3908/J XXIII. GP

Eingelangt am 14.03.2008
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Kogler, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Untätigkeit der Finanzbehörde in der Liechtensteinaffäre

 

 

 

Am 14. Februar 2008 wurde anlässlich einer Hausdurchsuchung bei einem deutschen Topmanager öffentlich bekannt, dass die deutschen Fahnder im Besitz einer Liste von Schwarzgeldveranlagungen in Liechtenstein sind. Die Ermittlungen liefen offenbar schon seit Monaten, so nachweislich seit Sommer 2007 gegen den Bruder des Topmanagers wegen dessen Liechtensteinischen Stiftungen.

Am 25. Februar teilt das BMF laut APA mit, dass es noch keine Anfragen in dieser Sache an die Deutschen gerichtet habe. Andere Länder, etwa Finnland, Schweden und Norwegen, waren wegen der Liste (Daten-DVD eines Informanten) aber zu diesem Zeitpunkt schon in Deutschland vorstellig geworden.

Am 26. Februar wird bekannt, dass die schwedische Steuerbehörden gegen 100 Personen ermitteln, auch in Großbritannien werde gegen hunderte Steuerhinterzieher mit Konten in Liechtenstein ermittelt. Auf österreichischer Seite sind keinerlei Aktivitäten erkennbar, um an die brisanten Daten zu kommen. Der Ministeriumssprecher verweist auf das Amtshilfeübereinkommen zwischen Deutschland und Österreich: "Wir gehen davon aus, dass wir Daten, die Österreich betreffen, bekommen."

Am 27. Februar wird – nach den USA und den Niederlanden – sogar schon in Australien ermittelt und 20 Hausdurchsuchungen werden durchgeführt.

Am 3. März – knapp drei Wochen nach Beginn der Affäre – teilt BM Molterer mit: "Wir sind mit den deutschen Behörden in Kontakt." Und es stimme nicht, dass Österreich die Daten nicht angefordert habe.

Am 4. März erklärt die Staatsanwaltschaft Bochum, sich nun auch den ausländischen Steuerhinterziehern auf der Liste zuzuwenden. Es seien auch Österreicher auf der Liste genannt. Er bietet Österreich Rechtshilfe an. Die Liste werde kostenlos überlassen. BM Molterer erklärt dagegen, er habe kein Rechtshilfeersuchen an Deutschland gestellt. Das sei nicht notwendig, weil die Deutschen ohnehin verpflichtet seien, ihm die Daten zukommen zu lassen.

Am 6. März teilt die Staatsanwaltschaft mit, dass ein Steuerfahnder auf dem Weg nach Deutschland sei, um sich die Daten zu besorgen.

Am 7. März rät BM Molterer Steuersündern zum wiederholten Male zur Selbstanzeige. Es sei noch Zeit, bis sich die Finanz im Besitz der Liste befinde. Steuersündern wird volle Straffreiheit und Anonymität zugesichert.

Am 10. März scheinen Steuerfahnder aus Österreich in Deutschland angekommen zu sein. Aus nicht näher erläuterten Gründen gelingt es ihnen aber nicht, die Liste ausgehändigt zu bekommen. Einen Tag später kehren sie unverrichteter Dinge heim und das Ministerium teilt mit, dass die DVD in zwei Wochen nach Österreich übermittelt werde. Soviel Zeit benötigten die deutschen Behörden noch, um die DVD auszuwerten.

 

Zusammengefasst drängt sich der Eindruck auf, dass das Finanzministerium nichts unversucht lässt, um nicht in den Besitz der brisanten Daten zu gelangen.

Erste Prüfungshandlungen in dieser Affäre sind in Österreich – geht man nach den Ankündigungen des BMF – frühestens vier Wochen nach entsprechenden Aktivitäten der Finanzbehörden anderer Länder, etwa Australien, zu erwarten.

Auch springt die eklatante Ungleichbehandlung der Steuersünder in diesem Fall mit anderen, ‚normalen’ Fällen ins Auge.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Wann haben Sie Kenntnis davon erhalten, dass die deutschen Finanzbehörden auf Grund vertraulicher Bankdaten aus Liechtenstein, in deren Besitz sie gekommen waren, Ermittlungen gegen Steuerhinterzieher  aufnehmen?

