158/J XXIII. GP

Eingelangt am 12.12.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr und GenossInnen

an       den       Bundesminister       für       Wirtschaft       und       Arbeit       betreffend

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen EU und AKP-Staaten.

Seit 2002 verhandeln die Europäische Union und die 78 Staaten Afrikas, der Karibik und
des Pazifik (AKP-Staaten) über neue Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Diese
Freihandelsabkommen haben zum Ziel, mit der Weltwirtschaftsorganisation (WTO)
konforme Handelsregeln zu vereinbaren, die bestehenden Handelshemmnisse
schrittweise zu beseitigen, auf den Initiativen der AKP-Staaten zur regionalen Integration
aufzubauen, die Armut zu beseitigen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die
Verhandlungen sollen bis Ende 2007 abgeschlossen ein.

Die AKP-Staaten wurden aufgefordert, ihre Märkte zu liberalisieren und sich auf neue,
auf Gegenseitigkeit" beruhende regionale Handelsregelungen mit der EU einzulassen.
Aufgrund des sehr unterschiedlichen Entwicklungsstandes der einzelnen L
änder ist dies
als sehr problematisch einzuschätzen - die EU ist weltweit größter Einzelmarkt, 27 der
ärmsten Länder der Welt sind AKP-Staaten. Deshalb fordern auch viele
Nichtregierungsorganisationen (NRO) von der EU in diesem Zusammenhang eine
differenzierte Sonderbehandlung f
ür arme Länder. Angesichts der Ausgangslage
bedürfte es der Entwicklung alternativer Handelsabkommen, die auf dem Prinzip der
Nicht-Reziprozität beruhen und die Idee der besonderen und differenzierten Behandlung
von armen Ländern verankern.

Die Mehrheit der Menschen in Afrika lebt von der Landwirtschaft, sodass weitere
Liberalisierungen im Agrarbereich negative Auswirkungen für die Bevölkerung
befürchten lassen, zumal ihre Ernährungssouveränität damit bedroht wäre. Für die
meisten afrikanischen Bauern ist vor allem der Zugang zum eigenen Markt von
Bedeutung und nicht der Export. Jene Bauern, die im Export t
ätig sind (z.B. Kaffee,
Kakao) kämpfen seit Jahren mit der Preiskrise für ihre Rohstoffe. Die bisherige
Exportorientierung bei gleichzeitiger
Öffnung der eigenen Märkte hat den Anteil Afrikas
am Welthandel nicht vergrößert. Allfällige Volumensteigerungen beim Export haben
durch den extremen Rohstoff-Preisverfall keinen Wohlstandgewinn f
ür afrikanische
Bauern erbracht (die Kaffeepreise sind in den letzten zwei Jahrzehnten um 50%
gesunken). Eine weitere Liberalisierung aufgrund dieser negativen Bilanz kann daher
nicht zielf
ührend sein.

In vielen AKP-Staaten macht der Anteil der Einnahmen durch Importzölle ein Drittel der
gesamten Staatseinnahmen aus. Es ist zu befürchten, dass durch die EPAs aufgrund
von Verlusten bei Zolleinnahmen die Eink
ünfte in den AKP-Staaten sinken und sich
negativ auf staatliche Ausgaben in den Bereichen Bildung, Gesundheit und
Armutsbekämpfung auswirken werden. Mehr Mittel werden auch für Anpassungskosten
notwendig sein, um den zunehmend anspruchsvolleren technischen und hygienischen
Standards für den Export in die EU zu genügen.


Es bestehen daher Zweifel, dass die Liberalisierung des Handels als Instrument der
Entwicklungspolitik Wirkung zeigen kann. Vielmehr ist zu befürchten, dass die EU
versuchen wird, das durchzusetzen, was in der WTO bislang nicht gelang.
Beispielsweise sind Themen, gegen die sich die AKP-Staaten in der WTO immer schon
hartnäckig gewehrt haben, nun im Rahmen der EPAs wieder neu auf dem
Verhandlungstisch: Investitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen.
Nicht zuletzt k
önnte auch die kurze Umsetzungsfrist von nur 10 Jahren in einigen
Ländern zu wirtschaftlichen Turbulenzen führen.

