4530/J XXIII. GP

Eingelangt am 06.06.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Glawischnig-piesczek, Lichtenecker, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend schwere Informationsdefizite nach Zwischenfall im AKW Krsko und
Versagen des Umweltministers in der Anti-Atompolitik

Am Mittwoch, den 4. Juni 2008 um 17h38 ist bei der EU-Kommission eine
Alarmmeldung aus Slowenien eingegangen, wonach im Prim
ärkreislauf des AKW
Krsko (60 Kilometer bis zur
österr. Grenze) radioaktiv kontaminiertes Kühlwasser
ausgetreten sei. Die EU-Kommission aktivierte daraufhin das EU-Frühwarnsystem
(ECURIE), das alle anderen EU-L
änder vor einem möglichen Reaktorunfall und
grenzüberschreitender radioaktiver Verseuchung warnen soll. Das Frühwarnsystem
wurde 1987, ein Jahr nach dem verheerenden Super-GAU von Tschernobyl
installiert. Ein EU-weiter Atomalarm ist in dieser Form noch nie ausgerufen worden.
Nach den Bestimmungen f
ür ECURIE muss Alarm ausgelöst werden, wenn ein
atomarer Notfall eingetreten ist.

Wenige Stunden später wurde von Seiten der slowenischen Behörden Entwarnung
gegeben. Radioaktivit
ät sei nicht in die Umwelt gelangt. Der Vorfall im slowenischen
Risiko-AKW war - gl
ücklicherweise - kein atomarer Notfall.

Der Vorfall im slowenischen Risiko-AKW, der in den Stunden bis zur Entwarnung
europaweit und insbesondere in
Österreich große Besorgnis ausgelöst hat, hat zwei
Dinge sehr deutlich gemacht:

1.        Es bestehen in Österreich und den benachbarten AKW-Staaten eklatante Defizite
in der Informationspolitik bei Atomunfällen. Hätte es sich bei dem Vorfall tatsächlich
um einen schweren Atomunfall gehandelt, w
äre die österreichische Bevölkerung zu
sp
ät informiert worden.

2.        Bundesregierung und Umweltminister können die österreichische Bevölkerung
nicht vor schweren Atomunf
ällen schützen. Das permanente Versagen der
österreichischen Anti-Atompolitik wiegt vor diesem Hintergrund schwer:
Umweltminister und Bundeskanzler haben dem Bau und Betrieb von zahlreichen
Risko-AKW an
Österreichs Grenze jahrelang keine wirkungsvollen Maßnahmen
entgegengesetzt. Der Bau von weiteren AKW (Mochovce /Slowakei und zahlreiche
weitere Pl
äne) und Laufzeitverlängerungen bestehender AKW (Paks/Ungarn) werden
tatenlos zur Kenntnis genommen. Initiativen zur Reform des Euratom-Vertrags mit
dem Ziel eines europ
äischen Atomausstiegs sind unterblieben.

Der zeitliche Ablauf der Informationsmaßnahmen nach dem Vorfalls im AKW Krsko
belegt die eklatanten Informationsdefizite der slowenischen und österreichischen
Beh
örden am 4. Juni 2008:


(Quellen: slowenische Behörden, EU-Kommission, österreichisches Umweltministerium, steirische
Landesregierung)

15:00       Im AKW Krsko wird ein Leck im Primärkreislauf entdeckt. 2.500 Liter
radioaktiv verseuchtes Wasser laufen aus.

16:00        Die slowenische AKW-Leitung informiert den kroatischen Stromkonzern
und Miteigentümer von Krsko HEP über den Vorfall.

17:38        Bei der EU-Kommission trifft eine Alarm-Meldung mit dem offiziellen

Status eines atomaren Notfalls im slowenischen AKW Krsko ein. Die EU-
Kommission l
öst europaweiten Atomalarm aus.

18:03        Die EU-Alarmmeldung trifft in der Einsatz- und Krisenzentrale des
österreichischen Innenministeriums ein.

