den genannten Bestimmungen jedoch einen Inhalt, der ihnen nach geltendem Recht nicht zukommt. Als Amtshilfevorschriften legen sie die Beurteilung der Relevanz angeforderter Unterlagen für den Untersuchungsauftrag des Ausschusses vielmehr weitgehend auch in die Hand der ersuchten Stelle bzw überlassen die genaue Abstimmung, was vorzulegen ist, wechselseitigen Konsultationen der beteiligten Partner, die auf Basis einer ausführlichen, nachvollziehbaren Begründung des jeweils eigenen Standpunktes zu führen sind. Daraus folgt aber die Befugnis der um Aktenvorlage ersuchten Bundesministerien bzw – soweit grundsätzlich geheim zu haltende Informationen betroffen sind – sogar deren rechtliche Verpflichtung, innerhalb der angeforderten Unterlagen eine Vorselektion durchzuführen und die getroffene Auswahl nach dem gerade umrissenen Procedere mit dem Untersuchungsausschuss abzustimmen. Dem überschießenden Vorlagebegehren ohne weitere Erwägungen lückenlos zu entsprechen, scheint hingegen – nicht nur angesichts der enormen Menge an Material, die dabei an das Parlament zu transferieren, von der Parlamentsdirektion zu verarbeiten und in der Folge von den Abgeordneten zu sichten wäre und daher natürlich auch Bedenken ob der Vereinbarkeit dieser Vorgangsweise mit dem verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip hervorriefe – unzulässig.

 

67. Überschritten werden im Beweisbeschluss vom 2.4.2008 die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen der Befugnis, von öffentlichen Ämtern die Vorlage „ihrer Akten“ zu verlangen, schließlich aber auch noch in besonders intensiver Weise durch die vollständige Leugnung jeglicher Bindung dieses Instruments an den formellen Aktenbegriff. Praktisch durchgehend werden in der bereits mehrfach angesprochenen „Liste der Beweismittel“ den betroffenen Bundesministerien nämlich neben den Akten im technischen Sinne – bezeichnet mit der Wortfolge „sämtliche Akten“ – auch noch (andere, nicht im Akt einliegende) „Dokumente, Aktenvermerke, Entscheidungen, schriftliche Bitten, schriftliche Weisungen, Sprechzettel, Erlässe, Berichte, Korrespondenzen (inklusive intra- und interministeriellem und elektronischem Schriftverkehr) und sonstige Unterlagen“ im Zusammenhang mit bestimmten Sachverhalten abverlangt.

 

68. Dass diese Wendung von ihren Verfassern bei weitem nicht nur als Aufforderung zur Ergänzung allenfalls unvollständiger Akten gedacht war, wofür ein gewisses Verständnis aufzubringen wäre, zeigen vor allem jene (durchaus zahlreichen) Punkte, in denen jeweils die Übermittlung von allen möglichen Unterlagen „im Zusammenhang mit Personen“ verlangt wird, auf die bestimmte Spezifikationen zutreffen, sei es dass sie „Zugriffsmöglichkeiten auf EKIS-Daten der Familie Zeqai und die Möglichkeit zur Weitergabe hatten“ (so etwa Punkt 6. der „Liste der Beweismittel“) oder „für das BIA tätig waren“ (so Punkt 23. der besagten Liste). Dass es sich hierbei um keine taugliche Umschreibung für bestimmte Akten der ersuchten Bundesministerien handelt, ist augenscheinlich, da Akten regelmäßig nicht nach derartigen, auf bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisationseinheit bezogenen Ordnungskriterien angelegt werden. Die für den gegenständlichen Beweisbeschluss verantwortlichen Mitglieder des „BMI“-Untersuchungsausschusses wollten mit dieser Formulierung den betroffenen Ministern vielmehr offenbar einen Ermittlungsauftrag erteilen; sie sollen zunächst herausfinden, auf welche konkreten Personen die Spezifikationen des Untersuchungsausschusses zutreffen, danach aktiv alle in „ihrem Haus“ vorhandenen Unterlagen nach einem Bezug zu diesen Personen durchforsten und das so gesammelte Substrat (darunter offenbar auch den gesamten noch vorhandenen E-Mail-Verkehr der betreffenden Personen) an den Untersuchungsausschuss übermitteln, der darin investigativ nach Spuren für eine von ihm vermutete Unregelmäßigkeit, etwa eine unzulässige Weitergabe von EKIS-Daten, suchen kann.

 

69. Es soll nun an dieser Stelle dezidiert nicht der Frage nachgegangen werden, ob es aus rechtspolitischer Sicht zweckmäßig oder gar wünschenswert sein könnte, Untersuchungsausschüssen im Interesse einer effizienten Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollrechte gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung Befugnisse dieser Art einzuräumen. Auf Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA in ihrer jeweils geltenden Fassung kann ein solcher Auftrag jedenfalls sicher nicht gestützt werden. Die in Rede stehenden Vorgaben des „BMI“-Untersuchungsausschusses verkennen nicht nur die in Abschnitt VI. zuvorderst postulierte Sphärentrennung, sondern lassen darüber hinaus gänzlich außer Acht, dass aktive Ermittlungen eines ausdrücklichen Ersuchens um Beweiserhebung bedürfen und die ersuchte Stelle dabei an jene Rechtsvorschriften gebunden ist, die für die Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss selbst gelten. Dass es dem Untersuchungsausschuss beispielsweise nicht zusteht, Einsicht in E-Mails zu nehmen und diese gegebenenfalls zu konfiszieren, steht aber völlig außer Streit, von den grundrechtlichen Implikationen einer solchen Vorgangsweise ganz abgesehen. Die vom „BMI“-Untersuchungsausschuss in der dargestellten Weise in Anspruch genommenen Bundesministerien sind demnach gut beraten, solchem (rechtswidrigen und daher in Ermangelung eines Fehlerkalküls unwirksamen) Ansinnen nicht zu entsprechen. Vorzulegen sind von ihnen grundsätzlich nur „echte“ Akten und deren Bestandteile, und auch dies lediglich insoweit, als sie vom Untersuchungsausschuss in seinem Beweisbeschluss angefordert wurden und sich unmittelbar auf dessen Prüfungsthema beziehen.

 

70. Beschränken die zur Aktenvorlage aufgeforderten Bundesministerien ihre Übermittlungstätigkeit gemäß den vorstehend dargelegten Grundsätzen, scheinen grundrechtliche Bedenken gegen die Datenweitergabe an den Untersuchungsausschuss weitgehend ausgeräumt. Dies gilt – zumindest im Prinzip – auch für die Anforderung und Übermittlung von Unterlagen über personelle Maßnahmen im Einflussbereich der geprüften Bundesministerien. Gerade Personalakten enthalten zwar zweifellos eine Reihe von personenbezogenen und darunter auch sensiblen Daten; zu diesen zählt nicht nur, aber in besonderer Weise auch die Parteizugehörigkeit der Bewerberinnen und Bewerber, da § 4 Z 2 DSG 2000 die politische Meinung (in Übereinstimmung mit einem Grundanliegen der Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union) ausdrücklich als besonders schutzwürdiges Datum bezeichnet. Wenn ein Untersuchungsausschuss zulässigerweise mit der Aufgabe betraut wird, den Verdacht einer systematischen Bevorzugung von Anhängern und/oder Mitgliedern einer bestimmten politischen Partei im Staatsdienst zu überprüfen, kann es jedoch nicht angehen, ihm die für seine Kontrolle erforderlichen Unterlagen über Besetzungsverfahren vorzuenthalten oder aus den einschlägigen Akten just jene Dokumente herauszunehmen, die Hinweise auf eine vorhandene Parteinähe und daraus resultierende Privilegierungen oder Diskriminierungen enthalten. In diesem Punkt übersteigt das öffentliche Interesse an einer effektiven Überprüfung durch den Untersuchungsausschuss grundsätzlich sogar das von der Rechtsordnung besonders geschützte Geheimhaltungsinteresse an sensiblen Daten.

 

71. Fest steht freilich, dass das öffentliche Interesse an lückenloser Information des Ausschusses nicht in Bezug auf alle theoretisch prüfbaren Personaleinstellungen von vornherein gleich groß sein kann. Besteht eine konkrete Verdachtslage, die vielleicht sogar im Einsetzungsbeschluss des Nationalrates explizit angesprochen wird, ist das öffentliche Interesse an deren Aufklärung vorderhand zweifellos höher zu bewerten als jenes an der Erörterung anderer, nach aktuellem Wissensstand (noch) unproblematischer Personalmaßnahmen. Eine vergleichbare Differenzierung scheint aber auch zwischen der Vergabe von Leitungsfunktionen auf der einen und niedrigeren Diensträngen auf der anderen Seite möglich. Dass der Beweisbeschluss vom 2.4. 2008 auf derartige Unterschiede in keiner Weise Bedacht nimmt, sondern offenbar pauschal von einem bestehenden Überhang des öffentlichen Interesses an der Aktenübermittlung ausgegangen wurde, wirkt wenig grundrechtsfreundlich. Aber auch im Interesse der Effizienz (sowohl der Ausschussarbeit als auch der durch die Aktensichtung und -übermittlung belasteten Ministerien) wäre es zweckmäßig gewesen, sich zunächst auf Unterlagen zu den besonders aufklärungsbedürftigen Fallkonstellationen zu beschränken und erst zu einem späteren Zeitpunkt – je nach Ermittlungsstand – weitere Akten anzufordern.

 

72. Im Übrigen sollte von den vorlagepflichtigen Bundesministerien im Hinblick darauf, dass § 1 Abs 2 letzter Satz DSG 2000 auch für zulässige Grundrechtseingriffe eine Beschränkung derselben auf die gelindeste zum Ziel führende Art vorschreibt, die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, die einschlägigen Unterlagen so zu anonymisieren, dass sie keiner bestimmten oder bestimmbaren Person mehr zugerechnet werden können und daher nicht mehr als „personenbezogen“ iS der einschlägigen datenschutzrechtlichen Garantien anzusehen sind. Eine solche Anonymisierung wäre allerdings nur dann zulässig, wenn sie sich ohne Beeinträchtigung der Nachvollziehbarkeit des Bestellungsaktes realisieren lässt, dh der Untersuchungsausschuss trotz Anonymisierung in die Lage versetzt wird, aus dem Akt die tragenden Gründe der Personalauswahl herauszulesen. Ist dies faktisch nicht möglich, müssen die Unterlagen „ungeschwärzt“ übermittelt werden.

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

1. Eine Zusammenschau der vorstehenden Ausführungen führt zu folgenden tragenden Ergebnissen der vorliegenden rechtsgutachtlichen Stellungnahme: 1. Gemäß Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 VO-UA sind die Gerichte und alle anderen Behörden verpflichtet, dem Ersuchen von Untersuchungsausschüssen um Beweiserhebungen Folge zu leisten. Alle öffentlichen Ämter haben darüber hinaus auf Verlangen „ihre Akten“ vorzulegen.

 

2. Trotz dieser pauschalen Formulierung gehen Lehre und Praxis einhellig davon aus, dass Beweisbeschlüsse eines Untersuchungsausschusses, in denen die Vorlage bestimmter Akten begehrt wird, nur insoweit eine Befolgungspflicht auslösen, als die angeforderten Unterlagen einen Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag des Ausschusses aufweisen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist das betreffende Ausschussersuchen in Ermangelung eines Fehlerkalküls für „schlichte Parlamentsbeschlüsse“ absolut nichtig.

