1201/J XXIII. GP
Eingelangt am 06.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Gerhard Reheis
und GenossInnen
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Beseitigung verfassungswidriger Vorrechte im Bezug auf Nutzung und Verwaltung
des Gemeindeguts
Grundflächen der Republik Österreich:
Etwa 10 % der Staatsfläche
steht im Eigentum der Republik Österreich und wird durch die
Österreichische Bundesforste AG
verwaltet. Diesbezüglich trifft das Bundesforstegesetz 1996
(BGBl. Nr. 793/1996 idF. BGBl. I Nr
136/2004) Vorsorge, dass die Substanz dieses
Vermögens dem Staat und damit allen Staatsbürgern erhalten bleibt.
Grundflächen der Gemeinden:
In
Tirol wurde jedoch der weitaus überwiegende Teil des öffentlichen
Grundbesitzes aufgrund
der
allerhöchsten Entschließung vom 6.2.1847 ins Eigentum von Gemeinden
übertragen.
Auch in den anderen Bundesländern steht ein erheblicher Teil des
öffentlichen
Grundvermögens im Eigentum von
Gemeinden.
Für dieses einst ins Eigentum von Gemeinden
übertragene öffentliche Vermögen gelten (mit
wenigen hier nicht interessierenden Ausnahmen) die Bestimmungen der
Flurverfassung, die
gem. Art 12 Abs. 1 Zif. 3 B-VG der Grundsatzgesetzgebung des Bundes
unterliegen.
Ursprünglicher Regelungszweck des Flurverfassungsrechts:
Die Grundsätze
der Flurverfassung gehen immer noch auf das Reichsgesetz vom 7.6.1883,
RGB1. Nr. 94, zurück. Damals gab es das
Problem, dass diese öffentlichen Grundflächen von
allen genutzt aber von niemandem gepflegt wurden. Demzufolge befanden
sie sich in einem
sehr schlechten Zustand. Es sollte daher die Nutzung und Verwaltung dieser
Gebiete durch
neu geschaffene Behörden (die Agrarbehörden) besser geregelt werden,
um die bis dorthin
erfolgte Übernutzung
einzuschränken und für die notwendige Pflege dieser Gebiete zu sorgen
.
Missbräuchliche Anwendung der Bestimmungen des Flurverfassungsrechts:
Tatsächlich
wurden die Bestimmungen des Flurverfassungsrechts jedoch (vor allem in Tirol,
in
abgeschwächten Ausmaß aber auch in anderen Bundesländern) im
Wege so genannter
Regulierungsverfahren dazu missbraucht, um fast den gesamten Nutzen und den mit
der
Verwaltung dieses Gebietes verbundenen politischen Einfluss einer kleinen
privilegierten
Gruppe alteingesessener Bauern zuzuteilen
und dadurch in einem wesentlichen Teil unseres
Staatsgebietes geradezu feudale Verhältnisse zu schaffen.
Die Tiroler
Agrarbehörde bediente sich zu diesem Zweck der im Flurverfassungsrecht
vorgesehenen „Agrargemeinschafien", denen sie per Bescheid
(nämlich mit so genannten
Regulierungsplänen) das Eigentum am
Gemeindegut übertragen und eine Verfassung (eine
Satzung) verliehen hat, die mit dem in der Bundesverfassung
gewährleisteten
Gleichheitsgrundsatz „ganz
offensichtlich unvereinbar" war (so wörtlich der
Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1.3.1982, VfSlg. 9336).
Folgendes ist geschehen:
Durch faktische
Machtverhältnisse und mangelnde Aufsicht (so der Oberste Agrarsenat in
seiner Entscheidung vom 2. März 1966, Nr. 43-OAS/66) ist es manchen
Gruppen (Klassen)
innerhalb der Gemeinden gelungen, ihre Interessen zulasten anderer
Gemeindebürger besser
durchzusetzen und sich Vorteile im Bezug auf die Nutzung der
Gemeindegutsgrundstücke zu
verschaffen. In Tirol waren dies vor allem
die alteingesessenen Bauern, in Vorarlberg in erster
Linie einflussreiche Familien. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges
beschränkten sich diese
Privilegien allerdings nur auf Vorrechte beim Holzbezug und bei der
Weidenutzung.