Auch das Europäische Parlament (Entwurf einer Entschließung über die Auswirkungen
der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auf die Entwicklung") zeigt sich beunruhigt,
dass allzu rasches Streben nach Gegenseitigkeit in den Handelsbeziehungen zwischen
EU und AKP-Staaten sich auf die anfälligen Volkswirtschaften der AKPs verheerend
auswirken könnten. Das EU-Parlament fordert daher ein Überdenken der angestrebten
Handelsliberalisierung und mehr Transparenz in Bezug auf die Fortschritte und den
Inhalt der Verhandlungen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit - auch in seiner Rolle als Mitglied des EU-Handelsministerrates - folgende

Anfrage:

1.  Welche  Position  hat  Österreich  bislang  innerhalb der  EU  bezüglich  EPA
vertreten?

2.            Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben Sie bezüglich EPA innerhalb der EU
bislang eingebracht?

3.            Konnten   Sie   sich   innerhalb   der   EU   mit   diesen   Schwerpunktsetzungen
durchsetzen bzw. wie war die Reaktion darauf?

4.            Welche Prioritäten setzen Sie bezüglich der EPA?

5.            Erachten Sie es als wichtig, die EPA zu einem entwicklungspolitischen Instrument
zu machen?

6.            Wie   sollen   die   EPA   mit   anderen   entwicklungspolitischen   Instrumenten
harmonisiert werden?

7.            Welche Möglichkeiten sehen Sie, die EPA zu einem entwicklungspolitischen
Instrument zu machen?

8.            Welche möglichen Hemmnisse stehen dem im Wege und wie können diese
ausgeräumt werden?

9.            Wenn Ihrer Meinung nach EPA kein entwicklungspolitisches Instrument sind,
warum nicht?


10.       Wie beurteilen Sie die Chance für alternative Handelsabkommen, die auf dem
Prinzip der Nicht-Reziprozität beruhen und die Idee der besonderen und
differenzierten Behandlung von armen L
ändern verankern?

11.Welche diesbezüglichen Initiativen wollen Sie setzen?

12.Wie beurteilen Sie den weiteren Liberalisierungsdruck auf den
Landwirtschaftssektor der AKP-Staaten hinsichtlich der Gefährdung der
Ernährungssouveränität dieser Länder?

13.   Welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährungssouveränität der AKP-
Staaten wollen Sie setzen?

14.   Wie schätzen Sie die Auswirklungen der verminderten Zolleinnahmen in den
AKP-Ländern durch die EPA ein?

15.   Mit    welchen    Maßnahmen    wollen    Sie    sicherstellen,    dass    öffentliche
Dienstleistungen,  die  zu   einem  guten  Teil  durch   bisherige  Zolleinnahmen
finanziert wurden, in den AKP-Ländern weiterhin gewährleistet werden können?

16.   Wie beurteilen Sie die Bedenken des Europäischen Parlaments (Entwurf einer
Entschlie
ßung über die Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
auf die Entwicklung")?

17.   Wie werden Sie diesen Bedenken entgegentreten?

 

18.    Wie stehen Sie zu einem Überdenken der Handelsliberalisierungen?

19.    Wie wollen Sie Transparenz in den laufenden Verhandlungen gewährleisten?

20.    Halten sie die EPA für ein Umgehen der stockenden WTO-Verhandlungen?

21.    Wenn ja, wie argumentieren Sie den EU-Alleingang?

22.    Wie schätzen Sie den Weitergang der Doha-Runde ein?

23.    Rechnen Sie mit einem Abschluss und wenn ja, wann?

24.    Gehen   Sie   davon   aus,   dass   die   EPA-Verhandlungen   mit   Ende   2007
abgeschlossen sein werden?