 

3. Dass es in einer solchen Situation der um Aktenübermittlung ersuchten Stelle zustehen muss, über die Rechtswirksamkeit eines Vorlagebegehrens zu befinden, steht im Schrifttum außer Streit. Bezieht sich ein – das Untersuchungsthema überschreitender und daher unwirksamer – Beweisbeschluss auf Akten oder Aktenbestandteile, die schutzwürdige personenbezogene Daten enthalten, wird aus der Befugnis der ersuchten Stelle zur Verweigerung der Aktenvorlage sogar eine rechtlich sanktionierbare Pflicht. In der Übermittlung derartiger Informationen an einen Untersuchungsausschuss liegt nämlich ein Eingriff in die Grundrechte auf Datenschutz sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das als Teil der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie im Umweg über die Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union auch völker- und gemeinschaftsrechtlichen Schutz genießt und daher selbst dem Bundesverfassungsgesetzgeber nicht zur beliebigen Disposition steht; dass für die Behandlung vorgelegter Akten im Untersuchungsausschuss relativ strikte Vertraulichkeitsbestimmungen gelten, vermag daran nach herrschender Meinung (unabhängig vom Befund über ihre faktische Einhaltung) nichts zu ändern. Erfolgt ein solcher Eingriff ohne gesetzliche Ermächtigung iS des Art 8 Abs 2 EMRK, die – neben einschlägigen Ermächtigungen im einfachgesetzlichen Teil des DSG 2000, welche ebenfalls ein Naheverhältnis zwischen übermittelter Information und Ausschussthema fordern – nur Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA iVm einer hinreichend konkreten Festlegung des Untersuchungsauftrages und darauf aufbauenden Beweisbeschlüssen abgeben können, verletzt dies die Verfassung, rechtfertigt gegebenenfalls die Erhebung von Rechtsmitteln durch den betroffenen Grundrechtsträger (etwa bei der Datenschutzkommission oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg) und könnte theoretisch sogar zum Gegenstand einer Anklage des verantwortlichen Bundesministers beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Amtsmissbrauchs gemacht werden. Für die Verletzung besonderer Geheimhaltungsvorschriften, wie etwa des Bankgeheimnisses, des Steuergeheimnisses oder auch des Redaktionsgeheimnisses gilt dies im Wesentlichen vice versa.

 

4. Strittig ist freilich, wie weit die ersuchte Stelle bei der Wahrnehmung ihrer einhellig anerkannten Kompetenz zur Prüfung des Vorlagebegehrens gehen darf. Hat sie einen Akt schon dann (zur Gänze) zu übermitteln, wenn es dem ersten Anschein nach nicht völlig ausgeschlossen scheint, dass er Dokumente mit für den Ausschuss relevanten Informationen enthalten könnte, oder ist es ihr gestattet, das Bestehen eines solchen Zusammenhanges eingehender zu untersuchen und gegebenenfalls – natürlich unter Beachtung der Kompetenz des Untersuchungsausschusses, prinzipiell selbst über die Relevanz von Beweismitteln für sein Verfahren zu befinden – eine Vorselektion des angeforderten Materials zu treffen?

 

5. Der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst des österreichischen Parlaments, auf dessen Expertise sich die Mehrheitsfraktionen des „BMI“-Untersuchungsausschusses stützen, wertet die Befugnis zur Aktenanforderung offenbar als besonderes Kontrollinstrument des Ausschusses gegenüber den vorlagepflichtigen Stellen. Dieser habe es daher – ähnlich wie der Rechnungshof, zu dessen Befugnissen eine ausdrückliche Parallele gezogen wird – prinzipiell selbst in der Hand, zu bestimmen, welche Unterlagen er einsehen möchte, und sei dazu berufen, sich aufgrund eigener Anschauung ein Bild davon zu machen, ob das vorhandene Material prüfungsrelevante Informationen enthält oder nicht.

 

6. Der Vergleich zwischen Untersuchungsausschuss und Rechnungshof ist zwar insoweit zutreffend, als beide Organe in der Tat mit Kontrollaufgaben gegenüber der Bundesregierung betraut sind. Die Rechtsordnung stellt ihnen jedoch zur Erfüllung dieser Obliegenheiten ganz bewusst nicht dieselben Mittel zur Verfügung.

 

7. Diese gesetzgeberische Entscheidung, die wohl in erster Linie damit begründet werden kann, dass Untersuchungsausschüsse naturgemäß nicht über jenes Maß an (relativer) Unabhängigkeit von der parteipolitischen Auseinandersetzung verfügen wie der Rechnungshof, lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung korrigieren. Die Deutung der Aktenvorlagepflicht als umfassendes Einsichtsrecht iS der Vorschriften über den Rechnungshof hält einer näheren juristischen Überprüfung etwa schon deshalb nicht stand, weil dieses Gebot nicht nur für jene Bundesministerien (einschließlich der ihnen nachgeordneten Einheiten) gilt, deren Geschäftsführung vom ersuchenden Ausschuss überprüft werden soll, sondern auch für öffentliche Ämter, die von Verfassungs wegen niemals den Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung bilden dürfen, wie weisungsfreie Verwaltungsbehörden, Gerichte, aber auch (andere) Organe der Gesetzgebung des Bundes und der Länder. Art 53 Abs 3 B-VG und § 25 Abs 2 VO-UA in Abhängigkeit vom jeweiligen Adressaten eines Vorlagebegehrens unterschiedlich zu interpretieren, scheint in Ermangelung diesbezüglicher Hinweise im Gesetzeswortlaut methodisch ausgeschlossen.

 

8. Wie der Oberste Gerichtshof schon einmal zur vergleichbaren Rechtslage für Untersuchungsausschüsse im Bundesland Kärnten judiziert hat, handelt es sich bei der Aktenvorlagepflicht nach geltendem Recht vielmehr um eine spezifische Erscheinungsform der Amtshilfe. Neben der historischen Genese der einschlägigen (Verfassungs-) Bestimmungen spricht für diese – auch von der überwiegenden Lehre geteilte – Einschätzung vor allem ihr systematischer Zusammenhang mit den unmittelbar davor geregelten Beweiserhebungsersuchen.

 

9. Aus dieser Nahebeziehung ergibt sich ein schlüssiges Gesamtkonzept für das Beweisverfahren von Untersuchungsausschüssen: Solche Ausschüsse können im Gefolge des jeweiligen Einsetzungsbeschlusses die zur Erfüllung ihres Auftrages erforderlichen Beweise entweder selbst durch Ladung und Einvernahme von Auskunftspersonen und Sachverständigen erheben, zu diesem Zweck aber auch die Gerichte und andere Behörden in die Pflicht nehmen. Diese haben allerdings nach den für Untersuchungsausschüsse maßgeblichen Bestimmungen vorzugehen und bleiben daher im Wesentlichen ebenfalls auf die Ladung und Einvernahme von Auskunftspersonen und Sachverständigen beschränkt; die Beischaffung von Urkunden ist ihnen verwehrt. Haben diese öffentlichen Ämter jedoch im Zuge früherer, zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben geführten Verfahren themeneinschlägige Beweise erhoben, soll der Untersuchungsausschuss auf diese beim Staat bereits vorhandenen Unterlagen zurückgreifen können, selbst wenn diese unter Anwendung weitergehender Zwangsmittel (wie etwa einer Hausdurchsuchung, einer Beschlagnahme und dgl) erhoben wurden. Insoweit trägt die geltende Rechtsordnung in gewisser Weise auch zur – vielfach geforderten – Subsidiarität der politischen Kontrolltätigkeit gegenüber Verfahren von Gerichten und Verwaltungsbehörden mit ähnlichem Themenbezug bei.

 

10. In konsequenter Umsetzung dieses vom (Verfassungs-)Gesetzgeber verfolgten Konzepts und des dahinter stehenden Amtshilfegedankens treten einander Untersuchungsausschuss und ersuchte Stelle bei der Abklärung des Umfangs der Aktenvorlagepflicht freilich niemals als Kontrollor und Kontrollierter gegenüber, sondern stets als gleichberechtigte staatliche Partner, die im Interesse des Gemeinwesens kooperativ an der Erhellung aufklärungsbedürftiger Sachverhalte arbeiten. Der Adressat eines Vorlagebegehrens ist somit durchaus als berechtigt (und im Anwendungsbereich von Geheimhaltungsvorschriften sogar verpflichtet) anzusehen, die zuvor andiskutierte Vorselektion durchzuführen und dem Ausschuss eigenes, investigatives Durchsuchen von nicht offensichtlich themenfremden Unterlagen vorzuenthalten. Die dadurch bedingte Reduktion des zu transferierenden Aktenvolumens dient nicht zuletzt auch dem verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip.

 

11. Um die notwendige Vertrauensbasis nicht zu gefährden, wird die ersuchte Stelle allerdings jede (auch nur teilweise) Nichterfüllung des Ausschussbegehrens nachvollziehbar begründen müssen. Wechselseitige Konsultationen zur endgültigen Abklärung des vorzulegenden Aktenvolumens – auch unter Beiziehung unabhängiger, über jeden Vertuschungsverdacht erhabener Dritter als „vertrauensbildende Maßnahme“ – scheinen zweckmäßig.

 

12. Aus dem dargelegten (Verfassungs-)Konzept ergeben sich aber auch noch weitere Konsequenzen für die Auslegung der Aktenvorlagepflicht: Zum einen brauchen öffentliche Ämter (einschließlich jener Bundesministerien, auf deren Geschäftsführung sich der Untersuchungsauftrag des Ausschusses bezieht) dem Untersuchungsausschuss keinesfalls – wie vom „BMI“-Untersuchungsausschuss verlangt – Zugang zu allen Formen von „in ihrem Haus“ vorhandenen Unterlagen gewähren. Geht es bei der Aktenvorlagepflicht nicht um die Installation eines besonderen Kontrollinstruments, sondern iS des Amtshilfegedankens in erster Linie um die Verwertung von Beweisen, die von den ersuchten Stellen im Zuge früherer Verfahren gesammelt wurden, stehen grundsätzlich nur Akten im formellen Sinn zur Disposition. Diese bieten (auch durch die damit verbundene Transparenz) zumindest regelmäßig eine gewisse Gewähr dafür, dass die in ihnen enthaltenen Informationen unter Beachtung der jeweils maßgeblichen Ermittlungsvorschriften und unter der Kontrolle der jeweils zuständigen Rechtsschutzinstanzen erhoben wurden. Zum anderen scheint es ausgeschlossen, dass ein Untersuchungsausschuss mittels eines Vorlagebegehrens von öffentlichen Ämtern die Vornahme aktiver Ermittlungsschritte verlangt (etwa in Form der Anforderung sämtlicher Unterlagen, die sich auf bestimmte Mitarbeiter/innen des kontaktierten Bundesministeriums beziehen, einschließlich ihres jeweiligen elektronischen Briefverkehrs). Solche zusätzlichen Ermittlungen können vom Ausschuss nur in Form eines Beweiserhebungsersuchens in Auftrag gegeben werden, bei dessen Erfüllung die beauftragten Gerichte und Behörden an die für das Beweisverfahren der Untersuchungsausschüsse selbst maßgeblichen Vorschriften gebunden sind.

 

13. Schließlich besteht aber auch eine Verpflichtung der ersuchten öffentlichen Ämter, ein an sie adressiertes Vorlagebegehren auf seine Vereinbarkeit mit den sie treffenden Verschwiegenheitspflichten zu überprüfen. Dieser Gedanke, den der Oberste Gerichtshof in seiner bereits erwähnten Entscheidung zum Untersuchungsrecht des Kärntner Landtages insoweit effektuiert hat, als er die Verweigerung der Vorlage von Akten eines laufenden Strafverfahrens aus Gründen der Amtsverschwiegenheit für gerechtfertigt ansah, verdient auch im Zusammenhang mit den Grundrechten auf Datenschutz sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens Beachtung. Die ersuchte Stelle hat demnach vor ihrer Entscheidung über die Befolgung eines Vorlagebegehrens zu beurteilen, ob das Interesse des Untersuchungsausschusses an der Aktenübermittlung das (öffentliche oder private) Interesse an der Geheimhaltung der darin enthaltenen Informationen übersteigt, und – wenn dies nicht zutrifft – die Vorlage ganz oder teilweise zu verweigern.

