210/J XXIII. GP

Eingelangt am 21.12.2006
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Van der Bellen, Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Verschmutzung des Flusses Raab

 

 

 

 

 

1.             Sachverhalt

 

Die Raab ist sowohl im  steiermärkischen als auch im burgenländischen Abschnitt deutlichen chemischen und organischen Belastungen ausgesetzt. Nach der offiziellen Skala hat die Raab „Güteklasse II-III-kritisch belastet“. Kontaminiert sind auch die Flüsse Feistritz und Lafnitz. Beide Flüsse vereinen sich auf österreichischem Gebiet und fließen kurz nach der Grenze in die Raab.

 

Dieser kritische Gewässerzustand geht unter anderem auf Abwässer der Industrie und des Gewerbes sowie auf ein Fernwärmewerk zurück. Die Geothermie Fürstenfeld nutzt die Energie des 75 Grad heißen Thermalwassers aus 1800 m Tiefe. Das nicht erneuerbare Wasser wird jedoch nicht, wie es ökologisch und rechtlich geboten wäre, rückverpresst sondern in die Feistritz eingeleitet. Es ist mit Salzen und Ölderivaten belastet.

 

In Österreich eingeleitete Substanzen führen in Ungarn zu einer hässlichen Schaumbildung. Ungarn hat angedroht, seine Zustimmung zur Einleitung der Abwässer einer Jennersdorfer Gerberei zurückzunehmen sowie den Schaum abzuschöpfen und auf österreichischem Gebiet zu deponieren.

 

2.             Rechtslage

 

Die Einleitung von Abwässern in Fließgewässer ist gemäß Wasserrechtsgesetz genehmigungspflichtig. Für die Genehmigung der Abwassereinleitungen von gewerblichen Betrieben wie den Gerbereien ist seit Mitte 2002 die Bezirkshauptmannschaft zuständig (GewO-Novelle 2001). Die Abwasser­einleitungen sind von der Gewerbebehörde zu prüfen, kontrollieren und nachzubessern (Mitvollzug des Wasserrechtsgesetzes durch die Gewerbebehörde). Oberste weisungsbefugte Instanz ist in diesen Fällen der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft. In allen anderen Fällen ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und die ihm untergeordneten Wasserrechtsbehörden (Landes­hauptmann und BH) zuständig.

 

Die Gewässeraufsicht hat Abwassereinleitungen und den Zustand des Gewässers regelmäßig zu kontrollieren. Im Fall des Zuwiderhandels (Einleitung ohne Genehmigung oder Einleitung jenseits des Bescheids) kann die Wasserrechtsbehörde bzw die Gewerbebehörde Verwaltungsstrafen verhängen bzw die Beseitigung von konsenslosen Anlagen auftragen. Für den Fall, dass trotz bescheidkonformen Verhaltens des Betriebes dieser eine Gewässerverunreinigung herbeiführt, können nachträgliche Auflagen erteilt werden. Nach dem Wasserrechtsgesetz werden Bewilligungen zudem meist nur befristet erteilt.

 

Für Gerbereien liegt seit 1999 (BGBl II 1999/10) eine Abwasseremissions-VO vor. Nach dem 13.4.1991 bewilligte Anlagen haben spätestens am 12.1.2005 die neuen Grenzwerte einzuhalten. Im übrigen können bestehenden Anlagen bestimmte betriebliche Maßnahmen zur Reinhaltung des Wassers aufgetragen werden wie zB die Einarbeitung frischer, ungesalzener Rohware zwecks Verminderung der Salzbelastung des Abwassers.

 

Die Festlegung der zulässigen Immissionsgrenzwerte für Fließgewässer wurde vom BMLFUW seit 1990 verabsäumt. Nunmehr wurde in diesem Jahr eine Verordnung vorgelegt, die festlegt, wie viel Schadstoffinhalte den Flüssen noch zuträglich ist (BGBl II 2006/96). Werden diese Grenzwerte überschritten, besteht jedenfalls Handlungsbedarf. Jedoch ist festzuhalten, dass diese Verordnung lediglich eine Konkretisierung des schon immer gültigen Reinhaltegrundsatzes (§ 30 WRG) ist.

 

Zwischen Ungarn und Österreich wurde 1959 ein Vertrag über die Regelung wasserwirtschaftlicher Fragen im Grenzgebiet abgeschlossen (BGBl 1959/225). Die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, keine Maßnahmen oder Arbeiten, die Grenzgewässer (Flüsse an der Grenze plus 6 km landeinwärts) nachteilig beeinflussen würden, ohne Zustimmung des anderen Vertragsstaates zu treffen.

 

3.             Versäumnisse

 

Die Raab zeigte schon früh im mittleren Raabtal kritische Belastungen auf (Güteklasse II-III). Die burgenländische Raabstrecke wird erstmals im Gewässerschutzbericht 2002 als kritisch belastet ausgewiesen. Von ungarischer Seite wurde ab dem Jahre 2000 eine Verminderung der Wasserqualität festgehalten. Aufgrund der erheblichen Verschlechterung und Schaumbildung im Jahre 2003 wurde die Österreichisch-Ungarische Gewässerkommission mit der Angelegenheit befasst.

