3413/J XXIII. GP

Eingelangt am 30.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Steier und GenossInnen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Systemgenehmigungsbescheide im ARA-System

Als bequemstes Verpackungssammelsystem der Welt" bewirbt die ARA (Altstoff Re­cycling Austria AG) in einigen aktuellen Werbespots ihre Tätigkeit. Das weltweit zu den effizientesten zählende ARA System kann nur auf Basis einer hohen Akzeptanz bei Wirtschaft, Politik und den BürgerInnen agieren            Wir, die ARA AG, haben ge­meinsam mit den Branchenrecycling-Gesellschaften ein österreichweites, flächende­ckendes System zur Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen aufge­baut, das zu den führenden Europas zählt................................... Die ARA AG und acht wirtschaftlich

selbständige Branchenrecycling-Gesellschaften bilden das ARA System. Die interne Zusammenarbeit ist vertraglich geregelt und abgestimmt. Alle Gesellschaften des ARA Systems arbeiten nicht gewinnorientiert." (http://www.ara.at) ist dazu der ARA­System- Homepage zu entnehmen.

Gemäß § 29 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002) müssen Sammel- und Ver­wertungssysteme über einen Genehmigungsbescheid verfügen. Einen solchen erhal­ten sie, wenn sie über entsprechende Vorkehrungen zur Sammlung und Verwertung sowie zur Einhebung der dafür erforderlichen Finanzmittel - dh. also sowohl über eine Mittelverwendung als auch eine Mitteleinhebung -verfügen. Zur Kontrolle, ob die damit verbundenen Pflichten eingehalten werden, sieht das Gesetz in § 31 AWG Aufsichtsmaßnahmen vor. Spezielle Pflichten und Aufsichtsmittel sind für haushalts­nahe Sammel- und Verwertungssysteme festgelegt (§§ 32 bis 35 AWG). Alle Sam­mel- und Verwertungssysteme haben insbesondere die Tarifhoheit im Hinblick auf die am Ende auf den Verbraucher überwälzten Kosten. Haushaltsnahe Sammel- und Verwertungssysteme üben diese Tarifhoheit selbstverständlich nicht frei, sondern unter der Kontrolle der staatlichen Aufsichtsorgane aus, welche auf Grundlage des Gesetzes und des Systemgenehmigungsbescheides die Sammel- und Verwertungs­systeme auf ihre gesetzeskonforme Gebarung zu überwachen haben.

Die Rechtsgrundlage für eine zukunftsorientierte Abfallwirtschaft ist in Österreich das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG). Es regelt die Maßnahmen zur Vermeidung, Re­duzierung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen. Zentraler Bestandteil ist die Genehmigung von Sammel- und Verwertungssystemen sowie deren Aufgaben und Pflichten" so der ARA-Geschäftsbericht 2006 dazu. Nicht dort nachzulesen ist aller­dings, dass die ARA selbst offensichtlich über keinen Genehmigungsbescheid zum Betrieb eines Sammel- und Verwertungssystems verfügt, obwohl sie laut Eigendar­stellung die Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen organisiert. Über einen Genehmigungsbescheid für im Haushalt anfallende Verpackungsabfälle verfü­gen (für die jeweils in Klammer angeführten Packstoffe) folgende Branchenrecycling­Gesellschaften (BRGs):

die ARGEV Verpackungsverwertungs-GmbH (Metall, Kunststoff, Materialverbunde, Holz, Keramik, textile Faserstoffe); die AGR Austria Glas Recycling GmbH (Glas), die ARO Altpapier Recycling Organisationsgesellschaft mbH (Papier, Karton, Wellpappe) - und die ÖKK Österreichischer Kunststoff Kreislauf AG (Kunststoff, textile Faserstof­fe) (=Unternehmen mit Systemgenehmigungsbescheid)