 

14. Stehen die angeforderten Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag des Ausschusses, wird die angesprochene Interessenabwägung naturgemäß in der Regel zugunsten des parlamentarischen Untersuchungsrechts auszufallen haben. Das öffentliche Interesse an der Aktenübermittlung geht freilich mit abnehmender Bestimmtheit des Untersuchungsauftrages ebenfalls zurück. Abgesehen davon, dass der Verzicht auf eine ausreichende Präzisierung des Überprüfungsgegenstandes sogar die Frage nach der (Teil-)Nichtigkeit des vom Nationalrat gefassten Einsetzungsbeschlusses aufwerfen könnte, macht es jedenfalls aus Sicht der diversen Verschwiegenheitspflichten sehr wohl einen Unterschied, ob die Weitergabe personenbezogener Daten zwecks Aufklärung eines konkreten Verdachtsfalles verlangt wird oder ob diese bloß dazu dienen soll, vermutete weitere Missstände aufzudecken. Dies gilt umso mehr, wenn das Vorlagebegehren sog „sensible“, dh besonders schutzwürdige Daten betrifft, wie sie etwa in einem Personalakt enthalten sind; dass auch die Parteizugehörigkeit als Teil der „politischen Meinung“ iS von § 4 Z 2 DSG 2000 zu dieser Datenkategorie gehört und durch die Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union zusätzlichen Schutz erfährt, sei nur am Rande erwähnt. Während die Übermittlung der Personalakten in jenen konkreten Verdachtsfällen, die im Einsetzungsbeschluss des „BMI“-Untersuchungsausschusses angesprochen werden, jedenfalls zulässig scheint, stößt die pauschale Anforderung geradezu aller Personalakten der in Missbrauchsverdacht geratenen Bundesministerien vor diesem Hintergrund auf erhebliche Bedenken.

 

15. Überlegenswert scheint überdies, ob nicht durch die Vornahme von Anonymisierungen die Rückführbarkeit von Informationen auf bestimmte oder bestimmbare Personen vermieden werden kann, ohne die Arbeit des Untersuchungsausschusses unzumutbar zu beeinträchtigen.

 

Linz, 17. April 2008

Univ.-Prof. Dr. Andreas Janko


Anlage 2

 

                                                          o.Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer

R e c h t s g u t ä c h t l i c h e

S t e l l u n g n a h m e

                                                                                 21. April 2008

 

zu dem an das Bundesministerium für Inneres gerichteten Ersuchen um Vorlage bestimmter Akten

 

 

Mit Schreiben vom 17. März 2008 hat die Parlamentsdirektion des Bundesministerium für Inneres um möglichst umgehende Vorlage zahlreicher Beweismittel ersucht. Die daraus resultierende Verpflichtung zur Vorlage von Akten soll in der Folge anhand der angefragten Personalakten und anhand der angefragten Vergabeverfahrensakten näher untersucht werden. Zum Gegenstand liegt eine vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der Parlamentsdirektion verfasste Stellungnahme vom 10. April 2008 vor („Stellungnahme Siess- Scherz“), die in der Folge mitberücksichtigt wird.

 

I. Sachverhalt

 

Der Nationalrat hat am 3. März 2008 "die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten" (129/GO 23. GP) beschlossen. Im Einsetzungsbeschluss werden mehr als dreißig Themen ("Aufklärung, ob...") als Untersuchungsgegenstände bestimmt. Der Untersuchungsauftrag lautet, der Ausschuss solle "im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämtliche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeit prüfen".

 

Am 14. März 2008 hat der konstituierte Untersuchungsausschuss einen umfangreichen Beweisbeschluss gefasst, der die Untersuchungsgegenstände zu acht Beweisthemen gruppiert, zu den einzelnen Beweisthemen die Ladung von Auskunftspersonen vor2 sieht und in mehr als sechzig Punkten die Vorlage von Akten ("sämtliche Akten ... im Zusammenhang mit ...") vorsieht. Eine Tabelle (Abschnitt C des Beweisbeschlusses) ordnet diese (aktenmäßigen) Beweismittel den einzelnen Beweisthemen zu. Mit dem erwähnten Schreiben der Parlamentsdirektion wird das Bundesministerium für Inneres unter Beischluss der Liste der Beweisthemen um Vorlage der pauschal angesprochenen "Akten" ersucht.

 

II. Aktenvorlage als besonders geregelte Amtshilfe

 

Gemäß Art 53 Abs 3 B-VG sind die Gerichte und alle anderen Behörden verpflichtet, dem Ersuchen von Untersuchungsausschüssen um Beweiserhebungen Folge zu leisten; alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen. In § 25 der einen Bestandteil des Geschäftsordnungsgesetzes bildenden Verfahrensordnung wird unter der Überschrift "Rechtshilfe und Aktenvorlage" bestimmt:

(1)    Die Gerichte und alle anderen Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen von Untersuchungsausschüssen um Beweiserhebungen im Rahmen der Befugnisse des Untersuchungsausschusses Folge zu leisten. Hiebei haben sie die vorstehenden Bestimmungen anzuwenden.

(2)    Alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen.

 

Im Prinzip handelt es sich um eine Art von Amtshilfe (Rechtshilfe). Dies wird nicht nur aus der Überschrift "Rechtshilfe" deutlich, sondern auch aus dem Umstand, dass alle öffentlichen Ämter – also auch solche, die der Geschäftsführung der Bundesregierung nicht zuzuordnen sind – zur Aktenvorlage verpflichtet werden. Die Erörterungen im Fachschrifttum differieren nur in begrifflichen Nuancen ("Amtshilfeleistungen" kraft Sonderbestimmung: Wiederin in Korinek/Holoubek, Hg, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, zu Art 22 B-VG Rz 25 m.Anm 97; in der Unanwendbarkeit des Art 22 B-VG begründete "Sonderbestimmung": Kahl in Korinek/ Holoubek, aaO zu Art 53 B-VG Rz 17). An der grundsätzlichen Pflicht des Bundesministers für Inneres – wie jedes öffentlichen Amts - zur Leistung von Amtshilfe in der Form der Aktenvorlage ist daher nicht zu zweifeln.

 

III. Schranken der Pflicht zur Amtshilfe (Aktenvorlage)

 

Eine Verpflichtung zur Vorlage besteht gleichwohl nicht schrankenlos:

-       Zum einen ist die Berechtigung eines Untersuchungsausschusses, Akten zu verlangen, durch seine Befugnisse beschränkt (IV.).

-       Zum anderen ist die Befugnis eines angefragten öffentlichen Amts zur Vorlage von Akten durch gegenläufige Verfassungsbestimmungen beschränkt (V.).

 

Im vorliegenden Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Verfahrensordnung differenzierende Bestimmungen über die Grenzen der Aussagepflicht von Auskunftspersonen enthält (§§ 5 ff); darunter findet sich die Befugnis des Ausschusses, die Aussage von öffentlich Bediensteten mit Zweidrittelmehrheit auch dann zu verlangen, wenn diese nicht von der Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit entbunden werden (§ 6). Diese Regeln beziehen sich jedoch nicht auf das Verlangen zur Aktenvorlage (§ 25). Vor allem können die einfachgesetzlichen Bestimmungen der Verfahrensordnung nicht von der Maßgeblichkeit von Verfassungsbestimmungen, die einer Aktenvorlage im Einzelfall entgegen stehen, dispensieren.

 

IV. Der Umfang der Befugnisse des Untersuchungsausschusses

 

1. Geschäftsführung der Bundesregierung:

 

Gemäß Art 53 B-VG eingesetzte Untersuchungsausschüsse sind nur zur Untersuchung der Geschäftsführung der Bundesregierung, ihrer Mitglieder (Bundesminister) und der ihrer Ingerenz unterworfenen Einrichtungen der Vollziehung befugt. Dies ist einhellige Lehre (vgl nur Kahl aaO Rz 10) und muss hier nicht vertieft werden. Die zahlreichen damit verbundenen Abgrenzungsfragen (zB Landesverwaltung, unabhängige Verwaltungseinrichtungen) müssen hier nicht erörtert werden.

 

Von Bedeutung ist allerdings, dass in den gegenständlichen Beschlüssen verschiedentlich von "Kabinetts" bzw "Ministerbüros" ("KBM") die Rede ist. Dazu ist festzuhalten, dass Bundesminister nicht nur obersten Organe, sondern auch Parteipolitiker sind. Parteipolitische Aktivitäten (Pressekonferenzen, Klubvorlagen, Reden, sonstige Kommunikation) sind nicht Bestandteil der Geschäftsführung der Bundesregierung, werden jedoch in denselben Ministerbüros bearbeitet, die auch Stäbe" im Sinn der ministeriellen Stab-Linienorganisation sind. Parteipolitische Aktivitäten von Bundesministern zählen nicht zur "Geschäftsführung der Bundesregierung". Personalakten betreffend öffentlich Bedienstete, die in einem Ministerium oder in einem im Ressortbereich unterstellten Amt (Art 77 Abs 1 B-VG) geführt werden, sind Angelegenheiten der Geschäftsführung der Bundesregierung (Art 21 Abs 3 B-VG). Akten über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die in einem Ministerium oder in einem im Ressortbereich unterstellten Amt geführt werden, sind Angelegenheiten der Geschäftsführung der Bundesregierung; anders wäre die Geschäftsführung des als unabhängig eingerichteten Bundesvergabeamts zu sehen.

 

2. Einsetzungsbeschluss

 

Der Einsetzungsbeschluss des Nationalrats hat den "Gegenstand der Untersuchung" und den "Untersuchungsauftrag" (§ 33 Abs 1 GOG) zu enthalten, er hat den "genauen Prüfungsgegenstand ... festzulegen", "dem Einsetzungsbeschluss kommt mithin zuständigkeitsbegründende und –abgrenzende Wirkung zu" (Kahl aaO Rz 11 mwN). Der Einsetzungsbeschluss zählt mehr als dreißig Punkte auf, die vom Ausschuss "insbesondere" zu behandeln sind. Das "insbesondere" ist als nicht beigesetzt zu werten, da der Ausschuss nicht befugt ist, seine Zuständigkeit mit Analogieüberlegungen zu erweitern. Dem Untersuchungsauftrag zufolge sind alle diese Sachverhalte "auf rechtliche und politische Verantwortlichkeit" zu prüfen. Hier sollen vor allem die für Personalakten und Vergabeakten relevanten Punkte hervorgehoben werden. Gegenstände bilden (Pkte 25, 26 und 20):

-       Aufklärung, ob im Bereich des BMI, aber auch in anderen Bundesministerien wie dem BMLV bei der Vergabe von Posten ab dem Jahr 2000 der ÖVP nahe stehende Personen systematisch bevorzugt wurden;

-       Aufklärung, welche Rolle dabei [also bei Zutreffen der Annahme, dass der ÖVP nahe stehende Personen systematisch bevorzugt wurden] bestimmte Personen gespielt haben;

-       Aufklärung, ob es im Bereich des Vergabewesens zu unzulässigen Interventionen aus dem KBM gekommen ist. Gegenstände, die hier relevant sind, bilden also nicht "alle Personalentscheidungen", sondern Anhaltspunkte für das Vorliegen einer systematischen Bevorzugung, sowie nicht "alle Vergabeentscheidungen", sondern Anhaltspunkte für unzulässige Interventionen in Vergabesachen.

 

3. Beweisbeschluss

 

Gemäß den §§ 1 und 2 der Verfahrensordnung erhebt der Untersuchungsausschuss die für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags gebotenen Beweise auf Grund von Beweisbeschlüssen. In diesen sind die Tatsachen, über welche der Beweis zu erheben ist, genau zu bezeichnen. Der Untersuchungsausschuss hat also nicht "irgendwelche" Beweise zu beschließen, sondern solche, die zur Erfüllung des vom Nationalrat beschlossenen Untersuchungsauftrags geboten sind. Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass nicht alles erheblich ist, was sich in irgendeinem Personalakt oder in irgendeinem Vergabeverfahrensakt findet, insbesondere nicht die Bewerbungen bzw die Angebote als solche, sondern

●      im Bereich "Besetzungen": ausschließlich Dokumente, die für die Auswahlentscheidung relevant sind,

●      im Bereich "Auftragsvergaben": Dokumente, in denen (unzulässige) Interventionen ihren Niederschlag gefunden haben (zB Schriftwechsel, Aktenvermerke). Soweit ein Beweisbeschluss diesen Rahmen übersteigt, ist er nach allgemeiner Auffassung mangels "Fehlerkalküls" absolut nichtig, also unbeachtlich und nicht verbindlich (grundlegend Mayer in Mayer/Platzgummer/Brandstetter, Untersuchungsausschüsse und Rechtsstaat, 1989, 10, 14 ff, 22; vgl zuletzt Strasser in Machacek/Matscher-FS, 2008, 455, 456 und 457 f mwN).

