4893/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.07.2008
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Drin Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

 

betreffend geplanter AKW-Ausbau in Tschechien

 

 

Der tschechische Energiekonzern CEZ will seine beiden Atomkraftwerke Temelin und Dukovany ausbauen. Nur eine Woche (04.07.08) nachdem ein Expertenausschuss einen Vorbericht zur Energiepolitik des Landes an die Regierung geliefert hatte, trat die CEZ an das tschechische Umweltministerium mit dem Antrag auf ein Umweltverträglichkeitsverfahren (Environmental Impact Assessment/EIA) zum Ausbau des AKWs Temelin heran. Dabei besteht derzeit ein Moratorium auf den Bau neuer AKWs in Tschechien aufgrund des Drängens der tschechischen Grünen. Das Moratorium wurde von den tschechischen Grünen zur Bedingung für die Zusammenarbeit im Rahmen der Regierung Topolanek gemacht.

 

Zudem bestehen nach wie vor massive Sicherheitsmängel (Problematik der 28,8 m Bühne, Qualifikation der Sicherheitsventile) in den ersten beiden Blöcken des AKWs Temelin. Seit über eineinhalb Jahren (November 2006) ist das Risiko-AKW Temelin in kommerziellem Betrieb, bis dahin hätten alle acht Sicherheitsfragen, die im Melker Abkommen vereinbart wurden, geklärt werden müssen. Die Einführung der interparlamentarischen Kommission zwischen Tschechien und Österreich unter BK Gusenbauer hat nach vier Treffen kaum Fortschritte erzielen können, im Gegenteil, Tschechien hat beim dritten Treffen bekundet, dass es das Melker Abkommen nicht als einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag betrachtet (Österreichische Rechtsgutachten bestätigen jedoch eindeutig, dass es sich um bindende Verträge unter internationalem Recht handelt.). Beim vierten Treffen der Temelinkommission wurde eine Abschlusserklärung präsentiert: Die Kommission konnte nicht einmal Einigung über eine gemeinsame Klärung der Widersprüche durch Einbeziehung von ExpertInnen aus Drittstaaten erreichen. Damit wurde das Hauptziel der Kommission ganz offensichtlich verfehlt. In Zukunft sollen die weiteren Belange im Rahmen eines (unverbindlichen) bilateralen Informationsabkommens erfolgen. Das kommt einer Entsorgung des Melker Abkommens gleich und ist der SPÖ/ÖVP Regierung zu verdanken. Dabei wurde Ende 2006 die rot-schwarze Regierung im Parlament einstimmig dazu aufgefordert, internationale Rechtsschritte gegen Tschechien einzuleiten, da das Melker Abkommen gebrochen ist.

 

Derzeit werden in Tschechien 31 Prozent Atomstrom produziert. In Temelin sind zwei 1.000-Megawatt-Blöcke in Betrieb, während in Dukovany vier 440-Megawatt-Blöcke Energie liefern. Nach Angaben der Tageszeitung „Mlada fronta Dnes“ könnte jeder der geplanten neuen Temelin-Blöcke eine Kapazität von bis zu 1.700 MW haben. Die Kapazitäten des AKWs sollten für umgerechnet rund 5,5 Milliarden Euro um das Zweieinhalbfache erweitert werden, berichten tschechische und slowakische Medien.

 

 

 

Umweltminister Pröll kündigte „eisernen Widerstand“ gegen den vom tschechischen Energiekonzern CEZ angemeldeten Ausbau des AKW Temelin an. Bis jetzt war die österreichische SPÖ/ÖVP Regierungspolitik allerdings durch einen lauwarmen Antiatomkurs geprägt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Welche konkreten Schritte haben Sie bis jetzt unternommen, um den „eisernen Widerstand“ gegen den Ausbau des AKWs Temelin kund zu tun? 

2.      Welche konkreten Schritte haben Sie seit Abschluss der interparlamentarischen Kommission unternommen, um die offenen Sicherheitsfragen beim AKW Temelin zu klären?

3.      Hatten Sie seit Aufnahme der Arbeiten der bilateralen parlamentarischen Temelinkomission Zusammenkünfte mit Ihrem tschechischen Ressortkollegen Dr. Bursik? Wenn ja, wann und mit welchen die Frage der Kernenergienutzung in Tschechien betreffenden Ergebnissen?

4.      Welche energiewissenschaftlichen Aktivitäten, Studien, Workshops, ExpertInnengespräche wurden aus Mitteln des BMLFUW in den vergangenen zwei Jahren finanziell unterstützt, die den energiewissenschaftlichen Dialog zwischen Österreich und Tschechien betrafen? Welche Ergebnisse brachten diese Aktivitäten?

5.      Sind Ihnen die Zwischenergebnisse der Paces-Komission bekannt und wenn ja, seit wann? Erwägen Sie die Beauftragung der Beurteilung der Zwischenergebnisse bzw. der für den Frühherbst angekündigten Endergebnisse, die im Lichte der von CEZ geführten Argumentationslinie bzgl. Temelin 3&4 bzw. Dukovany 5&6 von Relevanz sein werden?


6.      Wie beurteilen Sie die Kraftwerksausbaupläne der Tschechischen Republik vor dem Hintergrund von Leitungsbauprojekten der österreichischen Verbundgesellschaft, die  vornehmlich dazu beitragen sollen, die Importkapazität zu verdoppeln? Lt. einer Anfragebeantwortung des BMWA soll das einschlägige Leitungsbauprojekt zur Verbesserung der Versorgungssicherheit für Wien und Niederösterreich dienen. Findet diese Argumentation, die darauf hinausläuft eine Abhängigkeit der Stromversorgung von Wien und Niederösterreich von tschechischen Kernkraftwerken (vor allem dem KKW Dukovany), ihre sachlich und politisch begründbare Unterstützung?

7.      Die Stromimporte aus Tschechien nach Österreich sind in den vergangenen Jahren bis zur Kapazitätsgrenze der bestehenden Leitungen gestiegen. Die Importkapazität durch das für 2009 vorgesehene Leitungsbauprojekt Dürnrohr – Slavetice/Dukovany soll verdoppelt werden. Mit welchen energiewirtschaftlichen Argumenten wollen Sie den von Ihnen angekündigten „eisernen Widerstand“ begründen?