1130/J XXIII. GP

Eingelangt am 04.07.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

 

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Zinggl, Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Landesverteidigung

 

betreffend Traditionspflege des österreichischen Bundesheeres in Mittenwald und am Ulrichsberg

 

 

Im vergangenen Jahr erschien das Buch Geheime Krieger – drei deutsche Komman­doverbände im Bild, nicht zufällig im von der deutschen Bundesregierung (Bundes­tag Drucksache 16/5380) als  rechts­extrem eingestuften Verlag Pour le Mérite. Autoren sind ehemalige Kommandeure deutscher Sonder­ein­heiten aus Militär und Polizei: General a. D. Reinhard Günzel (Kommando Spezialkräfte der Bun­des­wehr), Oberst­leutnant a. D. Wilhelm Walther (Division „Brandenburg“ der Wehrmacht) und General a. D. Ulrich K. Wegener (GSG 9 des damaligen Bundesgrenzschutzes). Reinhard Günzel war 2003 wegen einer Solidaritätsadresse an Martin Hohmann ent­lassen wor­den, der „die Juden“ als „Tätervolk“ bezeichnet hatte und aus der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ausgeschlossen worden war. Das Vorwort zum Buch ver­fasste der österreichische Brigadier Josef Puntigam, der als Kommandeur des 6. Jäger­batail­lons ein hochrangiger Vertreter des Bundesheeres ist und dessen Auftreten schon Gegenstand mehrerer parlamentarischer Anfragen war (vgl. etwa 3060/J XXII. GP).

Puntigam sowie Brigadier Erwin Konzett und Oberst Michael Lasser nahmen heuer am Gebirgsjäger­treffen am Hohen Brendten im bayrischen Mittenwald teil und wur­den dort unter Erwähnung ihres militärischen Ranges und als Angehörige des öster­reichischen Bundesheeres begrüßt. Die Teilnahme fand im Widerspruch zu dem von Ihnen ausgesprochenen und in den Salzburger Nachrichten vom 26. 5. 2007 abge­druckten Verbot einer Beteiligung von Bundesheerangehörigen an diesem Treffen statt.

Seit mehr als 50 Jahren treffen sich jährlich zu Pfingsten Gebirgsjäger-Kameraden der Wehrmacht im bayerischen Mittenwald, um dort der im Zweiten Weltkrieg gefal­lenen Gebirgsjäger zu gedenken. Eine Erwähnung der Kriegsverbrechen dieser Wehr­machtseinheiten oder deren Opfer findet hingegen keinen Eingang in die Feier­lichkeiten. Trotz der stark rückläufigen Teilnehmerzahl ist es die letzte größere solda­tische Feier Deutschlands.

Auch das jährliche Treffen von Kriegsveteranen auf dem Kärntner Ulrichsberg zieht immer wieder eine größere Zahl von Personen aus der rechtsradikalen Szene an und ist deshalb seit Jahren starker Kritik ausgesetzt. So wurde in einer Ausgabe der Deutschen Stimme, dem Organ der NPD, im Herbst 2006 die kameradschaftliche Stimmung auf dem Ulrichsberg lobend erwähnt und eine erneute Teilnahme im Jahr 2007 angekündigt.

Das Treffen der Ulrichsberggemeinschaft (Heimkehrer- und Europagedenkstätte) hat seit der Grund­stein­legung zum Gedenkstättenbau im Herbst 1958 mehrere Bedeu­tungswandel durchlaufen. Als grundlegendes und sinngebendes Element fungieren aber nach wie vor die Einbindung der Kamerad­schaften der Waffen-SS sowie eine positive Bezugnahme auf ihre Teil-Verbände.

Ebenfalls seit den fünfziger Jahren stellt das Bundesheer substanzielle logistische Unterstützung bereit, indem etwa der Personentransport zur Gedenkstätte mit Bun­desheerfahrzeugen sichergestellt wird. Die personelle Nähe zwischen Ange­hörigen der Wehrmacht und SS und dem Bundesheer schafft eine prob­lematische Konti­nu­ität, die die Anordnung zur Traditionspflege im Bundesheer vom 8. Oktober 2001, in der auf die ausschließliche Bindung des Heeres an die Wertvorstellungen einer demo­kratisch-plura­listischen Gesellschaft verwiesen wird, ad absurdum führt und massive Verzerrungen entstehen lässt, was das Bild des österreichischen Bundes­heeres in der österreichischen Bevölkerung betrifft.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.       Wusste das Bundesministerium für Landesverteidigung von der Beteiligung hochrangiger Offiziere des österreichischen Bundesheeres am Gebirgsjäger­treffen am 26. und 27. 5. 2007 in bayrischen Mittenwald?

1 a.    Wenn nein: Existiert eine Berichtspflicht für Offiziere, wenn diese an Gedenk- oder sonstigen Veranstaltungen teilnehmen, die mit Traditionspflege in Zusam­menhang stehen?