 

4. Beweismittel

 

Der Untersuchungsausschuss hat eine Liste von mehr als sechzig Beweismitteln beschlossen und diese den Beweisthemen zugeordnet. Darin werden dem Themenbereich "Besetzungen" die Beweismittel 13, 40 und 59 und dem Themenbereich "Auftragsvergaben" die Beweismittel 30, 31, und 32 zugeordnet.

 

a) Besetzungen

Das Beweismittel 13 – die Beweismittel 40 und 59 betreffen in paralleler Weise andere Bundesministerien – ist wie folgt formuliert:

"Sämtliche Akten, Personalakten, Bewerbungsunterlagen, Empfehlungen, Dokumente, Aktenvermerke, Entscheidungen, schriftliche Weisungen, Sprechzettel, Erlässe, Berichte, Korrespondenzen (inklusive intra- und interministeriellem und elektronischem Schriftverkehr), Empfehlungen der Bestellungskommission und sonstige Unterlage im Zusammenhang mit der Vergabe von Posten seit dem Jahr 2000, welche den Bundesministern für Inneres oder den Angehörigen der Ministerbüros vorgelegt wurden bzw an deren Entscheidung die Genannten formell bzw informell beteiligt waren".

 

Diese Beweismittel sollen, wie erwähnt, der Aufklärung dienen, ob im Bereich des BMI bei der Vergabe von Posten ab dem Jahr 2000 der ÖVP nahe stehende Personen systematisch bevorzugt wurden. Es sind daher nicht "sämtliche Akten ..." vorzulegen, auch nicht sämtliche Personalakten. Selektionskriterium hat zu sein,

●      - ob eine Personalentscheidung dem Bundesminister/der Bundesministerin oder einem Angehörigen des Ministerbüros vorgelegt wurde oder

●      - ob eine solche Person an einer Personalentscheidung (sonst wie) "beteiligt" war.

 

Weiters müssen solche Vorgänge einen Niederschlag in einem aktenförmig festgehaltenen Schriftstück gefunden haben. Elektronischer Schriftverkehr ist nur relevant, wenn er in einen Akt Eingang gefunden hat (arg. "Aktenvorlage"). Schließlich werden für die Themenstellung "systematische Bevorzugung" nur Schriftstücke beurteilungserheblich sein können, die entweder auf eine bestimmte Willensbildung der Bestellungskommission einwirken sollten oder die nach dem Vorliegen der Empfehlung der Bestellungskommission von deren Vorschlag abweichen. Dagegen können "Bewerbungsunterlagen" der Personen, die sich um einen "Posten" beworben haben, oder auch "Personalakten" von öffentlich Bediensteten, die sich um einen "Posten" beworben haben, nicht beweisrelevant sein.

 

Der Beweisbeschluss übersteigt daher Untersuchungsgegenstand und Beweisthema und ist in diesem Umfang unbeachtlich.

 

b) Auftragsvergaben

Die Beweismittel 30 bis 32 lauten wie folgt:

"Sämtliche Akten, Dokumente, Aktenvermerke, Verträge, Vorverträge, Entscheidungen, schriftliche Weisungen, Sprechzettel, Erlässe, Berichte, Korrespondenzen (inklusive intra- und interministeriellem und elektronischem Schriftverkehr) und sonstige Unterlagen

●      - im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für den Umbau der NS-Gedenkstätte Mauthausen.

●      - im Zusammenhang mit der Bewilligung von Schießständen bei Tulln.

●      - im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für den Behördenfunk, Projekt Adonis und "Digitalfunk BOS Austria".

 

Diese Beweismittel sollen der Aufklärung dienen, ob es im Bereich des Vergabewesens zu unzulässigen Interventionen aus dem KMB gekommen ist.

 

Die erwähnte Z 31 spricht im Zusammenhang mit den Schießständen Tulln von einer "Bewilligung". Dies könnte dafür sprechen, dass es sich nicht um ein "Vergabeverfahren" gehandelt hat. Diesfalls wäre der Beweismittelbeschluss nicht durch den Untersuchungsgegenstand (Beweisthemen) gedeckt und daher unbeachtlich. Im Übrigen sollen die Beweismittel dem Auffinden von(unzulässigen) Interventionen dienen. Vorzulegen sind daher nicht "sämtliche Akten ...", insbesondere nicht die von den Bietern oder Bewerbern eingebrachten Unterlagen, sondern nur aktenförmig festgehaltene Schriftstücke, die Interventionen (Wünsche, Anfragen) von Mitarbeitern des Kabinetts zum Ausdruck bringen, seien dies vom Ministerbüro ausgehende Schriftstücke, seien dies Aktenvermerke der das Vergabeverfahren führenden Amtswalter über Interventionen von Mitarbeitern des Ministerbüros oder ein sonstiger Schriftwechsel, der Wünsche oder Anfragen von Mitarbeitern des Kabinetts widerspiegelt.

 

Die Beweismittelumschreibung lässt insoweit eine mit dem Untersuchungsgegenstand konforme Auslegung und Handhabung zu.

 

5. Beurteilungskompetenz

 

Die Zuständigkeit zur Beurteilung, ob ein Aktenvorlageersuchen durch den Untersuchungsgegenstand und den darauf bezogenen Beweismittelbeschluss gedeckt ist, liegt unzweideutig beim ersuchten öffentlichen Amt. "Ob ein Ausschussersuchen eine Pflicht zur Aktenvorlage begründet oder aber absolut nichtig ist, hat die ersuchte Behörde zu prüfen; kommt diese zum Ergebnis, dass das 'Ersuchen' eines Ausschusses dessen Kompetenz überschreitet ..., so ist das Ersuchen abzulehnen" (Mayer aaO). Ähnlich formuliert Widder (in Schäffer, Hg, Untersuchungsausschüsse, 1995, 27, 59): "Im Lichte der bisherigen Ausführungen wird dieses Recht, eine qualifizierte Amtshilfe anderer Ämter und Behörden in Anspruch zu nehmen, allerdings durch den verfassungsrechtlich zulässigen Inhalt und Umfang des Untersuchungsgegenstandes beschränkt, Akten, die in keinem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehen oder die dessen Grenzen überschreiten, dürfen deshalb auch nicht eingefordert werden bzw brauchen auch nicht vorgelegt werden. Werden aber dennoch derartige unzulässige Verlangen gestellt, hat die Behörde, an die sich solche Verlangen richten würden, diese mangels anderer Kontroll- oder Rechtsschutzgarantien als absolut nichtig zurückzuweisen". Im gleichen Sinn hat sich im Zusammenhang mit früheren Untersuchungsausschüssen der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts geäußert. Mit einer anderen Begründung kommt jüngst auch Strasser (aaO 464) zu dieser Feststellung, wenn er einem Gutachten von Funk bezüglich der Beurteilungskompetenz des Ausschusses entgegen hält, dass sich die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses auch von (partei-)politischen Interessen und Zielen leiten lassen, sodass der Ausschuss zur Gewährleistung des aus Art 8 und 13 EMRK hervorgehenden Erfordernisses effizienten Rechtsschutzes nicht geeignet sei. (Freilich gründet dieser Ansatz auf der Annahme Strassers, dass Aussageverweigerung und Aktenvorlage "synchron" zu beurteilen seien, was in Anbetracht der differenten Regelungen nicht zutrifft).

 

V. Gegenläufige Verfassungsbestimmungen

 

Die sich aus der Verfassungsbestimmung des Art 53 Abs 3 B-VG ergebende grundsätzliche Pflicht zur Amtshilfe in der Form der Aktenvorlage kann dann und insoweit unmaßgeblich sein als sich aus einer anderen Verfassungsbestimmung eine entgegengesetzte Anordnung ergibt.

 

1. Amtsverschwiegenheit

Die Stellungnahme Siess-Scherz geht davon aus, dass einem Aktenvorlageersuchen nicht das in Art 20 Abs 3 B-VG geregelte Gebot zur Amtsverschwiegenheit entgegen gehalten werden kann. Die Frage ist seit jeher mit der Problematik belastet, dass es sich beim Bundesminister für Inneres nicht um ein vom Nationalrat bestelltes Organ handelt. Aber selbst wenn man den letzten Satz des Art 20 Abs 3 B-VG "aktualisierend" interpretieren wollte oder ihm Art 53 Abs 3 B-VG als lex specialis gegenüberstellen wollte, bedürfte die Frage im Detail jedenfalls noch näherer Untersuchung. Beispielsweise dürften bestimmte Unterlagen einem nach Art 52a B-VG eingerichteten Ausschuss vorbehalten sein und unterliegen sie jedenfalls den

Schranken des Art 52a Abs 2 Satz 2 B-VG. An dieser Stelle muss darauf nicht näher eingegangen werden, da sich in Bezug auf Personalakten und Vergabeverfahrensakten aus dem Grundrecht auf Datenschutz weitergehende Anforderungen ergeben.

 

2. Datenschutz

Die Stellungnahme Siess-Scherz kommt in Übereinstimmung mit dem Fachschrifttum zu der Beurteilung, dass die Verfassungsbestimmung des Art 53 Abs 3 B-VG und die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG (wie sie es nennt) "kumulativ" zur Anwendung

kommen. Nach § 1 Abs 1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht; ein solches ist ausgeschlossen, wenn Daten allgemein verfügbar sind oder nicht auf den Betroffenen rückführbar sind (zB Anonymisierung, Aggregierung). § 1 Abs 2 DSG bestimmt:

Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetzen dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrechte jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Es ist nicht strittig, dass Namen von Personen im Zusammenhang mit ihren Bewerbungen um "Posten" bzw als Bieter oder Bewerber in Vergabeverfahren personenbezogene Daten sind und in dieser spezifischen Kombination nicht allgemein verfügbar sind (vgl Duschanek in Korinek/Holoubek aaO zu § 1 DSG, Rz 39 ff; Jahnel in FS Schäffer, 2006, 313, 321 f). Bei Unternehmen gelten nach der Judikatur auch unternehmensspezifische Daten als personenbezogene Daten (VfSlg 12.289/1989 ua). Ebenso wie das übermittelnde öffentliche Amt ist auch der ermittelnde Parlamentsausschuss eine "staatliche Behörde" im Sinn dieser Verfassungsbestimmung (tatsächlich unterscheidet auch die EG-Richtlinie 95/46/EG, deren Umsetzung das DSG 2000 dient, nicht nach Staatsfunktionen). Ein Verlangen nach Vorlage von Akten, die (schutzwürdige) personenbezogene Daten beinhalten, ist daher ein "Informationseingriff" (vgl nur Duschanek aaO Rz 57).

 

Die parlamentarische Kontrolle über die Verwaltung bildet grundsätzlich ein öffentliches Interesse im Sinn von Art 8 Abs 2 EMRK, sie ist gesetzlich vorgesehen. Von grundrechtlicher Bedeutung sind allerdings die in der Judikatur entwickelten Grundsätze der "Bestimmtheit" des Informationseingriffs und der Zweckbindung (zB VfSlg 16.369/2001, 16.467/2002). Die Bestimmtheit wird im vorliegenden Zusammenhang durch den Untersuchungsgegenstand gemäß dem Einsetzungsbeschluss des Nationalrats geprägt. Auf dieser Basis muss kein Bewerber um einen Posten und kein Bieter oder Bewerber um einen öffentlichen Auftrag damit rechnen, dass seine personenbezogenen Daten einer andere Stelle offen gelegt werden als jener, bei der er/sie seine/ihre Bewerbung abgegeben hat, auch nicht einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Etwas anderes mag für jene Personen gelten, die – mit ihrem Willen – ernannt oder sonst wie bestellt werden oder mit denen letztlich die ausgeschriebene Leistung vereinbart wird: Wer ein solches Rechtsverhältnis eingeht, muss damit rechnen, dass seine/ihre personenbezogenen Daten jenen Stellen offengelegt werden, die zu einer Kontrolle des betreffenden Ernennungsvorgangs oder Vergabevorgangs befugt sind. Für diesen Personenkreis ist in der Aktenvorlagepflicht grundsätzlich eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage zu sehen. Schließlich ist – gerade auch bei Normkollisionen zwischen verfassungsrechtlichen Bestimmungen – die Vorrangregel des letzten Satzes § 1 Abs 2 DSG zu beachten: "Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrechte jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden." Wenn es also eine Möglichkeit gibt, den Informationseingriff zu minimieren, muss diese Möglichkeit genutzt werden. Das bedeutet zB, dass selbst insoweit, als Namen (nicht zum Zug gekommener) Bewerber in einem dem Ausschuss vorzulegenden Vorschlag enthalten sind, diese unkenntlich gemacht werden müssen, wenn das den Informationseingriff legitimierende öffentliche Interesse nur auf die Offenlegung von Interventionen gerichtet ist. Jahnel (aaO 337) zitiert die Entscheidung DSK 23. 3. 2001, K210.380/001-DSK/2001, wonach schon die Offenlegung des Geburtsdatums unverhältnismäßig ist, wenn dies der legitime Zweck des Informationseingriffs nicht erfordert.