Diese Unternehmen mit Systemgenehmigungsbescheid setzen auf Grundlage des AWG und der Verpackungsverordnung 1996 (VVO) in gesetzeskonformer Verant­wortung gegenüber der Aufsichtsbehörde die Sammel- und Verwertungstätigkeit für Verpackungen um. Weiters gehören dem ARA-System" noch folgende Unterneh­men an, die über keinen Systemgenehmigungsbescheid verfügen und deren Wir­kungsbereich sich mit den oa. Unternehmen tw. überschneidet: FERROPACK (für Metall), ALUREC (für Metall), AVM (für Kunststoff, Materialverbunde, Holz, Keramik, textile Faserstoffe) und VHP (für Kunststoff, Materialverbunde, Holz, Keramik, textile Faserstoffe) (http://www.ara.at/ara-ag/ara-system-netzwerk.html)

Die ARA fungiert auf Basis entsprechender privatrechtlicher Verträge als Bindeglied zwischen den Branchenrecyclinggesellschaften und den MarktteilnehmerInnen (HerstellerInnen, ImporteurInnen, AbpackerInnen, AbfüllerInnen und HändlerInnen von Verpackungsmaterialien, die auf Grund der VVO gesetzlich verpflichtet sind, die von ihnen in Verkehr gesetzten Verpackungen entweder selbst zu entsorgen oder sich an einem Sammel- und Verwertungssystem im Sinne des Gesetzes zu beteili­gen). Die ARA bietet den MarktteilnehmerInnen an, sich mittels Abschluss einer Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung von der Verpflichtung zur unentgeltlichen Rücknahme und Wiederverwendung bzw. Verwertung der Verpackungen zu befreien. Mit den Lizenzentgelten finanziert die ARA die Sammlung, Sortierung und Ver­wertung von Verpackungen.

Grundsätzlich musste es laut AWG für Verpflichtete nach der VVO möglich sein, di­rekt mit Unternehmen mit Systemgenehmigungsbescheid Entpflichtungsverträge ab­schließen zu können. Haushaltsnahe Sammel- und Verwertungssysteme sind laut § 32 Abs 2 AWG verpflichtet, im Rahmen ihres im Genehmigungsbescheid festgeleg­ten Wirkungsbereiches mit jedem Verpflichteten nach einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 AWG (wozu die Verpackungsverordnung 1996 gehört) Verträge abzuschlie­ßen, sofern dies der Verpflichtete wünscht und dies sachlich gerechtfertigt ist. Eine ähnliche Regelung enthält auch die Verpackungsverordnung 1996 im § 11 Abs 1.

In der Praxis verweigern die Unternehmen im ARA-System den direkten Abschluss eines solchen Vertrages mit den MarktteilnehmerInnen und verweisen die Anfragen­den an die ARA. Dies mit der Begründung, dass allein mit der ARA ein derartiger Entpflichtungsvertrag abgeschlossen werden könne. Obwohl für diese Unternehmen des ARA-Systems als Betreiber eines genehmigten haushaltsnahen Sammel- und Verwertungssystems ein Kontrahierungszwang laut AWG besteht, haben sie sich offenbar in privatrechtlichen Verträgen der ARA gegenüber verpflichtet, selbst keinen Entpflichtungsvertrag mit Wirtschaftstreibenden abzuschließen.

Die ARA vertritt die Interessen der LizenzpartnerInnen gegenüber den Branchenre­cyclinggesellschaften als Treuhänder; allerdings in der Praxis als ein Treuhänder, den sich die Verpflichteten nicht aussuchen können und zu dessen Einschaltung sie mangels Alternativen gezwungen sind. Auch inhaltlich sind die Wirtschaftstreiben­den auf die von der ARA vorgegebene Vertragsschablone angewiesen. Die Höhe des Lizenzentgelts gibt die ARA vor; eine Rechnungslegung ist nicht vorgesehen. Eine Zurückzahlung von zu viel bezahlten Zahlungen (die also über die tatsächlich verursachten Kosten hinausgehen) ist ebenfalls nicht vorgesehen und eine Verpflich­tung hiezu wird von der ARA auch laufend bestritten. Verkalkuliert" sich die ARA bei den Tarifen, so sieht daher derjenige, der zu viel bezahlt hat, davon nichts mehr. Die


Folge sind Rückstellungen in Millionenhöhe bei den Unternehmen mit einem Sys­temgenehmigungsbescheid.