Außerdem durften diese Nutzungen nicht über den Haus- und Gutsbedarf
der Berechtigten
hinausgehen. Nach dem zweiten Weltkrieg begannen sich diese Privilegien
angesichts
demokratischer Verhältnisse in den Gemeinden allmählich zurück
zu bilden, weil die
bevorrechtete Klasse nicht mehr über jenen politischen Einfluss
verfügte, der zur Entstehung
ihrer Privilegien geführt hatte und daher die Bevölkerung und
vielerorts auch die
Gemeindeführung nicht mehr bereit war, deren verfassungswidrige
Standesvorrechte so ohne
weiteres hinzunehmen. Dazu kam, dass immer weniger Leute mit Holz heizten bzw.
bauten,
weshalb auch der Haus- und Gutsbedarf
allmählich kleiner wurde.
Statt
aber dieser Entwicklung seinen Lauf zu lassen (was dazu geführt
hätte, dass sich diese
noch aus
vordemokratischer Zeit stammenden ungerechtfertigten Vorrechte der
alteingesessenen Bauern allmählich von
selbst zurückgebildet hätten), hat die Agrarbehörde
mit politischer Deckung durch die Tiroler Landesregierung diese
Privilegien nicht nur
a) für die
Zukunft festgeschrieben (und zwar sogar völlig unabhängig davon, ob
der
Berechtigte überhaupt noch Bedarf für Brenn- oder Nutzholz hatte),
sondern sie hat
b) die ohnehin
schon privilegierten Nutzungsberechtigten auch noch an allen sonstigen
Nutzungen des
Gemeindegutes (wie Jagdpachtzins, Erlöse aus dem Verkauf von
Siedlungsgrundstücken, und aus Rechtseinräumungen an Schilift- und
anderen
touristischen Unternehmen, für Wasserbezug und kommunale Bauvorhaben etc.)
beteiligt
Wie sieht in
Tirol das Ergebnis von rund 100 Jahren bodenreformatorischer Tätigkeit in
Bezug auf das
Gemeindegut aus?
Die Agrarbehörde
hat bei der Regulierung des Gemeindegutes in Tirol nicht nur bestehende
Klassenunterschiede verfestigt und verschärft, sondern auch gegen
eindeutige gesetzliche
Bestimmungen verstoßen. Das Flurverfassungsgesetz räumt den
Agrarbehörden nur die
Kompetenz ein, bestehende Eigentumsverhältnisse festzustellen, nicht aber
auch das Recht,
diese zu ändern. Von dieser ungesetzlichen und die öffentlichen
Interessen massiv
schädigenden Aktivität der Tiroler Agrarbehörden (der Tiroler
LHStv. Hannes Gschwentner
spricht von Diebstahl) waren
Gemeindegründe im Ausmaß von rund 2500 km2 (also etwa ein
Fünftel der Landesfläche
Tirols — das ist mehr als doppelt so viel, wie der gesamte Tiroler
Besitz der Republik Österreich) betroffen, die im Zuge von
agrarbehördlichen
Regulierungsverfahren widerrechtlich ins Eigentum so genannter
Agrargemeinschaften
übertragen wurden. Diese Agrargemeinschaften sind in Tirol
Körperschaften öffentlichen
Rechts. Mitglieder sind vor allem die ehemaligen Nutzungsberechtigten, von
denen viele
schon längst keine aktiven Bauern mehr
sind. Die Gemeinden sind in vielen Fällen überhaupt
nicht an der Agrargemeinschaft beteiligt (etwa dann, wenn es sich um
Gemeinschaftsalmen
oder um ehemaliges Fraktionsgut handelte), sonst mit Anteilen zwischen 5% bis
20 %, ganz
selten auch mit höheren Anteilen. Bei
allen Wahlen von Organen der Agrargemeinschaft wird
nach Köpfen abgestimmt, sodass die Stimme der Gemeinde nicht mehr
zählt, als die eines
einzigen Nutzungsberechtigten. Allerdings wurde in vielen Bescheiden zugleich
festgestellt,
dass
es sich beim Regulierungsgebiet um Gemeindegut (Fraktionsgut) handelt, sodass
die
betreffenden
Grundstücke nach wie vor öffentliches Gut darstellen.
Folglich
werden diese Agrargemeinschaften (und damit die zum Gemeindegut gehörigen
Grundflächen)
heute von einigen wenigen alteingesessenen Bauern kontrolliert, denen
natürlich in aller Regel die
übrigen Gemeindebürger und das öffentliche Interesse zufolge
ihrer Eigeninteressen kein Anliegen sind.
Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind fatal:
Heute vereinnahmen
jene Agrargemeinschaften, die Gemeindegründe verwalten,
schätzungsweise etwa 35 Millionen Euro pro Jahr. Aus der noch am ehesten
mit den
historischen Nutzungsrechten in Verbindung zu bringenden Holznutzung stammen
davon
jedoch nur etwa 10 Millionen Euro. Die restlichen 25 Millionen Euro pro Jahr
würden heute
in die kommunalen Haushalte fließen,
wenn die aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte an sich
schon problematischen Vorrechte der Nutzungsberechtigten nicht von den
Agrarbehörden
rechts- und verfassungswidrig erheblich
erweitert worden wären. In den Agrargemeinschaften
werden diese Einnahmen hingegen meist ohne jeden öffentlichen
Nutzen verwendet. So hat
zum Beispiel kürzlich die Agrargemeinschaft Mieders um rund 580.000 Euro
die Serles, also
einen Berg, gekauft, der zwar
landschaftlich sehr schön ist, in wirtschaftlicher Hinsicht jedoch
wertloses Ödland darstellt. Andere Agrargemeinschaften horten das
eingenommene Geld.
Laut einem Bericht der Zeitschrift West vom Februar 2007 hatten die Top 333
Agrargemeinschaften im Jahr 2003 stolze 37 Millionen Euro auf der Hohen Kante
(obwohl
laufend Geld verteilt wurde). Totes Kapital, das in den Kommunen für die
Verbesserung der
Kinderbetreuung und von Sport- und Freizeiteinrichtungen, für den
Schulbau, für die
Belebung der Wirtschaft etc. dringend gebraucht würde. Manche
Agrargemeinschaften
verteilen immer wieder beträchtliche Beträge an ihre Mitglieder, was
von der leer
ausgehenden Mehrheit der Gemeindebürger als besondere Ungerechtigkeit
empfunden wird.
Sie fühlen sich verständlicherweise als Gemeindebürger zweiter
Klasse.
Der Wert der
widerrechtlich ins Eigentum von Agrargemeinschaften übertragenen
Grundflächen wird mit ca. zweieinhalb
Milliarden Euro geschätzt. Dieser an sich ja schon
hohe Betrag spiegelt aber das Vermögen, das die Öffentlichkeit
verloren hat, nur
unzureichend wieder, weil er im wesentlichen auf Freilandpreisen beruht,
während die
Gemeinden,
wenn sie einen kleinen Teil dieses Gebietes wieder für öffentliche
Zwecke (etwa
für Siedlungs-
oder Gewerbegebiete, für Sportstätten, Kindergärten und
ähnliches) haben
wollen, in aller Regel ein Vielfaches des Freilandpreises zahlen müssen,
weil
notwendigerweise eine Umwidmung vorausgehen muss, die eine ganz erhebliche
Wertsteigerung bewirkt Die
Agrargemeinschaften nutzen den Umstand, dass die Gemeinde
immer wieder Grund von ihnen braucht, teilweise rücksichtslos aus,
um sich (wiederum
zulasten der anderen Gemeindebürger)
laufend ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen. So
sind zum Beispiel viele Agrargemeinschaften zu einem Grundtausch
überhaupt nur dann
bereit, wenn sie wesentlich mehr bekommen, als sie geben.
Die Übereignung
der öffentlichen Flächen an Agrargemeinschaften, in denen jetzt
wenige
Privilegierte den Ton angeben, hatte auch
zur Folge, dass diese Flächen der Öffentlichkeit nur
sehr eingeschränkt für Sport und Erholung zur Verfügung
stehen. Wenn daher eine solche
Fläche als Schipiste, Langlaufloipe
oder als Sportplatz benützt werden soll, bleibt in der Regel
der Gemeinde nichts anderes übrig, als dafür Entgelte zu
zahlen, die sich aus den allenfalls
entfallenden Holz- und Weidenutzungen nicht im Entferntesten ableiten lassen.
So verlangt
zum Beispiel eine der beiden Agrargemeinschaften, die jetzt das Imster
Gemeindegut
verwalten, als Entschädigung für einen Lift, eine Schiabfahrt und
eine Sommerrodelbahn
einen Betrag von rund 70.000 Euro jährlich. Da die Lift- und
Rodelbahngesellschaft dieses
Entgelt jedoch nicht aus den Betriebseinnahmen finanzieren können, muss
die Stadt Imst
jährlich einen Betriebsabgang dieser beiden Gesellschaften in der gleichen
Höhe abdecken.