 

Nicht ausreichend ist eine Allgemeinbestimmung von der Art des Art 53 Abs 3 B-VG in Verbindung mit der Festlegung eines Untersuchungsgegenstandes in Bezug auf die Offenlegung "besonders schutzwürdiger" personenbezogener Daten. Als solche definiert § 4 Z 2 DSG – in Übereinstimmung mit Art 8 Abs 1 der EG-RL – "Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben". Soweit Informationseingriffe derartige Daten (mit-)erfassen, bedürfte es eines "wichtigen" öffentlichen Interesses, wie es in "normalen" Aktenvorlageersuchen eben nicht zum Ausdruck kommt. In der Stellungnahme Siess-Scherz wird dazu nur ganz allgemein und vorsichtig zurückhaltend festgehalten, dass die Übermittlung sensibler Daten zulässig sein kann, wenn dies erforderlich ist, den parlamentarischen Prüfauftrag zu erfüllen. Im konkreten Fall fehlt es jedoch meines Erachtens an jedem in diese Richtung gehenden Anhaltspunkt. Dazu kommt, dass die verfassungsrechtlich geforderten "angemessenen Garantien" nicht bestehen. Die Stellungnahme Siess-Scherz nimmt in diesem Zusammenhang auf § 310 Abs 2 StGB Bezug. Dazu ist festzuhalten, dass der EGMR im Fall Camenzind (ÖJZ 1998, 797) strafrechtliche Bestimmungen nicht als die im Sinn von Art 8 in Verbindung mit Art 13 EMRK erforderlichen Garantien akzeptiert hat. Es ist zu vermuten, dass Bewerbungsunterlagen auch Angaben über die Zugehörigkeit zu Verbänden und Vereinigungen enthalten, die zumindest Rückschlüsse auf Neigungen und Präferenzen des Betreffenden ermöglichen, sodass es sich insgesamt um die Offenlegung von sensiblen Daten handelt. Die Übermittlung von Akten, die auch sensible Daten umfassen, wäre beim derzeitigen Stand der Dinge mit Art 8 EMRK nicht vereinbar.

 

3. Beurteilungszuständigkeit

Quis iudicabit? In der Stellungnahme Siess-Scherz wird völlig richtig festgehalten, "dass von der zur Aktenübermittlung aufgeforderten Behörde eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, bei der das öffentliche Interesse an der Untersuchung gegen das private Interesse an der Geheimhaltung personenbezogener Daten abzuwägen ist". Dies entspricht der Lehre (vgl nur Duschanek aaO Rz 57 mwN) und kann in Amtshilfekonstellationen uch gar nicht anders sein.

 

In ihren letzten beiden Absätzen bringt die Stellungnahme Siess-Scherz richtig zum Ausdruck, dass "auch im Bereich der Gesetzgebung der Datenschutz der Betroffenen zu beachten ist". Dies dürfte, Medienberichten zufolge, verschiedentlich dahin missverstanden worden sein, dass der Untersuchungsausschuss über die Frage des Datenschutzes zu entscheiden habe. Das wäre verfehlt: Das Bundesministerium für Inneres ist Übermittler und hat daher die Zulässigkeit der Übermittlung zu prüfen. Der Ausschuss ist Empfänger. Die Stellungnahme Siess-Scherz bringt nur treffend zum Ausdruck, dass auch der Empfänger Geheimhaltungspflichten unterliegt; es gehen aber nicht die den Übermittler treffenden Prüfpflichten auf den Empfänger über.Insgesamt ist daher – mit der Einschränkung, dass die Frage der sensiblen Daten zu "großzügig" gesehen wurde – der Stellungnahme Siess-Scherz durchaus beizutreten.

 

VI. Ergebnis

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass grundsätzlich alle vom Untersuchungsausschuss angesprochenen Akten vom Bundesminister für Inneres zu übermitteln sind. Sie sind jedoch vom Bundesminister für Inneres darauf hin zu prüfen,

●      - ob sie dem Untersuchungsgegenstand und dem Beweisbeschluss dienen und

●      - ob die Übermittlung – ganz oder zum Teil – insbesondere mit den in der Verfassungsbestimmung des § 1 DSG verankerten Regeln vereinbar ist.

 

Diese Prüfung kann ergeben, dass angeforderte Akten im Einzelfall nicht oder nur teilweise zu übermitteln sind und übermittelt werden dürfen. Aus der spezifischen datenschutzrechtlichen Vorrangregel für die Geheimhaltung kann sich im Einzelfall ergeben, dass Akten, die zu übermitteln sind, nur in einer Weise bzw Form vorgelegt werden dürfen, die in Bezug auf personenbezogene Daten Geheimhaltungserfordernisse wahrt.

 

 


Gutachen Prof. Dr. Raschauer

Fragestellungen

 

Gegenstand der Untersuchung

 

1. Insofern der Beweisbeschluss nicht zielgerichtet auf den Untersuchungsgegenstand gerichtet ist (etwa Punkte 4, 6 oder 7 des Vorlageverlangens), könnte dies dem verfassungsrechtlichen Effizienzgebot widersprechen? Ist eine um Aktenvorlage ersuchte Behörde im Hinblick auf das Gebot einer ausreichenden Determinierung verpflichtet, diesem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn dieses etwa auch entgegen der Regelung des § 2 Abs. 1 der VA-UA unbestimmt ist? Welche Rahmenbedingungen sind gegebenenfalls zu beachten, damit ein solches Vorlageersuchen als ausreichend bestimmt zu qualifizieren ist?

 

2. Gegenstand des UA kann nur die Geschäftsführung der BReg bzw. eines BM sein. Was fällt überhaupt unter diesen Begriff? Fallen auch Tätigkeiten im Rahmen einer politischen Funktion oder allenfalls Tätigkeiten in Vollziehung von dem Wirkungsbereich anderer Bundesministerien zugeordneten Rechtsmaterien darunter? Fallen auch formlose Erkundigungen oder bloße Faktizitäten, die in der Folge nicht Eingang in das Verwaltungshandeln gefunden und/oder keinen Einfluss auf das Ergebnis hatten, darunter? Werden Akten vorgelegt, die nicht der Geschäftsführung der BReg oder eines Ministers zuzuordnen sind, zieht das Rechtsfolgen nach sich? Wenn ja, für wen und welche?

 

Auskunft von Beamten/Vertragsbediensteten

 

3. Ist der Begriff des Beamten gemäß § 4 Absatz 3 VO-UA mit jenem des § 6 leg. cit. deckungsgleich oder besteht ein Sonderregime für Vertragsbedienstete?        

 

4. Hinsichtlich des § 6 VO-UA: Ist im Falle, dass seitens der Dienstbehörde um Wahrung der Vertraulichkeit ersucht worden ist, der Untersuchungsausschuss sich nicht mit zwei Drittel Mehrheit darüber hinwegsetzt, bei einer Aussage einer Auskunftsperson gemäß § 6 leg. cit. eventuell ein Bruch der Amtsverschwiegenheit gegeben? 

 

5. Umfasst der Begriff der Dienstbehörde in § 6 VO-UA auch die zuständige Personalstelle bei Vertragsbediensteten oder gilt diese Regelung nicht für Vertragsbedienstete?

 

Datenschutz

 

6. Wie weit ist das Erkenntnis des EuGH vom 20. Mai 2003, C-465/00, auch hinsichtlich der Weitergabe von Daten an den Untersuchungsausschuss von Bedeutung, wenn in dieser Entscheidung festgehalten wird, dass der Eingriff in die Privatsphäre, der mit der Anwendung einer nationalen Regelung verbunden ist, durch die ein staatliches Kontrollorgan zur Erhebung und Weitergabe von Daten verpflichtet wird, nur dann nach Art 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt werden kann, wenn die Offenlegung im Hinblick auf das Ziel sowohl notwendig als auch angemessen ist? Inwieweit ergeben sich im Hinblick auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, diesbezügliche Besonderheiten?

 

7. Inwieweit ist bei Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss insbesondere auf die im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen des § 1 DSG 2000 Bedacht zu nehmen, um schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen von Betroffenen zu wahren? Wen trifft die Beurteilungspflicht? Kann dadurch die Auskunftspflicht bei Aussagen entsprechend eingeschränkt werden und ist eine Berufung auf das Datenschutzgesetz bei einer Aussageverweigerung zulässig?

 

8. Ist bei Aktenvorlagen (beispielsweise Personalakten mit zB Gesundheitsdaten des/der Betroffenen oder Informationen über Angehörige) an den Untersuchungsausschuss das Datenschutzgesetz 2000 ebenso uneingeschränkt anwendbar und wie sind entsprechend geschützte Daten in den Akten unkenntlich zu machen? Oder durch welche anderen Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass im Falle zulässiger Beschränkungen des Geheimhaltungsinteresses der Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen wird (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Oder unter welchen konkreten Voraussetzungen ist dem Ersuchen um Aktenvorlage nicht nachzukommen? Beispielhaft sei hiezu etwa auf die Beweismittelanforderungs-Nummern 30 und 32 verwiesen, bei denen sämtliche Akten und sonstige Unterlagen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für den Umbau des NS-Gedenkstätte Mauthausen und der Auftragsvergabe für den Behördenfunk, Projekt Adonis und „Digitalfunk-BOS Austria angefordert werden.

 

9. Welche Daten von Unternehmen, die im Rahmen von Vergabeverfahren als Bewerber oder Bieter aufgetreten sind, dürfen in datenschutzrechtlicher Hinsicht und vor dem Hintergrund der Regelungen über das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, allenfalls in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen, an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss i.S.d. Art. 53 Abs. 3 B-VG übermittelt werden?

Diese Daten betreffen insbesondere:

●      Bezeichnung der Unternehmen, die Teilnahmeanträge angefordert haben;

●      Bezeichnung der Unternehmen, die Teilnahmeanträge abgegeben haben;

●      Eignungsnachweise betreffend die Befugnis, die Zuverlässigkeit und die

technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – darunter fallen beispielsweise:

Strafregisterauszüge, Sozialversicherungsauszüge, Versicherungsbestätigungen, Bericht über die Prüfung der Jahresabschlüsse, Konzernabschluss, Angaben über Unternehmens-beteiligungen, Angaben über Referenzprojekte (Name, Anschrift, Telefon der Kontakt-personen, Projektvolumen und die Beschreibung des Projektes), Konzernbestätigung, Lebensläufe der geplanten Projektmitarbeiter inkl. Zeugnisse usw., Bankerklärung, Bilanzen, Verzicht auf Absendung einer Eilnachricht vom Finanzamt, KSV-Auskunft

●      Niederschrift über die Öffnung von Teilnahmeanträgen;

●      Niederschrift über die Bewertung der Teilnahmeanträge;

●      Bezeichnung der Unternehmen, die ausgewählt wurden bzw. zur Angebotsabgabe eingeladen wurden;

Ausschreibungsunterlagen, die lediglich den zur Angebotsabgabe eingeladenen Bewerber übermittelt wurden;

●      Bezeichnung der Unternehmen, die Angebote abgegeben haben;

●      Niederschrift über die Angebotsöffnung;

●      Inhalte der Angebote (wie beispielsweise technische Lösungen oder Preise);

●      Bezeichnung der Unternehmen, mit denen Verhandlungen geführt wurden und Gegenstände sowie Ergebnisse der Verhandlungen (Verhandlungsprotokolle);

●      Niederschriften über die Bewertung der Angebote;

●      Auftragsschreiben inkl. Vertrag und sonstige Projektunterlagen mit vertraglicher Geheimhaltungsverpflichtung, wobei diese Verpflichtung u.a. dann nicht gilt, wenn eine Information aufgrund einer gesetzlichen oder behördlichen Offenlegungsoder Auskunftspflicht preiszugeben ist.