2.      Wann wurde Ihnen mitgeteilt, dass sich auf der Liste verdächtiger Kontenbesitzer (Stichwort ‚Daten-DVD’) auch österreichische Staatsbürger befinden?

3.      Wann haben österreichische BeamtInnen mit ihren deutschen KollegInnen Kontakt aufgenommen, um diese Informationen zu überprüfen?

4.      Haben Sie, und wenn ja, wann, ein Rechtshilfeersuchen in dieser Sache an deutsche Stellen gerichtet?

5.      Wann haben Sie, bzw. Ihre BeamtInnen, die Liste bei den deutschen Kollegen angefordert und in welcher Form geschah das?

6.      Wann haben bzw. werden die österreichischen Steuerbehörden diese Liste österreichischer Verdachtsfälle von den deutschen Kollegen bekommen?

7.      Was ist der Grund dafür, dass diese Informationsweitergabe von Deutschland nach Österreich um Wochen länger dauert, als etwa von Deutschland nach Großbritannien, Italien, Niederlande oder sogar nach Australien?

8.      Wann wurden österreichische BeamtInnen in der Liechtensteiner Steueraffäre nach Deutschland geschickt, was war ihr Auftrag und zu welcher Behörde in Deutschland nahmen sie Kontakt auf?

9.      Haben Sie – und wenn, welche – Weisungen in dieser Sache erteilt?

10.    Den Medien (APA 523 vom 11.3.2008) ist zu entnehmen, dass laut Information aus dem BMF zwei Steuerfahnder in Deutschland gewesen seien und ohne Daten wieder zurückgekommen seien. „Die fertig ausgewertete Österreicher-Liste folgt in etwa zwei Wochen.“, heißt es in der Aussendung.

a)     Welche Begründung hat der Umstand, dass österreichische Steuerfahnder im Gegensatz zu Steuerfahndern aus anderen Ländern keine Kopie dieser Daten DVD bzw. von länderspezifischen Teilen dieser DVD bekommen haben?

b)     Ist dieser Mitteilung zu entnehmen, dass die Liste in Abwesenheit österreichischer BeamtInnen von deutschen Kollegen „fertig ausgewertet“ wird?

c)      Was ist die Rechtsgrundlage der allfälligen Abtretung österreichischer finanzbehördlicher Aufgaben an deutsche BeamtInnen?

11.    Der selben APA ist weiters zu entnehmen, dass die Daten eine „sehr gute Qualität“ hätten und dass klar erkennbar sei, an wen die Ausschüttungen der anonymen Stiftungen erfolgten. Damit steht fest, dass österreichische BeamtInnen nicht nur von möglichen Gesetzesverstößen Kenntnis erhielten, sondern auch konkrete Namen sahen.

a)     Mit welcher Begründung unterließen die österreichischen BeamtInnen die Anzeige, die laut Gesetz (Beamten-Dienstrechtsgesetz, § 45) unverzüglich zu erfolgen hat?

b)     Wieso wird statt dessen angekündigt, mit den Prüfungen und möglichen Anzeigen erst in zwei Wochen aktiv zu werden?

c)      Erfolgten Anzeigen an die Staatsanwaltschaft in Fällen, die voraussichtlich die Grenze von 75.000 € übersteigen werden, und wenn nicht, warum?

12.    Hat es Interventionen von Personen, die auf der deutschen Liste stehen, oder deren Vertretern bei Ihnen, Ihrem Kabinett oder Ministerium gegeben?

13.    Wie viele Selbstanzeigen in dieser Affäre hat es bis zum 1.März gegeben, und wie viele bis zum 12. März?

14.    Können Sie ausschließen, dass sich auf der deutschen Liste Liechtensteinische Stiftungen befinden, als deren Errichter, Einbringer oder Nutznießer  österreichische Parteien, deren Vertreter oder Funktionäre fungieren?