Diese Situation manifestiert die Monopolstellung der ARA: Sie als Treuhänder der Verpflichteten gibt diesen die Tarife und Vertragsbedingungen vor und nicht umge­kehrt, wie es für ein Treuhandverhältnis typisch wäre. Sie als Treuhänder hindert die Wirtschaftstreibenden, an die Systeme direkt heranzutreten, welche wiederum selbst durch Verträge mit der ARA geknebelt sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

Anfrage:

1.             Entspricht es den Tatsachen, dass die ARA ein flächendeckendes System zur Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen aufgebaut hat und die­ses auch betreibt?

2.             Ist es richtig, dass die ARA wenn sie ein System betreibt, gesetzwidrig han­delt, weil sie nicht über die hiezu erforderliche Systemgenehmigung verfügt?

3.             Welche Maßnahmen hat die Behörde in dem Fall zu treffen, dass jemand ein genehmigungspflichtiges System ohne behördliche Genehmigung und somit unbefugt betreibt?

4.             Welche Strafen sind für derartige Sachverhalte vorgesehen?

5.             Ist es richtig, dass zum Betreiben eines Sammel- und Verwertungssystems für im Haushalt anfallende Verpackungsabfälle ausschließlich der ARGEV, der AGR, der ARO und der ÖKK die nach dem Gesetz hierfür erforderliche Ge­nehmigung erteilt wurde?

6.             Ist es richtig, dass die genehmigten Systeme bei Verpackungsabfällen im haushaltsnahen Bereich mit jedem aus der VerpackVO Verpflichteten, sofern dieser dies wünscht und es sachlich gerechtfertigt ist direkte Verträge ab­schließen müssen, weil sich ein solcher Kontrahierungszwang aus § 32 Abs 2 AWG ergibt?

7.             Muss es daher auf Basis des AWG und der Verpackungsverordnung 1996 den verpflichteten Unternehmen (Händlern, Herstellern, Abpackern, Abfüllern und Importeuren von Verpackungen) möglich sein, mit den unter 5. angeführ­ten genehmigten Systemen direkt einen Entsorgungsvertrag zu schließen?

8.             Sind diese Entsorgungssysteme berechtigt, einen solchen Vertragsschluss zu verweigern, weil sie sich vertraglich gegenüber der ARA zu einem derartigen Verhalten verpflichtet haben?

9.             Verstößt die Weigerung eines haushaltsnahen, genehmigten Sammel- und Verwertungssystems für Verpackungsabfälle, hier also der ARGEV, der AGR,


der ARO und der ÖKK, mit den aus der VerpackVO 1996 Verpflichteten direkt einen Entpflichtungsvertrag abzuschließen, gegen die bestehende Rechtsla­ge?

10.Welche Konsequenzen entstehen für den Geschäftsführer eines Unterneh­mens, das ein solches System betreibt, in diesem Fall?

11.Würde einem haushaltsnahen Sammel- und Verwertungssystem, das sich wiederholt einer Direktkontrahierung mit einem aus der VerpackVO 1996 Ver­pflichteten widersetzt, die Systemgenehmigung entzogen werden?

12. Welche weiteren Maßnahmen sind für Systeme, die monopolistisch für die Sammlung und Verwertung von haushaltsnah anfallenden Verpackungsabfäl­len zuständig sind, vorgesehen, damit sie ihrem gesetzlich vorgeschriebenem Kontrahierungszwang nachkommen?

13.Welche Erwägungen waren dafür maßgebend, dass von den Unternehmen, die das ARA-System" bilden, nur einigen eine Systemgenehmigung erteilt wurde, während anderen BRGs, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, die Ausübung dieser Tätigkeit gestattet wird, ohne dass sie über einen System­genehmigungsbescheid verfügen?

14.   Es ist offensichtlich, dass ARA und BRGs in einem Kooperationsverhältnis stehen und kein Unternehmen ohne die Leistungen der anderen auskommen kann. Dies ergibt sich aus den vertraglich vereinbarten Ausschließlichkeiten. Welche Erwägungen waren dafür maßgebend, dass nicht der Gesamtheit der Unternehmen, die das ARA-System" bilden, eine Systemgenehmigung erteilt wurde? Wäre ein solcher Antrag genehmigungsfähig?