 

10. Ähnlich wie im Vergabeverfahren (vgl. Fragepunkt 9) ist die Situation bei angeforderten Personalakten:

In Personalakten finden sich Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, Familienstand, Angehörige (Kinder,…), Adresse, Telefonnummer, Führerschein, Kfz-Zulassungsdaten, Religionsbekenntnis, Hobbys, Ableistung des Zivil- oder Wehrdienstes oder Angaben zur politischen Gesinnung.

Konkret stellen sich dabei folgenden Fragen:

●      Kann der Name im Akt, wie vorgefunden, bleiben oder ist dieser zur Gänze unkenntlich zu machen ist oder sollen nur die Initialen erkennbar bleiben?

●      Wie ist mit Angaben betreffend im Verfahren als Vertreter auftretender Rechtsanwälte vorzugehen?

●      Generell stellt sich die Frage, wie diese Daten unkenntnlich zu machen sind – kann es durch Unkenntlichmachen der betroffenen Daten erfolgen oder ist der gesamte Aktenbestandteil, in dem diese Daten enthalten sind, entfernt werden?

●      Wie ist in diesen Fällen mit personenbezogenen Daten im obangeführten Ausmaß umzugehen?

●      Wie ist mit von Dritten erstellten Schriftstücken, die von einem Bewerber anlässlich seiner Bewerbung vorgelegt wurden? Wie ist diesfalls insbesondere dann vorzugehen, wenn dieses Schriftstücke vom Dritten an den Bewerber gerichtet sind?

●      Wie ist bei in Akten betreffend Postenbesetzungen enthaltenen disziplinarrechtlich relevanten Vorwürfen gegen Bewerber vorzugehen, auch wenn diese Vorwürfe im „Sand verlaufen“ sind ?

●      Generell stellt sich die Frage, wie diese Daten unkenntlich zu machen sind? Kann es durch Unkenntlichmachen der betroffenen Daten erfolgen oder muss der gesamte Aktenbestandteil, in dem diese Daten enthalten sind, entfernt werden? Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Folgeakten darauf verwiesen wird oder im Akteninhalt darauf als Beilage hingewiesen wird.

●      Wie sind erstellte Gutachten der Begutachtungskommissionen nach dem Ausschreibungsgesetz vorzulegen? Wie ist mit personenbezogenen Gutachtensinhalten umzugehen? Stellt auch die Qualifizierung eines Bewerbers mit einem Kalkül (nicht geeignet, in geringem Ausmaß geeignet, in hohem Ausmaß geeignet, in höchstem Ausmaß geeignet) ein personenbezogenes Merkmal dar, welches unkenntlich zu machen ist?

●      Bei den Zeugeneinvernahmen ergibt sich insbesondere Folgendes: Wie ist die Einhaltung der Datenschutzverpflichtung sicherzustellen? Ist der Zeuge von den erfolgten Unkenntlichmachungen zu verständigen? Wie hat der Zeuge vorzugehen wenn ihm nicht bekannt ist, ob seitens der vorlegenden Stelle eine Unkenntlichmachung vorgenommen wurde?

 

Sicherheitsbehörde/Strafjustiz

 

11. Die Sicherheitsbehörden führen in weiten Bereichen Ermittlungen im Dienste der Strafjustiz. Hier stellt sich die Frage, wie weit eine Aktenvorlage durch die Sicherheitsbehörden angezeigt ist oder den Justizbehörden vorbehalten bleibt.

 

12. Ist danach zu unterscheiden, ob die Unterlagen auf Grund von Ermittlungen aus Eigenem erfolgten oder ob es sich um Ermittlungen auf Grund eines dezidierten Auftrages einer Justizbehörde handelte?

 

13. Ist die Aktenvorlage anders zu beurteilen, wenn es sich um ein anhängiges Verfahren handelt? Ist es ausschlaggebend, in welchem Stadium sich das Verfahren, etwa noch vor der Erhebung der Anklageschrift, befindet?

 

Zusatzfragen

 

14. Ist bei der Übermittlung von Unterlagen zu berücksichtigen, dass diese – wie die Frau Präsidentin des Nationalrates angekündigt hat – in elektronischer Form und daher einfach und in großem Umfang verbreitungsfähig aufbereitet werden?

 

15. Welche Unterschiede gibt es zwischen UA und RH/VA bezüglich Verschwiegenheits- und Vertraulichkeitspflichten?

 

16. Kann der zu betreibende Verwaltungsaufwand bei Übermittlung an den UA mit jenem

nach dem AuskunftspflichtG verglichen werden?

 

17. Spielt insbesondere bei Aktenvorlagen an den UA oder bei Aussagen vor dem UA oder sonst in irgendeiner Weise - etwa bei privaten Mails oder persönlichen Briefen – das Briefgeheimnis oder das Bankgeheimnis eine Rolle?

 

18. Sind legistische Änderungen im GOG-NR bzw in der VO-UA geboten?

In diesem Zusammenhang wäre etwa neben dem rechtsstaatlichen Prinzip wohl auch an Art. 13 EMRK und nicht zuletzt an Art. 2 Abs. 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte zu denken. Letztere Norm sieht zunächst vor, dass jeder Vertragsstaat eine Beschwerdemöglichkeit für Rechtsverletzungen nach dieser Konvention einräumen muss. Weiters hat jeder Vertragssaat dafür Sorge zu tragen, dass jeder, der eine solche Beschwerde erhebt, sein Recht durch das zuständige Gerichts-, Verwaltungs- oder Gesetzgebungsorgan oder durch eine andere, nach den Rechtvorschriften dieses Staates zuständige Stelle feststellen lassen kann. Dies könnte bedeuten, dass der Gesetzgeber konventionswidrig bislang von seiner Verpflichtung Abstand genommen hat, ein Rechtsschutzverfahren in Bezug auf die Tätigkeit des UA, die ja zu Grundrechteingriffen führt (vgl. insbes. Art. 17 dieser Konvention, der dem Art. 8 MRK ähnlich ist), einzurichten. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung lassen den Schluss zu, dass nur an den in Gerichts- und Verwaltungsverfahren vorgesehenen Rechtsschutz gedacht wurde und der Gesetzgeber auf die Möglichkeit von Grundrechtseingriffen durch gesetzgeberische Tätigkeiten (wie im Falle des UA) nicht Bedacht nahm. Schlägt dieses gegebenenfalls bestehende Manko bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Aktenübermittlung oder von Aussagen vor dem UA durch?

 

19. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten stehen von solchen Datenübermittlungen Betroffenen zur Verfügung?

Welche rechtlichen Möglichkeiten bieten sich insbesondere nach der derzeitigen Gesetzeslage, die verhindern, dass Mitglieder von UA Informationen und/oder Daten, die im Falle eines vor einer Behörde durchzuführenden Verwaltungsverfahrens aus Gründen der Wahrung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Persönlichkeitsrechte und hier insbesondere des Datenschutzes oder aus sonstigen Gründen der Amtsverschwiegenheit unterliegen würden, ungeachtet des Verschwiegenheitsgebotes einzelnen Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber bekannt geben?

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen hat ein solcherart gegen ein Gebot zur Verschwiegenheit verstoßendes Mitglied eines UA zu rechnen und inwieweit stehen nach der ö. Rechtsordnung rechtliche Mittel/ Maßnahmen zur Verfügung, um ein solches Mitglied des UA zu einer rechtskonformen Vorgangsweise zu verhalten?

Welche Möglichkeiten hat eine Person, deren diesem Verschwiegenheitsgebot unterliegende Daten von einem Mitglied des UA unbeteiligten Dritten/der Öffentlichkeit gegenüber bereits bekannt gegeben wurden oder in absehbarer Zukunft bekannt gegeben werden sollen, ihren (verfassungs)gesetzlich gewährleisteten Rechtsanspruch auf Geheimhaltung/ Vertraulichkeit der Daten geltend zu machen?

 


Anmerkungen zum Dokument „Fragestellungen“

 

1.      Aus dem Effizienzgebot lassen sich meines Erachtens keine hier relevanten Schranken entwickeln. Die erforderliche Bestimmtheit ergibt sich aus der Kaskade Einsetzungsbeschluss – Untersuchungsgegenstand – Beweisbeschluss. "Sämtliche Akten ... im Zusammenhang mit ..." ist eine Formulierung, die an der Grenze der ausreichenden Bestimmtheit liegt; es ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich das Gemeinte aus dem Zusammenhang ergibt.

2.      Die "Geschäftsführung der Bundesregierung" ist eher weit und umfasst auch Erkundigungen und die Vorbereitung von Initiativen, aber nicht genuin Parteipolitisches.

3.-5. Der Umstand, dass die VerfO an einer Stelle von Beamten spricht, besagt nicht, dass nicht generell "öffentlich Bedienstete" erfasst sind. Ich schließe mich der FinProk an.

6.      Art 8 EMRK via Gemeinschaftsrecht geht wohl nicht weiter als § 1 DSG.

7.      Siehe GA. Gilt grundsätzlich auch bei Aussagepflicht; sollte aber – wenn es nicht um Fragen nach "sensiblen Daten" geht – nicht überstrapaziert werden. Siehe Einvernahme vor Gericht (StPO).

8.      Siehe GA.

9.      ME nur die Verfahrenshandlungen (Niederschriften) und der Vertrag mit jenem Unternehmen, das den Zuschlag erhalten hat.

10.    Siehe GA. ME nur Verfahrenshandlungen, Gutachten der Kommission und die Bestellung der bestellten Person (mit deren Daten).

11.    - 12. Meines Erachtens ist alles, was die Kriminalpolizei macht, Verwaltung, mit Ausnahme der Umsetzung eines gerichtlichen Befehls (zB Vorführung). Ich vermute, dass die Kriminalpolizei nach Abschluss ihrer Ermittlungen "ihren Akt" an den Staatsanwalt übergibt und die Staatsanwaltschaft und die bei ihr geführten Akten dann zum Justizressort ressortieren.

13.    Das Verfahrensstadium ist im Licht der Unschuldsvermutung selbstverständlich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von großer Bedeutung. Grundsätzlich müsste vor der Verurteilung alles geschwärzt werden, was Rückschlüsse auf die Person, gegen die ermittelt wird, zulässt. Ab Versetzung in den Anklagestand darf im Licht des justiziellen Öffentlichkeitsprinzips zugrundegelegt werden, dass eine bestimmte Person in den Anklagestand versetzt wurde.

14.    Die (vermeintliche) Rechtswidrigkeit des Verhaltens von Organen des Nationalrats entbindet nicht von Pflichten.

15.    Der RH unterliegt der Geheimhaltungspflicht (Hengstschläger), der UA nur nach Maßgabe seiner Beschlüsse. Es ist dies aber ein überaus heikles Thema.

16.    ME spielen Effizienzüberlegungen hier keine Rolle.

17.    Verlangt wird die Vorlage von Akten (Art 53 Abs 3 B-VG); Briefe und emails daher nur insoweit als sie Eingang in einen Akt gefunden haben; emails beim Papierakt in ausgedruckter Form, im elektronischen Akt kraft Aufnahme in das Aktenverzeichnis. Dann aber stellt sich die Frage, wie private Briefe oder Kontoauszüge überhaupt in den Akt gelangt sind.

18.    Jedenfalls soweit sensible Daten im Spiel stehen können, genügt die bloße Aktenanforderung nicht. Vielleicht sollte man an die Einführung einer Kontrollzuständigkeit durch die Datenschutzkommission oder durch ein (politikfernes) Gericht denken.

19.    Ich sehe eben keinen adäquaten Rechtsschutz; es gibt keinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch. Wenn ein "Schaden" dargetan werden kann, könnte man an das AHG denken (gegen den Rechtsträger der vorlegenden Behörde). In diesem Zusammenhang könnte man auch an eine Feststellungsklage nach AHG wegen drohend bevorstehender Schädigung denken. Gegen Veröffentlichung aus dem Ausschuss hilft aber nicht einmal das, da das Gericht das Handeln des Untersuchungsausschusses wohl nicht als "Vollziehung der Gesetze" qualifizieren würde. – An dieser Stelle könnte man an eine Staatshaftungsklage denken, wenn man Art 8 EMRK als mittelbaren Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sieht und einen (qualifizierten) Verstoß gegen aus dem Gemeinschaftsrecht resultierende Geheimhaltungspflichten argumentiert und ein "Schaden" dargetan werden kann.

