4799/J XXIII. GP
Eingelangt am 10.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Franz Morak,
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Frauen, Medien und Regionalpolitik
betreffend die „Ausschreibung des öffentlich-rechtlichen Auftrags für den
Rundfunkbereich“
Anlässlich der Feierlichkeiten zu 10 Jahre
Privatradio in Österreich wurde vermehrt
auf die österreichischen
Pioniere des Privatradios eingegangen. Neben
kommerziellen
Privatradios gab es von Beginn an - bereits vor der Zulassung durch
den Gesetzgeber - eine aktive Szene von so genannten „Piratenradios“, die damals
nicht kommerzielle, lokale Inhalte über den Äther
schickten.
Aus diesen Anfängen entwickelten sich einige von den
heute bestehenden 15 „freien
Radios“. Diese nicht-kommerziellen
Sender setzen ihren Schwerpunkt auf
Randgruppen und haben mit dem VFRÖ einen eigenen
Verband gegründet.
Aufgrund der nichtkommerziellen Ausrichtung dieser Radios besteht eine
immanente
Finanzierungsproblematik, da durch den bewussten Verzicht auf jedwede Werbung
nur Spenden, Projektfinanzierung und Förderungen als mögliche
finanzielle
Standbeine verbleiben. Die Werbefreiheit der Sender wird als ein Grundkonzept
erachtet, da nach Ansicht der Betreiber die Abhängigkeit von
Werbeeinschaltungen
zu einer subjektiven Beeinflussung der Programmhoheit und der Programmierung
eines Senders führt. Laut Angaben des VFRÖ bedarf es
ca. 380.000 Euro/Jahr,
damit ein solches freies Radio Vollprogramm senden kann.
Bei der
Verwirklichung einer dualen Rundfunklandschaft mit mehreren starken
privaten Anbietern
nehmen die kommerziellen Sender einen besonderen Stellenwert
ein. Sie sind mit innovativen Ideen und
Formaten im Jahr 1995 bzw. der Großteil
1998 angetreten, um dem „Platzhirschen" am Rezipienten-
und Werbemarkt Ö3
Paroli
zu bieten.
Nach 10
Jahren Liberalisierung des Radiomarktes muss man jedoch leider
feststellen,
dass der Radiomarkt Österreich noch immer von Ö3 dominiert
wird -
einem
Sender, der sich von kommerziellen Radiosendern lediglich durch die
Möglichkeit einer öffentlich-rechtlichen Gebührenfinanzierung unterscheidet. Knapp
50 private Radiosender teilen sich rund 20
Prozent der Hörerinnen und Hörer - Ö3
allein hat hingegen
einen Höreranteil von rund 35% und am
Werbemarkt sogar einen
57% Anteil des gesamten Radiobereiches.
Es gibt aber auch positive
Erscheinungen im dualen System. So lässt
sich
feststellen, je klarer die Positionierung und je stärker das Profil eines Senders ist,
desto eher sind gerade auch kleinere Sender
erfolgreich. So ist z.B. Radio
Stephansdom mit seinem Klassikprogramm in Wien gefragt, genauso wie
Radio
Osttirol, das mit einem lokalem Informationsangebot gute Marktanteile erzielt.
Abgesehen vom nationalen Privatsender KroneHit zeigt sich somit deutlich, dass
eine Spezialisierung, gepaart mit einem
programmlichen Mehrwert von den
Konsumenten honoriert wird.
PrivatTV,
Privatradios und freie Radios kämpfen in Österreich im
Vergleich zu vielen
anderen
europäischen Ländern immer noch mit „Kinderkrankheiten",
punkten aber
partiell mit
klassisch öffentlich-rechtlichem Programminhalten. Mit ATV und Puls4
bestehen
zwei österreichweite Privatsender mit originär österreichischem
Programm,
digital
terrestrisches Lokalfernsehen steht auf Grund der laufenden Mulitplexvergabe
in den Startlöchern und auch freies Fernsehen,
wie beispielsweise Okto, ist in Wien
bereits Realität.