18:39       Aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Österreich und

Slowenien trifft eine Meldung der slowenischen Behörden mit Details über
den Vorfall - irrt
ümlich mit der Kennzeichnung "Übung" versehen - bei der
Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenministeriums ein.
Auch die IAEO, Italien und Ungarn werden gleichlautend informiert

18:49        Die Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenministeriums
informiert die Strahlenwarnzentrale des österreichischen
Umweltministeriums
über die Meldung betreffend einer „Übung". Die
Strahlenwarnzentrale verifiziert die Informationen und unternimmt trotz der
Angabe einer "
Übung" eine zielgerichtete Überprüfung der Informationen
sowie der Werte der einzelnen relevanten Messstationen.

19:15        Information der Einsatz- und Krisenzentrale des

österreichischen Innenministeriums durch die Strahlenschutzzentrale des
österreichischen Umweltministeriums , dass keine Gefährdung für
Österreich feststellbar ist.

19:17        Die steirische Landeswarnzentrale erhält die Erstmeldung von der
Bundeswarnzentrale, die gleichzeitig auch schon die Entwarnung
beinhaltete.

20:01         Die Austria Presse Agentur (APA) informiert über den Vorfall. Es sei laut Angaben der slowenischen Nachrichtenagentur STA keine Radioaktivität ausgetreten.

20:18        Das österr. Umweltministerium informiert via APA und bestätigt die
slowenischen Angaben, die Messwerte l
ägen im Normalbereich.

Falls wirklich etwas passiert wäre, dann wäre wertvolle Zeit verloren
gegangen"
(Landeshauptmann Voves, Steiermark)

Aus diesem Zeitablauf lassen sich folgende Feststellungen ableiten:


1.        Die slowenischen Behörden benötigen 2 Stunden und 38 Minuten, um den Vorfall
der EU-Warnzentrrale in Br
üssel zu melden.

2.        Es dauert weitere 25 Minuten, bis die EU-Alarmmeldung beim österreichischen
Innenministerium eintrifft.

3.        Erst 3 Stunden und 49 Minuten nach Entdecken des Lecks wird die in Österreich
hauptzust
ändige Strahlenwarnzentrale im Umweltministerium informiert.

4.   Der Miteigentümer des AKW Krsko, der kroatische Stromversorger HEP ist bereits
eine Stunde nach dem Vorfall informiert.

5.        Die österreichische Öffentlichkeit wird fünf Stunden nach Beginn des Vorfalls
erstmals informiert.

6.        Es erfolgte keine direkte Information der Strahlenwarnzentrale des österr.
Umweltministeriums durch die AKW-Leitung in Krsko. Es wurde
über Umwege
informiert, was zu stundenlangen Verzögerungen in der Bewertung des Vorfalls
f
ührte.

Die Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums ist jene Stelle,
die eine Alarmmeldung
über einen Atomunfall in einem Nachbarland einschätzen
und
überprüfen muss, um festzustellen ob eine Gefahr für die österreichische
Bevölkerung besteht und Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung eingeleitet werden
m
üssen oder ob Entwarnung gegeben werden kann. Es ist absolut unverständlich
und im h
öchsten Maße fahrlässig, dass vom Zeitpunkt der Entdeckung des Lecks
durch die slowenischen AKW-Betreiber bis zur Information des
österreichischen
Umweltministeriums fast vier Stunden und bis zur Information der Öffentlichkeit fünf
Stunden verstrichen sind.

Fünf Stunden, die im Falle eines schweren Atomunfalls mit massivem Austritt von
Radioaktivit
ät fünf verlorene Stunden für die betroffene Bevölkerung in der
Steiermark und in K
ärnten gewesen wären. Fünf unnötig lange Stunden, die die
Gesundheit und das Leben tausender ÖsterreicherInnen aufs Spiel gesetzt hätten.

Denn alleine darauf zu warten, bis bei einem wirklichen Atomunfall die Messstellen
des
österreichischen Strahlenfrühwarnsystems anschlagen ist zu wenig. Zwischen
dem Beginn eines schweren AKW-St
örfalls und dem großflächigen Austritt von
Radioaktivit
ät können mehrere Stunden liegen. Diese wertvolle Zeit ist für die
Einleitung von Notmaßnahmen für die Bevölkerung unerlässlich. Daher ist es wichtig,
dass die AKW-Betreiber einen sich abzeichnenden St
örfall sofort und direkt an
Österreich melden. Ein Super-GAU im slowenischen AKW Krsko würde bei Regen
und entsprechender Windrichtung die radioaktive Wolke innerhalb von l
ängstens
einer Stunde an die österreichische Grenze treiben.