Auf diese Weise fließen Mittel, die eigentlich für die
Förderung einer Sportanlage und des
Tourismus gedacht wären, im Ergebnis
in die Taschen einer kleinen privilegierten Gruppe.
Weil die
Gemeinden fast keinen Einfluss mehr darauf haben, wie
ihre Grundflächen verwaltet
werden, wer daraus einen Nutzen ziehen darf und wozu sie verwendet werden, ist
ihnen eines
der wichtigsten
Instrumente kommunaler Politik genommen worden. Peter Schönherr,
Bürgermeister der Gemeinde Neustift im
Stubaital, klagte vor wenigen Tagen im Tirol TV:
„Fast jedes zweite Projekt im Dorf berührt irgendwo die
Grundstücke der
Agrargemeinschaft". Die Interessen der
in der Agrargemeinschaft stimmberechtigten wenigen
alteingesessenen Bauern (bzw. ihrer Nachkommen) sind keineswegs
identisch mit jenen der
Gesamtbevölkerung. In jenen Gemeinden, in denen die Agrargemeinschaften
große
Grundflächen besitzen, sind sie in der
Lage, sehr viele Vorhaben der Gemeinde zu blockieren,
wenn sie dies wollen. Ein
Bürgermeister, der sich mit der Agrargemeinschaft anlegt und dann
womöglich
alle nötigen Wege, Gehsteige und sonstigen Infrastruktureinrichtungen nur
mehr
im Wege der
Enteignung durchsetzen kann, wird in seiner Amtsperiode nicht mehr viele
Bauvorhaben in der Gemeinde zu Ende bringen. Dies verleiht den
Agrargemeinschaftsfunktionären
auch ein politisches Gewicht, das weit über die Bedeutung
des von den Agrargemeinschaftsmitgliedern repräsentierten
Bevölkerungsanteils hinausgeht
Dies ist weder
demokratisch, noch kann es im Interesse der Gemeinden und ihrer Bürger
liegen.
Dass
das öffentliche Leben von einigen wenigen Grundbesitzern kontrolliert
wird, erinnert an
Gesellschaftsordnungen,
die man im Allgemeinen als längst überwunden betrachtet.
Zusammengefasst hat die so
genannte Bodenreform, zumindest soweit sie sich auf das
Gemeindegut bezogen hat, auf der ganzen
Linie versagt Es wurde nichts „erneuert", sondern
es wurde das Rad der Zeit zurück gedreht. Es wurden die
Unterschiede zwischen
verschiedenen Klassen von Gemeindebürgern, die aus einer Zeit vor
Inkrafttreten unserer
Verfassung insbesondere des Gleichheitsgrundsatzes entstanden sind, sogar
verschärft. Die
Öffentlichkeit wurde geschädigt.
Die durch die Bodenreform hinsichtlich des Gemeindeguts
geschaffenen Verhältnisse liegen weit weniger im öffentlichen
Interesse als die, welche
vorher bestanden haben.
Mängel des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes:
Diese im
größten Teil der öffentlichen Grundflächen herrschenden,
keineswegs im
öffentlichen Interesse liegenden
rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind zwar in
erster Linie den Agrarbehörden zuzuschreiben, doch haben diese
dabei folgende Mängel
ausgenützt, die den Vorschriften der
Flurverfassung von Anfang an innegewohnt haben:
• Verwandlung von bloßen Nutzungsrechten in Anteile an der Substanz:
Die Anteile der Mitglieder an
einer Agrargemeinschaft sind im Verhältnis der bis zum
Zeitpunkt der Regulierung geübten Nutzungen festzusetzen. Im
Flurverfassungsgrundsatzgesetz ist jedoch nirgends geregelt, wie die
möglichen
Nutzungen zwischen Agrargemeinschaft und
Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen
Grundstückes aufzuteilen sind, wenn die Agrargemeinschaft nicht
Grundeigentümerin ist
(was beim Gemeindegut von Rechts wegen immer der Fall sein hätte
müssen). Im Falle
einer Teilung haben die
einzelnen Agrargemeinschaftsmitglieder Anspruch auf
Zuweisung von Grundflächen und zwar im Verhältnis ihres Anteiles an
der
Agrargemeinschaft (und zwar paradoxer Weise auch dann, wenn die
Agrargemeinschaft
nicht Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist).