Nationale und internationale
private Rundfunkveranstalter erfüllen
zunehmend
Aufgaben, die der jeweilige Gesetzgeber als
Auftrag für den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk
definiert hat. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Spartenkanäle
sichtbar. Hier
treffen spezialisierte und Zielgruppen fokussierte Programmangebote
von öffentlich-rechtlichen
Sendern einerseits und von Privaten andererseits
aufeinander, die sich oftmals inhaltlich gleichen - die einen werden jedoch vom
Gebührenzahler finanziert, die anderen müssen sich in der Regel durch Werbung
finanzieren.
Es stellt sich daher die Frage, ob
die strenge Grenzziehung zwischen den privaten
Rundfunkangeboten und dem öffentlich-rechtlichen
Sender ORF angesichts der
Programmgestaltung überhaupt noch besteht. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk
bietet mit seinen Sendern ORF1 und Ö3 rein kommerziell orientierte
Angebote, die
sich mit dem gesetzlich definierten Auftrag nur schwer vereinen lassen. Der
Fernsehsender ORF1 präsentiert sich gewissermaßen als
Abspielstation für
überwiegend
aus den USA stammende Serien und Fictionprogramme und bietet mit
nur
5,6% Fernsehpublizistik (vgl RTR GmbH, TV-Programmanalyse -
Fernsehvollprogramme
in Österreich 2007) einen weit geringeren Anteil an
Nachrichtensendungen
wie etwa die deutschen Privatsender RTL (39,6%) oder Sat1
(37,9%). Auch „Hitradio 03"
ist weit vom gesetzlich bestehenden Programmauftrag
(u.a. „angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen
künstlerischen
und kreativen Produktion") entfernt, da z.B. nur 5,4% (AKM-Studie:
ORF
Sendezeitstatistik Hörfunk 2007) der Musik auf diesem
Sender österreichischer
Herkunft ist - ein europaweites Unikum für einen öffentlich-rechtlichen
Sender. Der
europäische Durchschnitt von heimischer Musik im Radio beträgt nach einer
AKM-
Studie 40% - ein Wert
der fast 10mal höher ist als jener bei Ö3. Der Anteil heimischer
Musik verteilt auf alle Radioprogramme des ORF beträgt 14,5% und müsste fast drei
mal so hoch sein, um dem europäischen
Durchschnitt zu entsprechen.
Daraus ziehen
die unterzeichneten Abgeordneten den Schluss, dass eine
ausschließliche Begünstigung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks aus Mitteln des
Programmentgelts nicht mehr gerechtfertigt scheint. Vielmehr sollte sich die
Medienpolitik Gedanken und international gängigen
Modellen öffnen, das
Programmentgelt -
nach Einschätzung der Europäischen Kommission handelt es sich
hierbei um öffentlichen
Beihilfen im Sinne des Gebührenzahlers - optimal in den
Medienstandort Österreich und ein qualitativ hochwertiges und
ausgewogenes
Programm
zu investieren.
Ein überlegenswerter Vorschlag in diesem
Zusammenhang ist eine partielle Vergabe
des öffentlich-rechtlichen
Auftrages ohne ausschließliche Bindung an einen
Rundfunkfunkveranstalter, wie dies bereits in einigen europäischen
Staaten
praktiziert wird (zB
Großbritannien und Schweiz). Aufgrund
festgesetzter Parameter
kann sich jeder Rundfunkveranstalter mit
einzelnen Sendungen bzw
Programmangeboten um einen Anteil aus dem Programmentgeltaufkommen
bewerben. Durch eine breitere Streuung von öffentlichen
Finanzmitteln kann ein
breiteres und
größeres
Programmangebot im Sinne der Allgemeinheit offeriert und
somit höhere Akzeptanz beim Gebührenzahler
erreicht werden. Dieser Lösung wäre
auch gegenüber der Einrichtung einer Medienförderung mit
einem relativ geringen
Fixbetrag der Vorzug zu geben, da dieses Modell auch in anderen EU-Staaten
besteht und die „Gegenleistung" in der Erbringung von öffentlich-rechtlichem
Programm liegt.
Die unterfertigten Abgeordneten
stellen daher an die Bundesministerin für Frauen,
Medien und Regionalpolitik folgende
Anfrage:
1.