Es liegt in der Verantwortung des Umweltministers, mit den benachbarten AKW-
Staaten vertragliche und verpflichtende Informationsabkommen auszuhandeln, dass
im Falle von Zwischen- und St
örfällen sofort und direkt informiert werden muss. Ziel
muss dabei eine umgehende und direkte Information der AKW-Betreiber an die
Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums sein, wie das derzeit
einzig und allein beim tschechischen Atomkraftwerk Temelin der Fall ist. Nur so kann


sichergestellt werden, dass keine wertvolle Zeit für den Schutz der Bevölkerung
verloren geht.

Bei den sechs grenznahen und unsicheren Atomkraftwerken Paks (Ungarn),
Mochovce, Bohunice (Slowakei), Dukovany (Tschechien), Isar 1 (Deutschland) und
Krsko (Slowenien) gibt es kein Informationsabkommen, welches die AKW-Betreiber
verpflichtet, das
österreichische Umweltministerium auf direktem Wege von allen
Zwischen- und St
örfällen zu informieren. Eine rechtzeitige Information wäre nicht
garantiert. Dieser Misstand, den der Umweltminister zu verantworten hat muss
umgehend behoben werden.

Bereits vor vier Jahren kam es nach einem Störfall in einem grenznahen AKW zu
einer schweren Informationspanne. Am 6.6.2004 treten in der Früh aus einem Leck
im Prim
ärkreislauf des tschechischen AKW Temelin 3000 Liter hochradioaktives
Wasser aus und verseuchen zwei Arbeitsr
äume. Der Störfall ist einer der bisher
schwersten in den beiden Bl
öcken des AKW Temelin seit der Aufnahme des
Probebetriebes im Jahr 2000. Die tschechischen Behörden informieren damals mit
24 (!) Stunden Verz
ögerung das österreichische Umweltministerium. Weitere 12
Stunden dauert es bis Umweltminister Pr
öll die Öffentlichkeit informiert. Und das
auch nur, weil der oberösterreichische Anti-Atombeauftragte mit dem Störfall an die
Medien geht. Es stellt sich die Frage, ob BM Pr
öll aus dieser Panne nichts gelernt
hat.

Ein schwerer Atomunfall in einem grenznahen AKW würde die
bev
ölkerungsreichsten Regionen Österreichs treffen: Wien (Mochovce, Dukovany,
Bohunice, Paks), Linz (Dukovany, Isar 1), Salzburg, Innsbruck (Isar 1), Graz,
Klagenfurt (Krsko, Paks). Die AKW Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany und Isar 1
verf
ügen über keine Schutzhülle.

Neben einem schweren Unfall auf Grund technischer Gebrechen oder menschlichem
Versagen ist seit den verheerenden Anschl
ägen auf das World Trade Center und das
Pentagon am 11. September 2001 eine weitere Gefahr in den Bereich des M
öglichen
ger
ückt: ein Terroranschlag mit Flugzeugen oder Hubschraubern auf Atomanlagen.
Keines der grenznahen Atomkraftwerke ist gegen solche Terrorattacken geschützt.

Atomkraftwerke sind nicht schützbar. Atomkraftwerke können niemals 100% sicher
sein. Die einzige L
ösung ist der Atomausstieg.

Die österreichische Sicherheitspolitik hat bisher ebenso wie die österreichische
Umweltpolitik nichts unternommen, um diese größte Sicherheitsbedrohung für die
österreichische Bevölkerung zu beseitigen.

AKW Mochovce: Zwei neue Riskoreaktoren - Keine Gegenwehr von BM Pröll

Im slowakischen Mochovce sollen nach den Vorstellungen der slowakischen
Regierung und des italienischen Stromkonzerns Enel - Mehrheitseigent
ümer des
dominanten slowakischen Stromversorgungsunternehmens SE a.s. - zwei weitere
Reaktorblöcke (fertig)gebaut werden. Es handelt sich um völlig veraltete Reaktoren
des sowjetischen Typs WWER 440/213 mit dem technologischen Stand der 1970er
Jahre. Die Reaktoren verfügen über keine druckfeste Schutzhülle (Containment), wie
bei westlichen Druckwasserreaktoren
üblich.