         Im Übrigen Anzeige gemäß § 310 StGB.

 


Anlage 3

Empfehlungen der ÖVP-Fraktion

betreffend Verbesserungen der Verfahrensordnung

                                               (enthalten im ÖVP-Minderheitsbericht in 192 d.B., XXIII.GP)

 

 

Wie ein Vergleich der Verfahren des Eurofighter- Ausschusses mit den Untersuchungsausschüssen Lucona, Noricum und Milchwirtschaft zeigen, sind grundsätzlich Verbesserungen durch die Verfahrensordnung – auch bei extrem kontroversiellen Untersuchungsausschüssen – erzielt worden. Die Verfahrensordnung kann jedoch einen parteilich agierenden Vorsitzenden nicht in die Schranken weisen.

 

Im Einzelnen wären Verbesserungen der Verfahrensordnung  in folgenden Bereichen erforderlich:

 

►    Da der Untersuchungsgegenstand politisch motiviert formuliert wurde, wäre eine Überprüfbarkeit des Untersuchungsgegenstandes hinsichtlich einer Übereinstimmung dieses Gegenstandes mit den Kontrollbefugnissen des Parlaments im sinn der Art. 52 und 53 B-VG  zu schaffen.

 

►    Beweisanträge – insbesondere um Aktenvorlagen -  sollten begründet werden, um der ersuchten Behörde die Möglichkeit zu einer vernünftigen Aktenauswahl (insbesondere dann, wenn der Zugang von Akten etwa wegen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht oder aus Gründen des Datenschutzes begrenzt ist, sofern die Anforderung nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand steht)  zu geben.

 

►    Es sollte klargestellt werden, dass das Bankgeheimnis über das Amtsgeheimnis hinausgeht und daher die Regelungen des § 6 VO-UA nicht dazu dienen können, Aussagen unter Verletzung des Bankgeheimnisses zu erlangen.

 

►    Der Inhalt und die Gestaltung des Zeitplans (§ 10) wären näher zu definieren. Darüber hinaus wäre zu definieren, welche Beschlüsse nur im Rahmen einer Reassümierung geändert werden können.

 

►    Da die Anwesenheit von Personen bei Vernehmungen durch den Untersuchungsausschuss dann ausgeschlossen ist, wenn sie selbst als Auskunftspersonen geladen werden sollen, sollte zu § 11 Abs. 3 klargestellt werden, dass sich diese Vorschrift nur auf das jeweils behandelte Beweisthema bezieht.

 

►    Die Befragungen im Rahmen des Untersuchungsausschusses finden medienöffentlich statt. Später geladene Auskunftspersonen können sich daher grundsätzlich aus den Medien über den Verlauf der Verhandlungen informieren. Da diese Information in der Regel eher kursorisch erfolgen kann, sollte die Veröffentlichung von Protokollen auf (privaten) Homepages vor Abschluss des betreffenden Beweisthemas ausgeschlossen werden.

 

►    Die Vertraulichkeit der vorgelegten Akten (vgl. § 24 VO-UA) sollte grundsätzlich verstärkt werden. Dies sollte bis hin zur strafrechtlichen Sanktionierung der Veröffentlichung von Unterlagen gehen, die ohne in öffentlicher Sitzung erörtert worden zu sein, veröffentlicht werden. (Die Verletzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht ist auch für Dritte bereits jetzt durch § 252 FinStrG iVm § 121 StGB strafbar.)  Klarzustellen wäre in diesem Zusammenhang (so wie bei der Vertraulichkeit der Beratungen der ständigen Unterausschüsse gem. Art. 52a B-VG), dass die außerberufliche Immunität den Abgeordneten, der diese Vorschriften verletzt, nicht schützen soll.

 

►    In § 24 VO-UA sollte auch der Widerspruch beseitigt werden, dass sich die Angelobung durch den Präsidenten des Nationalrates nur auf Aussagen in nichtöffentlicher Sitzung, nicht aber auf vertrauliche Akten bezieht.

 

►    Wenngleich durch die Geschäftsordnung (insbesondere bei Vergleich der §§ 102 und 103 GOG-NR) klargestellt ist, dass Auskunftspersonen kein Ordnungsruf erteilt werden kann, sollte dies ausdrücklich in die VO-UA aufgenommen werden.

 

►    Ausdrücklich verankert werden sollte, dass Erkundungsbeweise unzulässig sind.

 

►    Wünschenswert wäre, wenn bei Vorhalt von Akten auch dem Verfahrensanwalt eine Kopie vorgelegt würde, um ihn in die Lage zu versetzen, falschen Vorhaltungen entgegentreten zu können.

 

►    Resümees durch den Vorsitzenden bzw. durch Ausschussmitglieder sollten untersagt werden. Sollte es zu solchen Resümees kommen, müsste jedenfalls der Auskunftsperson und anderen Abgeordneten die Gelegenheit gegeben werden, zu solchen  Feststellungen Stellung zu nehmen.

 

►    Die Erkenntnisse der Untersuchungsausschüsse betreffend die Gründe für eine Aussageverweigerung – insbesondere wegen Berufs- und Geschäftsgeheimnissen –  sollten gesammelt und die Verfahrensanwälte ersucht werden, diese Erkenntnisse unter Hinweis bzw. Berücksichtigung der Judikatur der ordentlichen Gerichte zu diesen Fragen in einem Handbuch für zukünftige Untersuchungsausschusse zusammenzufassen.

 


Anlage 4

 

Gutachtliche Äußerung

des Verfahrensanwaltes Dr. G. Strasser

zur Frage der Vorführung durch einen Untersuchungsausschuss

 

 

Ich habe bereits Im Zuge des Eurofighter-Untersuchungsausschusse und nachher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 3 Abs. 3 über die Vorführung einer Auskunftsperson auf Anordnung des Untersuchungsausschusses durch die politische Behörde geäußert. Gleiches gilt für die damit übereinstimmende Bestimmung des § 40 Abs. 2 der Geschäftsordnung.

Ich habe damals gemeint: Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Geschäftsordnungsgesetz und der Verfahrensordnung um materielles Verfassungsrecht handelt, ist diese etwas eigenartige Konstellation der Gewaltenverbindung sehr aufgefallen. Aber gerade bei der Vorführung handelt es sich um einen gravierenden Grundrechtseingriff, dessen Anordnung nicht einem Gremium überantwortet werden dürfte, in dem die Willensbildung jedenfalls auch von parteipolitischen Mehrheiten abhängt. Der Mangel eines Fehlerkalküls ist auch da evident.

 

Ich habe damals angekündigt, mich einer Prognose, ob sich der Verfassungsgerichtshof gegebenenfalls in die Beurteilung einer Rechtsfehlerhaftigkeit einer solchen von einem Untersuchungsausschuss angeordneten Vorführung einlassen würde, zu enthalten.

 

Nun liegt eine derartige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vor, der die Beschwerde des Herrn Elsner gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde durch den UVS-Wien betreffend seine Vorführungen vor den Banken-Untersuchungsausschuss ebenfalls zurückgewiesen hat. Der Verfassungsgerichtshof ist da in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung und auch seiner bisherigen Rechtssprechung ebenso wie der UVS davon ausgegangen, dass Akte, die von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen beziehungsweise in deren Auftrag gesetzt werden, zur Staatsfunktion Gesetzgebung gehören und als solche weder von dem Unabhängigen Verwaltungssenaten noch von Verfassungsgerichtshof überprüft werden können.

Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bestätigt also die Auffassung über den Mangel eines Fehlerkalküls hinsichtlich der Akte von Untersuchungsausschüssen. Demnach gibt es gegenüber einer allfälligen rechtswidrigen Anordnung der Vorführung einer Auskunftsperson oder auch eines Sachverständigen durch einen Untersuchungsausschuss oder einen sonstigen Ausschuss – siehe § 40 Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes – keine Remedur.

 

Das ist ein rechtlicher Zustand, der deshalb untragbar ist, weil die Vorführung ein Fall der Festnahme im Sinne des Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Artikel 6 des Bundes-Verfassungsgesetztes über den Schutz der persönliche Freiheit.

 

Beide Bestimmungen, Artikel 5 Abs. 4 EMRK und Artikel 6 Abs. 1 des persönlichen Freiheitsgesetzes sehen zwingend das Recht eines Betroffenen auf ein Verfahren vor, in dem über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzugs durch ein Gericht – so Artikel 5 EMRK oder Artikel 6 Abs. 1 des persönlichen Freiheitsgesetzes – oder eine andere unabhängige Behörde entschieden wird.

 

Und auf diesen verpflichtenden Grundrechtsschutz, für den die Untersuchungsausschüsse selbstverständlich nicht in Frage kommen, dürfte der Gesetzgeber auch dann nicht vergessen, wenn im materiellen Verfassungsrecht der Eingriff durch ihn selbst statuiert wird.

 

Ich meine daher, es wäre – mein Vorschlag, den ich früher schon erstattet hatte – für diese Vorführungen auch eine primäre Kompetenz des Bezirksgerichtes Innere Stadt, auf Antrag der Ausschüsse vorgesehen, die beste Lösung, weil dann den genannten beiden verfassungsgesetzlichen Vorgaben gefolgt würde.

 


Anlage 5

 

 

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Beatrix Karl

Kolleginnen und Kollegen

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend datenschutz- und dienstrechtliche Beurteilung des internen E-Mail-Verkehrs

 

E-Mails sind heutzutage zum bevorzugten Kommunikationsmittel avanciert, sei es im dienstlichen Gebrauch oder im privaten Bereich. Damit stellt sich naturgemäß eine Reihe von Fragen betreffend deren rechtliche Beurteilung. Die für die Bundesministe- rien verbindliche Büroordnung regelt E-Mails unter dem Titel „Formlose Erledigun- gen" in § 19. Derartige formlose, weil nicht aktenmäßig dokumentierte, Erledigungen sind demzufolge zulässig. In einem Aktenvermerk oder in einem Akt sind diese Geschäftsfälle bzw. E-Mails dann festzuhalten „sofern der Vorgang von weiterer Bedeutung sein kann" (§ 19 Abs. 3 Büroordnung).

In innerministeriellen Richtlinien ist Genaueres über den E-Mail-Verkehr enthalten. So werden regelmäßig Namens- ebenso wie Organisationspostfächer primär für den Dienstgebrauch vorgesehen, die private Nutzung ist allerdings dann erlaubt, wenn sie sich im unbedingt erforderlichen Rahmen bewegt. Den Inhabern von Namens- postfächern wird dabei auch regelmäßig die Vertraulichkeit ihrer Postfächer garan- tiert, indem - abgesehen von der Zugriffsmöglichkeit durch Exchange- Administratoren aus technischen Gründen - „ausschließlich die Inhaber der Namenspostfächer sowie von den Inhabern explizit ermächtigte Bedienstete Zugriff auf diese Postfächer haben".

Im Bereich des Arbeitsrechts wird von der herrschenden Lehre die Auffassung vertreten, dass der Zugriff auf private Daten/Dateien/Informationen grundsätzlich unzulässig ist. Zur Begründung werden insbesondere das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK sowie das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten (§ 1 DSG 2000) herangezogen. Diese Persönlichkeitsrechte entfalten zwischen Privatrechtssubjekten entweder wie § 1 DSG 2000 unmittelbare Wirkung oder über § 16 ABGB mittelbare Drittwirkung. Die umfassende Pflicht zur Achtung der Privatsphäre des Arbeitnehmers ist auch zentraler Bestandteil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Ausgehend davon wird einhellig die Auffassung vertreten, dass die Einsichtnahme in private E-Mails von Arbeitnehmern jedenfalls verboten ist (s zB Brodil, Die Kontrolle der Nutzung neuer Medien im Arbeitsverhältnis, ZAS 2004,156; ders, Anmerkung zu OGH 25.10.2001, 8 Ob A 218/01, ZAS 2002, 144; Obereder, E-Mail und Internetnutzung aus arbeitsrechtlicher Sicht, DRdA 2001, 75).