Wie beurteilen Sie als zuständige Ressortministerin die duale
Medienlandschaft in
Österreich
nach 10 Jahren Privatradio und 4 Jahren PrivatTV?
2.
Wie beurteilen
Sie die Tatsache, dass der Erwerb von Senderechten sowie die
Ausstrahlung von Programmen für
private Fernsehveranstalter (z.B. US-Serien
wie „CSI" oder „Sex and the City") derzeit auch mit
Programmentgelt finanziert
werden?
3.
Wie in der Einleitung dargelegt, erfüllen gerade
auch die kommerziellen
Privatradios und
Fernsehveranstalter in vielen Themengebieten (z.B.
österreichisches
kreatives Schaffen und Kultur- Puls4 mit dem Amadeus-Award,
lokal-regionale Informationen - Radio Osttirol, Förderung österreichischer
Musik -
ATV mit der Show „Sing and Win") Aufgaben, die gemäß dem
Programmauftrag
des ORF-G dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukommen, aber
von diesem
offenbar nur
unzureichend erfüllt werden. Ist es für Sie vorstellbar, die
Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher
Programmaufträge durch private
Rundfunkveranstalter
durch einen Teil des Programmentgeltes entsprechend
abzugelten?
4.
Wie könnte Ihrer Meinung nach ein derartiges
Vergabesystem der
Programmentgelte
aussehen?
5. Welche Prozentanteile sind für Sie hierbei denkbar?
6.
In absehbarer Zeit wird es - bedingt einerseits durch die abschließende Prüfung
der
EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb und anderseits durch die
erforderliche
Umsetzung der Audiovisuellen Mediendienste Richtlinie - zu einer
Novellierung des ORF-Gesetzes kommen müssen. Viele Teile des
Programmauftrages, wie Kultur, abseits der klassischen Hochkultur,
Volksgruppen oder Bildung, werden derzeit anscheinend nur ungenügend durch
den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk erfüllt. Werden Sie den derzeit nur
unzureichend erfüllten Programmauftrag des ORF in der nächsten
Novelle des
ORF-Gesetzes präzisieren?
7. Wenn Nein, warum nicht?
8.
Werden Sie Maßnahmen setzen, um die Leistungen der privaten
Rundfunkangebote im
Verhältnis zu den ORF-Programmangeboten
in Hinblick
auf den erbrachten öffentlich-rechtlichen
Mehrwert zu evaluieren?
9.
Verfügen Sie über Kenntnisse bzw. Erfahrungen wie
die Vergabe von
Rundfunkgebühren und Programmentgelten - also öffentlichen
Beihilfen - in
anderen europäischen Ländern
praktiziert wird?
10. Wenn ja, wie sind aus der Sicht Ihres Ressorts Ihre Schlussfolgerungen?
11. Wenn nein, warum wurden diese innovativen Konzepte bisher nicht beachtet?
12.
Welche Chancen werden Sie privaten Radios im Zusammenhang mit einer
allfälligen
Digitalisierung der Radiofrequenzen eröffnen?
13.
Selbst nach 10 Jahren Privatradio haben die ORF-Radios nach wie vor
einen
Marktanteil von rund
80%. Wie beurteilen Sie aus der Sicht Ihres Ressorts diese
langsame Entwicklung?
14.
Welche Maßnahmen werden Sie als zuständige Ressortministerin setzen, um die
Entwicklung der dualen Rundfunklandschaft zu
unterstützen?
15.
Der ORF benutzt österreichweit rd. 800 Frequenzen. Sämtlichen
privaten und
freien
Radios, also rd. 50 Privatradios, stehen lediglich 270 Frequenzen zur
Verfügung, also
nur rund ein Drittel der Anzahl der vom ORF belegten
Frequenzen. Sind Sie
der Meinung, dass es sich hierbei um einen gesunden und
fairen Wettbewerb handelt?
16.
Der ORF
unterliegt der Rechtsaufsicht durch den Bundeskommunikationssenat,
dem 5 nebenberufliche Mitglieder angehören. Glauben
Sie, dass der
Bundeskommunikationssenat
strukturell geeignet ist, das Milliardenunternehmen
„ORF"
effizient und umfassend zu kontrollieren?