Das fehlende Containment erhöht die Wahrscheinlichkeit von großen Freisetzungen
bei schweren Unf
ällen dramatisch. Der Schutz vor äußeren Auswirkungen, wie etwa
einem Flugzeugabsturz, ist im Vergleich mit modernen Druckwasserreaktoren in den
EU-Ländern stark vermindert. Um die Diskussion um den völlig unzureichenden
Sicherheitsstandard der Mochovce-Reaktoren zu umgehen, sollen die Reaktoren auf
der Grundlage einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1986 - also aus der Zeit des
kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei - errichtet werden. Da es zum
damaligen Zeitpunkt keine UVP-Pflicht gab, soll auch die EU-UVP-Richtlinie
umgangen werden.

Die Errichtung der Blöcke 3 und 4 im slowakischen Mochovce droht aus den oben
genannten Gr
ünden zu einem gefährlichen Präzedenzfall für die gesamte EU zu
werden. Sicherheitstechnische und demokratiepolitische Standards der EU sollen
unter Ausnutzung von aus der Zeit eines autorit
ären Regimes stammenden
Genehmigungen ausgehebelt werden.

Die EU-Kommission bereitet auf der Grundlage des Euratom-Vetrages derzeit eine
Stellungnahme zum Projekt Mochovce 3 und 4 vor. Von NGO's aus
Österreich und
mehreren EU-L
ändern wurde die EU-Kommission auf die missbräuchliche
Verwendung der alten Baugenehmigung sowie das unzureichende Sicherheitsniveau
der in Mochovce geplanten Reaktoren hingewiesen. Tausende B
ürger haben bereits
gegen das Projekt schriftlich protestiert. In sechs
österreichischen Bundesländern
wurde partei
übergreifend eine Mochovce-Resolution beschlossen, welche die
Bundesregierung zu entschlossenen Schritten gegen das Projekt Mochovce
auffordert.

BM Pröll und die Bundesregierung sind dieser Aufforderung bis heute nicht
nachgekommen und sehen tatenlos zu wie das Atomrisiko an Österreichs Grenze
weiter steigt.

AKW Temelin: Sicherheitsmängel immer noch nicht behoben

Das tschechische AKW Temelin weist nach wie vor gravierende Sicherheitsmängel auf. Das zwischen Österreich und Tschechien 2001 vereinbarte, völkerrechtlich verbindliche Melker Abkommen zur Behebung der Sicherheitsmängel wurde bis heute nicht umgesetzt und seitens der Temelin-Betreiber glatt gebrochen. Obwohl der Melk-Vertrag festschreibt, dass eine kommerzielle Inbetriebnahme von Temelin erst erfolgen darf, wenn die Sicherheitsmängel vollständig behoben sind, ist das AKW seit Ende 2006 im offiziellen Vollbetrieb.

Am 14.12.2006 hat der Nationalrat die Bundesregierung mit den Stimmen aller Fraktionen Entschließung aufgefordert, an die tschechische Regierung heranzutreten und umgehend den Nachweis der Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen einzufordern. Für den Fall, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht werden sollte, wurden internationale Rechtsschritte verlangt.

Erst am 4.6.2007 hat die Bundesregierung die tschechische Regierung offiziell auf die Verletzung des Melk-Abkommens aufmerksam gemacht und dessen Einhaltung eingefordert. In anschließenden Verhandlungen der Regierungschefs wurde die weitere Behandlung des Melk-Abkommens im Rahmen einer bilateralen parlamentarischen Kommission vereinbart. Die Kommission arbeitet seit Juli 2007, die Sicherheitsmängel sind nach wie vor ungelöst, Fortschritte konnten  kaum erzielt


werden. Die tschechische Seite sieht im Melker Abkommen entgegen der Faktenlage keinen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag und drängt auf einen Abschluss des Melker    Prozesses.    Bei    der    für    9.    Juni    2008    geplanten    Sitzung der interparlamentarischen Kommission droht ein Ende des Melk-Abkommens. Der Melk- Prozess soll trotz nach wie vor vorhandener Sicherheitsmängel beendet und durch einen unverbindlichen Informationsdialog ersetzt werden. Die Stilllegung des AKW Temelin, wie sie noch im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm als Ziel formuliert ist,   ist für BM Pröll offenbar kein Ziel mehr.