Durch ein solches
Verfahren werden bloße Nutzungsrechte
in Anteile an der Substanz verwandelt. Nur
dadurch war es möglich, dass
Personen, die ehemals nur zum Holzbezug berechtigt waren,
heute Baugrunderlöse, Schotterzinse und dgl. unter sich aufteilen
können. Um diese (von
der Fachliteratur schon im Jahre 1898 aufgezeigte) Problematik zu
berücksichtigen, sieht
das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz einen Mindestanteil für die
Gemeinden vor
(nämlich von in der Zeit von 1909 bis 1952 10 %, danach 20 %). Ein
Mindestanteil ist
jedoch deshalb kein geeignetes Äquivalent für das Recht der Gemeinde
an der Substanz
des Gemeindegutes, weil sich das Verhältnis zwischen Substanznutzungen und
Holz-
bzw. Weidenutzungen nach Ort und Zeit extrem ändern kann. Solange z.B. ein
Grundstück nur als Wald genutzt wird, entfallt auf den Holzbezug der
allergrößte Teil
seines Wertes. Wird es hingegen z.B. in Bauland umgewidmet, übersteigt der
Wert des
Grundstückes jenen des daraus
möglichen Holzbezuges um ein Vielfaches.
• Fehlende Kontrolle:
Darüber hinaus hat der
Grundsatzgesetzgeber dadurch, dass er die Verwaltung des
Gemeindegutes den Agrargemeinschaften übertragen hat, eine Organisation
geschaffen,
die öffentliche Verwaltungsaufgaben besorgt, ohne den sonst in unserem
Rechtsstaat
üblichen Kontrollen unterworfen zu sein. So lässt es der
Grundsatzgesetzgeber zum
Beispiel zu, dass Regulierungspläne für Gemeindegut nicht in
Verordnungs- sondern nur
in Bescheidform erlassen werden
können, was zur Folge hat, dass Regelungen, die für alle
Gemeindebürger gelten (und sei es nur, indem sie den Großteil
davon von der Nutzung
öffentlicher Grundflächen ausschließen) nicht beim
Verfassungsgerichtehof angefochten
werden können. Zudem wird in den Agrargemeinschaften auch die
demokratische
Kontrolle ausgeschalten, weil sich nur eine kleine privilegierte Minderheit an
der
Willensbildung und an der Wahl ihrer Organe beteiligen kann. Dadurch hat die
Öffentlichkeit fast keinen Einfluss mehr darauf, wie diese
Agrargemeinschaften ihre
öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Dies
verleitet natürlich zum Missbrauch.
Das Fehlen
ausreichender Kontrollmechanismen für die Verwaltungstätigkeit von
Agrargemeinschaften mag damit
zusammenhängen, dass im Jahr 1883, dem Jahr der
Erfindung
der Agrargemeinschaften, der demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle
nicht derselbe Wert
zugebilligt wurde wie heute. Dies kann jedoch kein Grund sein,
diesen Missstand nicht mehr als 100 Jahre später endlich zu beseitigen.
• Verwaltung des Gemeindeguts durch Agrargemeinschaften unzweckmäßig:
Aus heutiger Sicht
erscheint es fraglich, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Verwaltung
öffentlichen Gutes Agrargemeinschaften
oder ähnlichen Konstrukten zu übertragen. Wie
oben geschildert, hat dies in der Vergangenheit mehr Missstände erzeugt
als beseitigt. Im
Jahr 1883 (dem Jahr der Erfindung der Agrargemeinschaften) war die
Gemeindeverwaltung noch bei weitem nicht so
entwickelt wie heute. Seither wurde sehr
viel dafür getan, um die Verwaltung der Gebietskörperschaften
demokratischer,
rechtsstaatlicher und effizienter zu machen. Ähnliche Bemühungen
haben in Bezug auf
Agrargemeinschaften nicht stattgefunden. Heute wären die Gemeinden auch
ohne
Agrargemeinschaften in der Lage, ihre Grundflächen vor Übernutzung zu
schützen und
für deren Pflege zu sorgen. Sie benötigen daher heute zur Verwaltung
ihres
Gemeindegutes keine Agrargemeinschaften
mehr. Die Gemeinden können diese Aufgabe
wieder selbst übernehmen. Sie würden sie in
volkswirtschaftlicher Hinsicht viel besser
erfüllen als Agrargemeinschaften, weil
sie die Interessen aller vertreten würden und nicht
nur die einer kleinen Minderheit.