17. Im Telekommunikationswesen werden jene Betreiber, die eine
marktbeherrschende
Stellung einnehmen oder sich dieser annähern, einer
asymmetrischen
Regulierung und entsprechenden Kontrolle durch die Telekom-
Control-Kommission unterzogen. Wie stehen
Sie zu einer entsprechenden
Regulierungsstrategie für den Rundfunkbereich?
18.
Wie stehen Sie
als zuständige Ressortministerin zu der
Tatsache, dass im
Rundfunkbereich nicht der Monopolist, sondern lediglich jene privaten
Rundfunkveranstalter der Rechtsaufsicht der Medienbehörde KommAustria
unterliegen, die damals neu in den Markt
eintraten?
19.
Laut Aussagen von Vertretern des ORF ziehen die Österreich-Werbefenster
der
Privatsender
deutschen Ursprungs nur einen geringen Wertschöpfungsanteil
in
Österreich
nach sich. Wie beurteilen Sie als zuständige
Ressortministerin diese
Problem?
20.
Wie stehen Sie
als zuständige Ressortministerin zu der
Tatsache, dass der ORF
mit kommerziellem Programm im
internationalen Vergleich hohe
Werbeeinnahmen lukriert, andererseits Privatrundfunkveranstaltern mit öffentlich-
rechtlichem Programmanteilen Mittel aus dem
Programmentgelt verwehrt
bleiben?
21. Wie stehen Sie als zuständige Ressortministerin zur Institution der freien Radios?
22. Wie beurteilen Sie die Leistungen
der freien Radios für eine demokratische
Öffentlichkeit,
insbesondere für die Partizipation und Integration von
gesellschaftlichen
Randgruppen und Minderheiten?
23. Wie in der
Einleitung dargelegt, erfüllen freie Radios in vielen
Themengebieten
(z.B. Kultur,
Volksgruppen, Frauen, Bildung, Konsumenten) Aufgaben, die gemäß
dem
Programmauftrag des ORF-G dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk
zukommen, aber offenbar nur unzureichend erfüllt werden.
Ist es für Sie
vorstellbar, die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen
Programmauftrags durch die
freien Radios im Wege der Finanzierung aus einem Teil des Programmentgelts
abzudecken und einen Teil des Programmentgelts für freie
Radios
zweckzubinden?
24.
Eine wichtige Leistung der freien Radios liegt insbesondere im
Herstellen einer
Öffentlichkeit
für Menschen
mit Migrationshintergrund und deren
Lebenssituationen.
Wie beurteilen Sie die Leistungen der freien Radios in diesem
Bereich im Vergleich zu den Leistungen des ORF?
25.
Während viele freie Radios österreichische
Kunst und Kultur im Programm
thematisieren, finden
Kunst- und Kulturthemen derzeit im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen nur Sonntag früh und Montag
Nacht einen fixen Platz. Sollte
Österreich als
Kulturnation Ihrer Meinung nach kulturelle Inhalte nicht auch
verstärkt im einzigen öffentlich-rechtlichen
Sender positionieren?
26.Aus dem Programmauftrag des ORF ist abzuleiten, dass
dieser verpflichtet ist,
durch seine
Programmgestaltung zur Integration beizutragen. Wie stehen Sie als
zuständige
Ressortministerin der Tatsache gegenüber, dass der ORF für die
vielen in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund
kein
ausreichendes Angebot
zur Verfügung stellt?
27.
Wie stehen Sie zu einer Partizipation jener freien Rundfunkveranstalter
am
Programmentgelt, die
ebenso diese öffentlich-rechtlichen
Programmleistungen
erbringen?
28.
Werden Sie Maßnahmen setzen, um die Leistungen der freien
Radios im
Verhältnis zu den
ORF Programmangeboten zu evaluieren?
29.
Wie stehen Sie
als zuständige Ressortministerin zu einer Förderung freier
Radios?
30. Welcher Betrag ist aus Ihrer Sicht dafür geeignet?