Europäischer Atomausstieg: Kein Initiativen der Bundesregierung

Das Ziel eines europaweiten Atomausstiegs ist im Gegensatz zu früheren
Regierungen nicht im Koalitionsabkommen verankert und offenbar kein erkl
ärtes Ziel
der Bundesregierung. Entsprechend schwach ist die österreichische Politik in dieser
Frage. Aktuelle Initiativen der Bundesregierung f
ür eine Reform des Euratom-
Vertrags sind ebenso wenig bekannt wie Versuche mit den zahlreichen anderen
AKW-freien EU-Staaten Anti-Atom-Allianzen zu schließen.

Der Vorfall im slowenischen AKW Krsko hat für ein paar Stunden ganz Europa
geschockt und ist letztlich gl
ücklicherweise glimpflich verlaufen. Der Vorfall hat
schmerzlich offengelegt, dass Österreich und Europa auf einen schweren Atomunfall
nicht vorbereitet sind. Die Bev
ölkerungen Österreichs und Europa können vor einem
Super-GAU durch technisches Gebrechen, menschliches Versagen oder einen
gezielten Terror-Angriff nicht geschützt werden. Es gibt keine sicheren
Atomkraftwerke. Der Atomausstieg ist und bleibt die einzig akzeptable L
ösung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.             Ist es richtig, dass die Strahlenwarnzentrale Ihres Ressorts am 4.6.2008 erst
um 18:49 von der Krisenzentrale des
österr. Innenministeriums über den
Vorfall, der seitens der slowenischen Beh
örden fälschlich als Übung
bezeichnet wurde, informiert wurde? Falls nein, wann wurde die
Strahlenwarnzentrale Ihres Ressorts informiert?

2.             Falls ja, halten Sie es für ausreichend und zufriedenstellend, dass die
Strahlenwarnzentrale des
österreichischen Umweltministeriums erst vier
Stunden nachdem die Krsko-Betreiber ein Leck im Prim
ärkreislauf entdeckt
haben informiert wurde und die österreichische Öffentlichkeit erst fünf Stunden
nach dem Vorfall Informationen erhält? Falls ja, warum? Falls nein, welche
Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

3.             Wann wurde das Leck im Primärkreislauf des AKW Krsko den Ihnen
vorliegenden Informationen zu Folge entdeckt?

4.      Haben Sie bereits einen offiziellen bericht der slowenischen Atombehörde
über die Pannen bei der Information über den Vorfall angefordert?


5.            Welche Konsequenzen werden Sie aus diesen Pannen ziehen? Was werden
Sie bis wann konkret tun, damit es im Falle eines wirklichen Atom-Unfalls nicht
zu einem solchen
Informations-Wirr-warr" kommen kann?

6.            Wieso haben deutsche und österreichische Nachrichtenagenturen und Medien
die Öffentlichkeit früher über den Vorfall im AKW Krsko informiert als das
österreichische Umweltministerium?

7.            Bestehen vertragliche Vereinbarungen zwischen Österreich und Slowenien,
Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Deutschland, wonach die Betreiber der
AKW Krsko, Dukovany, Mochovce, Bohunice, Paks und Isar 1 bei Zwischen-
und St
örfällen umgehend und direkt die Strahlenwarnzentrale des
österreichischen Umweltministeriums zu informieren haben? Wenn nein,
warum nicht?

8.            Angesichts des Frühwarn-Chaos beim aktuellen Vorfall in Krsko erscheinen
solche Direkt-Informationsabkommen ein gebot der Stunde. Bis wann wollen
Sie solche Vereinbarungen mit den benachbarten AKW-Staaten abschlie
ßen?