Handlungsbedarf des Bundesgesetzgebers:
In
seinem Erkenntnis vom 1.3.1982, VfSlg. 9336/1982, hat der
Verfassungsgerichtshof unter
anderem § 15 Abs. 2 lit d des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951
aufgehoben.
Begründend
wurde ausgeführt, auch dem Flurverfassungsgrundsatzgesetz wohne die
Tendenz
inne,
im Zuge der Bildung von Agrargemeinschaften bloße Nutzungsrechte in
Anteile an der
Substanz zu verwandeln und damit die Nutzungsrechte zum Nachteil der
übrigen
Gemeindebürger
(bzw. zum Nachteil der auch die übrigen Gemeindebürger
repräsentierenden
Gemeinde) erheblich zu erweitern. Dies sei mit dem Gleichheitsgrundsatz ganz
offensichtlich
unvereinbar.
Fraglich sei auch, ob es angesichts des sich oft stark ändernden
Verhältnisses
zwischen dem Wert der Nutzungen und dem Wert der Substanz überhaupt
sachgerecht sei,
den Gemeinden fixe Anteile an den Agrargemeinschaften zuzuweisen.
Auf dieses Erkenntnis hat der Bund bis
heute nicht reagiert, obwohl der
Verfassungsgerichtshof eine Frist bis
28.2.1983 zur Reparatur der aufgehobenen Bestimmung
gesetzt und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Reparatur
nötig wäre. Weder wurde
die aufgehobene Bestimmung wieder in Kraft gesetzt (was nur zulässig
gewesen wäre, wenn
die am Gemeindegut bloß Nutzungsberechtigten nicht weiterhin auch an den
so genannten
Substanznutzungen beteiligt würden),
noch wurde etwa die Bestimmung des § 15 Abs. 1 lit. b
F1VGG so geändert, dass das Gemeindegut nicht mehr den (mangels
Änderung nach wie vor
verfassungswidrigen) Bestimmungen der Flurverfassung unterliegt.
Tatsächlich
wäre aber der Bund verpflichtet gewesen, entweder durch eine Reform des
Flurverfassungsgrundsatzgesetzes die gleichheitswidrigen Vorrechte der
alteingesessenen
Bauern im Bezug auf die Nutzung und
Verwaltung öffentlicher Grundflächen zu beseitigen
oder das Gemeindegut vom Anwendungsbereich der Flurverfassung
auszunehmen.
Agrargemeinschaften
sind Konstrukte der Flurverfassung. Ihre Existenz, ihr Aufgabengebiet
und ihre innere Organisation, ihre „Verfassung" kann vom
Bundesgesetzgeber geregelt und
geändert werden. Der Bundesgesetzgeber hätte daher die
Möglichkeit und demzufolge auch
die Pflicht, die oben beschriebenen Fehlentwicklungen der Bodenreform zu
korrigieren.
Dass
sich die Gesetzgebung des Bundes nur auf Grundsätze zu beschränken
hat, ändert nichts
daran, dass der Bund
jedenfalls jene Bestimmungen zu erlassen hat, die gewährleisten, dass
die Bundesverfassung auch in diesem Rechtsbereich eingehalten und umgesetzt
wird. Dafür
genügt es nicht, darauf zu vertrauen, die Ausführungsgesetzgebung
oder gar nur die mit der
Vollziehung betrauten Beamten würden schon von sich aus das Richtige tun,
zumal diese
Annahme durch die Entwicklung in der Vergangenheit bereits widerlegt wurde.
Vielmehr
obliegt dem Grundsatzgesetzgeber auch die Installation eines Kontrollsystems,
dessen
Effizienz den sonst in unserem Rechtsstaat
üblichen Standard aufweist.
Es wäre daher
die Aufgabe des Bundesgesetzgebers, durch Aufstellung entsprechender
Grundsätze dafür zu sorgen, dass
sich nicht einzelne Bevölkerungsgruppen auf Kosten der
übrigen am Gemeindegut bereichern können. Die geschilderten
Vollzugsfehler der Tiroler
Agrarbehörde beweisen, dass zur Erreichung dieses Ziels auch entsprechende
bundesrechtliche Grundsätze nötig sind, zumal der
Landesgesetzgeber weder seinerzeit
geeignete Bestimmungen erlassen hat, um das
Entstehen neuer Standesvorrechte im Bezug
auf das
Gemeindegut zu verhindern, noch die jetzt offenbar gewordenen Missstände
beseitigt
hat.