 

Der Bundesrechnungshof merkte in seinem Bericht zur Umweltsituation im Dreiländereck Österreich-Ungarn-Slowenien: Südburgenland (Reihe Burgenland 2005/4), welche im Zeitraum April bis Mai 2005 geprüft worden war, kritisch an, dass die Belastungen der Raab teilweise nicht rechtlich gedeckt waren. Im Prüfbericht Reihe Steiermark 2006/4 wird der Rechnungshof noch deutlicher:

 

Geothermie Fürstenfeld: „Der unmittelbar nach der Einleitungsstelle gelegene Messpunkt in der Feistritz zeigte während des Probebetriebs einen Anstieg der Chloridfracht bis auf das Zehnfache des Ausgangswerts.“ Trotzdem erteilte der Landeshauptmann der Steiermark im Februar 2005 einen auf fünf Jahre befristeten Betrieb und gestattete die Einleitung des Thermalwassers. Nach Darstellung des RH beurteilte das BMLFUW „die Erlassung des Bewilligungsbescheides wegen der Vernachlässigung der öffentlichen Interessen als gesetzwidrig und erteilte den Auftrag, eine Adaptierung dieses Bewilligungsbescheides zu prüfen.“

 

Lederfabrik X: „Hinsichtlich der Emissionen der Abwasserreinigungsanlage war festzustellen, dass einzelne Grenzwerte des bis Ende 1999 befristeten Bescheides gehäuft und erheblich überschritten wurden. Der RH hielt fest, dass der Betrieb seine Abwässer ab dem Jahr 2000 ohne wasserrechtliche Bewilligung in die Raab einleitete. Er kritisierte, dass die Behörden jahrelang keine wirksamen rechtlichen Schritte unternahmen, um den Anforderungen des Wasserrechts zu entsprechen und eine ordnungsgemäße wasserrechtliche Grundlage für die Anlage zu schaffen.“

 

In einem Schreiben des Lebensministeriums vom 18. Oktober 2005 wird berichtet, dass die Überprüfung aller drei Lederfabriken (Jennersdorf, Feldbach und Wollsdorf) Überschreitungen der verordneten bzw der mittels Bescheid festgelegten Grenzwerte hervorbrachte, und zwar in  Wollsdorf bei den Parametern abfiltrierbare Stoffe, bei Ammonium-Stickstoff und Gesamt-P; in Feldbach bei den Parametern CSB, BSB5, Ammonium-Stickstoff, Gesamtphosphor und abfiltrierbare Stoffe und in Jennersdorf bei den Parametern Phosphat-Phosphor, Gesamt-Phosphor und Ablauftemperatur.

 

Im Mai 2006 wurde in der Gewässerkommission eine beide Seiten zufriedenstellende technische Lösung vereinbart, diese wurde allerdings bis jetzt nicht umgesetzt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.             Welche Abwasserinhaltsstoffe führten zur Einstufung der Raab als „kritisch belastet“ (Güteklasse II-III), wie etwa im Gewässerschutzbericht 1999 und im Gewässerschutzbericht 2002 ausgeführt?

 

2.             Welche Abwasserinhaltsstoffe führen zur Schaumbildung in der Raab?

 

3.             Welche Betriebe sind Verursacher der kritischen Belastung der Raab?

 

4.             Warum bleibt ein Betrieb, der seit dem Jahre 2000 ohne wasserrechtliche Genehmigung Abwässer in die Raab einleitet (siehe RH-Bericht, Steiermark 2006/3), von der Wasserrechtsbehörde völlig unbehelligt? Oder hat die Wasserrechtsbehörde irgendwelche hoheitlichen Maßnahmen gesetzt, um den gesetzmäßigen Zustand herzustellen, dh die rechtswidrige Einleitung zu unterbinden?

 

5.                                a)      Halten die drei relevanten Lederfabriken inzwischen die Grenzwerte der AEV Gerbereien ein, wenn nein, welche Grenzwerte werden von welchem Betrieb in welchem Ausmaß nach wie vor überschritten?

 

b)            Bei welchen Abwasserinhaltstoffen bzw Betrieben bestehen bescheid­mäßig strengere Grenzwerte und werden diese eingehalten?

 

6.      Warum spricht das Ministerium in Zusammenhang mit dem am 14. Dezember 2006 bekannt gegebenen Maßnahmenpaket von freiwilligen Maßnahmen der Betriebe, wo doch § 21 Wasserrechtsgesetz wie folgt lautet: „Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung, dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Wasserrechtsbehörde die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung des Schutzes erforderlichen anderen zusätzlichen Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.“?

 

7.      Wurden bei den Lederfabriken die in § 1 Abs 5 der AEV Gerberei aufgelisteten Anpassungsmaßnahmen bereits zur Gänze angeordnet?

 

8.      Welche nachträglichen Auflagen sind zur Erreichung der Grenzwerte der Qualitätsziel-VO Chemie Oberflächengewässer in der Raab erforderlich, welche Betriebe sind davon betroffen?

 

9.      Ist auszuschließen, dass die befristete Genehmigung der Einleitung der Abwässer aus der Geothermie Fürstenfeld verlängert wird?

 

10.    Die im Maßnahmenpaket angekündigten Ozonanlagen bei den Lederfabriken können nur organische Stoffe zurückhalten, welche Maßnahmen werden zur Senkung des Salzgehalts der Abwässer aufgetragen werden?

 

11.    Welche Maßnahmen werden dem Leiterplattenhersteller aufgetragen werden?

 

12.    Wann werden die Anpassungsmaßnahmen realisiert sein und wann wird damit die Güteklasse II für die Raab erreicht werden sowie eine Schaumbildung ausgeschlossen sein?