4640/J XXIII. GP

Eingelangt am 19.06.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Steinhauser und Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Gerichtsmedizin Wien

 

Die Gerichtsmedizin übernimmt in unserem Rechtssystem besonders in Fällen von Gewalt­delikten, insbesondere bei tödlichem Ausgang, die Rolle einer unabhängigen medizinisch-fachlichen Instanz, die Zusammenhänge zwischen medizinischen Sach­verhalten und rechtlichen Fragestellungen herstellt, und somit eine wesentliche Säule unseres Rechtsstaates darstellt. Gerichtsmedizin ist vor allem aber auch eine vielfältige wissen­schaftliche Disziplin, deren Forschungen für viele gesellschaftliche und andere medizinische Bereiche von maßgeblicher Bedeutung sind.

Laut einem Rundschreiben des Rektors der Medizinischen Universität Wien (MUW), vom 11.12.2007 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MUW, wurde am
1. Jänner 2008 der Obduktionsbetrieb am Institut für Gerichtliche Medizin vor allem aus wirt­schaftlichen Gründen eingestellt. Da die Existenz der Gerichtsmedizin im medizinisch-universitären Kontext in Wien in höchstem Maße bedroht und dadurch eine deutliche Beeinträchtigung der Rechtssicherheit, der Facharztausbildung und der Qualität der Todesursachenstatistik zu befürchten ist,

 

stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

 


 

ANFRAGE:

 

 

 

1.                  Wie hat sich die Zahl der justiziell angeordneten Obduktionen im Zeitraum von Jänner bis Juni 2008, gegliedert nach Monaten, verglichen mit dem selben Zeitraum in den Jahren 2007, 2006 und 2005 in Wien entwickelt?

 

2.                  Wie hat sich die Zahl jener sanitätsbehördlicher Obduktionen, bei welchen sich eine Verdachtslage auf unnatürlichen Todesfall ergeben hat, im Zeitraum von Jänner bis Juni 2008, gegliedert nach Monaten, verglichen mit dem selben Zeitraum in den Jahren 2007, 2006 und 2005 in Wien entwickelt?

 

3.                  Ist es aus Sicht des BMI wünschenswert, dass in Wien der Obduktionsbetrieb am Institut für Gerichtliche Medizin der MUW wieder aufgenommen wird?

 

4.                  Welche sicherheitspolizeilichen Auswirkungen hat die mit 1.1.2008 in Kraft getretene Schließung der Obduktionsräumlichkeiten an der Wiener Gerichtsmedizin nach drei Monaten gehabt und was bedeutet das mittel- und langfristig für die polizeiliche Ermittlungsarbeit in der Bundeshauptstadt?

 

5.                  Ist die praktische Ausbildung von Exekutivbeamten „an der Leiche“ in Wien derzeit gewährleistet?

 

6.                  In welcher Form ist der Raum Wien, insbesondere auch angesichts der bevorstehenden EURO 2008, für Katastrophen (u.a. Massenunfälle, Terroranschläge, Flugzeugabsturz) logistisch und organisatorisch gerüstet?

 

7.                  Gibt es für Wien und Umgebung entsprechende Katastrophenpläne?

 

8.                  Ist die Gerichtsmedizin in diese Katastrophenpläne eingebunden?

 

9.                  Wo werden in Wien im Falle einer Katastrophe Todesopfer aufbewahrt?

 

10.             Wo werden diese Todesopfer untersucht?

11.             Wer führt diese Untersuchungen, z.B. zur Identifikation durch?

 

12.             Laut Medienberichten proben bereits diverse Sondereinheiten für den Krisenfall während der EURO 2008.  Auch das AKH Wien hat bereits entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen. In welcher Form ist die Gerichtsmedizin Wien in diese Vorbereitungsmaßnahmen eingebunden?

 

13.             Trifft es zu, dass bei Faulleichen Hinweise auf einen gewaltsamen Tod schwer oder gar nicht bei der äußeren Leichenschau erkannt werden können?

 

14.             Trifft es zu, dass in Wien Faulleichen, für die keine Obduktionsanordnung durch die Staatsanwaltschaft vorliegt, nicht mehr obduziert und mit der Todesursache „unbekannt“ freigegeben werden?

 

15.             Hat die Reduktion der sanitätsbehördlichen Obduktionen in Wien Auswirkungen auf die Aufdeckung potentieller Straftaten in Wien?

 

16.             Werden in Wien alle Todesfälle im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch obduziert?

 

17.             Ist die primär universitäre Einbettung des Institutes für Gerichtliche Medizin an der

a)     MUW,

b)     Medizinischen Universität Graz,

c)      Medizinischen Universität Innsbruck,

d)     Universität Salzburg und

e)     Universität Linz

aus Sicht des BMI gewünscht?

 

18.         Wo sonst in Wien, wenn nicht im Rahmen einer universitären Einbettung als           Institut der Medizinischen Universität Wien ist die Unabhängigkeit der        Sachverständigen für Gerichtsmedizin und damit ein wesentlicher Faktor          unseres Rechtsstaats gewährleistet?

 

19.             In welcher Form sind die Institute für Gerichtsmedizin in der EU institutionell verankert? Gibt es dazu eine Position der EU?