Wenn sich
der Bundesgesetzgeber aber nicht dazu entschließen sollte, die Verwaltung
des
Gemeindegutes wieder
den Gemeinden zu übertragen, musste zumindest dafür gesorgt
werden,
•
dass die Regeln, nach denen Agrargemeinschaften ihre
Verwaltungstätigkeit ausüben,
jederzeit vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden könnten (dass
also der gesamte
Inhalt eines
Regulierungsplanes den Charakter einer Verordnung erhalten muss),
•
dass jene Organe der Agrargemeinschaften, deren Entscheidungen nicht
nur die Holz-
und Weidenutzung
betreffen, von der Gemeinde beschickt werden (um diese Organe
demokratisch zu legitimieren) und
•
dass bei der
Verteilung des Ertrages oder gar der Substanz des Gemeindegutes die
Gemeinde jedenfalls alles erhält, was
nicht unmittelbar der Holz- und Weidenutzung
zuzuordnen ist.
Mögliche Gegenargumente:
Gegen
die oben dargestellte Notwendigkeit, die bestehenden rechtlichen und
wirtschaftlichen
Missverhältnisse
am Gemeindegut durch effiziente gesetzliche Maßnahmen zu beseitigen,
wurde gelegentlich eingewendet, jene
Regulierungspläne, in denen festgestellt wurde, die zum
Gemeindegut gehörigen Grundstücke stünden im Eigentum einer
Agrargemeinschaft, und
worin den Gemeinden Anteilsrechte zugewiesen wurden, welche nicht einmal
annähernd dem
Verhältnis zwischen dem Wert der zum Gemeindegut gehörigen
Grundstücke und dem Wert
der historischen Holzbezugs- und Weiderechte
entsprachen, seien rechtskräftig.
Diese Einwände
sind im Ergebnis jedoch nicht stichhältig. Meist wurde (paradoxerweise) in
den Regulierungsplänen auch festgestellt, dass es sich bei den im Eigentum
der
Agrargemeinschaft stehenden Grundstücken um Gemeindegut handelt.
Hinsichtlich dieser
Grundflächen steht daher fest, dass sie für einen öffentlichen
Zweck bestimmt und insofern
daher öffentliches Gut sind. Demzufolge ist auf diese Grundflächen
jedenfalls der
Gleichheitsgrundsatz anwendbar, der es
verbietet, ohne ausreichende sachliche
Rechtfertigung unterschiedliche Klassen von Berechtigten zu schaffen. Sachlich
gerechtfertigt
ist jedoch nach der schon zitierten
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9336/1982
gerade noch das weitere
Aufrechthalten der schon seit mehr als 100 Jahren bestehenden
Holzbezugs- und Weiderechte, nicht jedoch
die Aufrechterhaltung noch weiterer Vorrechte.
Im Übrigen wären auch
rechtskräftige Bescheide für den Gesetzgeber keineswegs
unantastbar, sondern erlaubt im Gegenteil eine geänderte Rechtslage eine
neuerliche
Entscheidung über einen unveränderten Sachverhalt. Dass der Staat
seine Macht auch zur
Durchsetzung unrichtiger Entscheidungen einsetzt, ist nur insoweit
gerechtfertigt, als ein
gewisser Anteil unrichtiger Entscheidungen trotz aller zumutbaren
Bemühungen nicht zu
vermeiden ist. Die sich auf Gemeindegut beziehenden Regulierungspläne sind
jedoch
(zumindest in Tirol) praktisch alle grob rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit
dieser Bescheide
ist leicht festzustellen und hat ihre Ursache nicht etwa in unvermeidbaren
Fehlern im
Einzelfall, sondern geht auf einen - auf Rechtsbeugung und Schaffung
gleichheitswidriger
Privilegien gerichteten - politischen
Willen zurück. Solche Bescheide sind keine hinreichende
Rechtfertigung, um die darin verfugte Ungleichheit auch in Zukunft
aufrecht zu erhalten.
Anteilsrechte
an Agrargemeinschaften sind öffentliche Rechte. Sie genießen daher
nicht den
Schutz der Unverletzlichkeit sondern unterliegen vor allem dem Regime des
Gleichheitsgrundsatzes.
Ungerechtfertigte Privilegien sind daher zu beseitigen und nicht
aufrecht zu erhalten.