1 b.    Wenn ja: Ist es in Ihrem Sinne, dass österreichische Bundesheeroffiziere mit Nennung des militärischen Ranges und in Uniform während der Eröffnungs­zeremonie öffentlich begrüßt werden?

1 c.    Wie beurteilen Sie das Bild, das dadurch von der gelebten Traditionspflege des österreichischen Bundesheeres im Ausland er­zeugt wird?

2.       Ist es auszuschließen, dass die Anreise und Versorgung der österreichischen Offiziere durch Budgetmittel des Ministeriums für Landesverteidigung finanziert wurden?

2 a.    Wenn ja: Welche Maßnahmen stellen dies sicher?

2 b.    Wenn nein: In welchem Umfang fand diese Finanzierung statt, aus welchen Mitteln wurde diese konkret bestritten?

3.       Ist es auszuschließen, dass weitere Angehörige oder Sachmittel des Bundes­hee­res, etwa zur Sicherstellung von Anreise und Versorgung, involviert waren?

3 a.    Wenn ja: Welche Maßnahmen stellen dies sicher?

3 b.    Wenn nein: In welchem Ausmaß waren Angehörige oder Sachmittel involviert?

4.       Gibt es Informationen hinsichtlich etwaiger gespendeter Blumengebinde oder Kränze des österreichischen Bundesheeres beim Gebirgsjägertreffen in Mit­tenwald?

5.       In den Salzburger Nachrichten vom 26. 5. 2007 wurde das Verbot der Teilnah­me am „Heldengedenken“ in Mittenwald veröffentlicht, das Sie gegenüber allen Angehörigen des Bundesheeres aus­gesprochen hatten. Welche Form hatte dieses Verbot, und wie wurde es kommu­ni­ziert?

5 a.    Welche Auswirkungen hat der Verstoß gegen dieses Verbot durch Brigadier Josef Puntigam, Brigadier Ernst Konzett und den Oberst Michael Lasser, wel­che in Mittenwald namentlich begrüßt wurden?

5 b.    Wurden Schritte eingeleitet, die eine zukünftige Beteiligung von Angehörigen des österreichischen Bundesheeres am Gebirgsjägertreffen in Mittenwald effektiv verhindern sollen?

5 c.    Wie beurteilen Sie das Bild, das in der Öffentlichkeit entsteht, wenn bei einer Veranstaltung wie etwa dem „Heldengedenken“ in Mittenwald sowohl Vertreter des österreichischen Bundheeres als auch SS-Kameradschaftskreise anwe­send sind, ohne dass es hier zu expliziten Distanzierungen kommt?

6.       Inwieweit passt es in das Selbstverständnis und das Traditionsverständnis des öster­rei­chischen Bundesheeres, dass Brigadier Josef Puntigam sich im Vorwort zum Buch Geheime Krieger – drei deutsche Kommandoverbände im Bild posi­tiv auf „die ungebrochene Traditionslinie“ zur Wehrmacht beruft?

6 a.    Ist es im Sinne des Bundesministeriums für Landesverteidigung, dass solche Veröffentlichungen das Bild des Bundesheeres nach außen hin prägen?

6 b.    Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Publikationstätigkeiten dieser Art in Hinkunft hintanzuhalten?

6 c.    Hatte die Veröffentlichung dieses Artikels für Brigadier Josef Puntigam Konse­quenzen dienstrechtlicher oder disziplinarischer Art?

6 d.    Waren Sie über die Publikationstätigkeit von Brigadier Puntigam informiert?

7.       Brigadier Josef Puntigam hat seinen Beitrag im rechtsextremen Verlag Pour le Mérite veröffentlicht, in dem auch rechtsextreme Autoren wie David Irving publi­zieren. Gibt es Erkenntnisse hinsichtlich weiterer Publikationen österrei­chischer Bundesheerangehöriger bei einschlägig bekannten Verlagen wie etwa dem Gra­zer Leopold-Stocker-Verlag?

8.       Inwiefern regelt die Anordnung für die Traditionspflege im Bundesheer vom 8. Oktober 2001 die Beteiligung von österreichischen Bundesheerangehörigen an militärischen Gedenkveranstaltungen im Ausland, insbesondere wenn diese Traditionsbezüge zu Wehrmacht und SS betonen?

9.       Inwiefern regelt die Anordnung für die Traditionspflege im Bundesheer vom 8. Oktober 2001 die Beteiligung österreichischer Bundesheerangehöriger an militärischen Gedenk­veranstaltungen, die Traditionsbezüge zur Wehrmacht oder SS betonen, insbe­son­dere im Fall des Heimkehrertreffens am Ulrichsberg in Kärnten?