9.            Ist es Ihre Pflicht bzw. die Pflicht der in Ihrem Ressort angesiedelten
Strahlenwarnzentrale, die
österreichische Öffentlichkeit nach AKW-Störfällen,
die eine Gefahr für die Bevölkerung bedeuten können, raschest möglich zu
informieren? Falls ja, was werden Sie tun, um dieser Pflicht künftig besser
nachzukommen? Falls nein, wessen Pflicht ist es dann?

10.    Welche Informationsfristen müssen die slowenischen Behörden im Falle eines
Atom-Unfalles gegenüber Österreich einhalten? Gibt es überhaupt Fristen?
Falls nein, warum nicht?

11.    Haben Sie aus der Informationspanne in Folge des Störfalls im AKW Temelin
vom 6.6.2004 nichts gelernt? Welche Konsequenzen haben Sie damals
gezogen?

12.    Sollte es im AKW Krsko zu einem schweren Unfall mit großflächigem Austritt
von Radioaktivit
ät kommen, der auf Grund ungünstiger meteorologischen
Bedingungen eine Gefahr f
ür Österreich darstellt, wie viele Stunden nach dem
Störfall müsste mit der Evakuierung der Bevölkerungen von Graz und
Klagenfurt begonnen werden und bis wann m
üsste die Evakuierung
abgeschlossen sein?

13.    Sollte es in den AKW Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin oder
Isar 1 zu einem schweren Unfall mit großflächigem Austritt von Radioaktivität
kommen, der auf Grund ung
ünstiger meteorologischen Bedingungen eine
Gefahr f
ür Österreich darstellt, wie viele Stunden nach dem Störfall müsste mit
der Evakuierung der Bevölkerungen von Wien, Eisenstadt, Linz, Salzburg,
Innsbruck oder Graz begonnen werden und bis wann m
üsste die
Evakuierungen abgeschlossen sein? (Bitte um detaillierte Auflistung)

14.    Wie viele Menschen könnten in den Städten Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck,
Graz, Klagenfurt a) in der ersten Stunde, b) in den ersten drei Stunden, c)


innerhalb von 12 Stunden evakuiert werden? Welche diesbezüglichen
Evakuierungspläne existieren?

15.     Ist die Stadt Wien überhaupt vollständig evakuierbar und falls ja innerhalb
welches Zeitraums? Falls nein, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

16.     Für wie viele Menschen gibt es in Österreich und insbesondere in den Städten
Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Graz, Klagenfurt Schutzräume mit
ausreichender Ausstattung mit Wasser, Lebensmitteln und sanitären
Einrichtungen? (Bitte um detaillierte Auflistung). F
ür wie viel Prozent der
österreichischen Bevölkerung gibt es demnach Schutzräume im Falle einer
großflächigen radioaktiven Kontaminierung nach einem AKW-Unfall?

17.     Ist es für Terroristen möglich, grenznahe Atomkraftwerke so anzugreifen, dass
ein großflächiger Austritt von Radioaktivität die Folge ist? Falls ja, welche
Konsequenzen ziehen Sie daraus? Falls nein, auf Basis welcher
Untersuchungen k
önnen Sie dies ausschließen?

18.     Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung die Schließung der
grenznahen AKW Krsko, Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin, Isar
1 bei den entsprechenden Regierungen verlangt? Falls ja wann und mit
welchem Ergebnis? Falls nein warum nicht und bis wann werden Sie dies
nachholen?

19.     Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung mit den Regierungen
von Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien oder Deutschland konkrete
Ausstiegsverhandlungen betreffend die Stilliegung der AKW Krsko, Paks,
Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin, Isar 1 gef
ührt? Falls ja mit welchem
Ergebnis bzw. wieso sind diese Verhandlungen gescheitert? Falls nein warum
nicht und bis wann werden Sie dies nachholen?

20. Welche Schritte haben Sie bzw. die Bundesregierung gesetzt, um die
slowakische Regierung und den Betreiber von dem Vorhaben der Errichtung
von veralteten WWER 440/213 - Bl
öcken in Mochovce (Block 3 und 4) im
Interesse der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung abzubringen?
Welche schriftlichen Unterlagen liegen dazu vor? Falls nein, warum nicht und
bis wann wird dies nachgeholt?