Agrargemeinschaften
sind nicht etwa bäuerliche Miteigentumsgemeinschaften, sondern
Körperschaften öffentlichen Rechts, die zum Zweck der Bodenreform
(konkret zur besseren
Nutzung und Verwaltung gemeinschaftlich genutzter Grundstücke und nicht
etwa zur
Bereicherung einer kleinen privilegierten
Gruppe) geschaffen wurden. Die Schutzwürdigkeit
des Eigentums von Agrargemeinschaften ist daher nur in Verbindung mit
dem
bodenreformatorischen Daseinszweck solcher Rechtsgebilde zu sehen. Zweck der
Bodenreform ist die Anpassung der wirtschaftlichen und rechtlichen
Verhältnisse an
gemeinschaftlich genutzten Grundflächen an die jeweiligen sozialen und
wirtschaftlichen
Bedürfnisse unseres Staates. Erweist sich die Organisationsstruktur der
Agrargemeinschaft
oder deren Eigentum am Gemeindegut auch nur
teilweise zur Verwirklichung dieses Zweckes
als ungeeignet, ist der Bundesgesetzgeber verpflichtet, entweder die
Organisation solcher
Agrargemeinschaften anzupassen, oder deren
Aufgaben und Befugnisse einzuschränken oder
abzuändern. Im Rahmen solcher Maßnahmen kann der Bundesgesetzgeber
selbstverständlich
den Agrargemeinschaften das Eigentum an Grundstücken des
Gemeindegutes wieder
entziehen, auch wenn
ihnen dieses (ohne rechtliche Grundlage) per Bescheid zugeteilt wurde.
Er muss dies sogar
tun, wenn dies - wie hier - zur Beseitigung gleichheitswidriger Vorrechte
der so genannten Eingeforsteten erforderlich ist. In gleicher Weise kann die
Existenz
zahlreicher meist rechtskräftiger (aber gesetzwidriger)
Regulierungspläne den
Bundesgesetzgeber nicht von seiner Verpflichtung entbinden, gleichheitswidrige
Standesvorrechte im Bezug auf die Nutzung
und Verwaltung des Gemeindegutes
abzuschaffen.
Die
unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Land-
und
Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende
Anfrage:
1.
Wann werden
Sie dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorlegen, der das
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom
1.3.1982, VfSlg. 9336/1982, umsetzt?
2.
Was gedenkt Ihr Ministerium zu unternehmen, damit das Gemeindegut
— in Tirol der
größte
öffentliche Grundbesitz - nicht weiterhin nur von einem entgegen Art. 7
Abs. 1
BVG neu geschaffenen
privilegierten Stand kontrolliert und genutzt wird?
3.
Gedenkt Ihr Ministerium dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf
vorzulegen, der
diesen verfassungswidrigen Zustand dadurch beseitigt, dass die Verwaltung der
zum
Gemeindegut gehörigen Grundstücke wieder der Gemeinde selbst
übertragen wird,
und wenn nein, warum nicht?
4.
Gedenkt Ihr Ministerium dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf
vorzulegen, wonach
die
Agrargemeinschaften am Gemeindegut in Hinkunft nur noch die aus der
Gemeindebürgerschaft abgeleiteten Holzbezugs- und Weiderechte ihrer
Mitglieder
repräsentieren, und wenn nein, warum nicht?
5.
Gedenkt Ihr Ministerium dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf
vorzulegen, wonach
die Willensbildung
sowie die Verteilung von Erträgen in Agrargemeinschaften, die
Gemeindegut verwalten, derart geregelt
wird, dass in Hinkunft keine dem
Gleichheitsgrundsatz
widersprechende Benachteiligung der nicht
einforstungsberechtigten Gemeindemitglieder
mehr erfolgen wird, und wenn nein,
warum nicht?
6.
Die Gemeinden, deren Gemeindegut heute von Agrargemeinschaften kontrolliert und
genutzt wird, haben einen wesentlich erhöhten Finanzbedarf, weil sie
für zahlreiche
Gemeindevorhaben ihr Gemeindegut in Anspruch nehmen und dafür mindestens
soviel bezahlen müssen, wie für die Inanspruchnahme von Fremdgrund.
Werden Sie
dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorlegen, welcher in Entsprechung des
§ 4
F-VG bei der Verteilung der Besteuerungsrechte
und Abgabenerträge die zusätzlichen
Lasten solcher Gemeinden berücksichtigt und dafür sorgt, dass
die Grenzen der
Leistungsfähigkeit solcher Gemeinden
nicht überschritten werden, die durch die
Bodenreform ihr gesamtes Vermögen (oder zumindest den
Großteil davon) verloren
haben, und wenn nein, warum nicht?