1648/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.10.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Strache, Rosenkranz, Dr. Fichtenbauer, Dr. Graf
und weiterer Abgeordneter

an den Bundesministerin für Justiz

betreffend stößt der Rechtsstaat an seine Grenzen

In der Wiener Zeitung" vom 15.Mai 2007stand unter dem Titel Orthodoxe Thora-
Schule schließt vier Rabbi-Friedman-Kinder weiter aus, Beugestrafe gegen Fluch" zu
lesen:

Gerichts-Exekution nur am Papier. Anwalt beklagt: Rechtsstaat stößt an seine Gren-
zen.

Ein an sich harmlos scheinender Schulstreit droht sich zum handfesten Justiz-
Problem auszuwachsen: Alles begann vor rund sechs Wochen mit dem Ausschluss
der vier Kinder des in Ungnade gefallenen US-Oberabbiners Moishe Friedman aus
der j
üdisch-orthodoxen Talmud-Thora Privatschule in Wien-Leopoldstadt. Trotz ge-
genteiligen Gerichtsbeschlusses wird ihnen seither kein Zugang gew
ährt.
Das Gericht verh
ängte in Folge Beugestrafen von insgesamt 350.000 Euro gegen
den der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) nahe stehenden Schulverein. Diese
werden aber - offensichtlich aus politischen Gründen - nicht exekutiert.

Der Wiener Stadtschulrat wiederum erklärte sich in diesem Falle für ,unzuständig',
weil das Privatschulgesetz ,keine Rechtsgrundlage zur Durchsetzung von Gerichts-
beschl
üssen enthalte', die Durchsetzung also ,Sache der Gerichte' sei.
Leidtragende sind die Friedman-M
ädchen im Alter von 8, 10, 12 und 13 Jahren, die
seit Wochen am Schuleingang in der Malzgasse abgewiesen werden und wertvollen
Lehrstoff versäumen.

Auch die anderen rund 200 Schüler der laut IKG-Chef Ariel Muzicant ,ältesten jü-
disch-orthodoxen Schule Wiens' leiden: Demonstrationen politischer Aktivisten und
Friedman-Unterst
ützer vor der Schule, Polizeieinsätze und Unterrichts-Absagen stö-
ren den Betrieb regelmäßig.

Hintergrund der Konfrontation, die nun immer weitere Kreise zieht, ist die umstrittene
Teheraner Holocaust-Konferenz im vergangenen Dezember, an der Friedman zu-
sammen mit 13 anderen Rabbinern teilnahm. Dies brachte ihm laut Muzicant die
weltweite
Ächtung in Form des alttestamentarischen Bannfluches ,Cherem' ein. Da-
mit wird - vereinfacht ausgedrückt -jeglicher Kontakt mit dem Gebannten und seiner
Familie untersagt.

Nicht nur politisch korrekte Geister würden dazu ,Sippenhaftung' sagen - und genau
damit argumentiert auch Moishe Friedman. Er sah den Schulverweis seiner M
ädchen
als Racheakt gegen ihn an und klagte vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt.
Das Gericht folgte seiner Argumentation und ordnete Mitte M
ärz per einstweiliger
Verf
ügung die Gewährung auf Schulzutritt für die Kinder an - was der Schulbetreiber,
der Israelitische Tempel- und Schulverein ,Machsike Hadass', seither konsequent
ignorierte.

,Hier geht es um eine Privatschule mit sehr strengen Regeln, das muss jedem klar
sein, der seine Kinder hierher schickt', argumentiert Muzicant gegen
über der "Wiener
Zeitung" die Aufkündigung des Schulvertrages.

 


Friedman sei kein Rabbi, sondern ein der FPÖ nahestehender Hochstapler, und ha-
be wiederholt gegen diese Regeln verstoßen. Er sei zudem über Jahre das Schul-
geld schuldig geblieben, es seien bereits rund 20.000 Euro ausständig. Das rechtfer-
tige den Schulverweis; gegen den Gerichtsentscheid habe man Berufung eingelegt.
Dennoch ist dieser gültig, weshalb das Bezirksgericht Leopoldstadt bereits Beuge-
strafen gegen den Schulverein verh
ängt und teils sogar zur Exekution bewilligt hat.
Einkassiert wurde bisher allerdings noch nichts.

Der Stadtschulrat, an sich für die Durchsetzung der Schulpflicht verantwortlich,
scheint zahnlos: Laut Sprecher Matias Meissner habe man der Familie Ersatzplätze
in öffentlichen Schulen angeboten - ohne Erfolg. ,Kein Wunder; die Stadt Wien be-
treibt keine jüdisch-orthodoxe Schule und nur in eine solche will die Familie ihre Kin-
der aber schicken', kontert RA Dr. Hübner.

Er überlegt nun einen Antrag auf Beugehaft gegen den Schulleiter - juristisch und
praktisch durchsetzbar, wie der aktuelle Fall eines Bordellbetreibers aus Leopold-
stadt zeigt, den die Polizei mangels Wirksamkeit anderer Ma
ßnahmen nun bereits
zum dritten Mal per Haft beugt.

Die Causa Friedman sieht Hübner als Nagelprobe für den Rechtsstaat: ,Wenn das
Gericht weiter keine Durchsetzungskraft gegenüber jüdischen Organisationen zeigt,
sehe ich unser Rechtssystem am Ende' Eine Stellungnahme des Bezirksgerichtes
Leopoldstadt und des Justizministeriums war bis Redaktionsschluss nicht zu be-
kommen."

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bun-
desministerin f
ür Justiz folgende

Anfrage:

1.       Ist Ihnen der Fall bekannt?

2.       Ist es korrekt, dass das Bezirksgericht Leopoldstadt im März per einstweiliger
Verfügung die Gewährung auf Schulzutritt für die Kinder anordnete?

3.       Wenn ja, warum wurde den Kindern der Zutritt zur Schule verwehrt?

4.       Wurden in diesem Zusammenhang Anträge auf Erlassung von Beugestrafen
gestellt?

5.       Ist es korrekt, dass das Gericht in diesem Zusammenhang Beugestrafen von
über 350.000 Euro erlassen hat?

6.       Wurden diese Strafen schon exekutiert?

7.       Wenn nein, warum wurden sie nicht exekutiert?

8.       Warum ist das Exekutionsgericht untätig?

9.       In wie weit kommt hier die Amtshaftung zum Tragen?

10.  Wurden gegen die Verantwortlichen dienstrechtliche, bzw strafrechtliche Kon-
sequenzen angeordnet?

11.  Werden gegen die Verantwortlichen dienst-, bzw strafrechtliche Konsequen-
zen angeordnet?

12.  Wenn nein, warum nicht?   

13.  Ist der Rechtsstaat hier nicht wirksam?    

14.  Werden Sie als Bundesministerin für Justiz den Rechtsstaat dieser Causa     
sicherstellen?