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass § 79c BDG 1979 die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde bloß berühren, für unzulässig erklärt. Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die „Menschenwürde" erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist.

Ausgehend von der Judikatur zur Installierung von Telefonregistrieranlagen (s zB VwGH 11.11.1987, 87/01/0034, ZAS 1988, 104 [zust. Marhold]; OGH 13.6.2002, 8 Ob A 288/01 p, ZAS 2004, 40) ist das Lesen oder gar Kopieren von privaten E-Mails jedenfalls unzulässig, wird doch die Menschenwürde dadurch nicht nur berührt, sondern sogar verletzt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

 

Anfrage:

1.      Welche dienstrechtlichen Bestimmungen gelten im Bundesdienst für den Umgang mit E-Mails?

2.      Wann müssen von öffentlich Bediensteten E-Mails im Dienstbetrieb veraktet werden?

3.      Entspricht es den Tatsachen, dass öffentlich Bedienstete regelmäßig ihre im Dienst genutzten Namenspostfächer auch im unbedingt erforderlichen Rahmen privat nutzen dürfen?

4.      Welche rechtlichen Bestimmungen regeln dies anders?

5.      Darf der öffentliche Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner Bediensteten nehmen?

         Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

         Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

6.      Vertreten Sie die Auffassung, dass ein privater Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner Arbeitnehmer nehmen darf?

         Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?

         Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

7.      Darf der öffentliche Dienstgeber Namenspostfächer aller seiner Bediensteten nach gewissen Schlagworten durchsuchen?

         Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

         Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

8.      Darf ein privater Dienstgeber die Namenspostfächer aller seiner Arbeitnehmer nach gewissen Schlagworten durchsuchen?

         Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?

         Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

9.      Vertreten Sie die Auffassung, dass der öffentliche Dienstgeber einen seiner Bediensteten dazu verpflichten kann, alle seine E-Mails (somit auch die nicht verakteten und privaten E-Mails) der Dienstbehörde vorzulegen?

         Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

         Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

10.    Vertreten Sie die Auffassung, dass der private Dienstgeber seine Arbeitnehmer verpflichten kann, alle seine E-Mails den Vorgesetzten vorzulegen?

         Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?      
Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

11.    In welchen Fällen kann eine Veröffentlichung von E-Mails aus Gründen des Datenschutzes untersagt sein?

12.    Welche dienstrechtliche Handhabe hat der öffentliche Dienstgeber gegenüber einem seiner Bediensteten, wenn dieser nicht alle relevanten E-Mails in einem Aktenvermerk oder einem Akt festhält?

13.    Ist es sachlich gerechtfertigt, dass öffentlich Bedienstete auch dann noch Zugriff auf ihr ursprüngliches Namenspostfach haben, wenn sie die entsprechende Funktion im öffentlichen Dienst nicht mehr ausüben?

14.    Wie lange haben öffentlich Bedienstete ihre E-Mails aufzubewahren?

15.    Teilen Sie die Auffassung, dass eine Kontrollmaßnahme, im Zuge derer private E-Mails gelesen und kopiert werden, die Menschenwürde verletzt bzw. zumindest berührt, so dass ihre Einführung und Verwendung gemäß § 79c BDG 1979 unzulässig ist?


Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen haben am 11. Juni 2008 unter der Nr. 4607/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend datenschutz- und dienstrechtliche Beurteilung des internen E-Mail-Verkehrs gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

►           Welche dienstrechtlichen Bestimmungen gelten im Bundesdienst für den Umgang mit E-Mails?

Der Umgang mit E-Mails ist im Bundesdienst aus dienstrechtlicher Sicht nicht einheitlich geregelt. In jenen Bereichen, in denen keine ausdrückliche Regelung in Form einer generellen oder individuellen Weisung besteht, wird von der Zulässigkeit der privaten Nutzung des dienstlichen Namenspostfachs auszugehen sein. Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte ua zur „treuen" Besorgung seiner dienstlichen Aufgaben verpflichtet. Eine Verletzung dieser Treuepflicht liegt dann vor, wenn der Beamte durch außerdienstliche (private) Tätigkeiten seine dienstlichen Aufgaben vernachlässigt. Nimmt der private Gebrauch des dienstlichen Namenspostfachs also ein solches Ausmaß an, dass den dienstlichen Aufgaben nicht mehr entsprechend nachgekommen wird, ist von einer Dienstpflichtverletzung auszugehen und hat der Beamte entsprechende disziplinarrechtliche Maßnahmen zu gewärtigen.

 

Zu Frage 2:

►           Wann müssen von öffentlich Bediensteten E-Mails im Dienstbetrieb veraktet werden?

Falls Eingangsstücke an die Namenspostfächer der Bediensteten übermittelt werden sowie bei Vorliegen wichtiger dienstlicher Interessen bzw. zu Zwecken der Dokumentation müssen E-Mails veraktet werden.

 

Zu den Fragen 3 und 4:

►           Entspricht es den Tatsachen, dass öffentlich Bedienstete regelmäßig ihre im Dienst genutzten Namenspostfächer auch im unbedingt erforderlichen Rahmen privat nutzen dürfen?

►           Welche rechtlichen Bestimmungen regeln dies anders?

Sofern interne Erlässe der einzelnen Bundesministerinnen und Bundesminister keine davon abweichenden Regelungen vorsehen, ist eine äußerst eingeschränkte private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Zugangs zulässig.

 

Zu Frage 5:

►           Darf der öffentliche Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner Bediensteten nehmen? Wenn ja, aufweichen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Für jene Bereiche, in denen die private Nutzung der dienstlichen Namenspostfächer erlaubt ist, besteht derzeit keine gesetzliche Grundlage, die den öffentlichen Dienstgeber dazu berechtigt, Einblick in die Postfächer von Bediensteten zu nehmen. Derzeit bereitet eine interministerielle Arbeitsgruppe, in der auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst vertreten ist, einen Gesetzesentwurf betreffend die Zulässigkeit bestimmter Kontrollmaßnahmen vor. Der Entwurf sieht in der derzeitigen Fassung u.a. vor, dass anfallende Daten, die den Inhalt persönlicher elektronischer Kommunikation darstellen, personenbezogen ausschließlich zur Abwehr unerwünschter Software, zur Vermeidung von Spam oder zur Aufrechterhaltung der Funktion und des Betriebes von IKT-Systemen verwendet werden dürfen. Darüber hinaus werden, nach dem „Prinzip der stufenweisen Kontrollverdichtung", Zugriffe und Kontrollen des die IKT betreffenden Nutzungsverhaltens zum Zwecke der Identitätsfeststellung im Falle des Verdachts einer nicht bloß leichten Dienstpflichtverletzung zulässig sein. Um den Schutz der Rechte der Bediensteten effektiv zu gewährleisten, sieht der Entwurf entsprechend detaillierte Regelungen zu Fragen der Datenverwendung und des Verfahrens vor. Darüber hinaus werden Regelungen über das Verfahren der Kontrolle, in denen nur indirekt personenbezogene Daten verwendet werden, und über die Kategorien von Datenarten durch eine Verordnung der Bundesregierung getroffen.

 

Zu den Fragen 6, 8 und 10:

►           Vertreten Sie die Auffassung, dass ein privater Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner Arbeitnehmer nehmen darf? Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

►           Darf ein privater Dienstgeber die Namenspostfächer aller seiner Arbeitnehmer nach gewissen Schlagworten durchsuchen? Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

►           Vertreten Sie die Auffassung, dass der private Dienstgeber seine Arbeitnehmer verpflichten kann, alle seine E-Mails den Vorgesetzten vorzulegen? Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Die gegenständlichen Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzleramts.

 

Zu Frage 7:

►           Darf der öffentliche Dienstgeber Namenspostfächer aller seiner Bediensteten nach gewissen Schlagworten durchsuchen? Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Für eine solche Maßnahme gibt es keine gesetzliche Grundlage.

 

Zu Frage 9:

►           Vertreten Sie die Auffassung, dass der öffentliche Dienstgeber einen seiner Be-diensteten dazu verpflichten kann, alle seine E-Mails (somit auch die nicht verakteten und privaten E-Mails) der Dienstbehörde vorzulegen? Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Nein, der öffentliche Dienstgeber kann einen seiner Bediensteten nicht generell dazu verpflichten, alle seine E-Mails offenzulegen, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Allerdings kann einem Beamten sehr wohl, aufgrund des verfassungsrechtlichen Weisungszusammenhangs und der damit verbundenen Dienstpflicht, Weisungen zu befolgen (siehe § 44 Abs. 1 BDG 1979), die Offenlegung aller dienstlichen E-Mails angeordnet werden.

 

Zu Frage 11:

►           In welchen Fällen kann eine Veröffentlichung von E-Mails aus Gründen des Datenschutzes untersagt sein?

Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt das „Veröffentlichen von E-Mails" das Übermitteln (§ 4 Z 12 DSG 2000) und damit auch das Verwenden (§ 4 Z 8 DSG 2000) von personenbezogenen Daten dar.

Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG 2000 ist die Verwendung von personenbezogenen Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen, mit seiner Zustimmung oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig. Sofern die Verwendung von personenbezogenen Daten (und daher auch die Veröffentlichung von E-Mails) durch eine staatliche Behörde erfolgt, ist sie überdies nur aufgrund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, zulässig. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von sensiblen Daten (vgl. § 4 Z 2 DSG 2000) überdies nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen.

Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt § 7 Abs. 2 DSG 2000 die näheren Voraussetzungen, unter denen eine Übermittlung (also auch Veröffentlichung) von personen-bezogenen Daten zulässig ist. Personenbezogene Daten dürfen demnach nur übermittelt werden, wenn sie aus einer zulässigen Datenanwendung stammen und der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Veröffentlichung von E-Mails aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig.

 

Zu Frage 12:

►           Welche dienstrechtliche Handhabe hat der öffentliche Dienstgeber gegenüber einem seiner Bediensteten, wenn dieser nicht alle relevanten E-Mails in einem Aktenvermerk oder einem Akt festhält?

Gemäß §43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte u.a. zur Aufgabenbesorgung „unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung" verpflichtet. Zur geltenden Rechtsordnung gehört auch die in der Anfrage selbst erwähnte Büroordnung, welche auf Grund des §12 Bundesministeriengesetz 1986 erlassen wurde. Eine Verletzung der Bestimmungen der Büroordnung stellt daher eine Verletzung der im § 43 Abs. 1 BDG 1979 statuierten Dienstpflicht dar. Auch in diesem Fall hätte der Beamte entsprechende disziplinarrechtliche Maßnahmen zu gewärtigen.

 

Zu Frage 13:

►           Ist es sachlich gerechtfertigt, dass öffentlich Bedienstete auch dann noch Zugriff auf ihr ursprüngliches Namenspostfach haben,  wenn sie die entsprechende Funktion im öffentlichen Dienst nicht mehr ausüben?

Mit  dem Ende des Dienstverhältnisses enden sämtliche sich aus dem Dienstverhältnis ergebende Rechte und Pflichten des Bediensteten. Es ist daher davon auszugehen, dass ab diesem Zeitpunkt kein Zugriff mehr auf das ursprüngliche Namenspostfach bestehen sollte bzw. besteht.

 

Zu Frage 14:

►           Wie lange haben öffentlich Bedienstete ihre E-Mails aufzubewahren?

E-Mails, die Teil der Akten sind, werden gemäß Bundesarchivgesetz und Bundesarchivgutverordnung im Rahmen der Aktenarchivierung derzeit 10 Jahre aufbewahrt. Werden Akten als archivwürdig eingestuft, erfolgt nach Ablauf der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist eine dauerhafte Archivierung im Österreichischen Staatsarchiv.

 

Zu Frage 15:

►           Teilen Sie die Auffassung, dass eine Kontrollmaßnahme, im Zuge derer private E-Mails gelesen und kopiert werden, die Menschenwürde verletzt bzw. zumindest berührt, so dass ihre Einführung und Verwendung gemäß § 79c BDG 1979 unzulässig ist?

Ja, ich teile diese Auffassung.



[1] vgl. Anlage 1

[2] vgl. Anlage 2

[3] vgl. auch Anlage 5

[4] vgl. Anlage 2

[5] Brandstetter/Schmid, MedienG2 § Rz1

[6] Brandstetter/Schmid, aAO § 9 Rz 48

[7]  vgl. Anlage 3