21.     Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung bei der slowakischen
Regierung gegen die unzulässige Verwendung der alten Baugenehmigung
aus dem Jahr 1986 sowie die Umgehung der UVP-Pflicht offiziell Protest
eingelegt? Welche schriftlichen Unterlagen liegen dazu vor? Falls nein, warum
nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

22.     Haben Sie bzw. die Bundesregierung die EU-Kommission über die
österreichischen Bedenken gegen das Mochovce-Projekt offiziell informiert?
Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

23. Wurden der EU-Kommission im Zusammenhang mit der seit Monaten
bekannten Erarbeitung einer Stellungnahme im Rahmen des Euratom-
Vertrages von Ihnen bzw. der Bundesregierung Unterlagen
über die
sicherheitstechnischen Defizite des in Mochovce geplanten Reaktortyps


WWER 440/213 übermittelt? Wenn ja, wurde diese Stellungnahme
veröffentlicht? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

24.            Haben Sie bzw. die Bundesregierung bei der GD Umwelt offiziell Protest
gegen die Umgehung der UVP-Pflicht unter Berufung auf eine veraltete
Baugenehmigung eingelegt sowie auf die Entstehung eines gef
ährlichen
Pr
äzedenzfalles zur Umgehung sicherheitstechnischen und
demokratiepoiitischer Standards hingewiesen? Falls nein, warum nicht und bis
wann wird dies nachgeholt?

25. Haben Sie bzw. die Bundesregierung auf offizieller Ebene Protest bei der
italienischen Regierung im Zusammenhang mit der Involvierung des
Stromkonzerns Enel eingelegt und auf die drohende Herabsetzung des
sicherheitstechnischen Standards sowie den unzul
ässigen Risikoexport
hingewiesen? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt.

26. Ist das Melker Abkommen zum AKW Temelin ein völkerrechtlich verbindlicher
Vertrag? Falls ja, welche Konsequenzen haben Sie aus dem glatten Bruch
dieses Vertrags gezogen? Falls nein, warum nicht?

27. Wurden der tschechischen Seite seit Beginn der bilateralen
Parlamentarierkommission v
ölkerrechtliche Gutachten Österreichs zur
Stellungnahme übergeben. Wenn ja, welche und hat die tschechische Seite in
schriftlicher Form zu diesen Gutachten Stellung genommen und durch wen
und mit welchem Inhalt? Wenn nein, warum nicht?

28.    Ist von Ihnen bzw. dem Bundeskanzler die Erstellung eines einschlägigen
v
ölkerrechtlichen Gutachtens bei einem/R unabhängigen international
anerkannte/n Volkerrechtsexpertin beauftragt worden. Wenn ja, wie lautet das
Ergebnis? Falls nein warum nicht?

29.    Im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist festgeschrieben, zusätzlich zu den
bestehenden (z.B. Bohunice) weitere Schlie
ßungsvereinbarungen für Risiko-
AKW in Europa mit finanzieller Hilfe der EU anzustreben. Welche Initiativen
haben Sie diesbez
üglich gesetzt und mit welchem Ergebnis?

30.    Im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist festgehalten, dass die
Bundesregierung ihre Bem
ühungen im Hinblick auf eine Reform des Euratom-
Vertrages fortsetzen wird. Welche Schritte haben Sie diesbez
üglich gesetzt?

31.    Wieso kommt im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm der Begriff europaweiter
Atomausstieg" nicht vor? Ist ein europaweiter Atomausstieg, wie er zuletzt
unter Bundeskanzler Vranitzky als
österreichische Position formuliert wurde
noch erkl
ärte Position der Bundesregierung? Falls nein, warum haben Sie
dieses Ziel aufgegeben? Falls ja, welche Schritte haben Sie gesetzt, um
dieses Ziel zu erreichen?

32.    Welche Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung setzen, um gegen eine
Renaissance der Atomkraft in Europa, wie sie unter dem Deckmantel des
Klimaschutzes betrieben und von den kommenden EU-Pr
äsidentschaften
Frankreichs und Tschechiens sicherlich aktiv vorangetrieben werden,
entschieden entgegenzutreten?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG
verlangt.