10.     An den Ulrichsberg-Gedenkfeiern nehmen seit Jahren sowohl Kameradschaf­ten der SS als auch Neonazi-Parteien wie die Nationaldemokratische Partei Deutsch­lands (NPD) teil. Auch Vertreter und Truppenteile des Bundesheeres besuchen die Veranstaltung, und zwar ohne erkennbare Abgrenzung zu diesen Organisationen. Können Sie nachvollziehen, dass hier der Eindruck einer nur unzureichenden Distanzierung durch das Bundesheer entsteht?

11.     Wie bewerten Sie das Treffen am Ulrichsberg in vergangenheitspolitischer Hin­sicht, speziell vor dem Hintergrund, dass an dem Treffen ehemalige SS-Solda­ten sowie Veteranen der deutschen Wehrmacht teilnehmen, deren Ein­heiten in Kriegsverbrechen verstrickt waren, und dass aber in der Gedenk­stätte am Ulrichsberg Erinnerungstafeln an eben diese Einheiten montiert sind?

12.     Wie bewerten Sie die logistische Unterstützung durch das österreichische Bundesheer während der gesamten Dauer der Gedenkfeier am Ulrichsberg?

12 a. Gibt es neben der Untermalung durch die Militärblasmusik, dem Ehrenschutz und dem Transport von BesucherInnen durch den Bundesheerfuhrpark weitere logistische Unterstützung durch das Bundesheer?

12 b. Wenn ja, welche und in welchem Umfang?

12 c.  Sind Sie der Ansicht, dass das österreichische Bundesheer den Ulrichsberg­feiern auch weiterhin logistische Unterstützung gewähren soll?

13.     Folgen Sie der Einschätzung Ihres Amtsvorgängers Günther Platter, derzufolge es kein bedenkliches Licht auf die österreichischen Streitkräfte wirft, wenn uni­for­mier­te Bundes­heer­angehörige oder die Musikkapellen des Bundesheeres bei der Gedenkfeier am Ulrichsberg zusammen mit ehemaligen SS-Soldaten und Wehrmachtsangehörigen vor Gedenktafeln von SS-Einheiten und SS-Aus­bildungsstätten (vgl. Beantwortung Platter 4583/AB im Jahr 2006) auftreten?

13 a. Wenn nein: Wie beurteilen Sie diese Praxis?

14.     Folgen Sie der Einschätzung Ihres Amtsvorgängers Günther Platter, dass das Vorhandensein einer Tafel zu Ehren „Toter Kameraden“ mit Bundesheer-Em­blem sowie einer Tafel gefallener österreichischer UNO-Soldaten kein Ein­schreiten des Ministeriums notwendig macht, obwohl diese in unmittelbarer örtlicher und somit implizit auch inhaltlicher Nähe zu Gedenktafeln stehen, die in eindeutiger Weise Einheiten verherrlichen, die an schwersten Verbrechen beteiligt waren oder einen kaum verhüllten Bezug zum SS-Leitspruch „Unsere Ehre heißt Treue“ herstellen (siehe Beilagen 1–4)?

14 a. Wenn nein: Werden Sie die Abnahme der Tafeln in die Wege leiten?

14 b. Gibt es neue Informationen zur Urheberschaft der Tafel auf Bei­lage 1, insbe­son­dere was die Verwendung des Bundesheer-Emblems betrifft?

15.     In Deutschland gibt es seit 1982 einen Traditionserlass für die Bundeswehr. Die­ser verbietet eine Beteiligung von Bundeswehrangehörigen an Veran­stal­tun­gen, an denen etwa der Ritterkreuzorden oder SS-Verbände teilnehmen.
Folgen Sie der Einschätzung Ihres Amtsvorgängers Günther Platter, derzufolge ein solches gemeinsames Auftreten für das österreichische Bundesheer a) un­be­denklich und b) durch die Anord­nung für die Traditionspflege im Bundes­heer vom 8. Oktober 2001 ausreichend geregelt ist? Wir ersuchen um Begrün­dung.

16.     Halten Sie es für sinnvoll, eine generelle, verbindliche, heeres­weite Regelung zu erlassen, die die Teilnahme von Heeresverbänden und ‑angehörigen an Veranstaltungen untersagt, die auch von hinsichtlich ihrer Abgrenzung zum Nationalsozialismus bedenklichen Organisationen wie der Kameradschaft IV (K IV), der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger oder der Hilfsgemein­schaft auf Gegenseitigkeit für ehemalige Angehörige der Waffen-SS (HIAG) frequentiert werden?

17.     Liegen dem Bundesministerium Informationen von Verbindungen zwischen dem Bundesheer und der „Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg“ vor?

18.     Liegen dem Bundesministerium Informationen vor, die Verbindungen zwischen dem Bundesheer und der „Edelweiß-Kameradschaft Steiermark“ betreffen?

19.     Liegen dem Bundesministerium Informationen zu Verbindungen zwischen dem Bundesheer und dem angeblich neu gegründeten „Edelweiß-Korps“ vor, das 2007 in Mittenwald immerhin durch seinen Präsidenten Brigadier Konzett ver­treten war und in der Festansprache ausdrücklich begrüßt wurde?