15.   Bekanntlich haben die Unternehmen, die das ARA-System" bilden, keinen gemeinsamen Antrag auf Genehmigung gestellt. Vielmehr hat jede BRG ei­nerseits und ARA andererseits Anträge auf Genehmigung gestellt, obwohl die ARA über keine ausreichende Kontrolle über die Sammlung und Verwertung verfügt hat und es den BRGs jeweils an der Tarifhoheit gefehlt hat (~ dies zeigt sich zB daran, dass eine BRG Aufsichtsmaßnahmen betreffend die Mit­teleinhebung derzeit nicht ohne Zustimmung der ARA nachkommen kann). Dazu wäre einerseits erforderlich gewesen, dass ARA gleichsam als Inkasso­büro von den BRGs beauftragt worden wäre, oder andererseits, dass die BRGs Auftragnehmer der ARA geworden wären, was aber beides nicht der Fall war. Welche Erwägungen waren dafür maßgebend, dass diese getrennt gestellten Anträge nicht als nicht genehmigungsfähig" abgewiesen worden sind?

16.Im Art 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle heißt es wie folgt: die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für a) die Rücknahme und/oder Sammlung von ge­brauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher..." b) ...An diesen Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden


Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen. Sie gelten auch für Importprodukte, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang bei den Systemen, die so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem Vertrag keine Handels­hemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

Die österreichische Rechtsordnung sieht nun vor, dass Unternehmen (Markt­teilnehmer), die Verpackungen, die zu Verpackungsabfällen führen, in Verkehr setzen, entweder an Systemen teilnehmen können, oder die von ihnen in Ver­kehr gebrachten Verpackungsabfällen selbst sammeln und verwerten. Kann die Richtlinie als in österreichisches Recht umgesetzt betrachtet werden, wenn die Systeme, insb die genehmigten BRGs des ARA-Systems ihrem Kontrahie­rungszwang mit den Marktteilnehmern nicht nachkommen?

17.     Ist es daher richtig, dass die Marktteilnehmer, die Verpackungen in Verkehr setzen, diese solange in Verkehr setzen dürfen, solange die derzeit geneh­migten Systeme, insb die genehmigten BRGs des ARA-Systems sich weigern, ihrem Kontrahierungszwang nachzukommen?

18.     Ist es richtig, dass die Marktteilnehmer solange Verpackungen in Verkehr set­zen dürfen, solange sie keine Möglichkeit haben, unmittelbar an genehmigten Sammel- und Verwertungssystemen, insb den genehmigten BRGs des ARA- Systems teilzunehmen?

19.     Liegen dem BMLFUW als Aufsichtsbehörde Beschwerden vor, wonach ge­nehmigte Systeme, insb die genehmigten BRGs des ARA-Systems ihrem Kontrahierungszwang  nicht nachgekommen  sind? Wenn ja,  welche Auf­sichtsmaßnahmen sind ergriffen worden bzw konkret geplant? Welche Auf­sichtsmaßnahmen wären zu ergreifen, wenn ein solcher Fall eintritt?

20.     Marktteilnehmer, die an keinem Sammel- und Verwertungssystem für im Haushalt anfallenden Verpackungsabfälle unmittelbar teilnehmen können, weil die genehmigten Sammel- und Verwertungssysteme nicht direkt kontrahieren, können ihrer Verpflichtung zur Entsorgung solcher Verpackungsabfälle ja oh­nedies dadurch nachkommen können, dass sie    ihre Verpackungsabfälle selbst sammeln und verwerten (Selbsterfüller). Ist diese Ansicht nicht gemein­schaftsrechtswidrig und ein ungebührlich belastendes Handelshemmnis, wenn und solange die Markteilnehmer an diesen Systemen teilnehmen wollen, aber wegen Weigerung der Systeme, direkt zu kontrahieren, nicht teilnehmen könen?