3107/J XXIII. GP
Eingelangt am 10.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Kai Jan Krainer
und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend "gleichbehandlungswidrige Schnüffelaktion der Finanzämter"
Von einer besorgten Bürgerin wurde berichtet, dass ihr zuständiges Wohnsitzfinanzamt bei ihr im Dezember 2007 eine Datenüberprüfung für den Anspruch auf Familienbeihilfe vor-nahm. Dazu übermittelte das Finanzamt die bereits vorhandenen Datenblätter der Familie zur Überprüfung der Korrektheit der Angaben. Neben der Rücksendung der überprüften Daten-blätter wurde die Mutter dreier Kinder aufgefordert Schulbesuchsbestätigungen, Kindergar-tenbestätigung und Staatsbürgerschaftsnachweise an das Finanzamt zu übermitteln. Auf Nachfrage warum sie diese Unterlagen übermitteln müsse, obwohl doch alle Daten korrekt beim Finanzamt vorlägen, bekam die dreifache Mutter eine bedenkliche Auskunft: Trotzdem alle Familienmitglieder österreichische StaatsbürgerInnen sind, werden sie überprüft, weil die Kinder "ausländische Namen" tragen[1].
Mit Jänner 2008 wurden die Familienbeihilfenzahlungen für das älteste Kind (6 Jahre) der betroffenen Mutter eingestellt. Auf Nachfrage beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt wurde der Betroffenen erklärt, dass bei ihrem ältesten Kind eine zeitliche Befristung der Familien-beihilfe bis Dezember 2007 vermerkt war - zu diesem Zeitpunkt sollte der Anspruch geson-dert überprüft werden. Die Einstellung der Zahlungen sei erfolgt, weil die Überprüfung des Anspruches noch nicht abgeschlossen, der "Akt noch nicht erledigt" sei. In der Folge wurde entdeckt, dass auch beim zweiten Kind (4 Jahre) eine Befristung des Anspruchs mit Mai 2009 festgelegt wurde. Lediglich das jüngste Kind wird offensichtlich nicht gesondert überprüft, da die Familienbeihilfe — wie grundsätzlich üblich - lediglich mit dem 18. Lebensjahr des Kin-des befristet ist.
Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen nach-stehende
Anfrage
1. Wie definieren die österreichischen Finanzämter bzw. Ihnen untergeordnete Behörden "ausländische Namen"?
2. Unter den 50 häufigsten Neugeborenen-Namen im Jahr 2006 in Österreich befinden sich "ausländisch klingende" Namen wie beispielsweise Marcel (454), Luca (424), Selina (387), Elena (356), Jana (325), Alina (264), Kevin (261), Angelina (247), Emily (236), Chiara (223), Michelle (218), Amelie (214) oder Pascal (184)[2]. Werden die TrägerInnen dieser Namen bzw. deren Eltern von Ihren Behörden ebenfalls gesondert überprüft?
3. Wie gehen Ihre Behörden vor, wenn sie Datenüberprüfungen bei "ausländisch klingen-den Vornamen" von österreichischen StaatsbürgerInnen vornehmen?
4. Wie erklären Sie, dass im oben beschriebenen Fall nach Antragstellung auf Familien-beihilfe von der Mutter die Vorlage von Staatsbürgerschaftsnachweisen für die Kinder gefordert wurde?
Wird in jedem Fall die Vorlage von Staatsbürgerschaftsnachweisen vom Wohnsitzfi-nanzamt verlangt? Wenn Nein, ist eine Refundierung der dadurch entstandenen Kosten vorgesehen?
5. Mit welcher Begründung werden von Wohnsitzfinanzämtern scheinbar willkürliche Be-fristungen (5.Lebensjahr; 6.Lebensjahr) des Anspruchs auf Familienbeihilfe erteilt? Werden oben beschriebene Befristungen bei allen österreichischen StaatsbürgerInnen er-teilt oder nur bei jenen, deren Kinder "ausländisch klingende" Vornamen gegeben wur-den?
6. Handelt es sich bei den oben beschriebenen Vorgehen (Sonderüberprüfung, Befristun-gen) um einen Einzelfall oder um systematisches Vorgehen?
7. Auf welche rechtliche Grundlage stützt sich das oben beschriebene Vorgehen (Son-derüberprüfung, Befristungen) des Finanzamtes?
Gibt es eine entsprechende Weisung Ihrerseits, die dieses Vorgehen rechtfertigt?
8. Laut § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz liegt eine "unmittelbare Diskriminierung" vor, "wenn eine Person auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in einer vergleichba-ren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfahrt. Erfahren hat oder erfahren würde". Der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetz umfasst gemäß § 30 Gleichbehandlungsgesetz auch Transfer-/Sozialleistungen des Bundes. Ist das Vorgehen Ihrer Behörden Ihrer Meinung nach mit diesen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes in Einklang zu bringen?
9. Ist den MitarbeiterInnen des BMF sowie den untergeordneten Behörden das Gleichbe-handlungsgesetz bekannt bzw. wurden bei ihnen Schulungen hinsichtlich der Vorschrif-ten des Gleichbehandlungsgesetzes durchgeführt?
Wenn ja, in welchem Umfang?
Wenn nein, sind solche Schulungen in Planung?
10. Bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes laut Gleichbehandlungsgesetz ha-ben Betroffene Anspruch auf Schadenersatz. Was werden Sie tun, um die Betroffenen angemessen zu entschädigen?